Stichtagsregelung Einschulung = Zwangseinschulung

  • Hallo, seit langem rege ich mich ganz furchtbar über die Stichtagsregelung einiger Bundesländer auf, inklusive der Ausschließung elterlichen Willens und/oder Einschätzung des Kindes vom Kindergarten/Kinderarzt.


    Insbesondere Berlin mit Stichtag 31.12. ist mir ein absoluter Dorn im Auge. Hinzu kommt, dass Rückstellungen dort ausgeschlossen sind.


    Ich will hier nicht mehr lang erklären, warum es mir als Erstklasslehrerin vor 2 Jahren missfiel, dass so junge Kinder eingeschult wurden. Sie taten mir einfach leid, denn diese Entscheidung kann ihren Lernweg fürs Leben beeinflussen. Alle Gründe, warum ich gegen eine Einschulung mit gerade 6 bin, findet man zuhauf im I-net. Ich konnte sie auch alle bei den "Sommerkindern" beobachten.


    Jetzt geht es mir jedoch bald persönlich an den Kragen, denn meine Tochter soll in 2 Jahren mit gerade 6 (Augustkind) eingeschult werden. Man muss mir jetzt nicht kommen mit, "warte ab, in 2 Jahren kann sie sich entwickeln", es geht mir ums Prinzip. Während sie in Thüringen noch problemlos ein Jahr zur Entfaltung und Kräftigung ihrer Persönlichkeit (Sozial-emotional etc.) hätte, muss! sie in Berlin einfach gehen.


    Das macht mich so traurig, das wollte ich jetzt mal loswerden. Können wir denn gar nichts dagegen tun???? Im Austausch mit erfahrenen Lehrkräften wurde meine Meinung nur bestätigt, auch von Kindergärtnerinnen.

  • Ich verstehe dein Problem nicht, es ist nicht wirklich anders, als früher und es ist ja auch nicht so, dass wenn ihr sagt, sie ist nicht soweit sie damit automatisch in eine "Regelklasse" kommt.


    Wenn SAPH oder JUL dort ordentlich funktioniert, dann ist es auch kein Problem, wenn sie noch nicht soweit ist.

  • Mein Problem? Mein Problem ist, dass die Kinder an SElbstwertgefühl verlieren, in meiner Klasse gab es "Sommerkinder" insbesondere eben Augustkinder, die begonnen haben, ihre Stifte flächendeckend anzubeissen, Fingernägel zu knabbern, sie wirkten entweder abwesen oder haben den 45min Druck und für ihr Alter zu schnellen Fächerwechsel durch große motorische Unruhe bewältigt. Das ist mein Problem. Dies hätte höchstwahrscheinlich vermieden werden können, wenn der Stichtag eben noch wie früher am 30.5. wäre, oder meinetwegen 30.6. ,aber nicht so.


    Gerade wenn du Berlin/Brandenburg arbeitest, müsstest du inzwischen erfahren haben, dass das jahrgangsübergreifende Lernen an Berliner Schulen für viele Lehrer kaum zu bewältigen ist, weil sie mit den 5 jährigen eben Kindergartenkinder mit großem Bewegungsdrang und Unfährigkeit der Zurückstellung eigener Bedürfnisse zum Wohle der Gemeinschaft bekommen haben.

  • Oh doch, ich kann den Frust sehr gut verstehen ... ich habe seit letztem Jahr auch das Vergnügen eine SaPh-Klasse unterrichten zu dürfen und es klappt eben nicht... hängt sicherlich auch stark vom Einzugsgebiet ab, aber auch ich finde viele der Kinder zu jung.... und da hilft auch eine SaPh-Klasse nicht weiter... auch in dieser Klasse befindet sich meist nur eine Lehrperson mit bis zu 25 Kindern, von denen in meinem Fall etliche Kinder Verhaltensstörungen , Lernschwierigkeiten etc. haben, keine Förderstunden (zumindest keine real sattfindenden), keine Sonderpädagogen, nix.... Und diese eine Person soll dann mal eben (neben der doppelten Unterrichtsvorbereitung für zwei Jahrgänge) alle nur erdenklichen Defizite ausgleichen .... wie bitte soll das gehen? Da kann ich differnzieren soviel ich will, die kommen eben doch nicht allein klar sondern brauchen massiv Unterstützung und Anleitung. Und ein Teil der Kinder ist anfangs wirklich noch auf Kindergartenniveau, soll heißen die müssten tatsächlich einen großen Teil des Tages in irgendeiner Ecke Türme bauen können oder Autos schieben, malen, kneten was auch immer, aber das geht dann eben nicht...
    Und natürlich war das früher anders! Klar ist der Stichtag nur ein halbes Jahr verschoben worden, aber die betroffenen Kinder werden dann ein ganzes Jahr früher eingeschult... aber (und das wollte ich vor allem loswerden): man kann sein Kind mittlerweile doch wieder zurückstellen lassen! In dem Punkt wurde wieder zurückgerudert, genauso wie mit der Verpflichtung zur SaPh... (warum wohl?)

