Die Diskussion ist doch echt "akademisch". Bis zum Abitur habe ich mit meinem Deutschkurs doch bis zum Umfallen beispielsweise die Gedichtinterpretation geübt. Da ist es den Schülern dann im Abi schnurz, ob da als Operator steht "Interpretieren/Analysieren/Erschließen oder Basteln Sie aus dem Text einen Papierflieger :-)", solange sie auf der Prüfungsvorlage irgenwas Gedichtähnliches finden, wird dann halt das im Unterricht besprochene Erschließungsschma abgespult...
Abiturprüfung Deutsch - Bachelorarbeit
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Ich sehe das anders und finde die Sache überhaupt nicht akademisch. Mit so einem Kochrezeptschema konnte man noch durchkommen, als man die Abituraufgaben selber gestellt und selber geprüft hat. Wenn meine Schüler in der Prüfungssituation nicht in der Lage sind, flexibel auf wechselnde Operatoren zu reagieren, meine ich, dass ich als Lehrer etwas falsch gemacht habe.
Die Operatoren sind ja bekannt und müssen Teil des Unterrichts sein. Man muss sie ausführlich durchnehmen, Lösungsstrategien mit den Schülern erarbeiten, Bewußtsein schärfen und sie ausgiebig üben, d.h. auch in den eigenen Klausuren verwenden. Organisatorisch ist das kein wirkliches Problem, da der Umgang mit Operatoren ganz organisch Teil der normalen problemorientierten Unterrichtsarbeit sein kann.
Abgesehen davon habe ich aus wissenschaftspropädeutischen Gründen einige Schwierigkeiten damit, wenn Schüler auf roboterhaft automatisierte Lösungsstrategien getrimmt werden - die Kompetenzen, die sie bis zum Abitur erwerben, sollen ja auch später weiterverwendet werden, und da ist eine solche Herangehensweise an Probleme vollkommen untauglich.
Nele
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Problematisch finde ich - in NRW -, dass aber dennoch nicht wirklich klar ist, was dann erwartet wird. Manche Arbeitsschritte - wie die Beschreibung des Aufbaus eines Textes - werden mal erwartet, mal nicht. Manche Aspekte werden sehr hoch bepunktet, sodass man kaum weiß, was die Schüler dazu alles schreiben sollen. Teilweise für absolut Offensichtliches oder explizit genannte Inhalte eines halben Satzes.
Andere Aspekte werden in der Aufgabenstellung explizit benannt, werden dann aber im Bewertungsbogen gar nicht berücksichtigt. Mit den Bewertungsbögen im GK-Abitur hatte ich in diesem Jahr doch teilweise ziemlich 'Probleme'. -
Das ist richtig. Ein Teil der Probleme kommt daher das das Zentralabitur in NRW noch in den Kinderschuhen steckt und sich noch nicht durchgerüttelt hat - das kommt davon, wenn man unbedingt das Rad von neuem erfinden muss, anstatt zu schauen, wie das die Südbundesländer mit jahrelanger bewährter Praxis machen...
Zum Teil sehe ich auch einfach fachwissenschaftliche Schwierigkeiten, bei denen ich als Historiker und Literaturwissenschaftler, der ich ja auch mal war, beim Korrigieren "mhmnjunja" murmeln muss. Auch habe ich den Eindruck, dass manche der Kollegen, die die Vorschläge erstellen, den Paradigmenwechsel weg von der Sachfeldabfrage hin zur Kompetenzorientierung noch nicht so richtig verstanden haben.
Aber ich nehme das nicht so schwer. Ich lege in Zweifelsfällen im Sinne des Schülers meine Möglichkeiten sehr weit aus und korrigiere mit breitem Kreuz wie ich es für angemessen halte. Die Kollegen, die ich kenne, machen das auch so.
Ebenso bedeutet das, dass wir für unsere Unterrichtsplanung die Korrekturbögen des vergangenen Durchganges sorgfältig analysieren und die Konsequenzen aus den Aufgabenstellungen im Unterricht berücksichtigen.
