Wegfall der 13. Klasse

  • Ich lese diesen Thread schon seit einiger Zeit still und leise mit, jetzt muss ich mich aber doch mal zu Wort melden.


    Leute, lasst die Kirche im Dorf! Der Untergang des Abendlandes wird mit auch G8 nicht einsetzen.


    Man muss sich auch als Gymnasiallehrer immer wieder mal daran erinnern, dass auch in einem Leistungskurs keine wirklich tiefgehende intellektuelle Auseinandersetzung stattfindet. Gemessen an den Möglichkeiten der Fachwissenschaften variiert in den GKs und LKs auch in der 13. Klasse das Niveau doch zwischen "sehr trivial" und "trivial". Das ist jedenfalls, was ich in meinen Fächer beobachte, bzw. in anderen geisteswissenschaftlichen Fächern beurteilen kann. Wenn man sich überhaupt mal über "universitäres Niveau" freuen kann, dann entspricht dieses Niveau vielleicht einem Propädeutikum für Studis im Grundstudium.


    Was ich damit sagen will - es geht in diesem Thread um die geistige Entwicklung junger Menschen; da ist die Schule nur ein Einfluss unter vielen und es wäre vermessen, wenn man glaubt, dass ein Mensch sich nicht mehr geistig weiterentwickeln könne, wenn er dem Einfluss der Schule ein Jahr früher entrinnt. (Wenn man Böll liest, oder Manns "Professor Unrat" oder Lenzens "Deutschstunde" oder zahllose andere Schulromane könnte man böswillig auf einen anderen Gedanken kommen.) Die Entwicklung der ein Jahr älteren jungen Menschen unterliegt dann eben anderen Bildungseinflüssen aus anderen Bereichen. So what, wo ist das Problem?


    Es wird geklagt - aber um ehrlich sein, nehme ich weniger Klagen über intellektuelle Kompetenz war als über mangelnde Disziplin und Selbstdisziplin, über fehlende Verlässlichkeit, über fehlendes Durchhaltevermögen; kurz über fehlenden Fleiß und Biss. Das sind wichtige Faktoren auf dem Weg zum intellektuellen Erfolg - mit einem Jahr weniger oder mehr hat das nichts zu tun.


    Insofern meine ich, das Jani77 genau in den Kern der Sache getroffen hat - die Kosten und der Nutzen von G8 stehen sich sehr wohl gegenüber.


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Nele, da hast du vermutlich recht. (Allerdings ist das Abendland auch in NRW usw. mit der Einführung des Zentralabiturs untergegangen, manchmal könnte man auf Grund der Klagen denken, dem wäre so. ;))
    Was mir allerdings die Haare aufstellt,ist, dass unsere G8 Schüler nicht nur weniger reif sind, sondern bei allem, was irgendwie mit mehr Anstrengung verbunden ist, sofort die Waffen strecken. Es wird ständig gejammert: "Aber wir sind doch G8, wir haben doch sooo viel Stress!" Natürlich voll unterstützt von der Elternschaft.
    Vom Kumi aus kommt mehr oder weniger der Befehl, dass im Doppeljahrgang alle das Abi bestehen müssen (denn sonst müsste es ja zugeben, mit der Einführung von G8 einen Fehler gemacht zu haben) und Kollegen klagen darüber, dass um Noten noch nie so hartnäckig gefeilscht wurde wie im G8. Und meiner Meinung nach ist es für einen Schüler schwieriger (natürlich nicht unmöglich), sich den fehlenden Fleiß und Biss selbst zu erarbeiten, als das noch im geschützten Raum der Schule zu üben.
    Und machen wir uns nichts vor: Wer von uns stand nach der 13. Klasse mit beiden Beinen fest in der Welt und wusste ganz genau, was er als nächstes tun oder beruflich werden wollte?
    Liebe Grüße
    Hermine
    Edit : Die Senkung des Niveaus macht sich teilweise aber auch schon bei den Prüfungen der Unis bemerkbar und da finde ich das wirklich nicht mehr lustig, wenn es Teil eines Staatsexamens in Englisch ist:
    "Schreibe einen Brief an deine Gastfamilie, in dem du dich für deinen netten Aufenthalt bedankst und dich noch mal an die schönen Erlebnisse erinnerst." Das ist kein Witz!

    • Offizieller Beitrag

    Vielleicht sollte man sich mal vor Augen halten, dass das G8 vom Prinzip her soooo neu nicht ist:


    Die Einführung des 13. Schuljahres erfolgte in Nds erst in den frühen fünfziger Jahren.


