Übergang Grundschule/SekI: Was erwarten die SekI-Lehrer?

  • Hallo allerseits,
    ich arbeite an einer Grundschule und mich würde interessieren, welche Qualitäten/Fähigkeiten ihr bei den Grundschulabgängern vermisst.
    Ich denke da an Rechtschreibung, mathematische Fertigkeiten, Selbstorganisation, ....
    Vielen Dank für eure Antworten!

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Anna68,
    das ist eine tolle Nachfrage: Ich hatte hintereinander drei fünfte Klassen und hab mich jedes Mal beklagt, dass die Rechtschreibung nicht automatisiert war- dh. im Diktat hatten alle prima Ergebnisse, beim Aufsatzschreiben waren die Kenntnisse alle weg. Auch dass und das war ein großes Problem und ich war ziemlich sauer auf unsere Grundschullehrer, dass die uns Schüler mit so schlechten Deutschkenntnissen schicken. Bis ich dann mal in einer Grundschule hospitiert hab und feststellen musste: Das wird in der Grundschule durchaus gelehrt! Nur meine Putzis nehmen den Satz: "Im Gymnasium fängt alles neu an." zu wörtlich. Evtl. wird das eine oder andere Thema an den Grundschulen auch nicht so vertieft.
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Bei den Erwartungen muss man wohl zwischen den verschiedenen Schulformen unterscheiden. Aber gut, dass ich den Anfang machen kann, da ich an einer Hauptschule arbeite, sind meine Ansprüche wohl zum Teil niedriger als bei den Kollegen der anderen Schulformen.


    - Rechtschreibung: allgemeine Regeln zur Groß- und Kleinschreibung (nach Wortarten unterscheiden können), Doppelkonsonanten, Schreibung der s-Laute: s, st, sch, ch, Satzzeichen (Punkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen) - eventuell Komma bei Aufzählungen, Zeichen der wörtlichen Rede


    - Mathematik: Umgang mit Geodreieck oder Lineal, Grundrechenarten (wird bei uns zwar ausführlich wiederholt, aber mehr Kenntnisse wären sehr schön), einfache Textaufgaben umsetzen können in mathematisches Rechnen


    - Selbstorganisation: man schreibt im Heft von oben nach unten und von ganz rechts nach links (nicht mitten in der Reihe/Linie beginnen), man unterstreicht Überschriften, man kann Tabellen zeichnen (s. o. Umgang mit Lineal), man weiß, dass die Hefte und Bücher zu Beginn des Unterrichts auf dem Tisch liegen, man schreibt sich die Hausaufgaben auf, man kann Hefte richtig beschriften (Name, Fach, Klasse), für jedes Fach ein neues Heft/neuer Schnellhefter (also nicht alles durcheinander)


    traumhaft wäre noch folgendes: man kann den Stundenplan lesen und packt die Schultasche abends bzw. nach den Hausaufgaben vollständig (dieser Wunsch geht wohl eher an die Eltern)


    Ich weiß durch Kontakte zu Grundschule, dass die Kinder das alles eigentlich gelernt haben, aber wir müssen meistens wieder bei Null anfangen. (Das Problem begleitet uns dann sechs Jahre lang, dass man in jedem Schuljahr wieder - bei einigen Schülern - bei fast Null anfangen muss!)


    Ach- und nicht pausenlos in der Klasse rumrennen wollen bzw. auf Toilette flitzen müssen.


    Hermine:
    Das ist bei uns fast immer so, in den Übungs- und Wiederholungsphasen zu Rechtschreibung und Grammatik können die Schüler die Regeln und können sie auch anwenden. Später dann: wie haben wir das schon gemacht? oh, das weiß ich nicht mehr...
    Und das obwohl wir auch durch den integrativen Ansatz das versuchen zu verhindern.

