Auf Integration getrimmt?

  • Hallö, ich würde gerne mal eine Art "Umfrage" starten, wäre schön, wenn ein paar Leute zu dem Thema was sagen und meine Fragen beantworten könnten, es interessiert mich nämlich doch sehr ;)


    Ich studiere seit diesem WS den Bachelor Lehramt. Mein Erstfach trägt den durchaus klangvollen Namen "Rehabilitations- und Integrationspädagogik" (Zweitfach ist Deutsch; tut hier aber jetzt nichts zur Sache).
    Eigentlich liegt da auch schon der Hase im Pfeffer. Ich studiere als erste Fachrichtung Verhaltensgestörtenpädagogik; Integration ist da, denke ich mal (man kann mich auch gerne korrogieren), unabdingbar, besonders, seitdem immer mehr VG- Schüler wieder zurück in den Regelschulbereich geschult werden und dort ihren Förderbedarf erhalten usw. (--> inwiefern die derzeit genutzen Konzepte sinnvoll sind oder wie es genau läuft, steht jetzt mal nicht zur Debatte).
    Einige meiner Freunde studieren aber GB, also Geistigbehindertenpädagogik. Was da einigen missfällt, ist, dass die Professorin, generell das Lehrpersonal für GB, immer sehr auf Integration und Inklusion pochen. Wie unser Erstfach ja schon sagt: wir werden durchweg auf Integration getrimmt.
    Meine Kommilitonen meinen, dass diese Konzepte gerade in Arbeit mit Geistigbehinderten (oder auch Schwerstmehrfachbehinderten) geradezu utopisch und nicht sinnvoll realisierbar erscheint. Ich (da ich nächstes WS um GB erweitern möchte) versuche mir da auch ein Bild zu machen, kann mir aber auch nicht wirklich vorstellen, wie man ein "normales" Kind und ein Kind mit Down- Syndrom gemeinsam beschulen könnte? Dass da noch einmal differenziert werden kann bzgl. Schwere der Behinderung usw. ist mir klar, aber trotzdem... Versteht mich nicht falsch, ich bin auch ein Integrationsfreund, aber teilweise habe ich da echt keine Vorstellung und meine Kommilitonen, die schon in diesem Bereich gearbeitet haben, irgendwie auch nicht. Deswegen wende ich mich hiermit an das allwissenden Forum ;):


    Wie seht ihr das? Ist das überhaupt möglich, ohne dass jemand benachteiligt wird? Wie kann man solchen Unterricht gestalten? usw.


    Würde mich da vorallem über Erfahrungen diesbezüglich freuen!


    (Sorry, wenn das jetzt so sehr an die Diskussion um die "funktionierenden Integrations- und Inklusionmodelle" anlehnt, aber bevor es dort untergeht, dachte ich, ich poste es extra. :))

  • Hallo,
    ich arbeite seit den Sommerferien an einer intergrativen Gesamtschule als "ungelernte" Sonderpädagogin. Der gemeinsame Unterricht funktioniert wenn Sonderpädagoge und Fachlehrer anwesend sind gut. Leider sind nicht alle Stunden doppelt besetzt. Da ich noch nie an einer Sonderschule unterrichtet habe, kann ich es nicht beurteilen, ob die Förderkinder dort mehr oder weniger lernen. Sie lernen dort auf jeden Fall andere Dinge. Im Kollegium ist die Meinung gespalten. Im normalen Grundschulunterricht kommen auf jeden Fall mehrer Kinder (die ganz Guten und die ganz Schlechten) zu kurz. Die Regelschüler profitieren auch von der Doppelbesetzung, es ist wesentlich leiser und die Klassen sind kleiner.
    Ich hoffe ich konnte dir etwas helfen. Im Studium hatte ich übrigends auch noch andere Ansichten als jetzt nach 6 Jahren Berufspraxis.
    Mami

  • Hallo,
    ich habe als gelernte Gs-Lehrerin einige Jahre an einer FöS für Lern- und Körperbehinderte gearbeitet. Schon dort hatten wir Kinder mit Down, die wegen ihrer Körperbehinderung bei uns waren (war eine komplizierte Geschichte durch Zusammenschluss zweier Schulen). Es ging schon dort nicht wirklich und die Zusammensetzung bzw. Ausstattung ist an FöS wesentlich besser, was Klassenstärke oder Teilung/Teamteaching angeht. Wir haben es so gut es geht versucht. Aber ehrlich, für niemanden ideal ...