    Will sagen: zementiert sind beide Formen nicht. Wandel gibt es immer - und auch das damit verbundene Klagen ;)



    Fehlender Fleiß und mangelnder Biss-- das allerdings sind bedenkliche Entwícklungen, die ich auch sehe. Egal, auf welcher Schulform, egal in welchem Bereich. Also mitnichten G8-gemacht. :neenee:

  • Zitat

    Original von Hermine
    ... wirklich nicht mehr lustig, wenn es Teil eines Staatsexamens in Englisch ist:
    "Schreibe einen Brief an deine Gastfamilie, in dem du dich für deinen netten Aufenthalt bedankst und dich noch mal an die schönen Erlebnisse erinnerst." Das ist kein Witz!


    Wie bitte? [Blockierte Grafik: http://www.fancysplace.com/smileys/kit-trance.gif]


    Das machen wir in Klasse 8....


    Untergang Abendland doch schon da.


    Entsetzte Grüße
    Raket-O-Katz

    • Offizieller Beitrag

    Raket-O-Katz: Ich war auch von den Socken, unsere lernen das nämlich auch schon sehr früh.
    Entweder mein Gesprächspartner hat mich damals furchtbar ver... oder es wurde diesem Prüfungsjahrgang schon sehr einfach gemacht. War übrigens auch nicht mein Bundesland- aber das finde ich in dem Zusammenhang zweitrangig. ;)

  • Die Frage, die sich bei G8 auch stellt ist:
    Soll ich auf die wackeligen Säulen (wie von Euch genannt: mangelnder Fleiß etc.) noch mehr Druck ausüben, indem ich Stoff komprimiere?


    Die ganze Diskussion ist für mich hinfällig, wenn ich einfach den Sinn bzw. Nutzen des Wandels G8-->G9 nicht nachvollziehen kann.
    Zynisch würde ich behaupten, dieser Wandel und die Änderung Diplom/M-B. sei nur ein Politikum. Zum Zweck, Menschen früher in Berufe zu drängen, in denen sie steuern zahlen können.

  • Ich kann noch nicht auf so viele Arbeitsjahre und somit nicht auf so viele Jahre mit der Oberstufe zurückblicken, aber auch mein Eindruck ist, dass die Schüler so richtig reif eigentlich erst werden, wenn sie ins Studien- oder Ausbildungsleben gestoßen werden. Da macht es glaube ich keinen Unterschied, ob sie das nach der 12. oder nach der 13. Klasse tun.
    Für einige Themen, die in Deutsch durch die Lektüre Pflicht sind, finde ich sie so oder so noch als zu jung , einfach weil ihnen manche Erfahrungen, die man erst in den JahrEN nach der Schule macht, fehlen.
    Ich glaube, dass sich die Haltung "Wir sind doch so arm dran, wir sind G8" mit dem nächsten Jahrgang einpendeln wird und wir gewöhnen uns auch daran. Die Schüler müssen ja schon fast den Eindruck haben, dass sie wirklich eine Sonderspezies sind, so viel Wind wurde und wird um G8 gemacht. Keiner darf sitzenbleiben etc. ....

  • Ich muss hier jani77 einmal ergänzen bzw. abändern, weil sich eben viele Lehrer in den alten Bundesländern Probleme herbeireden, die es bei einem ordentlichen Aufbau der Lehrpläne überhaupt nicht gibt. In Sachsen zu DDR-Zeiten hatten wir sogar nur G4! Nach Abschluß der 8. Klasse gingen die Schüler auf die EOS (Gymnasium) 9.-12.Klasse und wir haben vom Westen geschätzt sehr gute und eine breite Masse von Akademikern hervor gebracht. Wir hatten eben ein sehr hohes Niveau auf der POS (heute Realschule), vergleichbar mit dem des Gymnasiums. Deshalb war es für viele Schüler auch kein Problem, nach der 10. Klasse der POS noch die 2 Jahre EOS mit einem sehr guten Abitur zu schaffen! Diese hatten somit nur G2!!!