  • Gymnasium:


    Ich wünschte mir ein bisschen mehr Selbstständigkeit, meine 5. Klassen (auch die, die ich dieses Jahr bekommen werde) lernt als erstes:
    - Die Frage "Mit welchem Stift sollen wir das schreiben/unterstreichen/umkringeln?" wird NIE WIEDER gestellt.
    - Am Anfang der Stunde liegt das Material auf dem Tisch.
    - Am Ende der Stunde werden die Hausaufgaben aufgeschrieben.
    - Dass die Kinder ihre eigene Schrift finden, ist auch wichtig. Ob Druckschrift, vereinfachte Ausgangsschrift oder was auch immer, irgendwann findet jeder seinen eigenen Stil, das könnte schon in der Grundschule beginnen.
    - Total begeistert bin ich immer, wenn Kinder ihr Findefix rausholen um nachzuschlagen wie ein Wort geschrieben wird, das erleichtert so vieles. =)


    Einige SuS kommen bei jedem Problem zum Lehrer und wollen die Lösung präsentiert bekommen, andere knobeln erst mal und sind bereit verschiedenes auszuprobieren. Grundsätzlich merkt man ganz schnell wer aus einer Selbstständigkeit fördernden Grundschulklasse kommt, das erstaunt mich immer wieder.

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

    • Offizieller Beitrag

    Da ich beide Seiten kenne, werde ich die Tage mal (am Schreibtisch sitzend) was schreiben.
    Jetzt nur kurz:
    @boing: du erwartest aber viel. Sollen die Kinder wirklich von rechts nach links schreiben können? Dann müssen meine Drittklässler aber noch viel lernen. ;)



    Grüße,


    kl. gr. frosch

  • Zitat

    ---l. Sollen die Kinder wirklich von rechts nach links schreiben können? Dann müssen meine Drittklässler aber noch viel lernen. ;)
    ....


    :rofl:
    lechts und rings darf man doch mal verwechserln... By the way: Meine türkischen Kinder müssen sich in der Koranschule wirklich umstellen. Und die Chinensen sowieso. Das musst du dann globaler sehen. Merkelmäßiger, sozusagen. Dann passt das schon.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Was mir zusätzlich zu Kiray noch fürs Gymnasium einfällt:
    Manche Kinder rennen wegen jedem Schmarrn nach vorne zu mir. Und zwar jederzeit.
    Ich hatte schon mal Mädels, die während eines Unterrichtsgesprächs lustig weitergemalt haben, auch nach freundlicher Erklärung/Ermahnung... :rolleyes:
    Und im letzten Jahr ist mir aufgefallen, dass die Kleinen teilweise sehr besserwisserisch sind, was falsche Rechtschreibung, Grammatik und Ausdrucksweise angeht. Als Beispiel: Ein Schüler sagt: "Helf mir!" Ich verbessere: "Nein, das heißt: "Hilf mir!" Er: "Nein, ich hab recht, das steht auch im Duden, da können Sie mal nachschauen!" Großes Erstaunen und nicht viel Einsicht, wenn ich dann den Beweis angetreten habe. Und das war eine ganze Gruppe von Schülern, bei denen es immer wieder zu solchen Situationen kam.
    Gegenseitiges Zuhören und wirkliche Aufmerksamkeit ist auch bei vielen nicht sehr ausgeprägt. Es passiert oft, dass ich eine Frage stelle und als Antwort die Antwort auf die vorletzte Frage bekomme.


    Kleiner Zusatz: Wenn meine Schüler a l l e die von Boing erwarteten Anforderungen erfüllen würden, wäre ich schon hochzufrieden...!

  • Vielen Dank schon mal für eure zahlreichen Antworten. Das war sehr hilfreich. Dass die Kinder bereits zu Beginn der Stunde ihre Materialien herauslegen, ist - glaube ich - für die Grundschule eher untypisch. Ich lasse die Kinder erst dann ihre Mappen/Hefte herausholen, wenn sie sie benötigen, denn ansonsten würden sie die ganze Zeit daran herumfummeln oder darin blättern. Und das nervt!
    Das mit der Selbstständigkeit werde ich beherzigen. Ich neige dazu, den Kindern zu schnell und zu viel zu helfen und beantworte oft blöderweise dreimal die gleiche Frage, anstatt zu sagen "Da hättest du wohl besser aufpassen müssen". Zugegebenermaßen empfinde ich aber auch Verständnis, zumal wenn ich daran denke, wie oft meine Gedanken bei Konferenzen abdriften.

