Ist das wirklich normal?

  • Ich wollte einfach mal eure Meinung hören, ob ich eine falsche Berufsvorstellung habe?


    OK- mein Problem:
    Ich bin in einer Realschulklasse Klassenleiterin. Die Klasse hat 28 Schüler.
    Seit der 7. Klasse bin ich in der Klasse. Seit Beginn der 8. Klasse sind jede Menge neuer Schüler hinzu gekommen und nun stehe ich jeden Tag allein vor folgenden Situationen:


    7Elternhäuser würde ich als "normal"- den Schüler förderlich einordnen.
    Bei den anderen Elternhäusern gibt es solche Probleme, wie psychische Erkrankungen eines Elternteiles, Alkoholsucht, Spielsucht, Suizid eines Elternteiles..., aber auch das Hin- und Herschicken von Schülern zwischen den getrennt lebenden Elternteilen (mit allen gegenseitigen Anschuldigungen- vor mir)
    3Schüler haben eine ADHS, davon ein Schüler hochgradig.


    Von meinen Schülern sind zwei immer mal wieder in der KJP- in der geschlossenen Abteilung- wegen des Verhaltens. Ein S bekommt dauerhaft Medikamente dh immer wenn die Schüler in der Psychatrie sind werden Besuche - SHK -fällig.
    5 meiner Schüler sind in psychatrischer Behandlung. Für die Psychologen werden häufig Einschätzungen meinerseits fällig.
    4Schüler haben einen Einzelfallhelfer. Mit denen muss ein ständiger- häufig wöchentlicher Austausch statt finden.
    Zwei Schüler haben ein Suchtproblem.


    Ich habe 5Wiederholer in der Klasse, von denen zwei häufig Schwänzen.


    Dann gibt es noch die übliche Elternarbeit- tägliche Anrufe, Elterngespräche... und natürlich auch noch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt.


    Noch mal es ist eine normale Schule, eine normale Realschulklasse- jedenfalls auf dem Papier.


    Sind solche Klassenzusammensetzungen normal?
    Kann man das ALLES als alleiniger Verantwortlicher überhaupt händeln. Ich komme mir eher vor, als ob ich gegen Windmühlen laufe. Ich komme mir vor wie Mamma, Papa, Sozialarbeiter..., aber nicht wie ein Lehrer, der den Schülern Wissen bei bringen soll.


    In der 7. Klasse hatte ich geanau 3Monate eine Co- Klassenlehrerin. Diese ist jedoch dauerhaft erkrankt- seit über einem Jahr und es gibt Keinen, der mit mir die Klasse übernehmen kann.


    Bin ich zu wehleidig?


    PS: da ich mich überfordert fühle und dies auch meiner Direktorin sagte, kam dann der Spruch von ihr- das ist eine ganz normale Klassensituation.


    VG skydep

  • Also, ich finde das nicht "normal", aber ich fürchte, dass es aufgrund der zunehmenden sozial-gesellschaftlichen Probleme auch zunehmend solche Klassen geben wird... Damit ist Dir nun leider gar nicht geholfen, aber ehrlich gesagt bin ich allein vom Lesen schon überfordert mit der Situation.


    Halte durch!

  • Das klingt ja schlimm!!! Ich finde das nicht normal!
    Ich bin auch an einer "Brennpunktrealschule", aber das äußert sich darin, dass 80% türkische Nationalität haben und es da öfter Ärger gibt.
    Aber bei deiner Klassensituation kann ich mir keinen
    vernünftigen Unterricht vorstellen, noch dazu in so einer großen Klasse.
    Wie sieht es denn bei den Parallelklassen aus?
    Ist es da auch so extrem?
    Sonst könnte da ja vielleicht ein Klassenwechsel stattfinden für einzelne Schüler.

