Verwaltungsgericht: Verbeamtete Lehrer dürfen streiken

  • Heute in der Presse:


    Das Verwaltungsgericht Düsseldorf billigt verbeamteten Lehrern ein Streikrecht zu, da Lehrer nicht zur "Kernbeamtenschaft" zählen


    http://www.rp-online.de/politi…er-Beamte_aid_942826.html


    Zitat


    Lehrer dürfen trotz des allgemeinen Streikverbots für Beamte ohne disziplinarische Konsequenzen an einem Arbeitskampf teilnehmen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hob am Mittwoch eine Disziplinarverfügung der Bezirksregierung Köln gegen eine beamtete Lehrerin auf, die wegen ihrer Beteiligung an drei Warnstreiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Geldbuße von 1500 Euro zahlen sollte. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits ließ die Kammer aber die Berufung gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht in Münster zu. (Az. 31 K 3904/10.O)


    http://www.jungewelt.de/2010/12-16/062.php



    mal schaun' wie sich das entwickelt. Vielleicht kehrt auch in Deutschland europäische Normalität ein.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Und falls das OVerwG das Urteil kassieren sollte, die Kollegin (und die GEW?) sollten dies über das BVerwG bis notfalls zum EuGH durchfechten.


    Ich drücke der Kollegin beide Daumen.


    Und wegen des Prozesskostenrisikos: Falls die Kollegin hier mit liest (oder Personen aus dem näheren Umfeld): Ein Unterstützungskonto wäre eine sinnvolle Sache.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Original von Mikael
    Und wegen des Prozesskostenrisikos: Falls die Kollegin hier mit liest (oder Personen aus dem näheren Umfeld): Ein Unterstützungskonto wäre eine sinnvolle Sache.


    Sie hat doch aber eine Rechtschutzversicherung ;)
    ALS GEW-Mitglied ist die im Mitgliedsbeitrag enthalten.

  • Zitat

    Original von Susannea
    Sie hat doch aber eine Rechtschutzversicherung ;)
    ALS GEW-Mitglied ist die im Mitgliedsbeitrag enthalten.


    Aber ob die Versicherung den Prozess finanziert, wird natürlich vorher "geprüft" (Erfolgsaussichten). Und da kann so ein Hinterzimmer-Jurist schnell auf die Idee kommen "Wieso? Beamte dürfen doch nicht streiken. Habe ich so im 1. Semester gelernt.". Es heißt ja nicht umsonst: "Zwei Juristen, drei Meinungen. Ein schlechter Jurist: Keine (eigene) Meinung."


    Wenn die Kollegin "privat" finanzieren muss: Ich würde spenden!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen


  • Naja, aber hätte sie dann nicht evtl. schon die erste INstanz ausgelassen ;)

  • Zitat

    Original von Susannea
    Naja, aber hätte sie dann nicht evtl. schon die erste INstanz ausgelassen ;)


    Das Prozesskostenrisiko steigt mit der "Höhe" der Instanz. Das weiß natürlich auch unsere Hinterzimmerjurist. Außerdem darf man den Druck der Bildungsverwaltung (Kultusministerien) auf die Verbände in solchen Fragen nicht unterschätzen. Die haben sicherlich kein Interesse, dass so etwas vor den EuGH kommt.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • 1. Woher beziehst du dein "Wissen", bzw. woher nimmst du das Recht, für die GEW tätige Juristen mit "Hinterhofjuristen" zu bezeichnen?


    2. Das Streikrecht für Beamte zählt schon so lange ich denken kann zu den Forderungen der GEW. Nun hat sie mit der Kollegin einen Prozess erfolgreich begleitet. Und nun hat sie "sicherlich kein Interesse", dass dieses Urteil auch höherinstanzlich bestätigt wird?

  • Zitat

    Original von rudolf49
    1. Woher beziehst du dein "Wissen", bzw. woher nimmst du das Recht, für die GEW tätige Juristen mit "Hinterhofjuristen" zu bezeichnen?


    Wo habe ich explizit von GEW-Juristen geredet?


    Aber da wir schon bei der GEW sind: Aus den GEW-Niedersachsen-Richtlinien zum Rechtschutz http://www.gew-nds.de/Rechtssc…htlinien_rechtsschutz.pdf geht hervor:
    - Der Rechtsschutz ist eine freiwillige Leistung der GEW (Punkt 2.1), d.h. das Mitglied hat keinen Anspruch darauf.
    - Ob Rechtsschutz gewährt wird, liegt im Ermessen der GEW-Rechtsschutzstelle (folgt aus Punkt 2.3.6)
    - Die GEW kann auch mit externen Juristen arbeiten (folgt z.B. aus Punkt 3.1: "durch von der GEW-Rechtsschutzstelle benannte Prozessvertreter" oder Punkt3.2: "durch deren Beauftragte")


    Es sind also nicht immer GEW-Juristen (ist das ein Gütesiegel???) und die Gewährung des Rechtsschutzes ist keinesfalls sicher.