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Hallo,


    ...malen, kneten, Türme bauen,...


    dass sind doch solche Dinge, die sich wunderbar im Unterricht einbauen lassen!
    Problem ist, dass wir eine heterogene Gruppe auch wie diese behandeln (lernen) müssen!
    Kinder haben unterschiedliche Ausgagslagen und diese gilt zu erkennen.
    Dann kneten die einen die Buchstaben, während andere sie schon schreiben.


    Zumindest hier haben die Knder zwei Jahre Zeit um die Kompetenzen zu entwickeln, die sie für den Übertritt in Klasse 3 benötigen.


    LG
    Mama Muh

    Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!

    Einmal editiert, zuletzt von Mama Muh ()

  • Zitat

    Original von Mama Muh
    Zumindest hier haben die Knder zwei Jahre Zeit um die Kompetenzen zu entwickeln, die sie für den Übertritt in Klasse 3 benötigen.


    LG
    Mama Muh


    Hier haben sie sogar bis zu 3 Jahren Zeit und ja genau so sehe ich das auch, denn eigentlich soll nicht UNterricht für 2 Gruppen vorbereitet werden, dann bräuchte man das nicht (ich weiß, dass es in der Praxis oft nicht anders geht), sondern für 25 Schüler, egal wie alt und für jeden das richtige.


    Und 45 Minutenblöcke, ganz fürchterlich, lass das mal keinen Grundschulpädagogen hören.

  • Die 45minütige Unterrichtsstunde ist an vielen Schulen noch gang und gäbe.
    Das heißt nicht, dass ich das befürworte. Anderes Thema: 3 Jahre verweilen -> Spitze, für das Selbstwertgefühl. Das Verweilen hätte sich sicher mit einem Jahr länger Kindergarten von selbst aufgegeben.
    Außerdem sind viele der jungen Schüler nicht in der Lage sich zu gegebenen Zeitpunkten ruhig zu verhalten, Gesprächsregeln wie auch Pausenregeln einzuhalten. Daher leiden die wahrhaft schulreifen Schüler und Schülerinnen dann unter der Geräuschkulisse, die sich dadurch ergibt.



    Ich gebe zu, wir arbeiten hier nicht jahrgangsübergreifend,aber von Berlin kam einiges Negatives bezüglich jül. Bin gespannt, wie viele Schulen bei dem tollen Konzept bleiben, wenn es bald freiwillig wird:-).

  • Zitat

    Original von moanakea
    Ich gebe zu, wir arbeiten hier nicht jahrgangsübergreifend,aber von Berlin kam einiges Negatives bezüglich jül. Bin gespannt, wie viele Schulen bei dem tollen Konzept bleiben, wenn es bald freiwillig wird:-).


    JÜL mag ich auch nicht, ich befürworte SAPH und da gibts nichts negatives, denn was meinst du, wie vielen Kindern das mit den 3 Jahren gar nicht auffält usw.
    Aber ohne SAph und JÜL ist das natrüclih Mist!

