Wegfall der 13. Klasse

  • Hallo,


    bisher war ich durchaus kein Mensch, der G 8 grundlegend negativ gegenübersteht, ich mache mir aber, je näher in unserem Bundesland die endgültige Umstellung auch in der Oberstufe rückt, immer mehr Gedanken, was das denn für mich als Lehrer im Umgang mit den Schülern bedeutet. Ich befürchte schon einen Verlust an intellektueller Qualität des Unterrichts, v.a. der Unterricht in der 13 mit jungen Erwachsenen macht mir immer viel Spaß und den Wechsel von der 12 zur 13 habe ich meist als deutlichen Schritt der Reifung der Schüler erlebt, man ging einfach anders miteinander um. An die Vorstellung, dass jetzt 15-16jährige in die gymnasiale Oberstufe eintreten und dass wir Schüler an die Uni entlassen, die z.T. vielleicht noch nicht volljährig sind, kann ich mich momentan nur schwer gewöhnen. Geht das nur mir so oder gibt es hier KollegInnen, die sich ähnliche Gedanken machen? Wie sind denn eure Erfahrungen?


    LG Eugenia

  • Mir geht es ähnlich.


    Ich habe dieses Jahr erstmals eine G9-12. Klasse - und auch das letzte Mal.
    Es ist sehr schade, dass ich außer dieser Klasse dann keine 13er mehr haben werde. Auch ich glaube, dass in diesem einen Jahr noch sehr viele und entscheidende Reifeprozesse stattfinden.
    Einer der Gründe, warum ich Gynmasiallehramt studiert habe, ist, dass hier die Spanne zwischen sehr jungen und reifen Lernern sehr groß ist. Und mit G8 wird sie schmaler.

  • Wenn ihr reifere Lerner wollt, kommt doch in den zweiten Bildungsweg; wir suchen immer gute Leute! :)


    Nele

  • Hallo,


    es geht nicht grundsätzlich um reifere Lerner, ich möchte auch auf den ganz anders fordernden Unterricht z.B. in einer 9. Klasse nicht verzichten. Ummon trifft die Sache genau - die Spanne wird schmaler. Für mich ist das immer auch ein Ausgleich: nach einer 6. Klasse kommt dann z.B. eine 12, die mich ganz anders fordert. Auch und gerade intellektuell. Ich merke im Moment, dass ich Themen mit G8 in Klassen durchnehmen muss, denen diese von der Entwicklung her noch nicht gewachsen sind. Das Niveau sinkt - muss es vll. auch. Ich frage mich nur, wo ich selbst dabei bleibe.


    Eugenia

  • Mir geht es genauso. Abgesehen davon, dass ich für mich persönlich den Unterricht in einem 13er Kurs immer mochte, denke ich auch, dass kein Jahr in der Schule so einfach wegfallen sollte. Ich hatte immer den Eindruck, dass die SuS in jeder Stufe etwas Neues gelernt haben und hatte ehrlich gesagt selten einen Kurs, in dem ich häufiger mal weniger als das Schuljahr brauchte, um den ganzen Stoff adäquat zu besprechen.


    Außerdem denke ich auch, dass es keinen Sinn macht, an Bildung zu sparen, schon gar nicht, wenn die Kräfte, die wir vorrangig brauchen, gut ausgebildete Kräfte sind. Des Weiteren ist es natürlich auch schade, dass weniger Lehrerinnen und Lehrer gebraucht werden, da es ja immer noch viele junge Leute gibt, die diesen Beruf gerne mal aufnehmen wollen.

  • Ja, es ist leider so, wie Eugenia und Ummon es sehen. Wir in Nds haben jetzt den Doppeljahrgang im Abiturjahrgang. Die Unterschiede zwischen 12ern und 13ern ist leistungsmäßig nicht soo riesig, wie man denken könnte, aber dennoch besteht er. Ist ja auch ganz klar, reifungsmäßig und so.
    Aber was hilft's? Bedauern bringt uns da auch nicht weiter, es ist halt so.


    Doof ist in einigen Fächern aktuell, dass sowohl die Kerncurricula als auch die Lehrwerke und Standard-Unterrichtsmaterialien noch nicht auf die "neue" Klientel zugeschnitten sind. In 12/13 ist das nicht so schlimm, aber die 10. Klasse kann natürlich nicht mit dem arbeiten, was vorher für die 11. gedacht war, und die 11 nicht so gut mit dem, was für die Oberstufe gedacht war. Hoffentlich veröffentlichen die Verlage da bald mal neues Material, das ist manchmal echt kniffelig .