    Ich denke, so gut der Ansatz der inklusiven Schule ist, er hat Grenzen. Bei GB ist bei mir so eine eine Grenze. Wie soll das denn funktionieren, ohne dass die nichtbehinderten Schüler mehr oder weniger sich selbst überlassen sind. Selbständigkeit hin oder her - wenn si alles schon allein könnten, bräuchten sie keine Schulausbildung mehr, oder?!
    Ansonsten denke ich, müsste es auch Festlegungen zu Kapazitäten geben,z.B. max so und so viele LB oder V pro Klasse. Es ist doch alles nicht mehr durch einen Lehrer allein machbar. Mehr Realitätsferne gibt es kaum. Vor allem, wenn dann die Sopädstunden im Gemeinsamen Unterricht bei 2 Wochenstunden pro Klasse liegen, wie an meiner Schule - und wir sind Modellschule für inklusive Schule ?( also besser ausgestattet mit diesen Stunden als andere GS.


    Wie auch immer, ich habe kein Bild und bisher auch noch kein wirklich shlüssiges und funktionierendes Konzept erlebt oder gesehen oder sonst wie, wo es unabhängig von der Behinderung und vom Grad derer möglich war zu integrieren. Für mich ist vieles dergleichen Geldschneiderei und Lüge!

  • Ich habe als Lehrerin ein halbes Jahr einen Schüler, 1 Jahr einen andern Schüler und 2 Jahre lang eine Schülerin unterrichtet (versucht habe ich es jedenfalls) bei denen später ein sonderpäadagogischer Förderbedarf im Bereich soziale und emotionale Entwicklung festgestellt wurde. Jedesmal hat mich das an den Rand meiner Leistungsfähigkeit gebracht. In allen Fächen haben die Mitschüler extremst gelitten unter dem Verhalten und den ständigen Störungen, die von diesen Kindern ausgingen und denen ich mit den von mir in meiner Ausbildung als Lehrerin erworbenen pädagogischen Kenntnissen und Fähigkeiten NICHT begegnen konnte.


    Wenn Inklusion so stattfindet wie im Lehrbuch und wie von weltfremden Dozenten an Universitäten erdacht und erträumt, dann klingt alles gut und richtig. Und ja, ich finde es alles andere als gut, wie einige Schüler mit Förderbedarf an ein "Brettergymnasium/Doofenschule" oder wie das sonst noch genannt wird abgeschoben werden und damit für den Rest ihres Lebens stigmatisiert sind (für ihre Mitmenschen jedenfalls). Und daran ändern auch die großartigen Leistungen nichts, die Förderschulkollegen an ihren Schulen jeden Tag bringen und auch nicht die Lernfortschritte, die die Schüler auf diesen Schulen machen).


    Wenn Inklusion allerdings so stattfindet wie von Politikern erdacht und erträumt (nämlich um Kosten zu sparen), dann werden 4-6 Kinder mit Förderbedarf (der übrigens nicht mehr getestet und festgestellt werden darf) in eine 32er Klasse einer Regelschule geschickt und für 2 Stunden die Woche kommt ein Sonderpädagoge von einem (Förderzentrum) (Einzugsgebiet bis 100 km) vorbei, fördert die 6 Kinder (die alle vermutlich auch noch verschiedene Handicaps haben) mal eben und verschwindet dann zu einer der anderen 3 Schulen, die er an diesem Tag auch noch abklappern muss. Für die anderen 28 Stunden sitzen dann die Regelschullehrer, denen noch nichtmal Fortbildung in diesem Bereich gewährt wurde (kost ja schließlich Geld, und mussten wir nicht alle an der Uni 4 SWS in Sonderpädagogik belegen?), mit den Klassen alleine da.


    (So ungefähr sehen die Pläne für die niedersächsischen Schulen aus).


    Ich bin mir sicher, dass auf diesem Weg niemandem gerecht wird - weder den Schülern mit Förderbedarf, noch ihren Mitschülern noch den nicht ausgebildeten Lehrkräften.


    Inklusion finde ich gut. Bis sie umgesetzt werden kann müssen aber zunächst die Rahmenbedingungen geändert werden, Klassengrößen halbiert werden, den Schulen die erforderliche ausstattung gewährt werden und und alle Lehrer, die betroffen sind, aus- bzw. fortgebildet werden. Und nein - das geht nicht kostenneutral, wie Politiker das behaupten.


