Kind lernt nicht lesen

  • Ich habe in meiner ersten Klasse ein Kind, das mir doch einiges Kopfzerbrechen bereitet: Obwohl der Junge das erste Schuljahr jetzt zum zweiten mal durchläuft, ist er immer noch nicht in der Lage auch nur ansatzweise zu lesen. Er kann einfach keine zwei Laute zusammenziehen.
    Mit dem Schreiben wird es langsam besser, (anfangs hörte er erstaunlicherweise fast nur die Vokale im Wort, mittlerweile wird er auch sicherer mit den Konsonanten) aber beim Lesen tut sich so gar nichts.
    Dass das Schreibenlernen eine Weile gedauert hat, habe ich aber auch mit seinen Ausprache-Problemen in Zusammenhang gesehen. Er ist aber in logopädischer Behandlung und es wird langsam besser.
    Die Laut-Buchstaben-Zuordnung kann er. Nun habe ich den Verdacht, dass er ein außergewöhnlich gutes visuelles Gedächtnis hat: er hat letztens diverse Logico-Karten vor meinen Augen "richtig" gelöst, obwohl er überhaupt nicht verstanden hatte, wie die Aufgabe funktionierte und sich die zugehörigen Bilder nicht mal angesehen hat. Auf meine Frage, wie er das denn gemacht hätte, antwortete er mir freudestrahlend, die Karte hätte er schon mal gemacht. Da er ,wie gesagt, die Aufgabe an sich nicht kann, muss er sich die Lösungsseiten angesehen und die Farbreihen gemerkt haben!!!! (ich war doch etwas fassungslos!)
    Schon sehr seltsam aber nun gut ... er ist auch generell gut darin Strukturen zu erkennen (Mathe macht er mit links) ... jedenfalls bin ich jetzt am Überlegen, wie ich dieses Kind zum Lesen bringe und ob es nicht Methoden gibt, bei denen ihm diese visuelle Merkfähigkeit helfen könnte. Ich dachte da an so was wie Silben lesen (im Sinne von sich deren Aussehen als ganzes merken) und gab es nicht auch mal so etwas wie die Ganzwort-Methode...? Keine Ahnung.. in meiner Ausbildung wurde uns ja nur die Methode "Lesen durch Schreiben" vermittelt, die wir ja nun auch anwenden, aber ich habe immer mehr den Verdacht, dass es gut wäre auch andere Zugänge zu kennen...
    Weiß da jemand was genaueres, hat Erfahrungen, oder kann Literatur empfehlen?
    Und generell: was kann ich tun, um dem Kind klarzumachen, wie man zwei Laute zusammenzieht...?????
    Bin für jeden Hinweis dankbar!

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Vl mit dem Leselernprogramm Lilos Lesewelt?


    Arbeite selbst nicht damit, aber die Kolleginnen. Vl kann jemand mehr dazu sagen?!
    LG

  • Vielleicht habt ihr den Kieler Leseaufbau an der Schule. Der arbeitet ganz viel mit Silben. Silbenteppich und so weiter. Habe selbst aber noch nicht damit gearbeitet.
    Ansonsten hat der Mildenberger Verlag mittlerweile viele gute Materialien mit der Silbenmethode.
    Vielleicht ist da was Hilfreiches dabei.

  • Ich hatte ein Kind mit starken Leseproblemen - ihm hat die Silbenmethode (ABC der Tiere) sehr gut geholfen - allerdings war es auch nciht so massiv wie du es beschreibst. Schau doch mal auf der Seite von denen, vielleicht habt ihr ja auch Ansichtsexemplare (oder könnt euch welche bestellen) - dann könntest du es einfach mal testen.
    (Falls du demnächst auf die didacta kommen solltest: Dort habe ich vom Mildenbergerverlag das komplette Programm kostenlos bekommen zum ABC der Tiere..)

  • ich würde auch sagen, dass die idee mit den silben sehr gut ist. vielleicht versteht das kind dann, was von ihm gewünscht wird, wenn es zwei silben zu einem wort zusammensetzen kann.
    mir fällt da auch der kieler leseaufbau ein oder das intraact plus-konzept. habe aber zu beidem kein material, mit dem ich dir helfen könnte.

  • Du könntest unterstützend mit einer Gebärdensprache arbeiten. Sinnvoll wäre dann, die vom Kieler Leseaufbau zu benutzen.

  • Ich schließe mich an, was den Kieler Leseaufbau anbelangt. Es gehen aber sicher auch andere Lautgebärden. Ich hab damit super Erfahrungen gemacht. Besonders das Zusammenschleifen von Silben wird dadurch enorm unterstützt. Und wenn die Kleinen dann lesen können, legen sie die Gebärden von ganz alleine wieder ab.