    Hamilkar

  • Nach 5 Jahren Leistungskurs, davon zwei Jahre mit jeweils zwei Parallelkursen und einer in diesem Jahr unfreiwillig hinzugekommen 8.Klasse habe ich heute beschlossen, dass ich mit kommenden Schuljahr dann doch lieber wieder die Sek I beglücken möchte......


    Der Kurs im Doppeljahrgang wie auch der Kurs mit den ersten vollstänigen G8tern haben mit gymnasialer Oberstufe nichts mehr zu tun. Das liegt nicht am fehlenden Jahr Englisch, sondern, wie Eugenia zurecht befürchtet, an dem fehlenden Jahr innerer Reife. Ich bezeichne den neuen Leistungskurs (Abi 2012) eher als Sek Ia statt Sek II und das geht sehr vielen meiner Kollegen ebenso. Und zwar quer durch die Fächer. Die Schüler sind noch nicht angekommen in der Oberstufe. Einige sind kurz vor vom Stuhl fallen, was ich auch in Jahrgang 8 haben kann, aber dann mit weitaus weniger Korrektur- und Vorbereitungsaufwand.


    @ neleabels:
    Ich bin auf dieses Forum gestoßen, weil ich seiner Zeit Informationen zur Arbeit in der Erwachsenenbildung gesucht habe. Mit den dazwischen stattgefundenem Schwerpunkt meiner unterrichtlichen Tätigkeit in der Sek II, war ich dann ab von dieser Idee. Mittlerweile gucke ich doch schin ernsthaft wieder in die von dir erwähnte Richtung.


    Grüße vom
    Raket-O-Katz

  • Zitat

    Die Schüler sind noch nicht angekommen in der Oberstufe.

    Glaubt ihr, dass sich das mit der Etablierung des G8-Systems mit den Jahren geben wird, oder ist das ausschließlich altersbedingt? Wie sieht das denn z.B. in den Bundesländern aus, in denen G8 schon länger praktiziert wird? Hat da jemand Erfahrungen?

  • Zitat

    ...und dass wir Schüler an die Uni entlassen, die z.T. vielleicht noch nicht volljährig sind...


    Wie geht das? Einschulung mit 6/7 Jahren + 12 Jahre Schule = 18/19 Jahre und damit volljährig.
    Oder hab ich was übersehen?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

  • Zitat

    Original von SteffdA


    Wie geht das? Einschulung mit 6/7 Jahren + 12 Jahre Schule = 18/19 Jahre und damit volljährig.
    Oder hab ich was übersehen?


    Es gibt gar nicht so wenige Springer, die dann ggf. mit 17 ihr Abitur bestehen.

  • Hallo,


    gerade bei Springern sehe ich oft, dass sie zwar intellektuell problemlos mithalten können, im Verhalten und in der Komplexität der Beurteilung bestimmter Fragen aber doch spürbar "zurück" sind. Ich möchte aber noch mal die Frage stellen, ob das "Ankommen" in der Oberstufe z.T. auch ein Problem einer Übergangsphase ist, das sich evtl. mit längerer Etablierung von G8 teilweise ändern könnte? Oder mache ich mir da falsche Hoffnungen?


    Eugenia

  • Zitat

    Original von philosophus


    Es gibt gar nicht so wenige Springer, die dann ggf. mit 17 ihr Abitur bestehen.


    Bzw. mit 5 eingeschult werden.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Zitat

    Original von katta


    Bzw. mit 5 eingeschult werden.


    Stichtag für Einschulung wird ja auch immer weiter nach vorne gelegt. Ergo sind die Kids in den kommenden Jahren immer jünger.

  • @ eugenia:


    Langzeiterfahrungen von Bundesländern mit G8 in Praxis würde ich auch gerne lesen. Vielleicht schreibt noch jemand was.


