Schließe mich dem an: ich bin nämlich auch wütend (allerdings mehr auf diejenigen, die sich all das ausdenken, als auf die Kollegen... ) und frage mich auch immer wieder was man tatsächlich tun könnte. Die Feststellung: "solange wir das immer alles auffangen und es immer "irgendwie" läuft wird es immer so weiter laufen" wird im Kollegium zwar immer wieder gemacht aber: es hat keiner eine konkrete Idee, was tun.... ich bin selbst erst ein Jahr im Schuldienst und habe erstmal vor allem beobachtet (und bin gerade in der ersten Zeit von einer Ohnmacht in die andere gefallen) und hatte alle Hände voll zu tun um überhaupt irgendwie über die Runden zu kommen aber ich bin auch jetzt immer wieder fassungslos, was da passiert, was mit uns und vor allem mit den Kindern gemacht wird....und es wird immer schlimmer!
Deshalb auch von mir ganz ernstgemeint die Frage: was kann man tun? (an Malina aber auch an alle anderen)
Inklusion in Niedersachsen - wie weit sind die Grundschulen
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Tja... was kann man tun???
Diese Frage stellen wir uns im Kollegium "meiner" Förderschule auch ständig. Allerdings haben wir diesbezüglich noch keine so tolle Idee gehabt.
Nun darf oder will man ja öffentlich ohnehin nicht gegen die Inklusion sein, weil man von allen Seiten ziemlich schief angekuckt wird, wenn man den Inklusionsgedanken zum Brechen findet.
Bei uns in der Schule ist ein Großteil des Kollegiums der Ansicht, dass die Inklusion für ca. 80-90% unserer Schüler ein gaaanz großer Rückschritt ist.
Das Problem ist: Wir haben absolut keine Lobby. Im Prinzip will ja von sich aus eigentlich niemand sein Kind auf die Förderschule schicken und alle Eltern sind erstmal froh, wenn ihr Kind auf der Regelschule bleiben kann. Da ist es fast egal unter welchen Bedingungen - Hauptsache nicht Sonderschule!!! Erfahrungsgemäß haben selbst die Grundschullehrer immer wieder Probleme damit, ein Kind für die Förderschule zu melden und versuchen, alle Kinder so lange wie möglich in der Klasse zu halten. Auch hier gilt die Förderschule als ein Ort, den man eigentlich keinem Schüler zumuten möchte.
Das heißt im Klartext uns als Förderschullehrern fehlen ein wenig die Menschen, die beim Erhalt der Förderschulen hinter uns stehen...Als "unsere" Eltern bei der letzten Elternbeiratsversammlung über die bevorstehende Inklusion informiert wurden, zeigten sie sich einigermaßen entsetzt. Diese Eltern haben mit ihren Kindern meist einen langen "Leidensweg" an der Regelschule hinter sich, sind mittlerweile recht zufrieden mit der Beschulung an der Förderschule und stellen sich nur mit Schrecken vor, wie es wäre, wenn ihr Kind diese Möglichkeit der Beschulung nun nicht mehr hätte.
Allerdings sind diese Eltern auch erst jetzt im Nachhinein -nach etlichen positiven Erfahrungen an der Förderschule froh, dass ihr Kind bei uns ist. Bis zu dieser Erkenntnis ist der Weg oft lang Nun stehen diese Eltern zwar hinter der Förderschule, sind aber aufgrund ihrers Lebenshintergrundes leider meist nicht in der Lage öffentlichkeitswirksam gegen die Inklusion aufzutreten.Ehrlich gesagt hoffen wir ein wenig auf die gut informierten und mutigen Eltern der Regelschulkinder, die sich vielleicht Gedanken darum machen, was aus ihren "klugen" Kindern wird, wenn der Lehrer sich künftig verstärkt um die Lern- und verhaltensauffälligen Kinder der Klasse kümmern muss...
Wie sind die Erfarungen diesbezüglich an den Grundschulen? Wissen "eure" Eltern von der bevorstehenden Inklusion? Interessiert sich überhaupt jemand dafür? Gibt es Eltern, die sich daran stören (und das auch zugeben 8))?Naja, ihr seht: Auch wir Förderschullehrer sind verzweifelt und wissen nicht, was zu tun ist... aber vielleicht hat ja noch jemand ´ne zündende Idee
Bis dahin ein schönes Wochenende
Potilla -
Hallo,
ich habe lange hier nur mitgelesen, muss mich jetzt aber mal einschalten... hoffe es liest sich nicht zu besserwisserisch, aber ich bin schon ziemlich erschrocken darüber, was Potilla in seinem letzten Beitrag geschrieben hat...Ob man den Gedanken des inklusiven Unterrichts oder der inklusiven Schule "zum Brechen" findet oder nicht spielt genau genommen überhaupt keine Rolle... und wofür soll die "zündende Idee" denn da sein? Es geht um die Verwirklichung eines Menschenrechts, das als solches auch von den deutschen Bundesländern bzw. der deutschen Legislative anerkannt wurde. Etwas gegen die Verwirklichung dieses Menschenrechts zu tun wäre in etwas so, wie wenn ich als Mann mich aktiv gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen würde - da würde man mir - zurecht - ordentlich was erzählen. Oder - um bei der Pädagogik zu bleiben - wir uns dafür einsetzten, dass Kinder ab morgen wieder geschlagen werden dürfen, weil es "ein gaaaaanz großer Rückschritt" sei, dass Kinder gewaltfrei erzogen werden müssen!!!
