Mir gehts so schlecht

  • Ich bin seit mai 2010 im Ref. In der Startphase hatte ich keine Mentoren und lief wie eine wilde von Lehrer zu Lehrer und bettelte um Unterrichtsstunden. Diese zu geben klappte ganz gut. Ich hatte auch schon meinen ersten Besuch in der Zeit und mein Fachseminarleiter bestätigte mir, dass ich für den Beruf geboren sei (seine Worte). Nun befinde ich mich in der Kernphase 1 (ich muss nun 12 std alleine unterrichten) und habe seit etw. mehr als einer Woche Schule. Ich habe jetzt zwar Mentoren, aber die sind recht alt und können mit diesen Kompetenzen nicht viel anfangen. Auch kommen wir nicht zusammen um mal einen Stoffverteilungsplan aufzustellen.


    Nun zum eigentlichen Problem:
    Ich fühle mich sehr, sehr überfordert. Sitze hier für ein Arbeitsblatt 10 std. vor dem Rechner und habe das Gefühl, ich bin total blöd. Manchmal sitze ich auch den ganzen Tag vor dem Rechner und kann einfach nichts vorbereiten, weil ich mich wie ausgebrannt fühle. Ich heule den ganzen Tag und habe Depressionen, esse und trinke nichts mehr. Ich habe das Gefühl, dass ich den Schulstoff selber nicht verstehe und habe Angst, dass Schüler mich Dinge Fragen, die ich nicht beantworten kann. Heute hätte ich 6 std gehabt, aber ich habe mich krankgemeldet, weil ich nicht mehr kann. In der Schule habe ich mich an KOllegen gewendet und gehofft, man könne die Parallelkurse wenigstens abgleichen und Material austauschen, aber auch das schlug fehl. Ich fühle mich so alleine und kann einfach nicht mehr. Ich habe drüber nachgedacht die Schule zu wechseln, weil eine gute Ausbildung an dieser Schule nicht absolviert werden kann (Stadtteilschule, habe gymn. studiert). Es ist ein total schwieriges Klientel als der Mittelstufe.
    Zudem kam mir auch der Gedanke mit dem Ref. aufzuhören und es später nochmal zu versuchen, oder krank zu melden und mit dem neuen Durchgang zum Januar neu anzufangen (was ich als beste Lösung empfinde)...


    Wie bekomme ich das hin?


    mfg

  • Mumu, schlechte Phasen im Referendariat sind normal; bei deiner Beschreibung sehe ich keinen Grund zum Aufhören, ich sehe nur Eingewöhnungsschwierigkeiten, leider begünstigt durch ungünstige Voraussetzungen. Aber ideale Voraussetzungen sind eigentlich selten (mein Eindruck, was ich bisher so erfahren habe). Du solltest versuchen, Ausgleich in der wenigen freien Zeit zu finden. Was mir persönlich noch geholfen hat, war der Materialaustausch mit Referendaren und Kollegen, die vergleichbare Klassen, vergleichbare Unterrichtsfächer oder vergleichbare Probleme haben. Du kannst deine Kollegen nicht nur um Material bitten, sondern auch welches anbieten.


    Außerdem kann es vielleicht auch entlastend sein, dich mit Mitreferendaren abzusprechen, ob ihr ab und zu gemeinsam Unterrichtsentwürfe und Materialien besprechen wollt, auch wenn die Klassen unterschiedlich sind, so im Sinne von "ich helfe dir, dafür helfe ich dir auch". Das geht natürlich nur, wenn du Mitreferendare hast, mit denen du dich gut verstehst und die das auch wollen.


    Ich persönlich finde, du solltest dir noch mehr Zeit lassen und gründlicher überprüfen, ob eine Pause wirklich Sinn macht. Denn wirklich optimale Voraussetzungen sind selten und wirst du in einem halben Jahr vielleicht auch nicht haben.