    Zitat

    2. Das Streikrecht für Beamte zählt schon so lange ich denken kann zu den Forderungen der GEW. Nun hat sie mit der Kollegin einen Prozess erfolgreich begleitet. Und nun hat sie "sicherlich kein Interesse", dass dieses Urteil auch höherinstanzlich bestätigt wird?


    Die Schulverwaltung, nicht die GEW...

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Nachdem die Kollegin das Amt einer "Stellvertretenden Landesvorsitzenden der GEW" inne hat, müssen wir uns über ihren Rechtsschutzanspruch wohl keine Gedanken machen. :D Die GEW zieht diesen Musterprozess durch. Bis zum EuGH, falls das sein muss.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll


  • Das sind Klauseln, die du in jeder Rechtschutzversicherung findest. Damit kann man unsinnige Streithammelprozesse vermeiden, die von vornherein aussichtslos sind. Und dass die GEW sich die kompetentesten Juristen aussucht, darf man ihr wohl nicht zum Vorwurf machen ;)

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Zitat

    Das Verwaltungsgericht Düsseldorf billigt verbeamteten Lehrern ein Streikrecht zu, da Lehrer nicht zur "Kernbeamtenschaft" zählen



    Hm, eine Frage die sich mir nun stellt: Was spricht noch dafür, dass Lehrer Beamte sein müssen/sind?


    Ich dachte immer u.a. wegen dem Grund des Streiks und somit verbundenen Unterrichtsausfallsn (besonders heiß vor Prüfungsphasen) wird man verbeamtet als Lehrer.



    Was denkt ihr dazu?

  • Das ist/war sicherlich ein Faktor - und wenn das Streikverbot weg fällt, wird diese Diskussion sicher wieder geführt ... weitere Faktoren für den Beamtenstatus sind für mich:


    - in vielen Fällen sind Lehrer als Beamte nicht teurer, sondern ggf. billiger als Angestellte (wie das aber dann plötzlich wird, wenn sie streiken dürfen, weiß ich nicht)


    - es ist schwieriger, auf einen verbeamteten Lehrer Druck auszuüben (bzgl. Notenvergabe)


    - erhöht die Attraktivität des Berufs und sorgt dafür, dass der "Nachwuchs" dieses Berufs nicht ganz weg bricht.

  • Pragmatische Gründe mag es dafür geben, siehe Nighthawk; technisch gibt es keine. Das bisschen "hoheitliche Aufgabe", das wir erfüllen (Zugang zur Hochschule etc), erfüllen die tatsächlich vorhandenen nicht-verbeamteten Kollegen ja ebenso.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • " Hm, eine Frage die sich mir nun stellt: Was spricht noch dafür, dass Lehrer Beamte sein müssen/sind? "


    Entschuldigt bitte, dass ich jetzt doch etwas weiter ausholen muss.


    Kant fordert folgendes von uns: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
    Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.


    Also, warum sollen Lehrer in der Mehrheit Beamte sein? ... Warum hat der Staat daran ein Interesse? Was ist überhaupt das Interesse eines Staates? Welche Funktion hat das Bildungssystem aus der Sicht des Staates?
    Beamte sind ihrem Dienstherrn zu Loyalität verpflichtet, sie müssen die Weisungen ausführen, auch wenn sie gegen den Stand der Wissenschaft oder gegen den Menschenverstand sind. Ein solcher Personenkreis sichert das Funktionieren und letztlich den Machterhalt des Staates. Lehrer sind Multiplikatoren, über sie kann die jungen Generation, die viel beeinflussbarer ist, im Sinne des Staates erzogen werden.
    Ich bitte, mich nicht misszuverstehen, aber mich wundert ein wenig die Naivität in der Diskussion.


    Mit freundlichem Gruß


    Herrmann ( Beamter )

  • Auf der einen Seite Naivität - auf der anderen Verfolgungswahn?


    Glaubst Du ernsthaft, ein leicht kündbarer Angestellter würde sich eher trauen, sich den Weisungen des Staates zu widersetzen?


    Grundsätzlich gilt für Beamte eine besondere Loyalitätspflicht (allerdings auch umgekehrt für den Dienstherrn - das wird immer gern, auch vom Dienstherrn, vergessen).