    Schön, das ihr für das Thema Inklusion ausgebildet werdet, über kurz oder lang wird sich das wohl durchsetzen. Ich hoffe, dass das auch in der Ausbildung der Regel-Lehrämter Thema ist, bei mir war es das nicht!

  • Hallo, danke für eure Beiträge! Das liest sich alles schonmal sehr spannend und interessant. Natürlich ist nichts wirklich ausgereift (das liebe Geld, jaja) und ich habe bei euch so das Gefühl, so angetan man von der Integrationsidee als Student ist, desto schwieriger wird die Umsetzung bei den derzeitigen Bedingungen... Ich hoffe ja trotzdem, dass sich das in 5 Jahren (so viel Zeit habe ich ja noch) ändert; mein persönlicher Favourit ist ja der Mobile Sonderpädagogische Dienst.


    Ja, in unserem allgemeinen Grundlagenmodul RIP haben wir's gerade über Integration/Inklusion. In meinem fachrichtungsspezifischen Modul VG eben auch, obwohl auch unsere Professorin der Ansicht ist, das Inklusion/Integration ihre Grenzen haben. Und ich bin auch dieser Meinung. Ich habe durchaus äußerst intelligente Kinder mit Förderbedarf in emot./sozialer Entwicklung erlebt. Die hatten nur geringe Probleme in der Schule (rein intelligenzmäßig betrachtet; sie wollen ja immer nicht, deswegen ja auch "Erziehungshilfe" ;)) oder vllt Teilleistungsstörungen (Bsp: 10jähriger Junge, überdurchschnittlich gut in Mathe, konnte aber nur sehr schwer lesen bzw. man vermutete auch Legasthenie...). Deswegen finde ich hier für manche Kinder (bei Weitem nicht alle!) Rückschulung/integrative Klassen sehr sinnvoll.


    Aber wie gesagt, gerade im Bereich GB habe ich Kommilitonen, die so absolut in ihrer Meinung über Integration/Inklusion sind-einschließlich der GB- Professorin!- das empfinde auch ich als "weltfremd" und einfach nicht machbar, so leid es mir für die Down- Syndromler etc. auch tut. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen (kennt ihr den spanischen Film "Me too?" Hab ich letzte Woche hier in einer Kinobar gesehen, handelt vom ersten Mann mit Down-Sydrom, der in Europa einen Hochschulabschluß geschafft hat --> http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,709867,00.html); aber das ist, wie auch bei den V- Schülern, einfach nicht die Regel, deswegen sollte differenziert werden; ist meine Meinung.
    Trotzdem werde ich versuchen, nächstes WS noch GB zu belegen.


    Übrigens, webe: Bei uns Erstis in VG sitzen dank Modulfensterbelegung drei Mittelschullehrämtler aus dem fünften Semester. Die sind clever; ohne stigmatisieren zu wollen, das Studiumder allgemeinen Verhaltensauffälligenpädagogik kann für das Lehren Haupt- und Realschulen heute ja wirklich nicht schaden.


    Weitere Beiträge erwünscht!

  • Sorry, total off-topic, aber ich sitze hier gerade und grinse, dass die Abkürzung für Rehabilitations- und Intergrationspädagogik R.I.P. ist...
    Man muss sich auch mal über etwas freuen...

  • cyanscott: Ja, viele bringen das mit "Rest in Peace" in Verbindung ;) Ein Freund von mir hat sich ewig über eine bestimmte Assoziation von "Schönen Tod noch" und "Integration/Bildung" kaputtgelacht... Find ich auch nachvollziehbar, hehe...
    Wir nennen uns übrigens sehr gerne (oder werden sehr gerne so gennant) "RIP-per" oder RIP-pchen" :)


    Hat noch wer Ideen/Vorschläge/Meinungen/Erfahrungsberichte?

  • wie man ein "normales" Kind und ein Kind mit Down- Syndrom gemeinsam beschulen könnte?


    Beschulen und "Unterricht" für völlig unterschiedliche Kinder geht überhaupt nicht.
    Wenn sie selbstständig und miteinander lernen dürfen, kann das ohne weiteres im gleichen Raum und in der gleichen Lernumgebung stattfinden.
    Wenn man Kindern Lerngelegenheiten zur Verfügung stellt und sie so begleitet, dass man all ihre Fragen beantwortet, dann klappts und jedes Kind lernt Alles was ihm erreichbar ist.
    Lernen ist Lebensfunktion und nicht die Folge von Maßnahmen.