  • Mamma Muh: da hast du natürlich recht: malen , kneten, Türme bauen lässt sich in den Unterricht einbauen (machen wir auch) aber ich habe immer das Gefühl, es ist zu wenig, die bräuchten viel, viel mehr davon... aber was ist dann mit den Kindern die gleichzeitig schreiben, lesen, rechnen sollen.... ? Die lenkt das massiv ab... dazu sind wir auch räumlich zu beengt. Also stellt sich mir die Frage: Wieso muss das unbedingt in der Schule passieren? Sie haben dort eben nicht mehr die Freiräume , die sie in der Kita noch haben. Allein der Bewegungsdrang. Natürlich mache ich auch mit meinen Kleinen immer wieder Bewegungspausen und wir gehen auch raus, aber in der Kita können sie den halben Tag über den Rasen toben, klettern, buddeln, je nachdem.. und mein Hauptproblem sind noch nicht mal die Lernvoraussetzungen, sondern das Verhalten. Ich finde eben doch, einem Kind, das sich noch schreiend auf den Boden schmeißt und Wutanfälle hat, sobald etwas nicht nach seiner Nase läuft, würde ein weiteres Kita-Jahr gut tun. Genauso wie dem Kind, das den ganzen Tag weint, mich alle 5 Minuten fragt, wann die Mama kommt und am liebsten auf meinem Schoß sitzen würde... usw.
    Und was SaPh angeht: ich finde das Konzept an sich durchaus richtig, aber unter den gegebenen Umständen ist es einfach nicht so umsetzbar, wie es eigentlich gedacht war (ich weiß auch, dass man nicht schlicht zwei separate Unterrichtsplanungen macht, dennoch hat man mindestens die doppelt Menge an Materialien vorzubereiten, tatsächlich mehr, wenn man versucht, den Kindern individuelle Angebote zu machen). So wie es Momentn läuft (zumindest in meinem Umfeld) ist es schlicht eine Zumutung für alle Beteiligten.
    Das ist jetzt aber eigentlich auch ein anderes Thema, zu dem hier auch schon viel geschrieben wurde, deshalb belasse ich es jetzt mal dabei..

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich hatte in meinem letzten Durchgang (Brennpunkt) 7 Kinder, die zum Zeitpunkt der Einschulung noch 5 waren und zwischen September und Mai 6 wurden...die hatten keinerlei Schwierigkeiten (bei einem Schulvormittag von 8-13 Uhr) und gehörten zu den Besten. Gut, der jüngste, der im Mai erst 6 wurde, war schneller müde als die anderen und hat noch bis in die 4. Klasse von seinen Stofftieren erzählt und immer seine Stoffkatze dabei gehabt. Aber er war im Kindergarten und in der Vorschule ganz unglücklich.
    Das war eine ganz tolle Klasse, in der das Arbeiten sehr viel Spaß gemacht hat.
    Es gibt sicher solche und solche Kinder...wie immer...
    LG Rotti

  • Bei uns in BaWü KÖNNEN die Kinder mit 5 eingeschult werden, müssen aber nicht. Die Entscheidung liegt letztendlich bei den Eltern. Der Stichtag für die "Musskinder" liegt beim 30.9. des Jahres.
    Ich hatte schon einige früher eingeschulte Erstklässler. Abgesehen davon, dass sie mir die ersten drei Monate (oft weinend) auf dem Schoß klebten und mir furchtbar leid taten, mussten letztendlich einige sogar das dritte Schuljahr wiederholen.
    Diese Kinder sind meistens vom Kopf her fit, aber es fehlt ihnen meistens an a) Reife im Sozialverhalten
    b) Frustationstoleranzgrenze
    c) sie sind meistens viiiiiel langsamer als die anderen.


    Und das gleichen sie auch nicht wieder aus.


    Ich frage mich immer: Schüler gehen sooooo lange in die Schule, warum müssen manche ehrgeizige Eltern (oder Bildungspolitiker) den Kindern vorne die Zeit zum Reifen wegnehmen und sie auf Teufel komm raus einschulen? Das macht mich immer ärgerlich und traurig. Und ich kenne fast KEIN Kind, dem DAS gut getan hätte!



    Abgesehen davon können hier aber immer noch Kinder zurückgestellt werden, wenn sie trotz Alters nciht schulfähig sind.



    LG Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.