    Abgesehen davon: Ich befürchte, dass es nicht besser werden wird. Statt dessen denke ich, dass wir das System der Kundschaft anpassen müssen. D.h. wir werden das Niveau senken müssen, Themen bzw. deren Behandlung ebenfalls und unsere Methoden. Unsere Schüler sind vielfach eingeschüchtert von der Sek II, weil sie merken, dass hier doch eine Zäsur zur Sek I stattfindet. Diese Reaktion hatte ich auch in den vergangenen G9 Jahrgängen bemerkt, allerdings nicht in diesem Umfang und dieser Deutlichkeit. Hinzukommt eine gehöriges Maß an Naivität. Und die Notwendigkeit 3 Leistungskurse zu wählen, wo man doch oft schon in der Klasse 10 als Schüler keine eindeutigen Schwerkpunkte vorweisen konnte. Da wird bei uns zumindest häufig gewählt "was ich eben noch so kann".


    Aus der Praxis: Heute war wieder G8-Leistungskurs. Meine Hausaufgabe war klar und unmissverständlich gestellt worden: Strophen einer in Gedichtform darstellten Meinugsverschiedenheit zwischen zwei Personen mit eigenen Worten in wenigen Sätzen als Prosa wiedergeben. Strophe für Strophe, so wie die jeweils im Gedicht sprechende Person sie in einer normalen Konversation sagen würden. Von 24 Leuten hatten 3 eine Analyse und Interpretation des Gedichtes geschrieben. 3 hatten es ins Deutsche übersetzt (!) und weiter nichts. 1 hatte nur das Reimschema an den Rand geschrieben. 1 hatte das auf dem Zettel ebenfalls mit abgedruckte andere Gedicht gleich mit bearbeitet. Ich war ehrlich gesagt geschockt!


    Auch aus anderer Ecke befürchte ich keine Besserung, wenn wir hoffen sollten, dass nachwachsende Jahrgänge vielleicht intelltektuellere Leistungen bringen. Mit Blick auf die Klassenarbeitsvorschläge für Klasse 8 aus dem vom Lehrwerksverlag mit vertriebenen Vorschlagband bekomme ich echt Sorge - alles fast ausschließlich nur noch Multiple Choice! Das sind amerikanische Verhältnisse!!!!! Sorge und Angst machen sich da bei mir breit, weil ich im Englisch Leistungskurs sehe, was die Schüler können sollen und weil ich in der 8.Klasse sehen, was man mit ihnen machen soll. Dieser Weg wird nicht zum Ziel führen, das wir vielleicht noch in der Sek II sehen.


    Lange Zeit habe ich meinem Partner widersprochen, der schon seit mehreren Jahren am System zweifelt. Jetzt kann ich das nachvollziehen.


    Pessimistische Grüße
    Raket-O-Katz, das dennoch in der 8ten auch andere Formate umsetzen wird. *rebellier*

  • Zitat

    Original von Flipper79


    Stichtag für Einschulung wird ja auch immer weiter nach vorne gelegt. Ergo sind die Kids in den kommenden Jahren immer jünger.


    oder 1./2. Klasse in 1-3 Jahren durchlaufen werden kann.


    À+

  • Hallo!


    Ich muss mich hier mal zu Wort melden, kann nämlich Langzeiterfahrungen mit G8 beisteuern (leider nur aus Schülersicht) und mit G9 aus Lehrersicht vergleichen. In Sachsen gab es nämlich schon immer G8 und laut Pisa hat das den Schülern bis jetzt anscheinend noch nicht geschadet.


    Ich möchte mal einen ganz anderen Gesichtspunkt in die Waagschale werfen. Ich finde ich es etwas arrogant von Niveausenkung oder ähnlichem zu sprechen, denn das Leben ist doch für die Schüler nicht nach der Schule zu Ende. Ganz im Gegenteil sie haben ein Jahr dazu gewonnen über das sie selbst entscheiden können und aus dem sie unter Umständen mehr machen können als in der Schule. Es ist vielleicht interessanter statt G8 und G9 Abiturienten zum Zeitpunkt des Abis, G9 Abiturienten mit G8 Abiturienten nach einem Jahr Studium (also beide mit etwa 19 Jahren) zu vergleichen. Wer wird sich wohl weiter entwickelt haben?
    Das ein Abitur nach 12 Jahren für die längerfristige Persönlichkeitsentwicklung vielleicht besser sein kann, ist mir durch meine eigenen Erfahrungen als Lehrer im G9 bewusst geworden. Ich finde die Klasse 13 gehört einfach nicht mehr in den Schonraum Schule, sondern in die Herausforderungssituation Studium und Beruf, weil sie auf der einen Seite schon erwachsen und reif sind und wissen was sie wollen, aber ich der Schule nur auf ihre Rechte pochen und noch nichts wirklich leisten müssen.