  • robischon
    klingt grandios - passt aber nicht auf das schulsystem, das ich hierzulande kenne und ist damit realitätsfern - für mich - obwohl wünschenswert.


    hilft nur in diesem thread und in der inklusionsdiskussion nicht wirklich weiter!

  • passt nicht auf das Schulsystem?
    Das Schulsystem passt nicht.
    Ich hab in einer staatlichen Schule so gearbeitet wie ich es beschreibe.
    Zwar schwer beobachtet von den Behörden, aber es geht und funktioniert und Kinder lernen tatsächlich selber.
    Nur ein Beispiel:
    In meiner Dokumentation kommt ein kleiner Junge vor mit IQ ca. 70, der in der Schule immer erst mal geschlafen hat und sich dann ausgesucht hat, was er arbeiten kann. Er wurde Spezialist für verschiedene Bereiche. Als ich von der Schule weg ging, kam er an die Förderschule, nicht an die Schule für Geistigbehinderte. Kürzlich hat er mir geschrieben. Er macht den Hauptschulabschluss und hat eine Lehrstelle als Bäcker.
    In der gleichen Klasse oder Lerngruppe waren etliche hochbegabte Kinder, die auch mit ihm zusammengearbeitet haben. Ist alles zu sehen in meiner Dokumentation, falls jemadn die Zeit und geduld hat, sich das anzuschauen. http://www.robischon.eu

  • Sorry, ich will nichts in Abrede stellen. Stimmt, das Schulsystem passt nicht!
    Es ist aber nicht jeder Lehrer Robin Hood der Retter der Armen oder Don Quichote und möchte gegen jede Windmühle laufen. Dass sich was tun, bewegen und verändern muss, wissen wir alle. Und trotzdem ist die Kraft nicht bei jedem gleich - abgesehen davon, dass ich trotz aller Liebe zu meinem Beruf trotzdem arbeite um zu leben und nicht umgekehrt. Ich bin auch Privatperson. Will sagen, ich mag nicht ständig gegen Widerstände arbeiten und unter ständiger Kontrolle stehen. Würde mich persönlich krank machen.
    Ich finds ok, dass viele ihren Job so gut wie ihnen möglich machen ohne sich dabei aufzureiben. Und dass man dabei an viele Grenzen stößt, mit denen man sich dann arrangiert oder versucht sie zu verschieben. Je nach individueller Stärke und Kraft! Es gibt keinen einzig richtigen Weg

    Einmal editiert, zuletzt von cubanita1 ()

  • Dass sich was tun, bewegen und verändern muss, wissen wir alle.


    Und wer soll das tun?
    Belehren, Unterrichten und selbstständig lernen lassen sind nicht zwei Seiten einer Medaille. es sind zwei verschiedene Medaillen.
    Bei der einen Medaille erleben Lehrer und Lehrerinnen jeden Tag wie Kinder nicht still sind, nicht tun was man ihnen sagt, nicht verstehen was man ihnen erklärt, sich wehren gegen die Versuche sie zu manipulieren.
    Bei der anderen erleben Lernbegleiter was Kinder wissen wollen, was sie herausfinden, wie sie sich über ihre eigenen Erfolge freuen, wie einfallsreich sie sind.
    Das eine macht auf die Dauer krank oder mindestens gleichgültig, das andere tut einem jeden Tag gut und macht Mut.

  • Was innerhalb der herrschenden Lehrdogmatik der Schule geht und was
    nicht, liegt m.E. im Auge des Betrachters.


    Die berufliche Sozialisation eines Lehrer scheint mir durch die Dogmatik der
    Ausbildung und des Schulbetriebes geprägt. Diese Dogmatik heißt: Schüler
    lernen durch Unterrichten. Unterrichten heißt: Der Lehrer sagt, wie ein
    Schüler was zu lernen hat.


    Dieses Prinzip wirkt nicht integrativ, sondern selektiv. Weil es die Schüler in
    solche teilt, die den Vorgaben des Lehrers folgen und solche, die diesen
    nicht folgen. Aus welchen Gründen auch immer. D.h. Unterricht
    verhindert Integration.


    Ich unterstütze jeden Lehrer, der Maßnahmen zur
    Integration nicht mitmacht. Integration ist etwas, was Menschen
    gemeinsam herstellen können. Maßnahmen von oben führen zu mehr
    Gängelung der Lehrer. Wir sollten lernen, unser eigenes Ding zu machen.