  • Erstmal, auch wenn das nicht Kern des Problems ist: Es ist normal, dass man lange für die Erstellung von Material braucht, wenn man keine Routine hat.


    Das hört sich alles nicht gut an und wird auch nicht von alleine besser werden.
    Vielleicht gibt es im Kollegium jüngere Leute, die deine Fächer haben, aber nicht deine Mentoren sind? Wenn ja, dann sprich die an. Gerade die, die erst vor einigen Jahre ihr Ref absolviert haben, wissen oft aus eigener Erfahrung, wo der Schuh drückt und haben manchmal hilfreiche Tipps.
    Gibt es sowas wie einen Ausbildungskoordiantor an der Schule? Heißt je nach Bundesland anders, ist aber jemand, der für die Betreuung der Refs zuständig ist - unabhängig von den Fächern. Die sind auch für Probleme deiner Art zuständig.
    Was die Stoffverteilung angeht, würde ich, wenn ich wirklich keine Erfahrung und keine Unterstüzung habe und gar nicht weiß, wie ich es machen soll, die Zeit durch die Anzahl der Themen teilen und fertig. Damit ist zwar die Reihenfolge noch nicht geklärt, aber zumindest die ungefähre Dauer der jeweiligen Blöcke.
    Was sagen denn die Mitrefs? Gibt es da Unterstüzung?


    Alles in allem glaube ich, dass du gegenüber den Fachleitern die Karten auf den Tisch legen solltest, wenn es dir so schlecht geht. Zaubern können die zwar auch nicht, aber vielleicht haben sie einen Rat aus Erfahrung.
    Gut wäre natürlich auch, wenn du in der Schule eine vertrauenswürdige Person hättest, mit der du dich austauschen könntest.


    Und nicht zu vergessen: Für einen Anfänger sind 12 Wochenstunden viel.
    Refs befinden sich in Ausbildung, müssen teilweise den Job von fertigen Lehrern machen und werden finanziell kurz gehalten. Da kann niemand Perfektion erwarten! Man muss z.B. nicht immer das Rad neu erfinden, sondern kann zur eigenen Entlastung auch auf passendes U-Mat von Verlagen zurückgreifen.


    Wichtig ist, dass du versuchst, so schnell wie möglich persönliche und schulische Unterstüzung zu bekommen. Die Anfangsphase ist nämlich viel leichter, wenn man sie nciht alleine durchstehen muss - ich könnte mir gut vorstellen, dass die Welt in ein paar Wochen schon ganz anders aussieht!

  • Irgendwie kann ich dich total verstehen. Mir geht es auch oft so :(. Ich bin dann total verzweifelt und weiß nicht weiter. Bei allen anderen scheint alles super zu laufen, nur bei einem selber nicht. Aber eigentlich möchte man doch unbedingt Lehrer/In sein...
    Ich denke mir dann immer, Aufgeben ist ja auch keine Lösung... Aber ich weiß, was du meinst. Man fühlt sich dann einfach so mies, schlecht, inkompetent, überfordert und vollkommen hilflos.
    Wenn du einmal etwas nicht weißt, geb einem Schüler die Aufgabe es zur nächsten Stunde nachzuschlagen. So überträgst du ihm Verantwortung, dieser bemüht sich und du bist erst 'mal aus'm Schneider.


    Investiere in diesem Jahr einfach in Hilfestellungen der Verlage. Verkaufen/ Abgeben kann man die Sachen immer noch. Halte dich an die Handreichungen und richte dich danach bis du Fuß gefasst hast. So habe ich es mir auch vorgenommen.
    In 2-3 Wochen kommen auf mich auch 11h die Woche zu und auch ich habe jetzt ganz oft, ganz dolle Panik :(

  • Hallo mumu03,


    die Probleme, die Du beschreibst, kenne ich aus meiner eigenen Refzeit auch. Gib nicht auf und mache weiter. Nach etwas Eingewöhnungszeit wird es besser, glaub mir.
    Kannst du nicht mal mit den Fachleitern sprechen und sie bitte, dass ihr im Seminar Arbeitsblätter, Reihen etc. plant? So etwas haben wir anhand von ein oder zwei Reihen im Mathefachseminar gemacht und es hat mir sehr geholfen. Auch der Austausch mit jungen Lehrern oder Mitrefs kann sehr hilfreich sein.


