Rumbrüllen...

  • ...immer noch ein akzeptiertes pädagogisches Mittel?


    Mir ist heute mal wieder die Hutschnur so richtig geplatzt. Ich habe schreienderweise die Kontrolle über mich verloren, bin hochrot angelaufen. Ein leichtes, schlechtes Gewissen habe ich, v.a. weil die Braven so entsetzt und verwirrt dreingeschaut haben. Letztendlich war die Klasse jedoch dann endlich ruhig, v.a. die Rotzfrechen und ständig Reinrufenden, es konnte endlich gearbeitet werden.


    Wie haltet ihr's so mit dem Rumbrüllen? Bin ich die Einzige?


    heisere Grüße
    klöni

  • Ich habe als Praktikant einen Lehrer gesehen, der hat so gebrüllt ich hab selbst fast einen Herzschlag bekommen. Er hatte die Hauptschüler aber im Griff. Klar ist es ein pädagogisches Mittel und kann Teil der sogenanten "tough-guy-Strategie" sein.
    Irgendwann ist das Maß eben voll und als Lehrer ist man Mensch. Damit muss auch ein Schüler umgehen. ;)

  • Passiert mir sehr selten, dass mir die Hutschnur platzt ... aber wenn, dann kann ich wirklich laut werden.


    Als bewusstes pädagogisches Mittel möchte ich es nicht einsetzen, dazu nützt es sich zu schnell ab - wobei grad die leiseren Schüler vermutlich sagen würden, dass das, was ich unter "gehobenerer Lautstärke" verstehe (also nicht als Brüllen) doch schon ein "Brüllen" ist ...

  • Zitat

    Original von [FoNziE]
    Irgendwann ist das Maß eben voll und als Lehrer ist man Mensch. Damit muss auch ein Schüler umgehen. ;)




    Sehe ich ähnlich. Wir sind auch nur Menschen und es passiert jedem mal. Wenn es selten geschieht, verfehlt es seine Wirkung nicht - wie du selbst gemerkt hast. Ich persönlich habe aber - bei Kollegen- festgestellt, dass ständiges Brüllen manche Schüler abstumpfen lässt (Gewöhnung), andere haben Angst. Und Angst ist nicht dasselbe wie Respekt und meines Erachtens keine Basis für einen konstruktiven Unterricht.

  • Hallo,
    Nighthawk: Ein ähnlicher Gedanke kam mir auch schon, dass ich meine Reaktion nämlich selbst etwas überzogen wahrgenommen habe. :)


    Rumbrüllen, i.e. laut werden, ist bei mir das letzte Mittel, um noch irgendwie die Bande zur Vernunft zu bringen. Danach ist dann auch wirklich Ruhe im Karton, aber ich plage mich dann mit einem schlechten Gewissen, denke, ich habe pädagogisch versagt.


    Mir grauste es bei der Vorstellung, dass einer der Knaben evtl gerade sein Handy an hatte, und die Szene auf Video aufgenommen hat, das ganze jetzt bei Youtube zu sehen ist.


    Oh Mann, da macht man was mit!

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe, soweit ich mich erinnere, noch nie unterrichtlich gebrüllt. Ob das nun pädagogisches Geschick ist oder Glück, weil ich seit 10 Jahren nur im Großen und Ganzen freundliche und einsichtige Schüler habe, kann ich nicht beurteilen.


    Ich habe, als ich in England unterrichtet habe, mal an der Uni ein Lehrvideo gesehen, in dem es um Erziehung ging, u.a. auch ums Thema Brüllen (seitens Eltern, Lehrer, Trainer).
    Da hat man aus Kinderperspektive, also von unten, die Gesichter der Brüllenden gefilmt. 8o8o8o
    Diese affenartigen, verzerrten Fratzen (von sonst normal/nett aussehenden Erwachsenen) haben mich für immer und ewig abgeschreckt und ich habe mir geschworen, mir nicht nur im beruflichen sondern auch im privaten Umfeld niemals diese Blöße zu geben. Schüler, Neffen, Ehemann ... sollen so etwas Unkontrolliertes nicht zu Gesicht bekommen.


    Es gab auch noch eine längere psychologische Studie darüber, was Brüllen in Kinderhirnen dann wirklich auslöst (Einsicht jedenfalls nicht), aber das führt hier dann wohl zu weit.


    Wie gesagt, ich mag hier nicht belehren, ich habe eine ganz persönliche Entscheidung zum Thema Brüllen getroffen und bisher noch nie die entsprechende Notwendigkeit dafür vorgefunden, das mag schlicht glückliche Fügung sein. :)

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

    • Offizieller Beitrag

    brüllen ist ok, aber nur, wenn es kontrolliert geschieht. Ein ausbilder von mir nannte das mal den "Theaterdonner". Sehr wirkungsvoll, wenn man normalerweise ruhig ist.


    Unkontrolliertes Schreien ist a) anstrengend und b) kontraproduktiv, wenn z.B: die Stimme überschlägt und man Atemprobleme bekommt.


