verhaltensauffälliges Mädchen Kl.1

  • Hallo zusammen:)


    Brauche mal euren Rat - ein langer Text aber es raubt mir einfach die Kraft und bringt mich dazu meine geliebte Klasse mit genervtem Blick zu betreten:


    Sie will immer die Erste sein. Egal worum es geht, sei es nur dabei, ein Arbeitsblatt als erstes zu bekommen. Oder im Erzählkreis als erste dranzukommen. Beim Rechenspiel dranzukommen. Als erste in der Turnhalle sein. Passiert dies nicht meckert sie laut. "Och mensch, ich wollte doch. Ungerecht. Gemein."


    Sie nimmt keine Hilfe an, sei sie noch so freundlich und vorsichtig formuliert. Angefangen von einem mimischen Hinweis auf "Hand vorm Mund beim Husten", verbunden mit einem Lächeln meinerseits: Sofort kommt "Menno." und weiteres Gemurmel und die Mundwinkel gehen nach unten. Tagesplan vorlesen: Sie liest Dienstag statt Donnerstag - die Klasse reagiert schon mit Absicht nicht und man hört "nichts sagen sie soll nicht wieder meckern!". Ich weise listig darauf hin: "mh...schau nochmal genau hin. Gestern war Mittwoch..." - "ooooch menno, ungerecht, gemein..." verweigerung, gemecker, weinen. Von Fehlern auf Arbeitsblättern oder Verrechnen beim Eckenrechnen gar nicht zu reden: "Hier musst du nochmal nachrechnen. ""Booh Nein!" Weinen, Schreien, Meckern.


    Sie verhält sich absolut kindisch, sowohl in Sprache als auch in der Bewegung. Ständige Geräusche untermalen ihr Tun. Die Kinder sind genervt von den Erzählungen ala "Teletubbies".


    Sie ist kein bisschen anstrengungsbereit, es sei denn die Sachen machen ihr Spaß. Alles ist "doof, gemein, ungerecht." Egal ob es Hausaufgaben sind, ein Bild in Kunst, ein Spiel in Englisch...Und alles wird immer lautstark sofort herausposaunt, und führt sowohl kommentiert als auch unkommentiert von mir zu meckern, weinen, schreien.


    Andere Kinder werden beschimpft, sie ist sozial absolut unfähig. "Ich find die eh doof." Die Kinder sind sehr sehr nett und ertragen vieles, aber selbst freundschaftlich gemeinte Anfragen werden nicht von ihr gewürdigt. "Die ist doof." Gruppenarbeit ist völlig unmöglich.


    Das Verhalten war am Anfang der Schulzeit extrem kindlich, nun ist es extrem egoistisch. Die Tatsache dass sie sogar mault (sorry) wenn ich ihr freundlich sage: Vorsicht, deine Schuhe sind offen! hat mir heute den Rest gegeben.
    Den ganzen Tag lang ist es ein ständiger Kampf zwischen Lehrern (bei anderen Lehrern ist sie nicht anders), Klassenkameraden und dem Mädchen. Angefangen auf dem Schulhof, bereits vor dem Beginn ist die "erste Warnung" ausgesprochen. Es belastet aber vor allem mich, weil ich einfach unendlich genervt bin und mich wirklich anstrengen muss weiterhin freundlich zu sein. Ehrlich gesagt kann ich es zur Zeit nicht mehr sein.


    Angemerkt sei folgendes: Auch sehr Auch unfreundliches Verhalten meinerseits bringt keine Änderung. Sie hat in den lezten Wochen viele Tage in der Parallelklasse verbracht, wurde von schönen Stunden ausgeschlossen weil sie schrie und heulte, Briefwechsel und Gespräche mit den Eltern...
    Positive Verstärkung (Smileys) über das ganze Schuljahr hinweg (Strahlen an guten Tagen, Heulen in dem Moment wo ich den traurigen Smiley male), abholen lassen, auf dem Flur stehen lassen etc. etc. etc. Alles bereits getan. Verbesserungen nie von Dauer.
    Viele Maßnahmen die mit einem Ausschluss aus der Klasse zu tun haben scheint sie nicht mal zu stören. Dann hat sie ja auch ihre Ruhe und wird von den anderen Kindern nicht "genervt".
    Ich bin mit meinem Latein echt am Ende.