    Aber: Gerade meine vergleichsweise sichere Position als Beamter ermöglicht mir, Weisungen, die "gegen den Stand der Wissenschaft (hab ich noch keine erlebt) oder gegen den Menschenverstand sind (ok, da gab's einige)" großzügig auszulegen.


    Und: wer hier versucht, mit monokausalen Erklärungen (Funktion des Bildungssystems ist Erziehung im Sinne des Staates) "Klarheit" zu schaffen kann sich auch nicht gerade vom Vorwurf der Naivität frei sprechen.


    Wie groß ist denn der Einfluss von Lehrern auf die Schüler tatsächlich noch? Jammern wir nicht eigentlich ständig, dass Fernsehen, Peer group etc. die Schüler prägen und wir gar nicht mehr durchdringen zu ihnen? Falls Deine These stimmt, wäre das ein weiterer Grund, das Beamtentum abzuschaffen, denn es erfüllt die vom Staat (von Dir dem Staat unterstellte) Aufgabe nicht mehr.


    Vor drei Generationen hätte ich ja noch verstanden, woher Deine These kommt ... aber heute?


    Sind Länder, in denen die Lehrer nicht Beamte sind also ... freiheitlicher ... mit weniger Gehirnwäsche in der Erziehung?


    Sind Lehrer in den USA Beamte, wo in manchen Schulen Darwin nicht gelehrt wird?
    In Italien (weiß ich jetzt wirklich nicht)?
    In China ... Nordkorea ... Kuba?


    Warum werden in vielen deutschen Ländern Lehrer nicht mehr verbeamtet (oder nur ein Teil)?

  • Ich sag's einmal ganz klar: Ohne Beamtenstatus wäre ich nicht Lehrer geworden. Das Gehalt lockt einen heutzutage sicher nicht mehr in den Lehrerberuf.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Hallo Nighthawk,


    nein, ich fühle mich nicht verfolgt. :D Sie sind doch Geschichtslehrer, da können Sie meine Argumentation sicher mit Beispielen aus der Vergangenheit gut belegen. In Deutschland ist zur Bindung an den Staat eben das Beamtentum tradiert. In anderen Ländern nutzt man andere Möglichkeiten, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Siehe den Umgang mit den spanischen Fluglotsen. Ein Beispiel für eine Aufforderung gegen den Stand der Wissenschaft zu handeln ist das Projekt " Malen gegen den Klimawandel" aus NRW ( September 2009 ). In der Wissenschaft ist das Thema Klimawandel und seine Ursachen umstritten, es befindet sich in der wissenschaftlichen Diskussion, ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Sicher die Politik stellt es anders dar...
    Für alles andere antworte ich ihnen mit Einstein: “Immer weigere ich mich, irgend etwas deswegen für wahr zuhalten, weil Sachverständige es lehren, oder auch, weil alle es annehmen. Jede Erkenntnis muß ich mir selbst erarbeiten. Alles muß ich neu durchdenken, von Grund auf, ohne Vorurteile.”


    So jetzt gehe ich aber mal durch den schönen Winterwald spazieren, den es wegen des Waldsterbens eigentlich nicht mehr geben sollte... :D


    Mit freundlichem Gruß


    Herrmann

    Einmal editiert, zuletzt von Herrmann ()

  • Ich sehe wenig Gründe, das Urteil zu feiern. Wenn die Beamten Streikrecht haben, ist dies ein weiterer Grund, das Beamtentum abzuschaffen. Diese Abschaffung wird faktisch mit massiven Gehaltskürzungen und weiteren Nachteilen verbunden sein. Die Vorstellung, man werde sich gute Arbeitsbedingungen "erstreiken" bzw. der Lehrernachwuchs werde sonst wegbrechen, scheint mir wenig realitätsnah. Dafür gibt es zuviele Leute, die Lehrer sein wollen, und zwar zu nahezu jedem Gehalt (wie die östlichen Bundesländer zeigen).


    Natürlich kann man der Meinung sein, Lehrer sollten nicht Beamte sein. Es scheint mir aber etwas skurril, das Beamtentum zu verteidigen UND sich über Streikrecht für Lehrer zu freuen. Ganz im Gegenteil ist dieses Urteil ein weiterer Sargnagel für die Idee des verbeamteten Lehrers.


    Zitat

    In der Wissenschaft ist das Thema Klimawandel und seine Ursachen umstritten, es befindet sich in der wissenschaftlichen Diskussion, ein Ergebnis liegt noch nicht vor.


    Das musste ja kommen.

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