Marry
Ich hoffe sehr, du liest noch mit - die Berichte von uns Praktikern sollten sehr aufschlussreich für deine Arbeit sein!Nele
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Ich lese noch mit, keine Sorge. Ich hatte nur gestern leider keine Zeit, noch zu antworten. Ich finde es aber toll, dass hier jetzt doch so langsam eine echte Diskussion entsteht. Ich sauge jeden einzelnen Satz auf wie einen Schwamm, glaubt mir.
ZitatOriginal von gingergirl
Die Diskussion ist doch echt "akademisch". Bis zum Abitur habe ich mit meinem Deutschkurs doch bis zum Umfallen beispielsweise die Gedichtinterpretation geübt. Da ist es den Schülern dann im Abi schnurz, ob da als Operator steht "Interpretieren/Analysieren/Erschließen oder Basteln Sie aus dem Text einen Papierflieger :-)", solange sie auf der Prüfungsvorlage irgenwas Gedichtähnliches finden, wird dann halt das im Unterricht besprochene Erschließungsschma abgespult...Ich muss zugeben, dass ich am Anfang auch den Eindruck hatte, dass die Diskussion rein akademisch ist und ich mich missverstanden gefühlt habe. Aber da es auch das erste Mal war, dass ich all die Gedanken für jemand anders auf "Papier" gebracht habe, war das eventuell auch zu verwirrend. Außerdem hatte ich vieles auch gar nicht aufgeschrieben, sodass ich mich missverstanden fühlte, aber mittlerweile fühle ich mich hier etwas wohler. Zumindest hoffe ich doch nicht, dass meine Schüler das dann einfach nur "abspulen", da das nicht Sinn und Zweck eines guten Deutschunterrichtes ist. Ich, als naiver Laie, möchte doch mit all den Arbeitsmethoden meinen Schülern ermöglichen, sich auch nach dem Abitur noch kritisch mit Texten auseinanderzusetzen und aus jedem Text etwas für sich selbst und für das eigene Leben zu ziehen. Man lernt doch für das Leben und nicht für das Abitur.
ZitatOriginal von neleabels
Die Operatoren sind ja bekannt und müssen Teil des Unterrichts sein. Man muss sie ausführlich durchnehmen, Lösungsstrategien mit den Schülern erarbeiten, Bewußtsein schärfen und sie ausgiebig üben, d.h. auch in den eigenen Klausuren verwenden. Organisatorisch ist das kein wirkliches Problem, da der Umgang mit Operatoren ganz organisch Teil der normalen problemorientierten Unterrichtsarbeit sein kann.Und genau an der Stelle möchte ich jetzt gern wissen, WIE genau das in der Praxis aussieht. Ich kann mich zwar noch dunkel an meinen eigenen Unterricht erinnern, doch war der nicht immer vorbildhaft. Welche Methoden eignen sich denn, um die Schüler gut auf das Abitur vorzubereiten? Welche Materialien nutzen Sie dazu? Wie gehen Sie genau vor? Genau das würde ich nämlich gern untersuchen und vielleicht eine Art "Patentrezept" (mir ist klar, dass es das nicht gibt und man immer auf die jeweilige Klasse usw. eingehen muss) erstellen. Zumindest könnte man aber einen Katalog an Methoden erstellen, die vor allem Anfängern bei der großen Aufgabe, die Schüler für das Abitur fit zu machen, helfen könnte.
Und noch zu NRW: ich habe mich diesbezüglich auch mal quer durch's Netz gelesen, weil es einfach zum Thema passt. Schade, dass es nicht "mein" Bundesland ist. Man hat an den Aufgabenstellungen ganz klar gemerkt, dass es das erste Mal Zentralabitur in NRW gab und sich die Verantwortlichen anscheinend gar nicht damit auseinandergesetzt haben, wie es andere Länder vorgemacht haben. Zum Beispiel war das Zentralabitur in Sachsen-Anhalt, das ich abgelegt habe, einsame Spitze, ich kann mich kaum beschweren! Wieso hat man sich nicht an erfahreneren Bundesländern orientiert? Ich war echt erschrocken, als ich die Aufgaben sah, die größtenteils nur auf die Wiedergabe von zuvor gelerntem Wissen abzielten und kaum Aufgabenbereiche II oder III abdeckten. Das ist doch nicht der Sinn von Abituraufgaben!