  • meine volle Zustimmung...
    ich sehe es seit Jahren, und ich bin froh, dass mein Sohn Oktoberkind ist und dadurch knapp am Diskussionsstichtag 30.09. vorbei ist. Ich brauchte keine Atteste usw. zu organisiseren ... Er kann einfach jetzt in die Schule kommen mit 6 3/4 und das ist toll, denn jetzt ist er soweit.
    Die meisten Sommerkinder kommen schwer an, sind mit der Selbstorganisation noch lange nicht so weit ... und das sehe ich als das Hauptproblem an. Die Selbstständigkeit fehlt, das Verantwortungsgefühl für die eigenen Sachen usw.
    Also, ich geb der Starterin völlig recht, es würde mich auch wütend machen, erst recht beim eigenen Kind. Zur Zurückstellung in Berlin weiß ich nicht, in Brandenburg geht es und das ist gut so. (weiß ich von mehreren Familien im Umfeld)

  • Zitat

    Original von cubanita1
    Zur Zurückstellung in Berlin weiß ich nicht, in Brandenburg geht es und das ist gut so. (weiß ich von mehreren Familien im Umfeld)


    In Berlin geht es nicht mehr, da werden aber auch alle früher eingeschult, als in Brandenburg (ein halbes Jahr bis ein Jahr früher, Stichtag eben 31.12.) und das ist gut so, denn damit sind auch die Kinder schulpflichtig, die sonst nie eine Einrichtung vorher von innen gesehen haben.

  • Meine Tochter ist ja nun erst 3,5. Sie ist aber ein August-Kind und für mich ist eigentlich völlig klar, dass sie mit 6 eingeschult wird, mit ihren Freunden, die alle 4-6 Monate älter sind.

  • Naja, ihr redet da von Sommerkindern..... stellt euch vor, ich hatte Kinder, die im Laufe des 1. SCHULJAHRES erst 6 wurden !!! *kopfschüttel*..... kognitiv total fit. Alles andere.........
    Gott sei Dank ist das nur ein relativ geringer Prozentsatz.... zur Verteidigung der Eltern : Viele sind hier doch vernünftig und lassen das.


    Aber halt nicht alle.
    Und wenn ich dann die Verfechter der Theorie von Prof Spitzer höre: "Kinder sind zwischen dem 4. - 5 Lebensjahr TOTAL aufnahmefähig.....das ist doch vergeudete Zeit im KiGa usw....." könnte ich PLATZEN.
    Als ob es nur auf das Gehirn drauf ankäme! Ich sage Eltern immer, dass sie doch bitte daran denken mögen, dass sie nicht nur den Kopf ihres Kindes in die Schule schicken. Und Gras wächst ja auch nicht schneller, nur weil man daran zieht!


    Die armen Kinder!


    Im Übrigen ist mein Sohn mit 6 1/2 Jahren eingeschult worden. Er ist gerade in der ersten Klasse.
    Er konnte vorher schon lesen, aber da das ja nicht alles ist...... GOTT SEI DANK hab ich DEN nicht vorher eingeschult. Welch Katastrophe wäre DAS geworden! Und von wegen Langeweile, nur weil er vorher lesen konnte (das Argument vieler Eltern.......)
    Als ob die Schule nur aus Buchstaben bestünde!


    Ach, mit wem red ich da *grins* , liebe Kollegen/Innen..... ihr wisst das ja.


    LG Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • So, ich habe das jetzt noch mal gegoogelt und es ist so, wie ich schon sagte:
    in Berlin können Kinder seit 2009 wieder zurückgestellt werden, allerdings nur auf Antrag der Eltern und es müssen dann auch konkrete Gründe vorliegen, die man dann natürlich auch irgendwie nachweisen muss. (Erst jetzt fällt mir ein, dass tatsächlich auch einer meiner Schüler ein Jahr zurückgestellt wurde, weil er zur Einschulung über so gut wie keine Deutschkenntnisse verfügte, der braucht jetzt übrigends trotzdem noch drei Jahre SaPh...). In dem Jahr bis zur Einschulung muss das Kind dann in einer Kita gefördert werden.
    Wenn ein Kind erstmal in der Schule ist, geht gar nichts mehr. Da kann es noch so katastrophal laufen: wer drin ist, ist drin und kann auch nicht mehr raus.
    Davor war es in der Tat drei Jahre lang gar nicht möglich Kinder zurückstellen zu lassen, das wurde dann aber wieder gelockert. Anscheinend ist dann doch mal jemandem aufgefallen, dass die gleichzeitige Einführung von vier "Reformen" (Einführung der SaPh+frühere Einschulung+keine Rückstellungen+Wegfall der sonderpädagogischen Förderung in der SaPh) ein bisschen viel des Guten war...

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

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