    LG Flipper

  • Danke für eure Beiträge,


    ich bin einfach psychisch so geknickt, dass ich total blockiert bin. Die einfachsten Sachen überfordern mich. Sogar das eintragen der Klausuren in die Listen, weil ich nichtmal weiß, was ich mit ihnen mache und wie eine klausur gestalten würde. Ich habe mit jüngeren Lehrern gesprochen, aber leider siehts schlecht aus mit dem Mat, da ich selber ja kaum was geben kann. Im fachseminar Bio habe ich das schon angesprochen, aber der Rahmen ist so eng geschnürt, dass das auch nichts wird. vor allem sind die meisten am gymnasium und habe keine 10. an der Stadtteilschule (daher auch andere Themen).


    zu mir: ich bin ein sehr strukturierter mensch, aber ich kann mich nicht aufraffen etw. zu tun, weil ich angst habe. einfach wahnsinnige angst.
    daher würde ich gerne kucken was es für Möglichkeiten gibt, um erstmal Zeit zu gewinnen und mich zu sammeln. Mir gehts körperlich einfach zu schlecht.

  • Klingt vielleicht erst mal blöd, aber: spazieren gehen! Oder joggen, wenn dir das liegt.
    Du brauchst einen Ausgleich und einen Weg, mal aus deinem Kopf rauszukommen. Je länger du am Schreibtisch sitzt und dich selber fertig machst, wie lange du angeblich brauchst, dass du keine Ahnung hast, was du machen sollst etc. pp, desto mehr blockierst du. Und glaub mir, ich kenn das. Ich kenn das wirklich, wirklich gut.
    Und ich kenn auch das Gefühl, dass man eigentlich so dermaßen viel gleichzeitig machen, planen, vorbereiten muss, dass man gar nicht weiß, womit überhaupt anfangen.
    Deswegen: erst mal abschalten. Klettern gehen soll dafür übrigens auch super sein, weil du dich so auf andere Dinge konzentrieren musst.
    Mir persönlich hat auch immer geholfen, wenn ich mit einem guten Freund geredet habe, wenn sich in meinem Kopf wieder mal alles im Kreis drehte. Meistens habe ich allein dadurch wieder etwas Struktur reingekriegt.


    Hast du da gute soziale Kontakte? Nutze sie! Vergrabe dich nicht stundenlang am Schreibtisch, denn das bringt effektiv sowieso nichts, wie du ja selber merkst.


    Leider kann ich dir bei deinen Fächern gerade nicht helfen, aber ich würde tatsächlich erst mal nach den Büchern, Unterrichtshilfen gucken, so dass du erst mal Luftholen und dann nach und nach, immer mal für einen anderen Kurs, dich in einzelne Reihen vertiefen kannst.


    Konzentriere dich auf eine Sache.
    Unterrichten ist so dermaßen komplex, dass du eh nicht alles auf einmal ändern kannst. Und schwierige Klassen sind hart und brauchen viel Übung und Erfahrung. Konzentriere dich erst mal auf einen Aspekt, den du ändern möchtest - z.B. immer an die Hausaufgabenkontrolle zu denken, oder dass du auf reinrufen nicht reagierst oder sowas. Aber wirklich nur EINEN Aspekt. An dem arbeitest du. Den Rest lässt du erst mal "links liegen" - denn glaub mir, du kannst nicht an 27 Aspekten gleichzeitig arbeiten und lernen. Das geht einfach nicht. Dafür ist das alles zu komplex.


