• Hallo Semigund,


    ich kann dir nur zustimmen: die Lehrerarbeitszeit ist sehr ungerecht verteilt, weil immer nur von Deputaten ausgegangen wird und ein "Rattenschwanz" an Aufgaben sich nur für einige wenige Kolleginnen und Kollegen ergibt. Wenn man als Doppelkorrigiererin darauf hinweist, ist das Geschrei groß: dann wird die laute Turn- oder Schwimmhalle zur Riesenbelastung aufgeblasen (dabei kann man in den Hallen sehr gut beobachten, dass den SuSen schnell die Luft ausgeht, wenn sie körperlich aktiv sind! Die andere Hälfte des Jahres ist man auf dem Sportplatz, was an frischer Luft und ohne Halleffekt wie in den Klassenzimmern - ohne Neid, aber mit Sinn für Realität - eine feine Sache ist!), eine MusiklehrerIn wollte mir ihre (sie meinte wohl "gleichwertigen") Belastungen aufzeigen, indem sie mich darauf hinwies, dass sie bei den vielen Gruppen doch so viele Namen lernen müsse! Ganz deutlich wird es bei den Gesprächen über die Weihnachtsferein: Wer da nicht alles zum Skifahren gewesen ist, während eine kleine Minderheit - wie jedes Jahr - die Fahne der Schule hochgehalten - sprich: korrigiert hat! In den Gymnasien in NRW ist viel Doppelmoral vorhanden: Der Unterschied zwischen dem, was man so unter vier Augen äußert, und dem, was mit einer mächtigen Lehrergewerkschaft im Rücken, so herausposaunt wird, ist einfach gewaltig! Doppelte KorrekturfachlehrerInnen sind über Jahrzehnte hin vernachlässigt worden, weil sie eben - aufgrund ihrer Zahl - völlig unberücksichtigt geblieben sind. Jetzt wendet sich das Blatt und PolitikerInnen sehen, dass bei einer Vielzahl von KollegInnen "da noch einiges drin" ist.

  • Zitat

    Original von Semigund
    Es gibt deutlich zu viele Lehrkräfte, die zu stressanfällig sind und viel zu schnell unter einer Last zerbrechen, die ich persönlich für tragbar halte. Da frage ich mich schon, was die wohl in meinem alten Job gemacht hätten.


    was strtess auslöst, ist subjektiv verschieden und jemandem vorzuwerfen, dass er weniger aushält als du, ist hochgradig unverschämt. für mich ist es durchaus eine belastung mit meinem kritischen magen nicht frühstücken zu können und mehrfach pro woche vormittags nicht zum essen zu kommen, weil alles mögliche in der pause erledigt werden muss. um 13.15 uhr die erste nahrung am tag zu sich zu nehmen mag für dich ein klacks sein, für mich ist das hochgradig problematisch. aber vermutlich bin ich einfach zu verweichlicht für den job.


    was ich mich grundsätzlich frage ist, warum in dieser gesellschaft jede berufsgruppe "jammern" darf und auf ihre belastungen hinweisen darf, nur lehrer wird dies pauschal nicht zugestanden und jede form der belastung wird als nicht existent niedergeredet.

  • Zitat

    Original von Semigund
    ...
    Ich arbeite seit rund zwei Jahren als Lehrerin. Im Rahmen meiner Arbeit habe ich einige verschiedene Lehrertypen verchiedener Schulformen und Fächer kennen gelernt, d.h. durch integrativen Unterricht sehe ich wirklich viel Unterricht. Davor habe ich mehrere Jahre in der privaten Bildungsbranche gearbeitet. Überstundenausgleich gab es bei uns nicht...


    In zwei Jahren sieht man viel, wohl wahr.


    Ich habe mehrere Jahre in der Industrie gearbeitet. Die Arbeit ging von morgens - Stechuhr - bis abends Stechuhr. Dann war Freizeit. Etwa viermal am Tag gab es positives Feedback: - "Der Kunde ist zufrieden, Auftrag ist akzeptiert und abgesegnet". Fortbildungen wurden während der tariflichen Arbeitszeit durchgeführt, Hotel und Fahrtkosten vom Arbeitgeber bezahlt - zusätzlich gab es "Auslöse", d.h. übertarifliche Bezahlung während dieser Zeit - weil man ja außer Haus untergebracht war.


    In der privaten (Weiter-) Bildungsbranche war ich auch tätig. Die erwachsenen Schüler haben ihre Skripten abgearbeitet, es war eine ruhige und entspannte Arbeitsatmosphäre. Da stand ich zwar länger in der "Klasse" als jetzt - aber war danach nicht k.o.


