Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ein anderer Thread hat mich auf dieses Thema gebracht, das mir eigentlich schon länger unter den Nägeln brennt, das ich bisher hier wie in der Schule noch nicht thematisiert habe. Unsere Schulleitung war im letzten Schuljahr sehr bestrebt, dem Chaos in den Klassen ein Ende zu machen. Sprich: in einer bestimmten Pause sollten alle Klassen und Kurse zu Besen, Handfeger und Kehrblech greifen, um eine angemessene Lernumgebung zu schaffen.
Es ist bekannt: die Gelder sind knapp. Die Städte haben nicht mehr das Geld, Putzkräfte einzustellen, die die Klassenräume in kurzen Abständen regelmäßig säubern. Fazit: Lehrerinnen und Lehrer dürfen sich über ein neues Amt freuen, das sie natürlich nur unentgeltlich zu übernehmen haben. Wie heißt es doch so schön? Der Lehrberuf ist ein Halbtagsjob, also kann man doch erwarten, dass ein Lehrer, eine Lehrerin seine oder ihre Klasse sauber hält?
Neuer Job eines Lehrers, einer Lehrerin: Oberkommandierende/r eines Putzgeschwaders!
Eigentlich wollte ich ja die Pause dafür nutzen, endlich einmal einen Schluck Kaffee zu trinken oder wenigstens zwei Bissen von meinem Frühstücksbrot zu nehmen, denn ich gehöre nicht zu den Halbstagszicken mit regelmäßigen Springstunden zum Quatschen u.a., die den Lehrberuf nur ausüben, weil sie zu Hause nichts mit sich anfangen können oder ihrem Ehegespons zeigen müssen, wie gut sie noch drauf sind. (Aber das ist ein anderes Thema! Ich beginne gern einen anderen Thread!).
Also: Ich opfere meine Pause und sehe mich in meinem Klassenraum um: Die Tafel ist in jedem Winkel beschrieben, jede Menge Papier auf dem Boden (wo das auch immer herkommt?), einige Schranktüren hängen windschief aus den Angeln (man kann sich in den Pausen prima an Schranktüren hängen und schaukeln, bis man unter dem Gelächter der Klassenkameraden mit der Tür umfällt!), Poster an der Wand: eingerissen und unflätig bemalt, die Klassentür von außen und innen mit Kreide besudelt: von oben bis unten, selbst in den Sommerferien hat keine Putzfrau hier Hand angelegt (entweder haben sie es übersehen oder sie haben es deswegen nicht gemacht, weil sie für ihre Aufgaben viel zu wenig Zeit zugemessen bekommen; jedenfalls kümmert sich niemand darum: keine Schulleitung, kein Hausmeister), die Fenster weisen seit langem große Verunreinigungen auf: die Kinder haben mir von ihrer letzten Schwammschlacht erzählt: natürlich waren die Schwämme voller Kreide, aber wer für die Verschmutzung verantwortlich ist, weiß keiner! Der Lehrerstuhl - der einzige in der Klasse mit Stoffsitzpolster - ist voller Kreide. Ein Lehrerhintern voller Kreide - was für für ein Spaß! Das Lehrerpult klebt - wovon auch immer! Ich gehe herum und sehe mir die Schülertische an: viele mit Bleistift bemalt, nackte Mädchen mit Geschlechtsteilen und der dicke Penis darf natürlich fehlen. Siebtklässler eben!
Ich mache mir so meine Gedanken. Natürlich kann ich die Klasse wieder mit einigem Schwung auf Vordermann bringen. Ich bin ein erfahrerner Haudegen. Das wär doch gelacht! Die SchülerInnen freuen sich, dass sie 20 Minuten putzen dürfen, ohne Unterricht machen zu müssen, das geht natürlich nur in der Unterrichtszeit, denn nach der letzten Stunde fahren die Busse. SchülerInnen zum Putzen heranzuziehen ist trotzdem nicht ganz leicht, denn von ihnen war es ja keiner oder man hat nicht genau gesehen, wer es war, könnte sein, dass der das gewesen ist, aber beschwören kann man es nicht. Dann höre ich schon die empörte Mama am Telefon: nein ihr Sohn war keinesfalls an der Verschmutzung beteiligt, sie räume nur viermal in der Woche dem Jüngsten die Sachen hinterher und das sei ja nicht ausschlaggebend!
Trotzdem beschleicht mich so ein Gefühl, dass hier wieder Arbeit auf die LehrerInnen ausgekippt wird. Die sind doch für die Erziehung zuständig, die müssen doch dafür sorgen, dass die SuSen die Klassenräume anständig verlassen, dass die Putzkräfte nur einen Minimaldienst leisten müssen!
Meine Pause ist um. Mein Magen knurrt. Ein ängstliches Gefühl beschleicht mich: Ich muss noch den DVD-Player in Gang setzen. Hoffentlich hat den ein Schüler nicht wieder manipuliert und ich fummle endlos herum, um mein Vorhaben dann doch aufzugeben und zu den Büchern zu greifen.
LehrerInnenalltag. LehrerInnenalltag? Das darf doch nicht wahr sein!