  • Eine aehnliche Frage (allerdings in umgekehrte Richtung...also, was sollten meine Grundschueler koennen, wenn ich sie hoch in die Sek schicke), hatte ich vor ein paar Wochen beim Bewerbungsgespraech. :D


    Ich habe einige Zeit daran gearbeitet, dass meine Schueler ihre Sachen nicht mehr staendig in den Mund stecken. Eklig. Stifte und Lineale sind nicht zum Essen da. Allerdings ist das wohl etwas, was mir persoenlich auf den Keks geht. Meine Kolleginnen haben nichts dagegen, wenn ihre Schueler in der Stunde noch am Daumen nuckeln. (Die sind 10 und 11 Jahre alt!)


    Sie sollten sich von einem Fachraum zum anderen bewegen koennen, ohne verloren zu gehen, in ne Pruegelei zu geraten oder sich anderen Aerger einzuhandeln. Das sollte in relativ kurzer Zeit und unbeaufsichtigt moeglich sein.


    Sie sollten es schaffen Unterrichtsmaterialien dabei zu haben. Ich erwarte nicht zu viel. Stifte, Hefte...und Sportbeutel, wenn noetig. Briefe, Unterschriften, Hausaufgaben kann man puenktlich einreichen. Man kann doch in dem Alter nicht immernoch Mama hinter einem herrennen lassen.


    Sie sollten es schaffen anstaedig auf einem Stuhl sitzen zu koennen, die Uhrzeit ablesen koennen, Schnuersenkel binden, Uniform anstaendig tragen.


    Wenn man was nicht verstanden hat, weil man nicht zugehoert hat, fragt man erst den Nachbarn, dann am Tisch, und erst dann...kommt man und geht mir auf den Keks.


    Wenn man Materialien, Schere, Kleber oder sonstwas braucht...steht man auf und holt es. Am Ende der Stunde raeumt man es auch wieder weg.


    Wenn man gebeten wird was aufzuraeumen oder sonstwas zu erledigen, dann macht man es und faengt nicht mit ner Diskussion an.

  • Als Grundschullehrerin erwarte ich von jedem Kind (die chaotischen "Spezialisten" wird es natürlich immer geben) und unabhängig von der weiterführenden Schulart , dass es seine Schultasche passend zum Stundenplan packen kann, seine (differenzierten) Hausaufgaben möglichst selbständig erledigt (inkl. Arbeitsaufträge sinnerfassend lesen, Hefteinträge übersichtlich gestalten, im Rahmen der Möglichkeit selbst kontrollieren...).
    Die Eltern sollten da möglichst nur noch die Oberaufsicht haben und nur bei Bedarf mithelfen.


    Meine Kids legen übrigens schon am Anfang der Stunde das benötigte Arbeitsmaterial "bereit" (= es liegt geschlossen oben in der Ecke unter dem Federmäppchen), dann wird der Unterricht später nicht durch das Gesuche nach verschollenen Heften und dem Gerenne zum Fach unterbrochen.


    Klar, fachlich sollten angehende Gymnasiasten absolut fit sein, hinzu kommt eine hohe Anstrengungsbereitschaft, eine selbständige Arbeitsweise und auch die Fähigkeit, sich ein Thema mit Hilfsmitteln auch einmal selbst anzueignen und zu strukturieren. Natürlich sollte das in der Grundschule entsprechend geübt werden (angefangen von Lerntheken, Stationen über Plakate, Referate, Projekte....).


    Bei uns am Gymnasium gibt es zusätzlich noch die Methodentage am Anfang des Jahres, an denen grundlegende Lern- und Arbeitstechniken eingeführt / wiederholt werden.
    Bei den Fünfties wären das dann eben Themen wie Hausaufgaben notieren und zeitlich organisieren, Hefteinträge und Handouts für Referate erstellen, sich auf Schulaufgaben vorbereiten...aber auch Basics wie Klassen- und Gesprächsregeln, eine Schulhausralleye zur Orientierung usw.