    Hintergründe des Verhaltens sind in der familiären Situation durchaus zu finden (zu Hause gibt es wohl eine merkwürdige Auffassung von "Kinder brauchen Aufmerksamkeit") , auch der Kindergarten beschrieb ähnliche Zustände (warnte mich sogar vor).
    Auch wenn es nicht an meinem Unterricht liegt frage ich euch nun: Was für Ideen habt ihr noch, wie soll ich mich dem Kind gegenüber verhalten?
    Was kann ich den Eltern sagen, die dieses Mal das Kind mit zum Elterngespräch bringen?


    Therapie? Die ganze Nummer "abgeben"?


    Ideen, Tipps, Erfahrungen, Kopfstreichler...ich brauche euch!


    LG Saphi

  • zunächst mal :troest:
    In meiner Klasse ist so ein ähnliches Mädchen (vielleicht nicht ganz so extrem).
    Alina hat mich auch lange Zeit an die Grenzen gebracht. Extrem bestimmend, absolut rücksichtslos in ihrem Bedürfnis immer die erste sein zu wollen, immer im Mittelpunkt zu stehen. Sobald das nicht erfüllt wurde, flossen bei jeder Kleinigkeit die Tränen und sie war zutiefst verletzt und beleidigt.
    Bei ihr war dieses Verhalten vermutlich begründet durch ihre Position in der Geschwisterfolge. Sie ist die jüngste von vier sehr aktiven, lebhaften Kindern. Ich denke, sie verlagert den häuslichen Kampf um Aufmerksamkeit, um ihr "Stück vom Kuchen" in die Schule. Zum Glück gab es immer wieder gute Gespräche mit den Eltern, die auch durchaus ihre Tochter realistisch sahen.
    Die Situation hat sich im 2. Schuljahr so zugespitzt, dass meine wirklich liebe, soziale Klasse irgendwann nicht mehr mitgemacht hat. Sie haben nicht mehr nachgegeben und getröstet wenn die Tränen flossen. Sie haben sich zunehmend distanziert. Niemand wollte gerne neben ihr sitzen, niemand gerne mit ihr zusammenarbeiten. Alina bekam durch das Verhalten der Klasse ihr unmögliches Verhalten gespiegelt. Das war hart für sie. Sie ist ein sehr intelligentes, kreatives Mädchen und hat, begleitet durch Gespräche mit der Mutter und mir angefangen an sich zu arbeiten. Sie wollte ja keine Ablehnung sondern Anerkennung und Bewunderung. Inzwischen ist sie im vierten Schuljahr. Noch immer spielt sie sich gerne in den Vordergrund und gibt gerne die Richtung vor. Das ist jedoch nichts im Vergleich zu früher.
    Ich hoffe, du kannst den Eltern klarmachen, dass auch sie das Mädchen in dieser Hinsicht fördern müssen. Sicherlich wünschen sie ihrem Kind nicht die Außenseiterrolle in die es immer mehr hineinrutscht.

  • Danke für die lieben Worte...


    Die Eltern sind stets entsetzt. Sie sprechen mit ihr, ermahnen sie, bestrafen sie wenn es hart auf hart kommt mit Fernsehverbot o.ä.
    Zu Hause ist das Mädchen immer besserungswillig. "Sie verspricht immer, nicht wieder so zu sein!".


    Ich denke da liegt einfach auch ein Wahrnehmungsproblem bei den Eltern. Sie ist Einzelkind und einige charakteristische Vorfälle wurden von der Mutter mit "wie süß" bezeichnet. Ihr versteht was ich andeute.