    D.h. zuhause mal trainieren ;)....


    es geht dabei ja auch weniger darum, Einsicht zu erzeugen, sondern einen schlusstrich zu ziehen, "emotionen" zu zeigen, darzustellen, dass man über etwas wirklich nicht amused ist...oder einfach eine klasse kurz mal anzubuffen.


    und ich denke, wenn es kontrolliert abläuft, kein schüler persönlich angebrüllt wird, verstehen die kids das auch. das wirkt dann auch gut, nach einem kräftigen "spinnt ihr jetzt komplett - ihr geht mir ja so auf die nerven - das kann doch nicht wahr sein...." in normaler lautstärke weiter zu reden.....;).

  • Nein, du bist sicher nicht die/der Einzige...


    Ich selber brülle auch nicht, aber wenn es gar zu laut ist und mir keiner mehr zuhört, dann kommt schon mal ein lautes "HEY!" in den Raum gebrüllt von mir... da sind dann die Schüler meist so verschreckt, dass sie sofort ruhig sind... und ich dann in normaler Lautstärke sagen kann, was ich sagen möchte! ;)

  • Ich ziehe es vor, in der Oberstufe zu unterrichten. Da ist es mir noch nie passiert, dass ich brüllen musste.


    Ich selbst brülle eigentlich nur, wenn mich die Schüler vorher für längere Zeit als "normalen Menschen" erleben konnten.


    Naja, ich denke, ich sollte mir jetzt nicht das schlechte Gewissen einreden, dass eigentlich einige der Schüler haben sollten, die meinen, sie dürften sich in den Randstunden wie ein ungebärdige Affenhorde verhalten. Nächste Mal lass ich einfach einen Test schreiben. Aus.

  • Zitat

    Original von Hawkeye
    brüllen ist ok, aber nur, wenn es kontrolliert geschieht. Ein ausbilder von mir nannte das mal den "Theaterdonner". Sehr wirkungsvoll, wenn man normalerweise ruhig ist.


    Ich frag mich, ob das wirklich Zufall ist, dass das von einem männlichen Kollegen kommt. Ich glaube fast ausnahmslos alle meine männlichen Kollegen sehen das ähnlich wie du und dein Ausbilder.
    Ich selber dagegen würde sagen, dass Brüllen pädagogisch gesehen überhaupt nie ok ist und es definitiv immer andere (in meinen Augen bessere) Alternativen gibt.


    Klar ist es nach der Schrecksekunde ruhig, aber letztlich vermitteln wir den Schülern ja dann auch wieder nur, dass man sich mit Rumbrüllen Aufmerksamkeit verschafft. Eigentlich nicht unbedingt das, was ich möchte.


    Allerdings wie schon mehrfach erwähnt: Als Lehrer sind wir auch nun Menschen und gerade Schüler an den "niederen" Schulformen können einen manchmal echt zur Weißglut bringen, weil eben oftmals schlimmere Dinge passieren als nur mal mit dem Nachbarn zu quatschen. Deswegen ist mir auch schon das ein oder andere Mal der Kragen geplatzt, klar.
    Wobei es da unterschiedliche Abstufungen gibt: So ein richtiges "HB-Männchen" habe ich bislang nur einmal gemacht, aber einfach mal lauter werde ich durchaus hin und wieder mal.
    Gut finde ich es wie gesagt eigentlich selber nicht, aber andererseits bekommt man tatsächlich in der Ausbildung viel zu wenig Handlungsalternativen vermittelt. Und vor allem muss man sich natürlich deutlich mehr in Geduld üben, wenn man darauf verzichten möchte, laut zu werden. Eine Sache, die mir selbst unendlich schwer fällt....


    LG
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

  • Hallo Mia,


    in meinem Fall handelt es sich um eine pubertierende Gymnasialklasse. Ich denke, von der Vorstellung, dass solches Verhalten nur in Hauptschulklassen zu finden ist, müssen wir uns langsam verabschieden.


    Ich stimme Hawkeye zu, was den Überraschungseffekt des Theaterdonners angeht. Umso größter ist die Überraschung, wenn der Donner mal von der Frau Lehrerin ausgeht. Vielleicht gerade für Mädchen auch mal eine interessante Rollenalternative?


    Ich sehe es ebenso, dass Rumbrüllen letztendlich die Message vermittelt, dass damit Aufmerksamkeit und Macht erlangt werden kann. Befinde ich mich im Affenkäfig, dann ist es manchmal die erste Schlussfolgerung, die Rolle des Oberaffen zu übernehmen und so zu handeln. Die Rolle der Dompteurin kostet mich auf lange Sicht zuviel Kraft.


    lg klöni

    • Offizieller Beitrag

    :D, ja Hawkeye, der Brüllaffe ;)....


    ich rudere ein wenig zurück: vielleicht meinte ich auch nicht brüllen, sondern einfach laut werden und schimpfen. Und da gebe ich dir recht, habe ich es bei meinem Körpervolumen einfacher als eine Kollegin. Ich kann mich auch in der Aula verständlich machen.