    Was mich persönlich an einigen meiner Sechstklässlern am Gym nervt, ist die absolute Beratungsresistenz. Anstatt sich in Mathe irgendwann mal auf ne ordentliche Termschreibweise einzulassen gibt es da ein Herumgerechne mit Kettenaufgaben, die ich meinen Drittklässlern schon abgewöhne. Auch beim Führen des Merkheftes und sauberen Zeichnungen scheiden sich die Geister. Da verlieren sie dann in der Schulaufgabe wertvolle Punkte wegen schlampiger Ausführung - und lernen nix draus. :(


    @callum: In Bayern werden / wurden die meisten Grundschullehrer im Schnellverfahren (Englischgrundlagentest & einwöchiger Methodenkurs) "ausgebildet", mir graust es auch manchmal, wenn ich einige Kolleginnen Englisch sprechen höre.


  • Tja, ich bin sehr anspruchsvoll. :tongue:
    Manchmal "lese" ich mir beim Schreiben nicht selbst zu. Vielleicht hätte ich gestern doch erst die Deutscharbeiten fertig korrigieren sollen. Oder lag es daran? Haben die Schüler jetzt von rings nach lechz geschrieben? Ich weiß es nicht! Ich brauche Ferien...
    Vielen Dank, ihr durftet gestern schon drüber lachen, ich erst jetzt...


    Alias:
    lechts und rings darf man doch mal verwechserln


    Danke, Alias und Fröschle :wink:

  • Zitat

    Original von baum
    Anstatt sich in Mathe irgendwann mal auf ne ordentliche Termschreibweise einzulassen gibt es da ein Herumgerechne mit Kettenaufgaben, die ich meinen Drittklässlern schon abgewöhne.


    Meinst du damit Rechnungen wie:
    "Berechne das Doppelte der Summe aus 14 und 12."
    Schüler: 14 + 12 = 26 * 2 = 52


    statt


    14 + 12 = 26
    26 * 2 = 52


    bzw.


    (14 + 12) * 2 = 26 * 2 = 52 ?


    Dann würde ich mir die Nicht-Kettenaufgaben-Schreibweisen auch wünschen. Das geht teilweise in der 7. noch so!


    À+

    • Offizieller Beitrag

    baum: Bei uns gibt es über ca. ein viertel Jahr hinweg wöchentlich eine Stunde "Lernen lernen", wo auch Methodentraining gemacht wird. Bei manchen hilfts, die meisten sind der Meinung, das sei keine "richtige" Stunde, da müsse man nicht so aufpassen und mit dem Ergebnis wie vergessene Hausaufgaben oder falsches Material haben wir dann den Rest des Schuljahres zu kämpfen. Auch eine gewisse Sorglosigkeit "Oh, ich hab die Hausaufgabe schon wieder vergessen- ist ja nicht so schlimm." nervt. Wir machen zwar nach der dritten vergessenen Hausaufgabe eine Mitteilung an die Eltern, das hat aber oft auch nicht den gewünschten Erfolg.

  • Zitat

    Original von Hermine
    @Wir machen zwar nach der dritten vergessenen Hausaufgabe eine Mitteilung an die Eltern, das hat aber oft auch nicht den gewünschten Erfolg.



    tja, ... ich habe in der 6 auch so eine Schülerin, hat ständig die HA unvollständig oder gar nicht, sagt das aber nur auf Nachfrage - Kommentar der Eltern war, sie habe ein "kleines Hausaufgabenproblemchen", aber das sei ja nicht schlimm


    Wir haben bei uns auch die gesamte 5 lang eine Stunde pro Woche, die "Lernen lernen" heißt und dann langsam zur Klassenleiterstunde wird, um zu besprechen, wer wen doof angeguckt hat u.ä.
    Was die Erwartungen angeht, kann ich mich dem Genannten anschließen.

  • Zitat

    Schüler: 14 + 12 = 26 * 2 = 52


    ...sowas ist schlicht und einfach falsch!
    14 + 12 in eben nicht gleich 2*26 bzw. 52
    Und so würde ich das auch bewerten. Spätestens nach dem zweiten mal sollte das dann klar sein.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

  • Zitat

    Original von Friesin


    Ein anständiger Dativ in der Muttersprache wär auch nicht schlecht -- nicht nur bei den Kindern :lach2:


    (sorry, konnte ich mir nicht verkneifen ;))


    Hehe danke für den Hinweis ;)


    Deutsch lerne ich immer noch und ich war unsicher, ob es dativ sein muß oder nicht :o)

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