Hallo,
einer meiner schlimmsten Schüler (sowohl fachlich als auch von seiner Sozialkompetenz her) möchte für ein Jahr ins Ausland. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm keine Steine in den Weg legen möchte und er sich doch bitte an andere Lehrer wenden soll, da ich ihm kein positives Empfehlunggschreiben schreiben kann. Ich musste mich schon bei seinem Bruder möchtig anstrengen, um irgendwelche positiven Aspekte zu finden bei ihm gehts gar nicht...
Bei diesem Schüler kann ich bei "maturity, responsibility, honesty, ability to adapt" usw überall nur eine 4 (poor) geben. Man kann ihn keiner Gastfamilie zumuten, er ist einfach nur furchtbar und sein Vater genauso, mit dem kommuniziere ich nur noch über den Schulleiter. Jedenfalls, der Schüler hat bei der Organisation angerufen und angeblich führt kein Weg dran vorbei: ich als Klassen und Englischlehrerin muss das nun schreiben. Ich will es aber nicht, ich KANN ihm keine bessere Note als 4 geben zumal eine Ordnungskonferenz bevorsteht und sein Vater womöglich eine bessere Note als Anlass nehmen würde, dass sein Sohn doch gar nicht so schlimm ist. Nun meine Frage, bin ich irgendwie dienstlich verpflichtet so ein Gutachten zu schreiben?
Vielen Dank
MUSS ich ein Gutachten (für ein Auslandsjahr) schreiben?
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Mag sein, dass du dazu verpflichtet werden kannst, so e n Gutaschten zu schreiben, aber m.E. kann dich niemand verpflichten, ein unrealistisches Gutachten zu schreiben.
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ob du MUSST, kann ich dir auch nicht sagen.
aber du SOLLTEST den aufnehmenden eltern, schulen, der organisation gegenüber ehrlich sein - auch wenn der vater dann in die luft geht. lass' das gutachten auf jeden fall vorher von der schulleitung lesen und erfrage rückendeckung.
wenn der zuckerknabe (um den sich bestimmt alle reißen) dann abgelehnt wird, wird papi bestimmt sturm laufen. den muss dein SL mit abfangen. -
Kurz ein paar Innenansichten aus der Arbeit von Auswahlkommissionen, die Dir vielleicht helfen:
Der Wert von Gutachten ist mittlerweile extrem umstritten, da sie eigentlich immer (!) positiv sind und deshalb ihre Aussagekraft gleich 0 ist. Ich habe in verschiedenen Kommissionen auf verschiedenen Ebenen mitgearbeitet - mal ging es um Auslandsjahre, mal um Stipendien fürs Studium etc. Ich habe noch NIE erlebt, dass Gutachten für die Entscheidung eine besondere Rolle gespielt hätten.
Es gibt aber eine wichtige Ausnahme, nämlich dann, wenn im Gutachten (am besten im letzten Satz, denn der wird gelesen, und manchmal NUR der) Zweifel am Kandidaten erkennbar sind. Solche Zweifel sind nämlich die absolute (!!) Ausnahme.
Was ich sagen will: Wenn Du Dich entscheidest zu schreiben, brauchst Du nicht zu scharfen Formulierungen zu greifen, die Dir den Vater des Schülers auf den Hals hetzen könnten oder der Schule irgendwelche Anwälte. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ein Lehrer am Ende sinngemäß geschrieben hat: "Ob X den besonderen Anforderungen eines Auslandsjahres in sozialer und sprachlicher Hinsicht genügt, vermag ich nicht zu beurteilen."
Das reichte, um alle Alarmglocken angehen zu lassen.
Ich meine übrigens, dass Gutachten Gefälligkeitsdienste sind, zu denen Du nicht verpflichtet bist.
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Ich habe vor drei Jahren auch ein Gutachten verfassen müssen und dabei bei "maturity" die 4 ("poor") gegeben, weil das bei dem Mädchen echt so war.
Offensichtlich hatte man das Gutachten gelesen und auch mit den Eltern gesprochen. (Ich hatte das Schreiben über das Sekretariat direkt an die Organsisation geschickt). Die Eltern verlangten dann von mir, dass ich das Gutachten neu verfasse bzw. diesen einen Aspekt ändere, weil sie befürchteten, ihr Kind würde ansonsten keine Gastfamilie bekommen. Ich habe mich allerdings geweigert etwas in eine Richtung zu ändern, die nicht den Tatsachen entspricht. Auch gerade weil, Gutachten m.E. meist nur "gut" sind und wenig "achten".
Ich würde an Deiner Stelle mich weiterhin weigern oder ehrliche Antworten ankreuzen. Dann ist der Schüler am Ball, wenn es ihm nicht passt, und muss sich ggf. einen anderen Lehrer suchen.
Grüße vom
Raket-O-Katz
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