Dass die Bedingungen an den allgemeinen Schulen im Moment nicht den Bedürfnissen der SchülerInnen in einem Inklusiven Schulsystem entsprechen, muss hier wohl nicht besonders dargestellt werden. Als Beispiel: die lächerliche Stundenzuweisung von 2 Stunden pro Woche pro Klasse ist natürlich nicht hinzunehmen. Da muss man sich politisch stark machen, sprich z.B. auf Gewerkschaftsebene oder indem man die "richtige" Partei wählt (Konzepte liegen durchaus auf dem Tisch!).
Die aktuelle Diskussion und die Tatsache, dass Inklusion in aller Munde ist, bietet uns die einmalige Gelegenheit, auch auf andere Missstände in der Schullandschaft hinzuweisen und entgegen zu steuern, da viele Inklusionshindernisse auch ansonsten Zeugnisse schlechter Schulpolitik/Pädagogik sind, z.B. große Klassen, Vergleichsarbeiten, Sitzenbleiben, Gliederung des Schulsystems...Großen Einfluss haben wir natürlich auf die Ebene der Schulorganisation, also z.B. der Frage "Jahrgangsklasse/offene Schuleingangsstufe/jahrgangsübergreifendes Lernen" oder der Frage "Ganztags/Halbtags", denn das entscheiden die Schulen aus ihrer eigenen Initiative heraus.
Was die Ebene des Unterrichts angeht, sollte es meiner Ansicht nach eine passende Mischung aus Öffnung und Struktur sein (Öffnung des Unterrichts geht ohnehin nicht ohne ein strukturiertes Vorgehen...), was aber "passend" bedeutet, ist von den Kindern in der Klasse und ihren Kompetenzen und Bedürfnissen abhängig. Die Horrorszenarien, die hier teils dargestellt werden, empfinde ich da als wenig hilfreich!
Ich finde man kann durch gut vorbereitete fächerübergreifende Lernwerkstätten, die den Kindern die Möglichkeit geben, handlungsorientiert und auf vielfältigen Aneignungsebenen mit den Lerninhalten umzugehen, eine Menge auffangen und der Individualität der Kinder gerecht werden. Da steckt man dann zwar viel Arbeit in die Vorbereitung - daran solltet ihr übrigens die SonderpädagogInnen beteiligen!!! - aber es zahlt sich durch einen produktiven Unterricht aus.Ich finde wir sollten den Kopf nicht in den Sand stecken und warten, bis der Kelch vorbeigezogen ist, sondern mit viel Phantasie und der Bereitschaft, auch unliebsame Themen anzusprechen, uns der Herausforderung stellen. Uns sind weit weniger die Hände gebunden, als hier vielmals vermittelt wird!
In dem Sinne: einen schönen Schulanfang wünscht
gsguitar -
Gerade weil die Bedingungen in den allgemeinen Schulen derzeit nicht den Bedürfnissen der Förderkinder entsprechen, ist es GEGEN das Menschenrecht, wenn man die Kinder im Hau-Ruck-Verfahren dort beschult.
Daher darf man brechen.
Wie heißt das so schön: gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Wenn die Bedingungen so wären, dass das Recht der Förderschüler (und auch der anderen Schüler) auf Bildung durch die Inklusion nicht mit Füßen getreten würde, würde wahrscheinlich keiner was dagegen sagen.Grüße,
kl. gr. Frosch
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Hey,
möglicherweise hab ich mich in meinem letzten Beitrag etwas missverständlich ausgedrückt… Daher will ich meine Sichtweise noch mal ganz kurz darstellen.
Zugegebenermaßen finde ich den Inklusionsgedanken, wie er sich im Moment darstellt nicht besonders toll.
Das hat meiner Ansicht nach aber nicht das Geringste damit zu tun, dass man gegen die Verwirklichung eines Menschenrechts ist!!! Die Behindertenrechtskonvention fordert u.a. die gleichen Rechte in Bildung, Arbeitswelt und kulturellem Leben und verlangt nach entsprechender Unterstützung, die es Menschen mit Behinderungen ermöglicht, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Da stehe ich absolut dahinter!!!
Dennoch stellt sich mir an dieser Stelle die Frage, ob die ehemaligen Lernhilfe-Schüler allein schon deshalb erfolgreich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, weil ihr Behindertenstatus im Sinne der Inklusion dann offiziell wegfällt?