    Ich plädiere wie Robischon für eine Schule, in der gelernt wird.
    Wie das geht, kann jeder lernen. Ich berate da gern. Robischon vermutlich
    auch.


    Etwas anders zu machen, führt zwar auch zu Schwierigkeiten mit dem
    System, aber das andere, was man tun kann, hat den großen Vorteil, dass
    es etwas Eigenes ist, das integrative Wirkungen zeigen kann. Der weitere
    Vorteil: Eigenes wirkt ansteckend auf andere.


    Der charakteristische Irrtum eines Lehrers besteht m.E. in der Auffassung,
    dem Dogma anderer folgen zu müssen.


    Monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • Der allseits beliebten Grundsatzdiskussion in Ehren- aber das alles wurde schon zur Genüge erläutert... Wobei, mir fiele gerade ein: was macht eine Inklusionsschule in Zeiten der Leistungsgesellschaft? Bremsen "Schwächere" "Stärkere" nun aus? Oder ist da gegenseitiges Lernen da?


    Letztens im Seminar "Klassenleben" angeschaut --> fünfte Klasse an der Berliner Fläming- Schule. (http://www.klassenleben.de/)
    Bsp: Hochbegabter Junge, der Beste in allen Theoretischen. Sozial war er eine komplette Null (hier bestünde doch Förderbedarf im emotional- sozialen Bereich, oder?). Dabei geht er schon seit einige Jahren an diese Schule, zusammen mit Lernbehinderten und Down- Sydromlern, wird aber trotzdem überheblich, wenn es um schulische Leistungen geht ("Ich merke gerade, dass ich diese Aufgabe alleine viel schneller gemacht hätte, als mit euch beiden zusammen.", sagt er zu zwei Mitschülern, einer davon lernbehindert.)
    Nun frage ich mich: der Junge geht seit Jahren auf diese Schule und lässt dann solche Sprüche. Sollte es nicht so sein, dass er anders empfindet?? War recht verwirrt, als diese Szene kam.


    Nochmal allg. zum Thema Integration/Inklusion; was ich paradox finde:
    Einerseits belegen Studien den positiven Effekt der Integrations- und Inklusionsschulen. Andereseits muss es einen Grund geben, warum sich die hoheitlichen Südbundesländer (dt. Pisa- Meister?) so dagegen sträuben (--> Mappus: http://www.ad-hoc-news.de/mapp…halten--/de/News/21737310).


    Ja, nun?

  • Zitat

    Original von bohememaedchen91
    Der allseits beliebten Grundsatzdiskussion in Ehren- aber das alles wurde schon
    zur Genüge erläutert... Wobei, mir fiele gerade ein: was macht eine
    Inklusionsschule in Zeiten der Leistungsgesellschaft? Bremsen "Schwächere"
    "Stärkere" nun aus? Oder ist da gegenseitiges Lernen da?


    Ich denke nicht, dass zur Genüge darüber ein Diskurs geführt wurde, wie
    Alternativen zu Unterrichten funktionieren.


    Mich würde interessieren:
    Wie charakterisierst Du schwache bzw. starke Schüler?
    Wie ... Leistungsgesellschaft?
    Und wie ... "bremsen"?


    Monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • Ohje, Monika, das artet jetzt in Stigmatisierung aus. Eigentlich wollte ich doch nur wissen, ob man geistig Behinderte mit Kindern, die keinerlei Förderbedarf haben (wobei ja jedes Kind heute ein Zipperchen hat- allseits beliebte Diagnose scheint in den letzten Jahren ADS/ADHS zu sein?) gemeinsam beschulen kann...
    Und natürlich kann man das immer und immer wieder diskutieren, wie man Kinder alternativ beschulen könnte. Aber ich bin da, wie schon mehrfach erwähnt, auf die Situation bzgl. meiner Ausgangsfrage aus.


    Aber gut ;)
    Unsere Gesellschaft (sagen wir mal, die westlichen Staaten) und die Wirtschaft basieren auf Haben. Freie Marktiwrtschaft. Alles ist nur auf boomende Wirtschaft und Profit ausgerichtet. Da wird auch am meisten investiert.