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von unag
    Ich muss hier jani77 einmal ergänzen bzw. abändern, weil sich eben viele Lehrer in den alten Bundesländern Probleme herbeireden, die es bei einem ordentlichen Aufbau der Lehrpläne überhaupt nicht gibt. In Sachsen zu DDR-Zeiten hatten wir sogar nur G4! Nach Abschluß der 8. Klasse gingen die Schüler auf die EOS (Gymnasium) 9.-12.Klasse und wir haben vom Westen geschätzt sehr gute und eine breite Masse von Akademikern hervor gebracht. Wir hatten eben ein sehr hohes Niveau auf der POS (heute Realschule), vergleichbar mit dem des Gymnasiums. Deshalb war es für viele Schüler auch kein Problem, nach der 10. Klasse der POS noch die 2 Jahre EOS mit einem sehr guten Abitur zu schaffen! Diese hatten somit nur G2!!!


    Da muss ich in aller Vorsicht aber eine gewisse Skepsis anmelden;
    die Notenvergabe in der DDR war nach meinem Kenntnisstand bedenkenswert. Über das inhaltliche Niveau der Lehrpläne kann ich nichts sagen :wink2:

  • Zitat

    Original von unag
    Ich muss hier jani77 einmal ergänzen bzw. abändern, weil sich eben viele Lehrer in den alten Bundesländern Probleme herbeireden, die es bei einem ordentlichen Aufbau der Lehrpläne überhaupt nicht gibt. In Sachsen zu DDR-Zeiten hatten wir sogar nur G4! Nach Abschluß der 8. Klasse gingen die Schüler auf die EOS (Gymnasium) 9.-12.Klasse und wir haben vom Westen geschätzt sehr gute und eine breite Masse von Akademikern hervor gebracht. Wir hatten eben ein sehr hohes Niveau auf der POS (heute Realschule), vergleichbar mit dem des Gymnasiums. Deshalb war es für viele Schüler auch kein Problem, nach der 10. Klasse der POS noch die 2 Jahre EOS mit einem sehr guten Abitur zu schaffen! Diese hatten somit nur G2!!!


    In diese Richtung ist mein Kommentar nicht ganz gemeint.


    Was ich unterschreiben kann, ist, dass in den alten Bundesländern Probleme herbeigeredet werden die es bei ordentlicher Vorleistung nicht gibt. Mir ist z.B. im Vergleich Sachsen - Baden-Württemberg aufgefallen, dass die Sek I in Sachsen viel straffer organisiert ist, währenddessen man in BaWü noch dies und jenes Zusatzthema macht und alles sehr ausführlich und breit behandelt. Ich denke, da kann man zu Gunsten einer zeitlich effektiven Vorbereitung auf die Oberstufe einiges weglassen.


    Ich möchte aber auf keinen Fall sagen, dass DDR-"Realschüler" besser vorbereitet wurden und deshalb die Oberstufe in noch weniger Jahren geschafft haben. Man muss nämlich bedenken, dass zu DDR-Zeiten sehr viel weniger Schüler die Chance bekamen auf die EOS zu gehen und damit das Abi zu machen als heute. (als Beispiel meine Heimatstadt: zu DDR-Zeiten 2 Abiturklassen, heute etwa 6 bei sehr stark zurückgegangenen Schülerzahlen insgesamt). Das die obere Leistungsgruppe weniger Probleme hatte einen guten Abischnitt zu schaffen als wenn viel mehr Schüler Abi machen dürfen/können, ergibt sich natürlich von selbst.

  • Zitat

    Da muss ich in aller Vorsicht aber eine gewisse Skepsis anmelden; die Notenvergabe in der DDR war nach meinem Kenntnisstand bedenkenswert.


    Dazu empfehle ich einen Blick in das Lehrplanwerk der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule von 1972. Das von 1987 konnte nicht mehr vollständig umgesetzt werden, weil die neuen Lehrpläne immer schrittweise mit der ersten und 5. Klasse eingeführt wurden.


    Zitat

    Das die obere Leistungsgruppe weniger Probleme hatte einen guten Abischnitt zu schaffen als wenn viel mehr Schüler Abi machen dürfen/können, ergibt sich natürlich von selbst.


    Die Anzahl der Abi-Plätze korrelierte halt mit der Anzahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

    • Offizieller Beitrag

    Das mit der Vorleistung ist sicher richtig. Hier wurde das G8 aber vollkommen überstürzt eingeführt und dann muss immer wieder nachgebessert werden. Und das geht auf Kosten von Schülern und Lehrern.