    Und was Material, Klausuren angeht... wenn du wirklich keinen einzigen Kollegen findest, der dir mal ne alte Klausur oder sowas geben kann, dann guck auf 4teachers.de, auf schulportal.de Da kriegst du ein paar Anregungen, von denen ausgehend du arbeiten kannst.


    Deine ersten Stunden sind nicht perfekt, deine ersten Klausuren wahrscheinlich auch nicht. Aber du LERNST auch noch!
    Das haben wir alle mit- und vor allem durchgemacht!


    Hab Geduld mit dir, verlang nicht zu viel auf einmal, verlang nicht von dir, sofort perfekt zu sein! Der Anfang ist echt hart, weil es einfach so viel ist.
    Aber glaub mir, in zwei, drei Monaten guckst du zurück und siehst, wie viel du schon gelernt hast! Es ist wirklich so.
    Und ganz ehrlich, die Schüler überleben das auch!


    Und wenn die Schule bzw. das Kollegium wirklich so unkooperativ ist, dann beiß die Zähne zusammen und sieh zu, dass du nach dem Examen da weg kommst.


    Und wenn du halbwegs Vertrauen zu deinen Fachleitern hast, bitte sie um Rat, schildere deine Situation. Sie sind da, um dich auszubilden und zu helfen - nicht nur, um dich zu bewerten (auch wenn das im Kopf für einen selber schwer zu trennen ist). Aber Lehrer kranken eh oft daran, alles alleine machen zu wollen bzw. meinen, es zu müssen. Sei stark und suche Hilfe!


    Vielleicht findest du auch hier jemanden, der dir mit Materialtipps helfen kann?


    Wie gesagt: nimm dir bewusst Auszeiten, sonst schaltet dein Gehirn irgendwann völlig ab. Fahr in den Herbstferien auf jeden Fall ein paar Tage weg (Studienkollegen besuchen, was auch immer).
    Dann kannst du mit Energie an deine Arbeit gehen.


    Und glaub mir, es wird wirklich besser!

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Danke dir katta,


    ich denke du hast recht! Bis jetzt saß ich vor dem Rechner und nichts! Ich werde jetzt erstmal essen und trinken und nen langen Spaziergang machen. Morgen habe ich dann einfach 2 std. Bucharbeit mit meinen 7.ten, das ist dann einfach so. Und heute machen ich einfach bewusst nichts und nicht unbewusst nichts! Bei den genannten Foren war ich schon und habe für mich herausgefunden, dass ich erstmal einen Überblick gewinnen muss und reinkommen muss in den Unterricht. Solange mein Kopf blockiert, hilft auch der beste Unterrichtsentwurf zur Zellbiologie nichts, da ich nicht weiß was ich machen soll, um dahin zu kommen. Ich muss mir selber erstmal einen Plan basteln, was die Schüler am Ende des Halbjahrs wissen müssen.


    Ich danke für eure Einträge und merke, dass mich das sehr aufbaut. Ich werde natürlich weiterhin berichten, wie es mir an der Schule ergeht und aufpassen nicht zu erkranken.

  • Geh doch einfach mal zu den Schulbuchverlagen und sieh dich nach Material um.
    Als Ref kriegst du da ja gut Rabatt und gerade, wenn du sagst, dass du dich im Gestalten von ABs schwer tust oder lange dazu brauchst, ist das gut investiertes Geld.
    Es gibt da vor allem in Bio oft ganze Arbeitsblattsammlungen zu allen möglichen Themen, absolut idiotensicher - Schülerversion auf der einen Seite, Lehrerversion mit Lösung auf der anderen Seite/Rückseite.


    Vor allem, wenn du in Zeitnot bist, kann es dann eine echte Hilfe sein, einen Gang runterzuschalten, dich mit einfacherem Niveau abzufinden und Stunden nach Schema F zu machen:
    Einstieg ins Thema, eventuell Tafelbild entwickeln, AB austeilen, AB in Einzel- oder Partnerarbeit bearbeiten lassen, AB besprechen, fertig.
    Sind für Fachleiter keine Glanzstunden (und sollten deshalb natürlich nicht als Lehrproben verwendet werden), aber erstaunlicherweise nehmen die Schüler das überhaupt nicht so wahr.