    (Nur so am Rande: an unserer Uni bekommen die WiWis alles neu- die durften ins neue Hauptgebäude ziehen, neues Institusgebäude, alles schick und modern, da wird bis zum Gehtnichtmehr gefördert- während unsere ErzWiss-Fakultät der letzte Schund ist- Originalgebäude aus den 1930ern angeblich, unrenoviert, unmodern, allerälteste, auseinaderfallende Hörsäle und die allseits bekannten LEERSTÜHLE- allenfalls dürfen wir bald in das "alte" WiWi- Gebäude ziehen. Dann: der Freistaat Sachsen kürzt jetzt bald aufgrund des Doppelhaushaltes, sehr viel im Bereich Bildung udn Soziales usw.)


    Grob gesagt: es wird eher in Wirtschaft investiert als in die Bildung.
    Und ein von mir sog. "starkes" Kind kann sich aufgrund seiner normentsprechenden Leistungsfähigkeit und Intelligenz in dieser Welt eher behaupten, als ein von mir sog. "schwaches" Kind, das bspw. kognitiv beeinträchtigt ist, sodass es als lernbehindert oder defizitär in seiner geistigen Entwicklung gilt.
    Denn das normentsprechende Kind ist in der profit-und wirtschaftsboomenden Leistungsgesellschaft eher zu gebrauchen, da es vllt eher zu einem höheren Schulabschluß- und folgedessen Studium und somit sogar Nachwuchs in dieser Gesellschaft- gelangt, als eines, in das während dessen Ausbildung auch noch besonders gefördert werden muss, allenfalls einen qualifizierten Hauptschulabschluß schafft (die Abschlüße sind in diesem Land ja auch sehr gleichberechtigt, jaja...:()und dann in eine "spezielle" Werkstatt abgeschoben wird.
    Wer da lukrativer für den Staat ist, hab ich ja schon angedeutet. Ein Down- Syndromler gilt nunmal nicht als gute, wirtschaftsfördernde Arbeitskraft. Ein relativ als "normgerecht" angesehener Realschüler (oder gar gymnasiast) fällt da schon eher in dieses Raster.
    Zum Thema "Ausbremsen": ich lese immer, lernschwächere Schüler ziehen die lernstärkeren herunter. Die "Guten" bleiben auf der Strecke, da sich mehr auf die "Schlechteren" konzentriert wird. Das kann auch daher rühren, dass "schwächere" Schüler vllt auch mehr Defizite in ihrer Aufemrksamkeit haben und dementsprechend den Unterricht und somt die Lernumgebung der Leistungsstärkeren stören??
    Meine Güte, ich habe keine Ahnung! Das habe ich, wie gesagt, mal in einem "Anti- Integrations"- Text gelesen...


    War das verständlich? Also, so zumindest meine Auffassung. Ihr könnt mich auch gerne kritisieren und korrigieren, aber so sehe ich das (bis jetzt).


    Wobei ich persönlich denke, dass ein von der Intelligenz (definiert am IQ) her stärkere Schülerrecht schwach in seiner sozialen Kompetenz sein kann (siehe mein Bsp. mit dem Hochbegabten aus dem Film "Klassenleben") usw. So: Wo fängt der Förderbedarf X für Kind Y an, wo hört er auf. Nicht mal das ist bundesweit einheitlich geregelt.


    Ich rede mich hier um Kopf und Kragen. Aber ihr wisst es sicherlich besser ;) Ihr habt die Praxis in den Schulen und vorallem in dem System. Korrigieren erwünscht!

  • Zitat

    Original von bohememaedchen91
    Ohje, Monika, das artet jetzt in Stigmatisierung aus. Eigentlich wollte ich doch nur wissen, ob man geistig Behinderte mit Kindern, die keinerlei Förderbedarf haben (wobei ja jedes Kind heute ein Zipperchen hat- allseits beliebte Diagnose scheint in den letzten Jahren ADS/ADHS zu sein?) gemeinsam beschulen kann...


    Mit den nötigen finanziellen Mitteln um weitere Kräfte in der Klasse zu haben, entsprechendes Material etc. kann ich mir das gut vorstellen. Die jetzigen Inklusionspläne sind mir zu vage. Das scheint mir mehr ein Sparplan denn ein sinnvoller Ansatz zu sein. Wir GHS- Lehrer sind nicht ausreichend ausgebildet um mit jeder Art von Behinderung umzugehen. Ich lehne es ab Integrationskinder ohne eine weitere zusätzliche (qualifizierte!) Kraft zu unterrichten. Ich persönlich kann es mir nicht vorstellen ein Kind grundsätzlich mit aufs Klo zu begleiten usw. Zudem kenne ich mich nicht gut genug aus um ein geistig behindertes Kind angemessen zu fördern.
    Integration ist toll, wenn ein gutes Konzept mit ausreichenden MItteln dahinter steht und ALLE Kinder im Focus sind. Solange das nicht so ist, ist das inakzeptabel. Darunter können nur alle leiden und ich muss ehrlich sagen, da es ja keine Einzellösungen mehr geben soll, ich kann mir nicht vorstellen das 1/4 der Klasse aus geistig Behinderten besteht.