    Nun unterrichte ich 20 quirlige, pubertierende Kids und wir haben gemeinsam unseren Spaß und unseren Ärger miteinander. Nach 5 Stunden auf 120% brauche ich erst mal eine Stunde, um auf 100% herabzukommen, bevor die Entspannung einsetzen könnte - die sich jedoch nicht einstellt, weil die Schulbücher im Regal und die Schülerhefte auf dem Schreibtisch liegen - und der Kopf damit beschäftigt ist, die Streitereien vom Tag Revue passieren zu lassen und sich Gedanken über den nächsten Tag zu machen.


    Ich beklage mich nicht darüber - ich hab' das so gewollt und ich mache das gerne. Das einzige, was mich ab und an etwas "ankäst" sind Kommentare von Nachbarn oder anderen Leuten, die der Meinung sind, sie wüssten über meine Arbeit und den damit verbundenen Aufwand Bescheid.


    Ich käme nie auf den Gedanken, meinen Nachbarn für einen faulen Hund zu halten, weil der nachmittags um 2 im Liegestuhl liegt. Der Mann ist Dreher. Vermutlich hat er um 5 mit der Frühschicht begonnen und genießt nun seine Freizeit. Ich kann nicht beurteilen, wie es ihm bei seiner Arbeit geht. Ich stehe ja nicht in seiner Fabrik und mache dieselbe Arbeit neben ihm.


    Nur über uns Lehrer weiß jeder Bescheid: 25-Stunden-Woche, wobei die Stunde nur 45 Minuten hat und 12 Wochen Urlaub im Jahr.
    Das sage ich mir nach solchen Kommentaren dann auch immer und denke mir dabei: "Ist dies Leben nicht schön?" :laola:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Immer diese Missverständnisse....


    Der harte und Ton, in dem in diesem Forum abweichende Meinungen kommentiert werden, hat mich als Neuling doch überrascht. Dies habe ich auch bei anderen Themen lesen müssen. Sollte ich selber allzu unsachlich und negativ angekommen sein, so möchte ich dieses relativieren und entschuldigen. Dennoch möchte ich darum bitten, andere Meinungen zu tolerieren oder vielleicht einfach mal Selbstkritik zu üben.


    Ich denke nicht, dass alle Lehrer faul sind, (das würde mich ja wohl einschliessen), sondern dass die Arbeit sehr unterschiedlich verteilt zu sein scheint und es kaum eine dienstrechtliche Handhabe zu geben scheint. Ich denke, das ist auch etwas, was einfach anders als in einem Privatunternehmen ist, wo es andere Zwänge gibt. Damit muss man umgehen können, weil das glaube ich längerfristig zu viel Frustration führt. Da ich ja, wie zynisch geantwortet wurde, erst zwei Jahre dabei bin, kann ich mir nur ein sehr persönliches Urteil bilden. Da sind Kolleginnen und Kollegen mit langjähriger Erfahrung an verschiedenen Schulen selbstverständlich in einer anderen Lage!
    Es mag auch durchaus Lehrer geben, deren Erfahrungen mit der Berufswelt außerhalb der Schule zumindest länger her sind oder sogar ins Studium zurückreichen. Deren Vergleiche der Arbeitszeiten orientieren sich mehr an Beobachtungen als an Erfahrungen. Die Kollegen, die selber den Quereinstieg gewagt haben, wissen das und haben hier persönlich geschildert, wie sie es erleben. Mir haben die persönlichen Erfahrungen meines Mannes und vieler Bekannter und Freunde geholfen. Nun muss jeder selber entscheiden, ob er den Schritt in den Lehrdienst wagen möchte oder auch nicht. Ich habe es bislang nicht bereut.


    Extra-Aufgaben werden bei uns eher denen zugemutet, die nicht "nein" sagen - und das sind häufig die gleichen Personen. So spitzt sich dies Lage weiter zu. Ich finde, die wirklichen Leistungsträger sollten honoriert werden. So ist z.B. die Arbeit einer Klassenleitung immer mit zusätzlichen Aufgaben verbunden. Man sollte nicht einfach das gesamte Kollegium lobhudeln "Sie habe alle viel Arbeit...", sondern auch die Arbeit des einzelnen wertschätzen. Und dazu gehört bestimmt auch die Vergütung.



    Ausserdem: Der Vergleich mit dem Einzelhandel war lediglich auf die Möglichkeit zur Toilette zu gehen gemünzt. Sonst nix ;o)


    Viele Grüße
    Semigund

  • Zitat

    Original von Semigund
    Ich denke nicht, dass alle Lehrer faul sind, (das würde mich ja wohl einschliessen), sondern dass die Arbeit sehr unterschiedlich verteilt zu sein scheint


    Nun, es ist dir wirklich zu gönnen, dass du dann ja zu denen zu gehören scheint, an denen die Arbeitslast so vorbeirutscht. ;) Aber daraus sollte man keine verallgemeinernden Schlussfolgerungen über Arbeitsstrukturen ziehen, bzw. man sollte sich nicht wundern, wenn man das tut und dann aneckt.