    Mir stellt sich einfach die Frage, wo ich mir Hilfe holen kann bzw. an wen ich diese Aufgabe abgeben kann. Denn so wie es jetzt ist, ist das Kind nicht mehr tragbar.


    Gerne mehr!
    LG Saphi

  • Wenn jetzt Schulbeginn statt Schulschluss wäre, würde ich sagen, dass sie besser in eine Vorschulklasse als in eine erste gehört hätte.
    Nachdem du aber die dir mögliche Palette mit Lob, Strafe, Elterngespräche etc. schon durchgetestet hast, würde ich die Betreuungslehrerin dazuschalten. Ich weiß nicht, ob es sowas an eurer Schule gibt, aber ich denke mal, der Fall gehört betreut, aber nicht ausschließlich von dir.

  • Für mich hört sich das an, als sei das Mädchen extrem unsicher... das Ganze gepaart mit einem unheimlich großen Wunsch nach Aufmerksamkeit und einer extrem geringen Frustrationstoleranz. Ich glaube sie weiß einfach nicht, wie es geht, hat sich die Masche angewöhnt, wahrscheinlich auch jahrelang "eingeübt" und kommt nicht mehr da raus. Lässt sich denn mit ihr reden?


    Ich hatte mal kurze Zeit einen ähnlichen Schüler. Im Endeffekt stellte sich heraus, dass er es einfach nicht konnte, weil sein IQ einfach zu niedrig war und es seine Masche war, das zu kompensieren. Er war nicht ganz so krass, aber das hätte ich nicht gedacht. Und eigentlich jedes Kind merkt, wenn es Defizite hat.


    Ich würde sie auf jeden Fall überprüfen lassen. Allerdings in den Bereichen emotionale und soziale Entwicklung und Lernen.


    Aber es ist schwer eine Prognose abzugeben. Ich kann sowas besser einschätzen, wenn ich das Kind mal gesehen habe.


    Hast du sie mal gefragt, was sie gerne machen würde? Was sie sich wünscht? Oft kommt man dann zumindest an einen Teil des Knackpunkts.


    Schließ Verhaltensverträge mit ihr ab, bei denen sie mitbestimmen kann (z.B. die und die Wörter sind verboten, weil sie alle nerven... sie soll andere verwenden oder versuchen sich einen anderen Satz zu merken, der nicht so entnervend ist).


    Ansonsten stell mal in Absprache mit Eltern und Schulleitung eine Kamera auf. Guckt euch gemeinsam mal das Video an. Vielleicht merkt sie gar nicht mehr, dass sie "so" ist. Empfehlung an dieser Stelle könnte auch ein Video- school- Training + Video- Home- Training sein... mehr Infos findest du unter spindeutschland.de


    Ansonsten schreib mich nochmal an! :)


    So das ist alles, was zu später Stunde gerade aus meinem Hirn sprudelt. Schreib mal, wie es weitergeht/ weitergegangen ist.


    LG Mo

  • Noch eine Frage!


    Wie verhält sie sich ansonsten? Also träumt sie viel? Lässt sie es darauf ankommen, ausgeschlossen zu werden? Ist sie oft und viel müde? Und und und... also wie verhält sie sich psychisch und physisch!?

  • Hallo ihr Lieben
    danke für eure Worte!
    Habe heute keine Sekunde Zeit,
    schreibe aber morgen weiter!!


    LG

  • Genauso wie du es beschreibst verhält sich eine Schülerin, die ich im Fachunterricht habe. Es ist sooo anstrengend.
    Ab dem kommenden Schuljahr wird sie auf eine ES-Förderschule wechseln. Ich würde an deiner Stelle eine Förderschullehrerin hinzuziehen. (Weiß nicht wie das normalerweise abläuft, wir sind eine Integrationsschule und die Förderschullehrkräfte konnten sich die Schülerin problemlos und unbürokratisch anschauen, bevor ein AOSF gestellt wurde).