    • Offizieller Beitrag

    Also, ich betreue ja lange genug Referendare, um diesen Effekt schon ein paar Mal gesehen zu haben...
    Es ist so, dass es in dieser Phase recht wenig Sinn macht eine Gesamtreflexion zu Sinn und Unsinn des Referendariats und über die gefühlte Spanne zwischen "für den Beruf geboren" und "völlig überfordert und inkompetent" nachzudenken.


    Du befindest dich in dem unguten Spannungsverhältnis zwischen nicht-praxisorientierter Ausbildungsanforderung (völlig überzogen vorbereitete "Hochzeitstortenstunden") und mangelnder Routine und Erfahrung, so ziemlich die ätzendste Kombination überhaupt. Wird von erfahrenen Mentoren seit Jahren bemängelt und es ändert sich nix. Eher hat man's verschlimmbessert.


    Was du tu kannst, ist dir erstmal klar machen, dass dein "gefühltes Scheitern" möglicherweise aus diesem systemischen Fehler erwächst und nicht unbedingt aus dir. Ob oder ob das nicht so ist, wird die Zeit zeigen. Tatsächlich gibt es Menschen, die dem Ganzen wirklich nicht gewachsen sind, das ahnt man, wenn jemand nach einem Jahr eigenem Unterricht immer noch 10 Stunden für ein Arbeitsblatt braucht oder Fragen der Schüler nicht beantworten kann. Das sollte aber jetzt nicht dein Problem sein, sondern du solltest jetzt erstmal mit den folgenden Gedanken rangehen:


    1. Der Beruf ist machbar. Also kann ich ihn auch machen.


    2. Menschen, die 26 Stunden unterrichten, können nicht jede Stunde 10 Stunden vorbereiten. Trotzdem funktionieren diese Stunden. Also setze ich mir ein Zeitlimit beim Vorbereiten. Nämlich max. 1 Stunde pro normaler Unterrichtsstunde (UBs sind was anderes). Ich gehe um (gesunde Uhrzeit x) ins Bett. Wenn ich dann nicht fertig bin, ist es halt so. Dann übe ich "Schwellendidaktik", das ist im richtigen Leben auch sehr wichtig, das zu können. Gerade am Berufsanfang mit den ersten 26 Stunden. Da wirst du dir sehr dankbar sein, wenn du das schon kannst. Heißt: ich habe nur einen Text und eine grobe Idee/ungefähren Plan, und damit gehe ich in die Klasse. Das klappt oft besser, als die überfrachteten Stunden mit Sekundenplanung, die einen nervös machen, weil die Schüler eben nicht nach deinem Sekundentakt tanzen und nach einer Weile alles aus'm Ruder läuft.


    3. Ich nutze vorhandenes Material, wo immer möglich und erfinde NICHT das Rad andauernd neu. (Die neu erfundenen Räder von Referendaren sind übrigens nicht immer die allerbesten Varianten, Stoff rüberzubringen. Meist benutzen sie sie im richtigen Leben nie wieder!). Lehrbücher sind durchaus von erfahrenene Menschen gemacht worden und inzwischen oft recht gut, sie geben einen durchaus sinnvollen Rahmen. Sog. Buchstunden sind NICHT die schlechstesten Stunden! Die Schüler achten weniger auf das Material als auf den Menschen!!! Ist der ausgechlafen, fit, freundlich und konzentriert, wiegt das ein hypergestyltes Arbeitsblatt UM LÄNGEN auf! (sei ehrlich: welche Lehrer sind dir als "gut" in Erinnerung geblieben - die mit den Arbeitsblättern oder die mit dem Charakter / der Ausstrahlung? ;) )


    4. Ich schnorre. Laut Dienstordnung ist jeder Lehrer zur Mitarbeit in der Referendarenausbildung verpflichtet. Ich gehe ständig zu jedem hin und frage "wie machst du das eigentlich? Welches Material benutzt du für X? Kannst du mir das mal leihen?" und ich lasse mich nicht abwimmeln. In den Fachkonferenzen melde ich mich und bitte um Auskunft zu allen meinen offenen Fragen (die ich natürlich vorher aufgeschrieben habe). Ich lese die alten Protokolle, da steht auch viel Hilfreiches drin.