    Nele


    P.S. Ich kann ausgezeichnet "nein" sagen und habe eine gutentwickelte Trennschärfe zwischen Dienstleben und Privatleben, arbeite aber trotzdem deutlich mehr als mein Stundensoll.

  • Zitat

    Original von Semigund
    Der harte und Ton, in dem in diesem Forum abweichende Meinungen kommentiert werden, hat mich als Neuling doch überrascht. Dies habe ich auch bei anderen Themen lesen müssen.
    [...]


    Ausserdem: Der Vergleich mit dem Einzelhandel war lediglich auf die Möglichkeit zur Toilette zu gehen gemünzt. Sonst nix ;o)


    Also ich habe absolut nicht den Eindruck, dass in diesem Forum abweichende Meinungen generell unnötig hart kommentiert werden. Ganz im Gegenteil: Ich schätze hier die im Vergleich mit vielen anderen Foren sehr sachlichen aber eben auch kontrovers geführten Diskussionen ungemein.


    Im konkreten Fall hast du allerdings Recht - in Bezug auf deinen ersten Beitrag habe auch ich tatsächlich etwas heftiger reagiert. Deine Schilderung war halt doch sehr einseitig. Philosophus Kommentar bringt das eigentlich gut auf den Punkt. Gerade für einen ersten Beitrag hast du dich doch ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Da muss man sich über etwas Gegenwind nicht wundern. ;)


    Was die "Toilettenfrage" anbelangt: CKR hat ja schon auf die grundsätzlichen Probleme beim Vergleich von unterschiedlichen Berufen hingewiesen. Spätestens die isolierte Einzelbetrachtung von ganz speziellen Sitationen führt dann aber wirklich nicht mehr weiter. Wenn ich schon vergleiche, dann muss ich die Gesamtbelastung würdigen.

  • Zitat

    Original von Semigund
    Immer diese Missverständnisse....


    Der harte und Ton, in dem in diesem Forum abweichende Meinungen kommentiert werden, hat mich als Neuling doch überrascht. Dies habe ich auch bei anderen Themen lesen müssen. Sollte ich selber allzu unsachlich und negativ angekommen sein, so möchte ich dieses relativieren und entschuldigen. Dennoch möchte ich darum bitten, andere Meinungen zu tolerieren oder vielleicht einfach mal Selbstkritik zu üben.


    ich finde es gibt einen unterschied zwischen einer anderen meinung und deiner aussage, die ja impliziert, dass jeder, der an irgendeiner stelle im lehrerdasein mit a) stress oder b) belastungen konfrontiert ist, einfach für den beruf nicht geeignet ist und in jedem anderen noch mehr untergegangen wäre. das ist keine andere meinung, sondern eine mehr als unsache pauschalverurteilung, die jeder basis entbehrt.


    Zitat

    Da sind Kolleginnen und Kollegen mit langjähriger Erfahrung an verschiedenen Schulen selbstverständlich in einer anderen Lage!


    deine lage scheint in der tat sehr verschieden von dem zu sein, was ich vor einigen jahren in einer berufsschule mit 8000 schülern erlebt habe. da waren beispielsweise klassen mit 37 schülern nichts extrem außergewöhnlich und bei mehr als 300 kollegen ist die organisation des alltags etwas anders als an so mancher 6-8 lehrer grundschule. allein deshlab halte ich deine aussagen für eher unpassend.


    Zitat


    Extra-Aufgaben werden bei uns eher denen zugemutet, die nicht "nein" sagen - und das sind häufig die gleichen Personen. So spitzt sich dies Lage weiter zu.


    das kann ich für meine erfahrung nicht bestätigen. es wird eher auf eine gleichmäßige verteilung im rahmen der individuellen interessen und möglichkeiten geachtet.


    Zitat


    Ich finde, die wirklichen Leistungsträger sollten honoriert werden. So ist z.B. die Arbeit einer Klassenleitung immer mit zusätzlichen Aufgaben verbunden. Man sollte nicht einfach das gesamte Kollegium lobhudeln "Sie habe alle viel Arbeit...", sondern auch die Arbeit des einzelnen wertschätzen. Und dazu gehört bestimmt auch die Vergütung.


    da sind die meinungen auch verschieden. eine klassenleitung erachte ich nicht als sonderleistung und in großen schulen (auch vor allem im berufsbildenden bereich) ist davon ohnehin jeder mit mindestens einer betroffen. mir persönlich ist auch das geld egal, ich wär schon froh, wenn nicht dauernd solche seitenangriffe wie von dir weiter oben kommen würden.

