Lehrer, der neue alte Sündenbock?

  • Hallo zusammen,


    Warum sind die Lehrer eigentlich so gerne die Zielscheibe von Verunglimpfung, Spott und Hohn? Oder Mitleid(, macht es aber nicht besser). Ich bin nun bald fertig mit dem Studium, und immer wenn ich bei Bekannten erwähne das ich Lehrer werde, bekomme ich an den Kopf geworfen wie über-bezahlt und faul wir doch sind. Und keine richtigen Pädagogen, und sowieso am Abbau der Bildung schuld. Ich solle doch in die Wirtschaft gehen! (Habe die endlosen Diskussionen langsam satt, ich sage oft nur noch "Ja, wie intuitiv von dir.")


    Aber nicht nur im mittelbaren Umfeld wird das so gesehen, die Politik und Presse sieht es doch so ähnlich (Wobei das in den öffentlichen mit ganz guten Reportagen langsam besser wird, auch wenn es dort übertrieben dystopisch dargestellt wird, gerade im Bereich Hauptschule/ Sonderschule). Von Foren wie SPON oder Stern.de mag ich schon gar-nicht mehr reden, da wird man einfach nur noch depressiv.


    So, nach der langen Einleitung nun meine Frage;) Warum ist das denn so? Glaubt ihr das wird sich ändern? Und wie geht ihr damit um? Mich selbst macht das schon ein wenig lethargisch, nimmt mir Lust am Beruf, bringt mich zum zweifeln. Warum so den Arsch aufreissen, wenn man dafür noch so verbal angespuckt wird.


    Mfg,
    jungspund

    Der kürzeste Mathematikerwitz: Sei epsilon < 0

  • Wier prauchen keine lerer, wier sind schon selper schlau. :D
    Leider steckt in diesem Satz viel Wahrheit, unsere Wohlstandsgesellschaft hat Bildung nicht mehr nötig. Derjenige, der intrinsisch motiviert ist, wird seinen Weg machen, dem es an Motivation fehlt und diese Gruppe nimmt zu, dem kann man unter den heutigen Bedingungen keinen Druck sich anzustrengen mehr machen. Da ist das Elternhaus gefragt und die Eltern haben ihre eigenen Probleme oder immer öfter es nicht mehr nötig. Ein altes Sprichwort sagt: "Die erste Generation baut auf, die zweite erhält´s und die dritte reisst alles mit dem A.... wieder ein." Wenn ich heute mit dem Fernseher, mit der Playstation aufwachsen würde, mich heute für meine Wünsche nicht mehr anstrengen müsste, wäre ich vielleicht auch ein nichtsnutziges, faules, dummes und nicht belastbares Kind. Wobei die vorgenannten Begriffe gar nicht im Zusammenhang mit Kindern gebraucht werden dürfen. Korrekt muss es heißen: Unsere lebensfrohe und goldene Zukunft, guck mal, Kevin iss schon im siebenten Level, so ein Talent! :D Natürlich stellt sich dem Anfänger immer die Frage: Soll ich weitermachen? Auch auf die Gefahr hin, dass sich wieder die Schönredner zu Wort melden... Mein Rat: Sollte sich irgendeine lukrative Gelegenheit ergeben, in der Wirtschaft oder der Wissenschaft einzusteigen, nutze diese. Lehrer kann man immer noch werden, gerade mit deinen Fächern.


    Tesla

  • Sündenbock ist das richtige Stichwort. Es wird wohl aus Gründen der Psychohygiene immer jemand oder eine Gruppe gesucht, der man die Schuld für das eigene oder das gesellschaftliche Versagen geben kann.


    Warum aber Lehrkräfte und keine andere Gruppe? Meiner Meinung nach gibt es dafür mehrere Gründe:


    - Die Gruppe muss groß genug sein, um gesellschaftlich wahrnehmbar zu sein (ca. 800.000 Lehrkräfte)


    - Jeder muss mit dieser Gruppe Erfahrungen gemacht haben (allgemeine Schulpflicht)


    - Sie muss ideologisch von der Gesellschafts-Mehrheit in eine bestimmte Ecke gestellt werden können (Lehrer = "links, 68er-Ideologie", insbesondere, da sie alle "von Staatsgeldern leben")


    - Sie muss wirtschaftlich eine Sonderrolle einnehmen, d.h. außerhalb des "kapitalistischen" Produktionsprozesses stehen (die Erziehung und Ausbildung von Heranwachsenden ist in unserem Wirtschaftssystem nur über die Kosten darstellbar; ein (noch) nicht Erwerbstätiger hat in diesem System keinen in Euro bezifferbaren "Wert")


    - Die Gruppe muss leicht mit offensichtlichen/vermeintlichen Problemen in Zusammenhang gebracht werden können (Staatsfinanzen (Lehrer="überbezahlt"), mangelnde Ausbildungsfähgkeit / schlechte Erziehung vieler Jugendlicher (wer ist Schuld? Klar!), mangelnde Sprachkenntnisse vieler Zugewanderter (Deutsch lernt man doch in der Schule, oder?), Zunahme von Gewalt, Rechtsextremismus, Fettleibigkeit (Wo hat da wohl die Erziehung versagt? Genau!),...)


    - Konnotation mit anderen von der Bevölkerungsmehrheit negativ besetzten Begriffen ("Beamte = Viel Geld für wenig Arbeit")


    - Verhalten der Meinungsführer in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien (Stichworte: "Faule Säcke", "Ungeeignet", "Schlechteste Abiturienten werden Lehrer", "Lehrer jammern", ...)


    - Und ganz wichtig: Das "Opfer"/der Sündenbock darf sich nicht wehren (können): Einerseits durch das Beamtengesetz (Streikverbot, kippt aber evt. dank EU), andererseits durch Einstellungen innerhalb der Lehrerschaft selbst ("Wenn wir uns wehren, leiden die Kinder. Die können doch nichts dafür"). Dazu kommt die Entwicklung hin zum durch die Ehepartner subventionierten Teilzeitjob (Stundenreduzierungen nehmen massiv zu), was das Interesse an Verbesserung der Arbeitsbedingungen /des gesellschaftlichen Ansehens reduziert.


    Zitat

    Original von TeslaMein Rat: Sollte sich irgendeine lukrative Gelegenheit ergeben, in der Wirtschaft oder der Wissenschaft einzusteigen, nutze diese. Lehrer kann man immer noch werden, gerade mit deinen Fächern.


    Muss man leider heutzutage so sehen!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

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