    5. Ich mache Fehler und ich drehe deswegen nicht gleich durch. Ein Mensch in der Ausbildung macht halt Fehler. Das verursacht mir keine schlaflose Minute. Aber ich reflektiere meine Fehler und befrage die alten Hasen: "Mir ist das und das passiert - wie kann ich das vermeiden?" Die Schüler kann man ggf. auch befragen: "Was hat euch/Sie an dem Tag daran gehindert, die Aufgabe X zu erfüllen? Woran hat's gelegen?" - die können einem das oft punktgenau sagen.


    6. Ich gebe mir Zeit. Im Moment reicht, dass die Unterrichtsstunden einigermaßen zielführend ablaufen und ein Lernergebnis haben. Sie müssen nicht "toll" , "unvergesslich" oder "examenstauglich" sein.
    Nächsten Monat möchte ich 2 Stunden halten, die mich wirklich befriedigen. Übernächsten dann 4. Und dann... (in deinem Tempo kannst du auch andere - realistische! - Zahlen einsetzen).


    7. Ich fange immer mit dem Lernergebnis an. Ich versuche nicht, "gleich die ganze Stunde zu sehen", mit allen Methoden und Materialien und so. Dann sehe ich nicht mehr, worum es eigentlich geht. Ich plane vom Lernziel zurück. Das geht am schnellsten und macht am meisten Sinn und gibt eine Struktur, die auch gleich in die nächste Stunde mündet.
    Also: Was müssen die Schüler als nächstes kapieren? X. Welchen Teil von X können sie in einer Stunde erreichen? Y. Was braucht man um Y zu üben? Einen kurzen Text mit Z drin (im Buch gucken, wenn es geht, die Aufgaben von dort übernehmen und ggf etwas aufpeppen). Mit welcher einfachen (!) Methode geht das am besten? Keinen Schnickschanck, sondern das nehmen, was auf Anhieb sinnvoll erscheint - auch wenns drei Mal hintereinander dasselbe ist. Wie lange dauert das? Zeitplanung machen. Fertig. Wenn du das kannst, kannst du anfangen, den Aufpepopfaktor zu erhöhen. Aber erst dann!!


    8. Ich glaube an mich! Rückschläge kompensiere ich durch Sport und Schokolade, Pasta und Kino - nicht durch Depressionen! Falle ich hin, steh ich wieder auf.



    Alles Gute!! :)

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Hallo mumu,


    das, was du schreibst, kann ich total gut nachvollziehen und mir geht es im Moment sehr ähnlich. Ich war kurz davor, selber einen Beitrag zu schreiben, dann habe ich deinen entdeckt, bin sonst nur stiller Mitleser...
    Ich führe gerade meine Reihe für die Examensarbeit durch, die Stunde heute lief total schlecht und ich bin fix und alle, hab das Gefühl, nichts zu können, nicht geeignet zu sein und es doch besser bleiben zu lassen.
    Diese Blockade und die Angst davor, Fehler zu machen, die kenne ich momentan auch sehr gut. Sehr sehr frustrierend alles.


    meike, ich bin echt versucht, mir deine Tipps auszudrucken und über den PC zu hängen. Sehr hilfreich für alle Referendare - danke!!
    Allerdings gebe ich auch zu bedenken: Mit der Türschwellendidaktik hast du sicherlich völlig recht. Allerdings ist es, zumindest bei uns im Seminar, so, dass wirklich jede Stunde schriftlich vor- und nachbereitet werden muss und es auch gerne mal passieren kann, dass diese Aufzeichnungen vorgezeigt werden müssen. Von daher kann das auch mal nach hinten losgehen...Über die Ausbildungsanforderungen könnte ich mich momentan allerdings auch seitenweise aufregen, nur wirds davon ja auch nicht besser...