  • Ich habe in etwas abgeschwächter Form einen ähnlichen Schüler. Mit viel Geduld und so einigen Gesprächen mit der Mutter ist sie mit ihrem Sohn zum schulpsychologischen Dienst gegangen. Einige Gespräche fanden statt, nach den Sommerferien geht tatsächlich eine Therapie los.

  • Zitat

    Original von Mohaira
    Für mich hört sich das an, als sei das Mädchen extrem unsicher... das Ganze gepaart mit einem unheimlich großen Wunsch nach Aufmerksamkeit und einer extrem geringen Frustrationstoleranz. Ich glaube sie weiß einfach nicht, wie es geht, hat sich die Masche angewöhnt, wahrscheinlich auch jahrelang "eingeübt" und kommt nicht mehr da raus. Lässt sich denn mit ihr reden?


    Über einige Jahre wurde dieses Verhalten von der Mutter geduldet, hat sie selbst gesagt. Ursachen sind da auch bekannt, "seitdem sie in der Schule ist, lass ich das nicht mehr mit mir machen." Sicherlich stimmt das so nicht ganz.
    Sie lässt nicht wirklich mit sich reden. Entweder reagiert sie gar nicht auf eindringliche Worte (fragt mich dann wann Pause ist), oder meckert weiter.


    Zitat

    Hast du sie mal gefragt, was sie gerne machen würde? Was sie sich wünscht? Oft kommt man dann zumindest an einen Teil des Knackpunkts.[quote] Sie wünscht sich, dass die anderen Kinder sie nicht nerven. Das ist alles, was bei der Nummer rauskommt. Und sie wünscht sich, dass sie "auch mal" drankommt = immer dann wenn sie will. Ein paarmal kam auch "ich will gut in der Schule sein" dabei rum, dass sie sich darüber Sorgen mache. Muss sie aber (fachlich) nicht, dass habe ich ihr auch schon vermittelt.




    Ansonsten habe ich die Eltern zum Schulpsychologischen Dienst geschickt. Aktuell ignoriere ich sie bei Fehlverhalten. Keine Diskussionen, eine Warnung und dann schaut sie dem Unterricht von der Klassentür aus zu. Die Tür hat ein Fenster. Sie sieht also alles was wir machen. Schreit, weint, läuft umher und fixiert mich die ganze Zeit = versucht alles um Aufmerksamkeit zu bekommen. Bekommt sie aber nicht, auch nicht von den anderen Kindern, denen sie Grimasssen schneidet. ich hole sie nach einer Schulstunde wieder rein und weise sie dann freundlich aber bestimmt darauf hin, ihre Hausaufgaben abzuschreiben. Dann verlasse ich den Raum, dh. warte auch nicht wie sonst weil sie immer die letzte ist.



    Ich bin kein Psychologe und ich hoffe mein Verhalten schadet nicht. Aber es ist aktuelll das einzige was mir einfällt und das einzige was ich so krass noch nicht ausprobiert habe. Absolute Konsequenz und eben eine "harte Strafe", denn sie will ja am Unterricht teilnehmen. Meine Güte, die ganze Sache nimmt wirklich schlimmme Ausmaße an, das hätte ich nie für möglich gehalten. Das arme Kind.


    Förderschule E - ich denke ganz ehrlich: sie ist einfach verwöhnt. Weiß nicht, ob das die richtige Schule ist.




    Grüße von
    Saphi

  • Zitat

    Original von Mohaira
    Noch eine Frage!


    Wie verhält sie sich ansonsten? Also träumt sie viel? Lässt sie es darauf ankommen, ausgeschlossen zu werden? Ist sie oft und viel müde? Und und und... also wie verhält sie sich psychisch und physisch!?


    Nein, sie träumt nicht viel. ist eigentlich immer aufmerksam, kommentiert ja auch alles was passiert, was gesagt wird, was andere sagen und machen. Oft müde ist sie auch nicht, wenn merkt man es aber sofort (das ist aber denke ich normal). Ansonsten hat sie nicht einen sehr großen Bewegungsdrang, hat auch von der Motorik her eher noch Defizite.


    Wieso fragst du?

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