Zu "geduldig" mit Schülern - was machen?

  • Hallo allerseits,


    ich befinde mich momentan im Praktikum und bin, kurz gesagt, zu geduldig mit den Schülern in punkto Disziplinarmaßnahmen und weiß nicht, wie und ob ich das ändern soll.


    Leider habe ich für mich immer noch nicht die Frage geklärt, ob ich Strafarbeiten, Nachsitzen,, bzw. einfach generell, Strafmethoden sinnvoll finde. Das dürfte mein Hauptproblem sein.


    Mein Idealbild eines Lehrers ist natürlich der Lehrer, der so interessant unterrichtet, dass alle Schüler gebannt 45 Minuten zuhören und mitmachen, so dass Strafen gar nicht erst notwendig werden.
    Allerdings ist dies ein Idealbild, d.h. dort bin ich noch lange nicht angelangt. Generell bin ich ein großer Fan von positiver Verstärkung, da ich aus eigener Schulzeit noch weiß, wie viel das bringt, aber wenn eine Gruppe von Schülern partout nicht ruhig werden will und kein einziger Schüler gezielt herauszupicken ist, will ich nicht die ganze Gruppe bestrafen. Kollektivstrafen finde ich generell kacke, genauso wie mir ein "Bloßstellen" eines Schülers nicht wohl behagt (z.B. umsetzen, in Ecke stellen, vor Türe stellen o.ä.)


    Ich war generell ein recht braver Schüler in der Schule damals und habe insgesamt 4 Strafarbeiten in meiner Schullaufbahn bekommen und davon 2 zu Unrecht, bzw. ich war nicht der Schuldige. Da ich weiß, wie kacke das ist, will ich meinen SuS nicht das Selbe zumuten. Andererseits muss man als Schüler auch lernen, sich nicht auf jeden Scheiss einzulassen, bzw sich mitreißen zu lassen.


    Ich denke, darin könnte auch meine Abneigung gegenüber Strafen begründet sein.


    Die Praktikumsklasse, die ich habe, ist generell sehr lieb, nur wird es manchmal aufgrund meiner sehr liberalen Einstellung gegenüber dem Lautstärkepegel der Klasse etwas lauter, getreu dem Schneeball-Effekt. Ich habe in dieser Hinsicht eine zu hohe Toleranz ;)
    Hinzu kommt, dass ich Musik unterrichte, ein Fach, bei dem es v.a. bei Praxisphasen gerne laut werden kann und da weiß ich nicht, was ist noch normal laut, was ist zu laut?


    Das nervige generell ist: Ich weiß, dass Strafen, bzw. allein schon die Androhung davon wirken. Aber eigentlich will ich incht sanktionieren (müssen).


    Kennt jemand diese Misere oder kann meine Gefühle / mein Handeln nachvollziehen?


    Lösungsvorschläge / Tipps?

  • Es gibt in der Schule keine "Strafen" und schon gar keine "Kollektivstrafen". Was es gibt sind Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen.


    Als Lehrkraft kannst du Erziehungsmaßnahmen i.d.R. eigenverantwortlich verhängen. Näheres regelt das Landesschulgesetz und entsprechende Richtlinien / Verordnungen.


    Also überlege dir: Was ist der pädagogische Zweck deiner (zulässigen) Erziehungsmaßnahme? Und ist sie geeignet und angemessen den Zweck zu erreichen? Wenn ja, kannst du sie ruhigen Gewissens verhängen, denn dazu sind sie ja ausdrücklich in den Schulgesetzen vorgesehen!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Hallo,