    Also, durchhalten, es wird schon irgendwie weitergehen!

  • Danke für den Thread. Mir helfen die Tipps auch! Diese Verzweiflung an manchen Tagen raubt einem oft die gesamte Kraft :rolleyes: . Und dieser ständige (un)bewusste Vergleich mit anderen Refs/Lehrern erhöht oft außerdem den Druck...

  • Hallo Mumu,


    ich kann mich den Vorrednern nur anschließen. Ich habe zwar nach einem Jahr Ref wieder aufgehört, stieg aber gleich mit 8 Stunden eigenverantwortlichen Unterricht ein und das war schon ein Hammer... aber das wurde viel besser. Am Anfang sehr geholfen haben mir die Lehrerhefte zu den Schulbüchern - du kennst sowas hoffentlich auch?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Mumu,
    was du beschreibst, kenne ich exakt aus meiner Ref-Zeit inklusive Essen und Trinken vergessen bzw. keine Lust mehr dazu haben.
    Bei mir war allerdings der Hauptstressfaktor die Seminarschule mit den Seminarlehrern, die wirklich ganz bewusst Stress auf uns ausgeübt haben. An manchen Tagen war mir nur noch schlecht. Unterrichtsmaterial konnten wir damals auch nicht austauschen und an die Bib kamen wir nur begrenzt ran.
    Die Lehrerhefte helfen da ganz oft und zumindest haben wir damals im Seminar gelernt, wie man eine Klausur konzipiert, korrigiert und bewertet.
    Meikes Tipps sind Gold wert!
    Und noch was ganz Wichtiges: Auch wenn viele einen warnen, dass die Belastung mit 24 bzw. 26 Stunden nicht weniger wird- ich empfinde sie nicht halb so schlimm wie das Referendariat, weil da nicht der ständige Druck von Seminarleitern und anderen Refs da ist. Wenn ich mal mit einer Stunde nicht fertig werde- so what? Dann mache ich morgen da weiter, wo ich heute aufgehört habe.
    Und auch ich als Lehrerin mit mehreren Jahren Berufserfahrung kann nicht immer alle Fragen von Schülern beantworten. Da solltest du dir gar nichts draus machen. Entweder ich sage (bei besonders kniffeligen Fragen):"Bin ich ein Lexikon? Ich kann doch auch nicht alles wissen! Aber wenn es dich wirklich interessiert, schlag ich mal nach!" oder "Gute Frage, das weiß ich auch nicht, es interessiert mich aber auch- schau es doch bis zum nächsten Mal nach!"
    Es wird besser- ganz sicher!
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Meike, da kann ich nur sagen SUPER. So alltagsnah. Ich hatte vorher ein ganz anderes Bild von Dir... Ne, wirklich, Du sagst alles so praktisch und unverkrampft. Danke.

    "I think it would be a great idea." (Mohandas Karamchand Gandhi when asked what he thought of western civilization)

  • Hilfreich ist es vielleicht auch, wenn du mal einen Tag mit einer Klasse mitgehst (so das zeitlich noch möglich ist). Du siehst dann mal, wie andere Kollegen so unterrichten und wirst merken, dass bei denen auch nicht alles perfekt läuft. Das nimmt vielleicht auch ein bisschen Druck weg.