  • hier ist also auch meine erste Anmerkung.


    Ich komme aus der freien Wirtschaft (Länderreferentin bei einem Markenartikelhersteller, die letzten 6 Jahre selbstständig mit einer mittelgroßen Sprachschule)
    Ich arbeite seit November am einem Berufskolleg, habe popelige 8 Unterrichtsstunden (E), drei Klassen, zwei parallel, an zwei Tagen. WAS für ein Traum, gell?!
    Ich zerrre seit dem Anfang meine Zunge hinter mir her und murmle nur immer fassungslos: "Wie schaffen die das bloß?!" Ich bin wirklich kein Weichei, aber die Realität des Schulsystems hat mich völlig überrollt. Stellen wir fest: die SuS sind toll, schwierig, pubertär, zappelig, zickig etc, aber ich liebe es, mit Jugendlichen zu arbeiten. Ich liebe die englische Sprache, so dass ich noch eine hohe intrinsische Moti aufbringen kann, den Unterricht vorzubereiten.


    ABER: niemand hat mich eingearbeitet, niemand hat mir gesagt, wie lange so eine Korrektur (Weihnachtsferien 75 St.) dauert, welche verwegenen excel-Rechenoperationen notwendig sind, wieviele Konferenzen, Arbeitskreise, Sprechstunden, etc. es gibt, wie lange ich tatsächlich an der Vorbereitung einer dusseligen Stunde sitze, weil die Lehrbücher einfach soooooo langweilig sind, in wie viele Listen ich mich zusätzlich verewigen muss (Noten, Anmerkungen etc.)


    Nö, zur Schule fahren und dort unterrichten ist das geringste Problem (wobei ich noch jeden Tag klatschnass vom Unterricht nach Hause komme, weil ich einfach permanent 100% präsent sein muss), sondern es ist dieses gefürchtete: "Mal eben" (kopieren, abschreiben, zuhören, eintragen, erläutern etc.)


    Die Kollegen sind froh, dass ich da bin (ich weiss jetzt, warum), meine Vorgängerin hat nach 5 Wochen das Handtuch geschmissen. Die Schulleitung wird mir wohl das berufsbegleitende Ref ab Sommer anbieten, aber zur Zeit versuche ich noch, herauszufinden, wie das alles gehen soll mit 16-18 UE + Seminar?! (Halbe Stelle- volle Pflichten!)


    Ich liebe es, meine Zeit ZUHAUSE arbeitend zu verbringen, weil ich noch zwei relativ junge (9 und 12) Kinder habe und früher oft genug in den Gewissenskonflikt kam: sind sie "krank genug", dass Du zuhause bleiben "darfst". Das entfällt. Aber viel Freizeit bleibt mir nicht.


    Also bin ich gerade noch in der Grübelphase: bleibe ich Aushilfe oder gehe ich mit meinem biblischen Alter von 43 noch einmal ins Ref und tue mir DEN Stress auch noch mal an.
    *seufz*
    An alle vollarbeitenden Kollegen/-innen: Respekt!! (wie meine Klientel sagen würde)
    Liebe Grüße
    anglophil

  • Vielen Dank für deinen sehr lesenswerten Beitrag! Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es dir geht. Es ist doch ganz klar, dass man in allen Berufen oft über das Soll hinaus arbeitet, einfach, weil einem die Arbeit Spaß macht oder weil man einen guten Job machen möchte. In den anderen Berufen jedoch werden Überstunden meist wahrgenommen, dokumentiert und es wird - wenn nötig - ein gewisser Ausgleich geschaffen! Das ist bei LehrerInnen nicht der Fall: ob du Religion oder ein hartes Korrekturfach unterrichtest, die Stundendeputate sind immer gleich. Nirgendwo wird vermerkt oder berücksichtigt, wie viele Stunden du noch zu Hause am Schreibtisch sitzt oder ob du überhaupt dort sitzt und nicht mit deinen Hunden im Wald joggst. Der größte Teil meiner Arbeit ist für die Öffentlichkeit unsichtbar. Da nur über das Stundendeputat abgerechnet wird, scheint sie auch nichts wert zu sein. Aber das ist natürlich Unsinn. Ich bin dafür, dass Lehrerarbeit sichtbar gemacht wird und dass für alle Tätigkeiten auch realistische Pauschalen angesetzt werden, damit die Öffentlichkeit überhaupt einmal sieht, was wir neben den Unterrichtsstunden, die ja auch nicht mit gewöhnlichen Bürostunden verglichen werden können, so alles leisten! Also: ein gut durchdachtes Lehrerarbeitszeitmodell muss her!

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