  • Da sieht man mal wieder, wieviel Unwahrheiten über unser ehemaliges Bildungssysten heute verbreitet sind, wahrscheinlich weil es nicht sein darf! Schaut nach Finnland und ihr wisst, was unser System war, natürlich dort etwas weiter entwickelt, aber bei uns schon 30 Jahre bewährt. Auf jeden Fall haben wir unseren gesamten benötigten Bedarf an Akademikern selber herangezogen und z u s ä t z l i c h ausländische zum Aufbau ihres Landes ausgebildet. Ob wir jetzt mehr Hochschulen/Universitäten haben, weil jani77 schreibt, dass es heute angeblich mehr Abiturienten geben soll, bezweifle ich sehr stark. Vielleicht kommt es ihr nur so vor, weil die Anzahl der Schulen sehr stark zurück gegangen ist und diese somit voller sind?!
    Nein, um es noch einmal zu betonen, es kommt auf das gelehrte Niveau an und natürlich auch auf das der zur Verfügung stehenden Lehrbücher. Viele Lehrer bei uns greifen wieder auf DDR-Lehrbücher zurück, weil sie eben viel verständlicher geschrieben waren! Lehrer müssten eigentlich so intelligent sein, die Lehrkomplexe über die Schuljahre konzentriert so herüber zu bringen, dass ein Jahr weniger den Schülern das gleiche Abiturniveau bringt! Die Freiheit der jahrgangsübergreifenden Themen haben sie, sie müssen sie nur sachlogisch komplexer zusammen legen und sparen so einfach dieses eine Jahr ein!!!

  • Zitat

    Original von unag
    Da sieht man mal wieder, wieviel Unwahrheiten über unser ehemaliges Bildungssysten heute verbreitet sind, wahrscheinlich weil es nicht sein darf! !!


    Was denn? Dass unter der DDR-Diktatur es insgesamt weniger Abiturienten aller gesellschaftlichen Klassen gegeben hat als heutzutage sogar in Bayern ist doch bekannt - genauso, wie dass in der DDR noch deutlicher die Klassenabschottung zwischen den Bildungsbürgern und den Unterprivilegierten gegriffen hat als im "kapitalistischen Westen".


    Soviel zur "sozialen Gerechtigkeit" beim "sozialistischen Brudervolk".


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    In der Tat. Die DDR als schulisches Vorbild zu nehmen, halte ich auch für einigermaßen gewagt. Die DDR hat nie einen einen Zweifel daran gelassen, dass Schule die sozialistische Persönlichkeit heranzubilden habe, die Bildungseinrichtungen waren ein Instrument der Partei. Es gab zwar verlogenerweise einen verfassungsmäßig garantierten gleichen Zugang zur Bildung , in Wirklichkeit musste die DDR planwirtschaftlicher Überlegungen wegen den Zugang zum Abitur auf etwa zehn Prozent der Schüler einschränken, also haben nur drei bis vier Schüler einer Klasse Abitur machen können. Die anderen wurden ausgesiebt und da boten sich natürlich politische Unbotmäßigkeiten als Siebefaktor an.
    Mein Vater hat durch seine Flucht zum Beispiel die schulischen Karrieren aller seiner Geschwister, alle mit bis dato exzellenten Leistungen, radikal gekappt. Was er allerdings erst 10 Jahre später erfuhr, als die Kontaktsperre aufgehoben worden war. Aus seiner äußerst dicken Stasi -Akte geht hervor, dass viele Schikanen, die seine und die befreundeten Familien noch bis in die Mitte der 80iger erdulden mussten, direkt mit der Flucht, den Besuchen danach und dem generellen Misstrauen gegen die gesamte Familie zu tun hatten, und es sind zB einige Lehrer explizit aufgefordert worden, meinen Cousinen und Cousins ständig in Bezug auf staatsbürgerliche Treue auf den Zahn zu fühlen bzw sie nach den Besuchen auszufragen, die Familie ist bis zuletzt bespitzelt und abgehört worden. In der Schule hatten alle eine schweren Stand.

  • Und das wirklich spannende ist, dass im DDR-Bildungssystem - eigentlich wie in allen Strukturen, in denen die Ideologie das Primat vor der Realität erringt - genau das Gegenteil von dem erreicht wurde, was man sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hatte. Hier ein hoffentlich ernüchternder Artikel dazu.