    Ich war zu Beginn meines Refis in einer ähnlichen Situation wie du (habs mittlerweile gut hinter mich gebracht): Ich habe von früh morgens, bis spät am Abend gearbeitet, weil ich nicht einschätzen konnte, was von mir erwartet wird. Ich habe mich dann eine Woche krank schreiben lassen und mir danach Grenzen gesetzt. Wenn ich was in einer bestimmten Zeit nicht geschafft habe, dann wurde es halt mal eine schlechte Stunde und das war oft der Fall (gemessen an meinen Ansprüchen)! Zum Verbessern hast du nach dem Refi noch genug Zeit ;)
    Nimm dir eine Auszeit (lass dich ein paar Tage krank schreiben), erhole dich ein paar Tage und beherzige die anderen Tipps, die dir hier noch gegeben wurden.

    • Offizieller Beitrag

    meike: Die Reaktion hat jetzt aber gedauert...


    ich übersetze "ganz anders":


    - verkrampft


    - unpraktisch


    Gong. Runde 2......


    On topic:


    Ein Uni-Kollege meinte, er hätte in der Anfangszeit mit einer Schachuhr gearbeitet. Er legte dabei eine bestimmte Arbeitszeit fest und immer wenn er arbeitete, haute er vorher auf die Uhr. Machte er Pause, dann wieder, dass sie stehen blieb. Wenn die Arbeitszeit abgelaufen war, gabs Freizeit.


    Ich habe das so immer bei Korrekturen gemacht: 9. Klasse Deutsch, pro Aufsatz 15 Minuten. Eieruhr an. Nach 15 Minuten muss es fertig sein. Das Klappt am Anfang nicht, aber nach einiger Zeit gehts. Die tickende Uhr bringt einen dazu konzentriert zu arbeiten und ist ein überschaubarer Zeitrahmen.


    Ich kenne nämlich auch die Aussage: "Morgen muss ich den ganzen Nachmittag Unterricht vorbereiten." Wenn man so dran geht, dann dauert das auch den ganzen Nachmittag. Wenn ich aber sage: ich arbeite jetzt 45 Minuten an Deutsch 7. Klasse, dann ist das in der Zeit erledigt - nach ein bisschen Übung...


    Und glaub mir: ein Arbeitsblatt ist nach 10 Stunden nicht besser als es das schon nach einer Stunde war (gibts da nicht das Stichwort "Pareto-Regel oder 80/20 Regel?). Ebensowenig erkennt ein Schüler den Unterschied zwischen einer Stunde, die 3 Stunden vorbereitet wurde und einer, die man in 45 Minuten machte. Und er lernt in der einen Stunde so viel wie in der anderen.


    Und: du hast etliche Semester studiert - es wird wenig Fragen eines Schülers geben, die du nicht beantworten kannst. Oder anders gesagt: bei deren Unwissenheit du nicht diese weglabern kannst....


    Beste Antwort auf eine Frage, die du nicht beantworten kannst: "Das ist eine gute Frage Kevin, recherchiere doch mal zuhause die Antwort und gestalte einen kurzen Vortrag für morgen."


    Achja, und etwas, was ich meinen Reffis und Praktis und Studis manchmal auch erzähle, ist, dass man in der Ausbildungsphase einfach auch mal den Popo zusammen kneifen muss, weil man einfach in der Ausbildungsphase ist und es dazu gehört, dass man seine Stressresistenz erweitert und Misserfolge verarbeiten kann.


    Grüße


    H.


    meike: hdl.


    PS: Meine Rechtschreiubung ist in den Ferien.

  • Ich weiß nicht, ob dir das hilft, aber dieses Gefühl der Überforderung kenne ich auch noch sehr gut aus dem Ref.
    Meine Theorie dazu ist ja, dass genau das gewollt ist, im Grunde ist man nie fertig, muss aber lernen, einen Schlussstrich zu ziehen. Es läuft dann in der Regel auch so, wie man es vorbereitet hat, seien es nun normale Unterrichtsstunden oder UB's.
    Und die Phasen, in denen man stundenlang am PC sitzt und im Grunde nichts gemacht hat kenne ich auch. Da bist du nicht alleine.
    Trotz allem Sport und Freunde treffen nicht vergessen.

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