Unfähigkeit zu sozialen Kontakten

  • Hallo,


    ich wollte einmal eure Meinung zu dem Verhalten eines Mädchens aus meiner Klasse hören.


    Das Kind (L.) ist nun 8 Jahre alt, sehr aufgeweckt und intelligent, munter und nicht schüchtern. Leider fehlt L. völlig (!!!) die Fähigkeit sich mit anderen zu arrangieren und die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen.
    Sie ist absolut dominant, schreibt ständig allen Kindern vor, was sie zu tun und lassen haben, kann sich überhaupt nicht in andere hineinversetzen und sieht immer nur ihre eigenen Bedürfnisse.


    Mal ein paar Beispiele:
    Sie ist traurig, dass niemand mit ihr spielt (das kommt oft vor!). Also gehe ich mit ihr zu ein paar Kindern und bitte diese, L. mitspielen zu lassen. Alleine würde L. das nicht machen. Die Kinder sind dazu bereit, aber kaum eine Minute später gibt es großen Streit, weil L. das Spielzeug ausschließlich für sich haben will, nicht bereit ist zu teilen und die anderen ihr doch gefälligst zugucken sollen.


    Im Unterricht stört sie durch singen. Ich spreche sie darauf an (nachdem mehrfach andere Kinder sie darum gebeten haben aufzuhören), aber sie besteht darauf weiter zu singen, weil sie da doch jetzt gerade Lust drauf hat.


    Im Erzählkreis am Morgen (da erzählen immer so 3-4 Kinder) durfte sie nicht erzählen, da sie schon die Tage vorher dran war und jetzt einige andere Kinder etwas zu berichten hatten. Das führte zu Tränen. Sie war für kein Argument zugänglich.

    In der Klasse hat sie mittlerweile eine Außenseiterrolle eingenommen. Das merkt sie deutlich und leidet darunter. Gleichzeitig schafft sie es trotz etlicher Gespräche (einzeln und mit der Klasse) nicht, ihr eigenes Fehlverhalten zu erkennen. Trotz guter Intelligenz wirkt sie in allen sozialen Belangen fast noch kleinkindhaft.


    Ihre Mutter sieht das Problem, versucht dem entgegenzuwirken mit vielen Gesprächen. Sie meldet sie in Sportvereinen an, aber überall treten die gleichen Schwierigkeiten auf. Ein "Erziehungsproblem" ist es also nicht.



    Ich weiß nicht mehr weiter. Woher kann die völlige Unfähigkeit zu sozialer Kompetenz kommen???




    Liebe Grüße



    Sina

  • Zitat

    Original von sina


    Ein "Erziehungsproblem" ist es also nicht.


    Ich nehme an, dass Du "Erziehungsproblem" deswegen in Anführungszeichen gesetzt hast, weil die Mutter des Kindes es so sieht, Du selbst aber anderer Auffassung bist. Die fehlende soziale Kompetenz ist durchaus ein Erziehungsproblem. (Die Bücher von Michael Winterhoff geben dazu kompetent Auskunft.)


    Ich würde der Mutter dringend empfehlen, zuerst die schulpsychologische Beratung aufzusuchen. Meines Erachtens wird diese Beratungsstelle der Mutter raten, mit dem Kind zu einem Kinder- und Jugendpsychiater in eine Therapie zu gehen.

    • Offizieller Beitrag

    Wie ist es denn mit dem familiären Hintergrund? Ist L. Einzelkind? Haben die Eltern vielleicht wenig Zeit für sie und geben deswegen ihrem Streben nach Dominanz nach ohne es wirklich zu bemerken? (Die Begebenheit mit dem Singen lässt darauf schließen- "ich hab jetzt Lust drauf, also mach ich es einfach!") Umgekehrt könnte es aber auch sein, dass L. im Elternhaus sehr viel Strenge erfährt und deshalb jetzt ihre Grenzen in der Schule austestet. Der Rat mit der schulpsychologischen Beratung ist sicher nicht schlecht.

    "Ein Mann, der noch keinen Fehler begangen hat, hat noch nie etwas getan."
    Sir Robert Baden-Powell, Earl of Gilwell

  • Danke schon einmal für eure Antworten.


    L. hat ein kleineres Geschwisterkind. Die Mutter ist nicht berufstätig, der Vater schon. Ein Problem mit zu wenig Aufmerksamkeit kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Zu viel Aufmerksamkeit - keine Ahnung?! Es ist schon auffällig, dass L. es z.B. überhaupt nicht zulässt, dass ich mich mal intensiv um andere Kinder kümmere. Sofort steht sie daneben, unterbricht Gespräche, redet dazwischen etc.Das könnte natürlich darauf hindeuten, dass sie genau das auch zu Hause darf.



    Ich werde noch einmal mit der Mutter reden. Wie kann die Mutter Kontakt zur schulpsychologischen Beratungsstelle aufnehmen (ich selber habe auch noch nie mit denen zusammen gearbeitet)? Was würde dort gemacht werden (Gespräche, Untersuchungen,..)?


    Vielen Dank schon einmal


    Sina

  • Natürlich weiß ich nicht, wie das in NRW aussieht. Bei uns in Baden-Württemberg sind die schulpsychologischen Beratungsstellen den Staatlichen Schulämtern angegliedert. Sie beraten Lehrer ebenso wie Eltern und Schüler bei allen Arten von Auffälligkeiten im Lernverhalten, im Sozialverhalten, bei Schullaufbahnberatungen usw., also eigentlich bei Schulproblemen aller Art.


    Wenn Therapien angezeigt sind, empfehlen sie Fachleute, die dafür infrage kommen, weil sie selbst keine Therapien durchführen dürfen.


    Die Beratung ist kostenlos. Die Telefonnummer der für Deine Schule zuständigen Stelle solltest Du in Deiner Schule oder im Internet herausfinden können.


    Hier in B-W wird zurzeit der schulpsychologische Dienst personell ausgeweitet - das ist sicherlich dem gestiegenen Bedarf geschuldet.

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