  • Oh jeh... das klingt übel... aber um herauszufinden ob das "normal" ist (das ist ja letztlich eh relativ) denke ich auch, es wäre am naheliegensten, das mal mit den Kollegen abzugleichen. Und so wie du es auflistest, ist es ja sehr greifbar (also nicht nur einfach ein subjektives "meine Schüler sind schwierig"). Die Frage ist nur, was man tut, wenn sich herausstellt, dass es bei allen anderen ähnlich aussieht. Zumindest könnte man aber dann mal gemeinsam überlegen... und nein, ich finde nicht, dass du zu wehleidig bist oder falsche Berufsvorstellungen hast. Du hast primär gelernt zu unterrichten und du bist weder Psychologe noch Sozialarbeiter noch Sonderpädagoge...
    Unter diesen Bedingungen noch sinnvoll zu unterrichten ist nicht zu schaffen... und auch die zusätzliche Arbeitsbelastung außerhalb der Unterrichtszeit scheint absolut nicht mehr im Rahmen zu sein.
    Wenn sich hier überhaupt jemand Gedanken machen sollte, ob er eine angemessene Vorstellung von seinem Job hat, ist das deine Schulleitung.


    Ach so: ich arbeite auch an einer "Brennpunktschule" (allerdings Grundschule) und fühle mich da auch oft schon überfordert, aber wenn ich das mit deiner Klassensituation vergleiche kommt es mir fast schon "harmlos" vor (was es aber definitv nicht ist!)


    ich wünsche dir viel Kraft
    LG icke

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Normal ist das so gesehen nicht, aber es wird wohl früher oder später auf solche Konstellationen hinlaufen.


    Ich frage mich, wie unter solchen Vorausstetzungen noch "normaler" Unterricht stattfinden kann.


    Ich bin an einer Brennpunkt-Grundschule und kann ebenfalls ein Lied davon singen - von dem, was du schilderst kommt mir vieles sehr sehr bekannt vor.


    Die Frage nach der Parallelklasse (s.o.) hätte ich jetzt auch als nächstes gestellt. Gibt es da nicht irgendwie die Möglichkeit, das ganze etwas zu entzerren oder erträglicher zu machen?

  • Hallo!


    Normal ist das sicher nicht, aber ich habe auch so eine Klasse.... zum Glück bin ich da nicht Klassenlehrerin!


    Aber in "meiner" Klasse (auch eine R) ist eine Schülerin seit September in der Psychatrie, drei sind Wiederholer - die nix dazu gelernt haben! - ein hochbegabter Junge (IQ 139) mit EXTREMER Verhaltensauffälligkeit, zwei "normale" ADHSler, dazu ständiger Wechsel (ein Schüler geht wegen Umzugs, dafür kommen dann zwei Neue...) usw. Vom Mobbing ganz zu schweigen! Da weiß man manchmal auch nicht, wo einem der Kopf steht!


    Normal ist das nicht, aber es scheint immer mehr solcher Klassen zu geben :(


    Grüße
    Miriam

  • Erst mal Danke für eure Antworten.


    Zu der Parallelklasse- an unserer Schule gibt es nur noch eine Parallelklasse, aber diese ist eine Hauptschulklasse und eine Verseztung in eine andere Klasse ist nur mit gleichem Bildungsweg möglich (obwohl viele Schüler dort vom Niveau besser aufgehoben wären). Allels schon versucht.


    Wenn dies wirklich der Trend ist wohin die Schullsituation in Brennpunktschulen hin tendiert, also das dies wirklich Normalität wird- was soll das werden. Die Klassen hier in Berlin können bis 32 Schüler aufgestockt werden. Bei den Problemen- da wird es irgendwann mal einen mächtigen Knall geben. Bei den Lehrern, die nicht mehr können- und auch bei den Schülern.


    Ich schaue mit GRAUEN in die Zukunft.


    VG skydep

  • Als normal empfinde ich das nicht. Und wenn da keine Unterstützung vom Kollegium bzw. der Schulleitung kommt würde ich mir ersthaft überlegen die Schule zu wechseln.
    Das liest sich jetzt vielleicht wie "vor Problemen weglaufen", aber du deine Gesundheit dranhängst, dann doch lieber 'ne andere Schule, evtl. im ländlichen Raum.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Wobei das Vorurteil "in ländlichen Regionen ist es nicht so schlimm" auch nicht mehr immer stimmt, leider.


    Aber ok, insgesamt gesehen mag das schon sein, es gibt teilweise so idyllische ländliche Schulen, zumindest im Grundschulbereich, das ist einfach Erholung pur. ;) Manchmal wünsche ich mir auch, ich wäre nochmal dort...

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