Was wird mit diesen Kindern, wenn sie den Abschluss der Regelschule widererwartend am Ende doch nicht schaffen? Oder zum Schluss einer von unzähligen Hauptschülern mit nicht qualifizierten Abschluss sind? Sind ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft dann wirklich besser?
Momentan haben unserer Lernhilfe-Schüler noch einigermaßen gute Chancen aufgrund ihres Behindertenstatus an entsprechend geförderten Ausbildungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit teilzunehmen, die ihnen einen Einstieg in das Berufsleben ermöglichen. Für einen schlechten Hauptschüler sieht das da schon etwas anders aus.
„Niemand soll aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden“ heißt doch nicht automatisch „Alle müssen die gleiche Schule besuchen“! Oder mit einem Zitat von R. Turre anders ausgedrückt: Chancengleichheit besteht nicht darin, dass jeder einen Apfel pflücken darf, sondern dass der Zwerg eine Leiter bekommt!In diesem Sinne...
Gruß
PotillaEdit: Da war der kleine grüne Frosch wohl schneller, weil ich sooo lang zum schreiben gebraucht hab - eigentlich wollt´ ich aber genau das ausdrücken, was er so schön kurz und deutlich dargestellt hat! =)
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Zitat
Original von cyanscott
Zum derzeitigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, das spätestens 2012 alle Kinder auch mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lernen oder Sprache (wobei der Förderbedarf dann nicht mehr "festgestellt" sein wird) in die Grundschule eingeschult werden. Das ganze bei 2 Förderstunden durch Förderschullehrer pro Klasse pro Woche. Wie wird dieses Thema bei Euch diskutiert? Bin gespannt auf Antworten.Bei uns diskutiert das keiner und ich bin auch schlecht informiert. Wir haben allerdings schon seit einigen Jahren überprüfte L-Schüler mit in den Klassen. Es sind aber nicht so viele und die Zusammenarbeit mit den Förderschullehrerinnen läuft super. Wie das laufen kann, wenn dann da mehr Kinder sitzen, weiß ich nicht. Außerdem müssten dann ja alle Arbeiten mitgeschrieben und auch die Zeugnisse nach Regelschulmaßstäben erstellt werden. Die armen Kinder. Oder findet dann später eine Überprüfung statt?
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Hallo,
es steht noch in den Sternen, wie sich das Verfahren zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs in der Zukunft in Niedersachen darstellt. Das wird schon seit zwei Jahren überarbeitet und es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Frage der Inklusion und dem Verfahren. Auf jeden Fall geplant ist ein mehr prozesshaft orientiertes Verfahren, in dem die letztendliche Feststellung eines so.-päd. Förderbedarfs auf jeden Fall später erfolgt, als bisher. Und das ist inhaltlich auch sinnvoll, denn es ist unnötig, Kinder im ersten oder zweiten Schuljahr ohne die Notwendigkeit eines differenzierten Ziffernzeugnisses bereits abzustempeln, wenn damit keine Ressourcenzuweisung mehr verbunden ist, wie es bei der Sonderpädagogischen Grundversorgung ja der Fall ist.
Die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs abzuschaffen ist nicht geplant, genauso wenig wie die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit den gleichen Anforderungen zu konfrontieren wie die Kinder ohne SPFB. Insofern ist auch die Befürchtung nicht zutreffend, dass am Ende eine Menge durchgefallener Hauptschüler, die vormals einen L-Stempel gehabt hätten, keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben - diese Perspektive gibt es im Moment ja auch in vielen Fällen nicht!
Natürlich sollten wir uns dafür einsetzen, dass SchülerInnen im gemeinsamen Unterricht differenziert gefördert und beurteilt werden, aber dafür müssen wir an den allgemeinen Schulen präsent sein!!!Zum Beitrag von Potilla noch einmal: Du hast davon geschrieben, das ihr Unterstützung und eine Lobby benötigt, die euch beim Erhalt der Förderschule unterstützt. Ich finde, das ist ein eindeutiger Satz. Ich lese da nirgendwo, dass ihr euch Unterstützung bei der Frage der Ressourcenzuweisung in den allgemeinen Schulen wünscht, keine Anmerkungen oder Hinweise auf Lobbyarbeit hinsichtlich Fortbildungen für die KollegInnen der GSsen, keinen Wunsch nach Unterstützung bei der Weiterentwicklung eurer sonderpädagogischen Kompetenzen, die es euch ermöglichen, erfolgreich in inklusiven Kontexten zu arbeiten, keine Hinweise auf Beratungsbedarf bei der Planung und Durchführung von Unterrichtsmethoden, die eine differenzierte Arbeit ermöglichen... USW...
Gruß, gsguitar -
UPS oder ups ... du kannst doch nicht von einem Beitrag auf alle Grundschullehrer(innen) schließen!
Wir an unserer Schule fragen uns mehr, wie schaffen wir es - uns gemeinsam ins Förderkonzept zu integrieren!
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