    Die Krankheitsbilder sind doch so vielfältig, wie kann ich da gut helfen und fördern wenn ich gar nicht dafür ausgebildet bin? Das ist irgendwie zu viel, finde ich. Ich habe mich nun im Bereich Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS, sexuellen Missbrauch, Gewaltprävention, häusliche Gewalt, geschlechtsspezifische Unterschiede, Hörschädigung, Sehschädigung usw. fortgebildet. Die Störungsbilder in einer ganz "normalen" Klasse sind schon so vielfältig, dass ich denke, ich schaffe es da schon nicht jedem und allem gerecht werden zu können.

  • Nein, du redest dich nicht um Kopf und Kragen. Ich find es gut, dass du Zweifel hegst und Fragen stellst und hinterfragst ...


    Und ich denke einfach, dass das System, diese Arbeitsgrundlage, die unser Arbeitgeber uns hinstellt, nicht für die Inklusion reicht, die angedacht ist. Ich lehne es auch ab, jegliche Colour von Behinderung zu unterrichten. Es braucht qualifizierte Kräfte, es braucht viel Personal und gute - nicht viel - gute Ausstattung. Es braucht Festlegungen - es braucht Absicherung für die Lehrkräfte.
    Es braucht nicht nur Wolken und Blasen, die in Ausnahmefällen funktionieren und dann als Vorzeigebeispiel stets herhalten, die aber nicht die Lösung für das große ganze sind.
    Ich denke, wir Lehrer dürfen wie andere Arbeitnehmer auch erwarten, dass uns eine Basis geschaffen wird, also gute Voraussetzungen, um unseren Job ordentlich zu verrichten. Meine Mutter musste in ihr Büro noch kein Regal, Stifte, Klebeband, Kopierpapier oder ein Nachschlagewerk mitbringen.... Das ist jetzt überspitzt ... ;)


    Ich liebe meinen Beruf und gehe darin auf und investiere viel ... und trotzdem sage ich mir das folgende regelmäßig:
    Ich arbeite um zu leben, nicht umgekehrt.

  • Cubanita: Ich gehe sogar noch weiter und sage, wir sind es ALLEN Schülern schuldig uns gegen etwas zu wehren, wo alle auf der Strecke bleiben.


    Ich bin nicht bereit für Einsparungen herzuhalten die nicht sinnvoll sind. Es kann nicht sein, dass man immer weniger investiert und immer mehr und immer bessere Arbeit dafür haben will. Darunter leiden die Kinder und ich denke, wir sind es ihnen schuldig das- soweit es in unserer Macht liegt- abzuwehren!


    Im Übrigen- ich hielte es - wenn wir dazu gezwungen werden so zu arbeiten- doch auch für sinnvoll geistig Behinderte ins Ministerium zu integrieren. Die Schüler werden ja auch mal groß :D

  • Zitat

    Original von Nuki
    Cubanita: Ich gehe sogar noch weiter und sage, wir sind es ALLEN Schülern schuldig uns gegen etwas zu wehren, wo alle auf der Strecke bleiben.


    Ich bin nicht bereit für Einsparungen herzuhalten die nicht sinnvoll sind. Es kann nicht sein, dass man immer weniger investiert und immer mehr und immer bessere Arbeit dafür haben will. Darunter leiden die Kinder und ich denke, wir sind es ihnen schuldig das- soweit es in unserer Macht liegt- abzuwehren!


    Im Übrigen- ich hielte es - wenn wir dazu gezwungen werden so zu arbeiten- doch auch für sinnvoll geistig Behinderte ins Ministerium zu integrieren. Die Schüler werden ja auch mal groß :D


    grandiose Idee! Ich könnt mir allerdings vorstellen, dass dann eventuell mehr Realität und Bodenständigkeit ins Ministerium einziehe würde. Da wird dann endlich mal klar, was wirklich wichtig ist!

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