    Und bei Handlungsalternativen sortiere ich die Stimme durchaus mit ein - sie ist mithin eines der wichtigsten Instrumente. Und sie modulierend in Stimmfarbe und Lautstärke bewusst einzusetzen, halte ich für wichtig - egal ob Männlein oder Weiblein.


    Und ob pädagogisch oder nicht - wenn ich in einer Klasse mit 33 Schülern ein "Jetzt ist Schluss mit den Faxen!" tonal in den Raum einbringe, dann ists ruhig und bleibts ruhig. Und dann will ich nicht diskutieren oder Ich-Botschaften senden, sondern ich will, dass es ruhig ist. Weil ich oftmals KEINEN BOCK habe mit 33 verzogenen Fratzen zu diskutieren, die zuhause nur selten ein NEIN hören. Der Aufwand war niedrig, der Erfolg groß - das ist meine Art der Arbeitsentlastung ;).


    Friedliche Grüße


    Hawkeye, der klare Ansagen liebt.

  • Zitat

    Und dann will ich nicht diskutieren oder Ich-Botschaften senden, sondern ich will, dass es ruhig ist. Weil ich oftmals KEINEN BOCK habe mit 33 verzogenen Fratzen zu diskutieren, die zuhause nur selten ein NEIN hören.


    Danke, du hast es nochmal auf den Punkt gebracht. Das ewige Widersprechen und Einwände erheben unterbinde ich damit, dass ich den Schülern sage, sie hätten 24 Stunden Zeit, mir ihre Meinung schriftlich zukommen zu lassen. Und damit ist dann Schluss mit "Rumdiskutieren": i.e. Schmollen, Jammern, Krakelen, Randalieren, Zeter und Mordio schreien, Rumheulen.


    Das nennt sich dann "willensstarke Kinder" :rolleyes:

    • Offizieller Beitrag

    Darin, wie Hawkeye es beschreibt, finde auch ich mich wieder. Es braucht echt lange, bis mir die Hutschnur hochgeht, aber wenn, mache ich kurz eindrucksvoll klar, dass ich mir auch anders Gehör verschaffen kann. Kurz deshalb, weil ich mich eh konzentrieren muss, nicht zu quietschen, wenn ich laut werde. Also schnell die Aufmerksamkeit auf mich lenken und in die verblüffte Stille mit normaler Lautstärke einhaken.
    Wer sich wie ´ne Horde Brüllaffen benimmt (kann in einer absolut liebenswerten, aber halt doch hormonüberfluteten achten Realschulklasse durchaus mal vorkommen ;) ), muss damit rechnen, dass man sie auch so behandelt (um sie wieder auf den Teppich zu kriegen). Übelgenommen hat es mir noch niemand, eher kamen Kommentare wie "das hätte auch mal eher passieren können..." Sicher Hase, ich verspreche, dich das nächste Mal früher anzubrüllen... :D

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

  • hi klöni,


    interessanter thread. :)


    ich habe bisher in 9 jahren nur 2x gebrüllt, was allerdings weniger für anderweitig pädagogisches geschick meinerseits, sondern vielmehr für (nicht immer angebrachten) langmut spricht.


    die beiden male hatten mich die schüler völlig zur weißglut gebracht. es war eine 9te klasse, die eigentlich echt super nett war und irgendwie zu beginn des kunstunterrichts nur rumsabbelte, und eine total, tutti kompletti ätzende, völlig zum kotzende (JA!!) 6te klasse, ebenfalls im kunstunterricht. bei den 6ern ging gar nichts. ich spar euch die details, aber diese klasse war nicht nur im ku der horror. rüttli verdächtig und das am ländlichen gym.....


    in beiden fällen brachte das rumbrüllen was. bei der jüngeren gruppe aber leider nur für insgesamt 2 sitzungen. danach business as usual.


    was mir aufgefallen ist und warum ich tunlichst vermeide zu brüllen ist, dass ich dabei - so mein empfinden - einfach schauerlich kreischig klinge..... das mag echt was mit dem von hawkeye erwähnten mann-frau-faktor zu tun haben. im normalen schulalltag habe ich eine durchaus laute stimme, die auch im zeichensaal (gruselige akustik...) noch bei 34 5.klässlern bis nach hinten druchdringt. im nahe zu normal modus that is. beim brüllen ist es nur noch hoch, überschlägt sich und muss für andere schon fast hysterisch klingen. ich fühlte mich die beiden o.g. male ehrlich gesagt eher wie die übergeschnappte lehrerin.


    grüße vom
    Raket-O-Katz

  • Zitat

    Original von Raket-O-Katz
    ... beim brüllen ist es nur noch hoch, überschlägt sich und muss für andere schon fast hysterisch klingen. ich fühlte mich die beiden o.g. male ehrlich gesagt eher wie die übergeschnappte lehrerin...


    Da ist was Wahres dran. Bei Frauen kommt das anders rüber als bei uns Männern. Auch ich erhebe ab und an meine Stimme, damit mich auch die letzte Reihe klar und deutlich versteht. Dann wissen aber auch alle in der Klasse, dass bei mir das Hutschur-Level erreicht ist und jedes weitere Vergehen unangenehme, zeitaufwändige Folgen nach sich zieht.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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