    Nele

  • Danke für den "ernüchternden Artikel"! Hast du alle Lesermeinungen dazu gelesen? Er gibt mir ja in großen Zügen recht. Wer aus dem Westen nicht selber unser System kennen gelernt hatte, sollte auch nicht darüber urteilen oder den üblichen Medienkram nachplappern.
    Ich werde auf jeden Fall mein übriges Leben noch dafür einsetzen, das heutige gegliederte kinderfeindliche System zu beseitigen und ein soziales erziehungs- und bildungsfreundliches Schulsystem bzw. was viel entscheidender ist, die vermittelte Bildungsqualität durch Frontalunterricht zu heben. Dies bedingt, wie schon mehrfach von mir erwähnt, in den Universitäten eine neue pädagogische Philosophie.

  • Bildungsqualität durch Frontalunterricht heben?


    Zum DDR-Schulsystem kann ich mir kein Urteil erlauben, aber ich möchte darauf hinweisen, dass der Autor des "ernüchternden Artikels" auch aus der ehemaligen DDR stammt und zumindest das Schulsystem kennengelernt hat

  • Zitat

    Original von unagdas heutige gegliederte kinderfeindliche System zu beseitigen und ein soziales erziehungs- und bildungsfreundliches Schulsystem


    20% Abiturientenquote waren von den SED-Herrschern festgelegt. 20% eines Jahrgangs durften Abitur machen. Sehr kinderfreundlich.


    Es haben anteilig noch weniger Mitglieder der "Arbeiter- und Bauernklasse" als in der Bundesrepublik diesen Bildungsabschluss machen können. Sehr sozialgerecht.


    Wenn die Eltern eines Jugendlichen in der DDR die falsche Gesinnung vertraten, konnte ihm per Federstrich verboten werden, überhaupt ein Abitur zu machen. Das war dann wohl das "bessere Schulsystem" eines "erziehungs und bildungsfreundlichen Deutschlands".


    Eine Diktatur beschmutzt und entwertet alle Ideen - selbst diejenigen, die vielleicht in anderen Kontexten sinnvoll gewesen wären. Es ist bestürzend, dass du als Lehrer eines demokratischen Rechtsstaates es für nötig hältst, für eine totalitäre Diktatur in die Bresche zu springen. Und es ist ein Zeichen der Stärke und Freiheit unseres demokratischen Rechtsstaates, dass du alles Recht und Freiheit dazu hast, deine Meinung öffentlich zu äußern!


    Was meinst du, was dir als DDR-Lehrer passiert wäre, wenn du es gewagt hättest, die Vorzüge des bundesrepublikanischen Schulsystems so öffentlich zu verteidigen?


    Nele

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Schon interessant, wie so eine Diskussion sich vom Thema entfernen kann ...


    Aber zum DDR-Schulwesen möchte ich etwas beitragen (nein, nicht die zahlreichen Unterhaltungen, die ich mit Leuten geführt habe, die dieses System erlebt haben - da waren die Meinungen unterschiedlich: die einen empfanden es als schrecklich, fühlten sich benachteiligt, weil sie nicht 120% dem Bild des Bürgers entsprachen, den die Regierung wollte ... den anderen ist nichts aufgefallen, sie hatten eine "normale" Schulzeit):


    Kurz vor dem Fall der Mauer war ich in (West)Berlin und nutzte die "offene" Stimmung, um auch mal in den Ostteil zu fahren. Ich hab mich dann auch in einem Buchladen umgesehen, ob ich nicht für mich interessantes Material finden würde. Ich studierte schon Lehramt und - geprägt vom Kalten Krieg - es war mir klar, dass ich mit historischen Darstellungen hier vielleicht vorsichtig sein musste (bitte keine Diskussion darüber, das war halt damals meine Meinung).


    Jedoch war ich überzeugt, dass es ja wohl Bereiche des Lehrer-Seins geben müsste, die ideologiefrei sind (ja, ich war jung und naiv).
    Als mir also ein Buch in die Hände fiel, dessen Titel ungefähr "Gerechtigkeit in der Notengebung" lautete, hab ich es gekauft ... nur um dann nach 150-200 Seiten als Grundessenz feststellen zu können, dass Kinder/Jugendliche, die erkennen ließen, dass sie vom Sozialismus überzeugt waren, gefälligst nicht durchzufallen habe - die richtige Ideologie gleiche vieles aus.


    Ob das repräsentativ ist? Ob das Buch ein Standard-Werk der DDR-Erziehungswissenschaft war? Ich weiß es nicht, aber es kam auch nicht aus einer besonders radikalen/obskuren Ecke (das hab ich damals noch überprüft).
    Und diese Lektüre hat mich dahingehend geprägt, dass ich DIESEM Bildungssystem sehr skeptisch gegenübe stehe.

Werbung