    Ich denke die Mehrzahl der Schüler am Gymnasium ist ein Abitur auf dem Niveau, das man für den Beginn eines Studiums braucht, durchaus zuzutrauen und für die, die wirklich ein Jahr mehr Zeit brauchen gibt es genügend "Umwege" wie Wirtschaftsgymnasium oder ähnliches. Das gewonnene Jahr lässt sich für Auslandsaufenthalten, Praktika oder einfach einen schnelleren Berufseinstieg super nutzen und das tut Deutschland mit seinen vielen Langzeitstudenten bestimmt gut :)

  • Hallo Jani77,


    das Ausgangsposting handelt von der Sorge Eugenias Sorge "was das denn für mich als Lehrer im Umgang mit den Schülern bedeutet" (Zitat) und nicht davon, was aus den Schülern nach x Jahren nach Abi wird. Kern ist die konkrete Unterrichtssituation und das Verhalten bzw. die Reife der Schüler, die wir als SekII Kollegen zum Abitur zu führen haben. Die Themenstarterin macht - wie ich finde zurecht - deutlich, dass bisher immer ein merkbarer Sprung in der Reife von Jahrgang 12 auf 13 zu spüren war. Dieser Prozess ist unabhängig davon, ob die Personen in der Schule sind oder an der Uni oder auf dem freien Arbeitsmarkt. Möglicherweise jedoch könnte dieser Sprung noch deutlicher ausfallen, wenn die Schüler im Alter eines 13. Jahgangs bereits "draußen" sind, weil es da eben doch härter zu geht. Da gebe ich Dir recht, aber das war (s.o.) nicht das auslösende Gedanke des Threads.


    In Punkto Niveausenkung: Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern einfach damit, dass viele Kollegen, die gerne und viel in der der Sek II unterrichten dies tun, weil sie genau dort Schüler und Themen vorfinden, welche intellektuell reizvoll und anspruchsvoll sind. Gerade in Jahrgang 13 kann man bzw. konnte man noch einmal richtig Gas geben und teilweise Unterricht auf Uniniveau (oder nahe dran) geben. Dies wird nun wegfallen.


    Desweiteren: Ich sehe mich durchaus gezwungen das Niveau meiner Kurse herabzusenken. Sollte ich auf bisherhigem Niveau weiterarbeiten, würden die Kurse schnell sehr klein werden. Diese Ansicht vertrete ich nicht alleine, sie wird zumindest an unserer Schule von zahlreichen in der Sek II mit G8-Schülern arbeitenden Kollegen aller Fächer vertreten. Eugenia und Ummon bestätigen das in ihren Beiträgen ebenso.


    Im Kern bedeutet das also: Die G8-Schüler haben zwar eher die Gelegenheit die Welt "da draußen" mit allen ihren Persönlichkeits fördernden Aspekten zu testen und werden vielleicht sogar schneller reif als die alten G9er. Für die Kollegen wird das Arbeiten in der Sek II aber weniger interessant.


    Grüße vom
    Raket-O-Katz

  • Und zu Raket-O-Katz' Ausführungen kommt noch, dass in Bayern die Leistungskurse, die es im G9 gab (5 Stunden die Woche auf meist fachwissenschaftlich höherem Niveau vor meist interessierten Schülern, denn man wählte die Kurse), im G8 nicht mehr existieren.

  • Ich kann janni in allen Aussagen nur zustimmen. Natürlich bezog sich das Ausgangsposting auf einen anderen Aspekt aber ehrlich gesagt, sollten die Vorlieben der unterrichtenden Lehrer und Lehrerinnen in diesem Zusammenhang nicht im Vordergrund stehen und über schwindende geistige Reife der SuS wird nicht nur von SEK 2 Lehrern und Lehrerinnen geklagt!

  • In NRW kann man bislang noch nichts sagen, ich habe ein Philosophiekurs, da schauen mich hilflose Augen an und ich verspreche mich ständig, weil ich "du" statt "sie" sage, das sind Kinder... Aber so einen willigen, aber unselbstständigen Kurs kann man auch in der 11 erwischen, mal schauen wie sich das entwickelt und ob es tatsächlich beim G8 bleibt...

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

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