    zum Lehrersein gehört auch, den Schülern gegenüber Konsequenz zu zeigen. Das heißt Sanktionen, die man verhängt, müssen nachvollziehbar und konsequent sein. Als Lehrer muss man meiner Meinung nach auch bereit sein, pädagogische Maßnahmen und Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen - und zwar um der Erziehungsaufgabe gerecht zu werden! Das bedeutet aber ebenfalls, Konflikte mit den Schülern aushalten zu können und sich im Zweifelsfall auch einmal "unbeliebt" zu machen. Vielleicht solltest du dir einmal überlegen, welche Folgen es bei den Schülern hat, wenn du nicht für Ruhe sorgst und so der Unterricht darunter leidet - gerade für diejenigen Schüler, die Ruhe brauchen, um sich zu konzentrieren und die dadurch benachteiligt werden. Du solltest dir ebenfalls bewusst machen, dass nicht jedes Schülerverhalten automatisch durch entsprechende Unterrichtsinterventionen und interessanten Unterricht zu beeinflussen ist.
    Ich kenne eine ganze Reihe von Kollegen, die ich ebenfalls als "zu geduldig" mit den Schülern ansehe - die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich und reichen von einer hohen Toleranzschwelle bis hin zu Bequemlichkeit und der Angst, von den Schülern nicht mehr gemocht zu werden, wenn man konsequent pädagogische Maßnahmen ergreift. Ich glaube, dass deine Erfahrung für einen Praktikanten nichts Ungewöhnliches ist, aber auch "gestandene" Lehrer machen sich sehr oft Gedanken, ob die ergriffenen Maßnahmen denn die richtigen waren. Das gehört zur Reflexion der eigenen Rolle als Lehrer dazu. Und diese Rolle wirst du erst finden müssen. Für all diese Prozesse ist die Ausbildung aber da. Du solltest dieses Problem vielleicht auch einmal bei deinem Mentor / Praktikumsbeauftragten thematisieren. Wenn du deine eigenen Erfahrungen als Schüler ansprichst, solltest du vielleicht auch einmal überlegen, wie du Lehrer wahrgenommen hast, die nicht für ein angemessenes ruhiges und konzentriertes Lehrklima sorgten, sondern die Schüler einfach gewähren ließen.


    Grüße Eugenia

    • Offizieller Beitrag

    Hi Ho,


    generell sei gesagt, dass du dies Problem, welches du beschreibst, nicht angehen kannst als etwas, was ein für allemal gelöst werden kann.
    Deine Gedanken sind ein normaler Schritt in Richtung der Lehrerpersönlichkeit, die du einmal sein wirst. So lange du drüber nachdenkst, ist das gut - aber du wirst irgendwann Entscheidungen treffen müssen.


    Und was Eugenia schreibt, stimmt: ich bin jetzt im 11. Jahr Lehrer und im 5. Jahr an derselben Schule - es wird Vieles einfacher, wenn du länger an einer Schule bist, weil du dann schon einen "Ruf" hast, der dir voraus eilt (das kann auch ein Nachteil sein :D). Aber dennoch habe ich in den Klassen immer wieder Fälle, wo ich gefordert bin und sehen muss, wie ich mit einer Störung, einem anstrengenden Schüler usw. umgehen muss.


    Und, öhm, du solltest dir auch mal dein "Idealbild eines Lehrers" kritisch hinterfragen. Das Ziel, jede Stunde so interessant zu unterrichten, dass keine Strafen notwendig werden, ist ein wenig schräg. Der Erfolg von Unterricht hängt nicht allein von dir ab. Es gibt viele Faktoren, die da hinein spielen - und auf die wenigsten hast du direkt Einfluss.


    Abschließend: meine Praktikanten kommen auch sehr schnell mit der Frage nach der Disziplin. Dabei mache ich die Erfahrung, dass in den Stunden der Praktikanten selten (nach meinem Empfinden) wirkliche Disziplinprobleme auftauchen.


    Das heißt, hier schon mal ein Tipp: schreib dir doch mal zuhause auf, was du als störend empfindest oder wo deiner Meinung nach sanktioniert werden soll und muss. Überleg dir weiterhin, welche alternativen Handlungsmuster du dir bereit legen kannst, um solche Probleme zu lösen.
    Und ganz wichtig: rede mit anderen darüber. Disziplinprobleme sind vielfältig und es gibt immer mehrere Sichtweisen (und damit meine ich nicht die übliche Antwort von dummen Kollegen: "Bei mir macht der Schüler /die Klasse keine Probleme." - das ist meistens ohnehin nicht wahr).


    Und wenn du magst, dann poste hier doch mal einige Fälle. Dann ist das etwas konkreter.


    Ansonsten kannst du später auch mal einige Schüler befragen und deine Lehrerpersönlichkeit (die ist nicht dieselbe, du die als Privatperson hast) reflektieren lassen.


    Aber unterm Strich: versuche dein Praktikum nicht allzusehr mit Fragen der Disziplin zu belasten. Das Praktikum ist meiner Meinung nach für andere Sachen da. Solltest du wirklich erhebliche Disziplinprobleme in den Klassen haben, ist ohnehin dein Betreuungslehrer zuständig.


    Grüße


    H.

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