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Zitat
Mit so einem Kochrezeptschema konnte man noch durchkommen, als man die Abituraufgaben selber gestellt und selber geprüft hat. Wenn meine Schüler in der Prüfungssituation nicht in der Lage sind, flexibel auf wechselnde Operatoren zu reagieren, meine ich, dass ich als Lehrer etwas falsch gemacht habe.
Bevor du mir unterstellst, dass ich meine Schüler nicht ordentlich aufs Abi vorbereite, sollte ich dir vielleicht mitteilen, dass es im bayerischen Abitur eigentlich keine "wechselnden Operatoren" gibt. Diese sind nämlich fast schon formelhaft und so gut wie immer gleich. Der Operator lautet immer ganz allgemein beispielsweise bei der Gedichtanalyse "Erschließen Sie das folgende Gedicht/die folgenden Gedichte". Danach folgt eine Zusatzfrage, die bisher so gut wie immer entweder hieß "...und erarbeiten Sie eine Interpretation, in der Sie auch auf epochen- und zeittypische Merkmale eingehen". Die zweite Möglichkeit sieht so aus, das Gedicht mit einem anderen Werk der Wahl (muss man im Kopf haben!) unter einem ganz bestimmten Motiv/Thema zu vergleichen, z.B. Schuld, Einsamkeit, Liebe...
Wenn ich mit den Schülern nicht vorher en detail "kochrezepthaft" besprochen habe, was bei "erschließen" von ihnen verlangt wird, werden sie Schiffbruch erleiden.
Ich muss auch noch erläuterm, dass bei uns im Abi theoretisch jedes Gedicht/jeder Dramenausschnitt/jeder Prosaausschnitt der deutschen Literatur drankommen kann, denn es gibt keinerlei Vorgaben oder Einschränkungen hinsichtlich des Prüfungsstoffes. Bei uns ist heißt es eben nicht "dieses Jahr ist dran: Woyzeck, Effi Briest und die Iphigenie".Wir machen in den zwei Jahren einen "Durchzieher" durch die Literaturgeschichte von der Klassik an bis heute und die Schüler müssen wirklich den ganzen Stoff beherrschen. Wir müssen also zu allen Epochen die wichtigsten Autoren, die historischen Hintergründe, die epochentypischen Merkmale usw. besprechen. Auch mit dem neuen G8-Abitur, bei dem Deutsch Pflicht für alle sein wird (ab 2011), wird dieses Vorgehen zumindest für die literarischen Aufgaben wohl auch so beibehalten.
Die Themen sind manchmal sehr abgefahren, dieses Jahr war im Gk (!) ein Gedichtvergleich von zwei expressionistischen Gedichten dran (in Ordnung), ein Dramenausschnitt von E. Strittmatter (außer dass er "Der Laden" geschrieben hat, in der DDR wohl ziemlich groß war und in letzter Zeit wegen einer Nazigeschichte im Gerede war, weiß ich ehrlich gesagt auch nix über den;-)) und ein Ausschnitt aus dem "Marmorbild" (hätten wir in meinem jetzigen 11er-Kurs sogar gelesen gehabt, juhu, kommt aber nun nächstes Jahr nicht mehr dran, Mist!). Diie Aufgaben sind jetzt nur aus dem Kopf wiedergegeben, Abi war erst vor ein paar Tagen, habe nur mal kurz im Lehrerzimmer einen sehr kurzen Blick auf die Aufagben geworfen.
Angesichts des Mörderprogramms und der Tatsache, dass der Operator immer gleich ist, halte ich es nicht für angebracht, mich mit den Operatoren aufzuhalten, sondern pauke lieber mit meinen 11ern Literaturgeschichte!
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