    LG Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Oh Danke, so viele Hinweise.... "ABC der Tiere" sagte mir auch schon was, da flog letztens auch mal was durchs Lehrerzimmer... Werde die Kollegin, der es gehörte mal fragen und auch ansonsten auf die Suche nach schulintern vorhandenem Material gehen (bin noch nicht so lange da... und ist ja doch alles recht teuer). Kieler Leseaufbau habe ich gerade mal gegoogelt und das scheint tatsächlich das zu sein, was mir so vorschwebt.Gut finde ich auch, dass es möglich zu sein scheint,auch den Eltern Material an die Hand zu geben, mit dem sie sinnvoll zu Hause üben können. Denn das wäre ja die nächste Frage: wie realisiere ich das im Unterricht? Ich habe für das Kind (und auch für sonst meiner zahlreichen schwachen Schüler) einfach mal 0 (in worten "null") Förderstunden. Zudem eine jahrgangsgemischte Klasse , das heißt ich kämpfe eh schon mit dem Problem, viel zu wenig Zeit zu haben, um mit je einem Teil der Kinder neue Inhalte separat einzuführen. Das heißt ich habe so gut wie keine Möglichkeit diesem Kind Einzelunterricht zu erteilen (o.K. mir fallen schon noch ein paar andere Kinder ein, denen das ganze sicherlich auch gut tun würde und das ein oder andere kann man sicherlich auch mal mit allen machen...). Einzelne Stunden in denen ich mit meiner Kollegin doppelt gesteckt bin, könnte ich sicherlich auch mal für diesen Zweck nutzen, aber nur sehr begrenzt. Das heißt, wenn die Eltern nicht zu Hause üben habe ich keine Chance. Bereit wären sie sicherlich, aber man müsste ihnen dann schon konkretes Material an die Hand geben können... und das Materail müsste so sein, dass das Kind nach entsprechender Einführung auch selbständig damit weiterarbeiten kann. Wäre da immer noch interessiert an Erfahrungsberichten, inwieweit das umsetzbar ist...
    Der Tipp mit den Lautgebärden ist auch gut, hatte ich auch schon mal überlegt (nachdem ich es mal bei einer Kollegin gesehen hatte).

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Aus Erfahrung kann ich nur bestätigen, dass sowohl das konsequente Arbeiten mit der lautlichen Durchgliederung nach Silben als auch der Einsatz von Lautgebärden ein sehr hilfreicher Weg ist. Der Kieler Leseaufbau arbeitet hier sehr konsequent mit zunächst ausschließlich lautgetreuen, einfach aufgebauten Wörtern ohne Schwierigkeiten wie Dopplung, Dehnung u.ä. Als Lautgebärden haben sich bei uns solche aus der Sprachheilarbeit durchgesetzt, die noch hilfreicher sind, weil sie in der Symbolik auf die Art und Weise der Lautbildung abzielen und so das Lesen noch besser unterstützen. Bei Interesse bitte melden!
    Allerdings legt deine Beschreibung der Schwierigkeiten die Vermutung nahe, dass es sich hier um eine sehr massive Störung des Leselernprozesses handelt, deren Ursachen genauer untersucht werden müssten. Eine gezielte Einzel- oder Kleinstgruppenförderung wird vermutlich die einzig erfolgversprechende Möglichkeit sein, diesem Kind zu helfen. Gibt es in Berlin Leseklassen o.ä. Einrichtungen? Oft wirken solche Kurse wahre Wunder.

    Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt. (Joachim Ringelnatz)

  • Leseklasse oder ähnliches gibt es leider nicht und Förderung in Einzel- oder Kleinstgruppe ist auch nicht drin... soll ja alles die jahrgangsgemischte SaPh mittel Individualisierung und Differenzierung ausgleichen.... die einzige Möglichkeit ist, ihn auf LRS zu testen , dann könnte er an einer Lernkur teilnehmen. Wäre dann aber erst nächstes Jahr einzuleiten. Und solange er noch gar nicht liest ist es mit der Testung wahrscheinlich auch schwierig.... interessant in dem Fall ist allerdings, dass seine Geschwister ähnliche Probleme hatten und sich dies dann doch noch gegeben hat, daher ist die Mutter auch noch erstaunlich entspannt. Auch die Überlegung einen Förderantrag zu stellen(Schwerpunkt Sprache) hat sie zunächst abgelehnt, weil sie schon mal erlebt hat, dass eines ihrer Kinder trotz Integrationsstatus keinerlei Förderung erhalten hat ... leider musste ich ihr da Recht geben... die bewilligten Stunden sind nicht mehr Personengebunden und verpuffen irgendwo (Vertretungsstunden...). Und selbst wenn mal jemand in den Unterricht kommt, ist das kein Fachmensch. Wir haben hier einfach weit und breit keinen Sonderpädogen, den man wenigstens mal um Rat fragen könnte. Ich weiß nicht... das ist echt ein Thema über das ich mich endlos aufregen könnte.... ich bin ja jetzt erst das zweite Jahr im Job und das ist wirklich der Bereich, der mich am meisten umgehauen hat als ich angefangen habe: massenweise Kinder mit massiven Störungen und man ist allein auf weiter Flur... aber ich schweife ab (wie gesagt: Reizthema) .
    Was diese Kind angeht bin ich mit der Mutter so verblieben, dass wir ihm diese Halbjahr noch Zeit geben und dann nochmal nachdenken... er wird so und so noch ein drittes Jahr in der Saph bleiben. Man muss dazu auch wissen, dass ds Kind auch extrem viele Fehlzeiten hat (was vorher nicht in der Kita und nimmt jetzt sämtliche Infektionen mit, die er erwischen kann), so dass er insgesamt gesehen eben doch noch keine anderthalb Jahre Unterricht hatte... ach ja, an den Lautgebärden wäre ich in der Tat interessiert. Wie machen wir das ?(habe hier in dem Forum noch kein Material ausgetauscht). Danke schon mal , icke

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Hallo icke, sieh mal in deine PN

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