Vertretungsstunden

  • Eine Frage, die auf einen hoffentlich in Fragen des Schulrechts versierten Kollegen trifft: Inwieweit sind Vertretungsstunden, die man als Aufsicht bei außerschulischen Aktionen (Aufsicht bei Praktikumstagen) geleistet hat, abzurechnen? Standpunkt der Schulleitung: Dies gehört zum Auftrag - quasi dem "all inclusive"-Paket - dazu! Nun gehört ja einiges bei einem Hauptschullehrer dazu, (Familien-) Therateutisches, Sozialarbeiterisches, Polizeiliches,... selten sogar Fachliches aus dem Bereich der studierten Fächer. Dass aber an zwei Tagen der Woche so ein Dutzend Stunden zusammenkommt, will mir nicht recht einleuchten. Die KollegInnen vor Ort reagieren bislang so, dass sie das ohnehin sparsame Engagement weiter reduzieren und das tun, was man ihnen ohnehin vorwirft: nichts.

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

  • Meine Schulleitung hat es mir einmal so erklärt:


    Es fallen immer wieder Stunden aus (Klassenfahrten, Exkursionen, Nach-Abitur-Zeit, ...), diese zählen dann als "Minusstunden".
    Zusätzliche Vertretungsstunden, Aufsichten usw. kompensieren dann als "Plusstunden" diese "Minusstunden".


    Dass einzige, was dir helfen kann (wenn die Schulleitung es nicht macht): Eine penible "Buchführung" dieser Plus- und Minusstunden, so dass du klar belegen kannst, wenn du zu viel arbeitest. Dann muss die Schulleitung einen Ausgleich schaffen. Die "Buchführung" ist in soweit zu empfehlen, als dass eine Schulleitung taktischerweise immer die Kollegen und Kolleginnen zuerst mit Zusatzaufgaben belasten wird, von denen sie erwartet, dass sie sich das erstens widerspruchslos gefallen lassen und zweitens aufgrund dieser "Überbelastung" nicht gleich am nächsten Tag krank werden.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Hey,


    einfach mal doof gefragt: Wie zählt man die Stunden bei einer mehrtägigen Klassenfahrt?
    Würde mich echt interessieren...

  • Da bin ich ja froh, dass es bei uns an der Schule recht penibel läuft: bei uns werden genau Plus- und Minusstunden vom Vertretungsplanprogramm (?) mitgerechnet und es ist genau festgelegt, für welche Projekte etc. es wie viele Plusstunden geben wird. Allerdings bekommen wir in der Abizeit auch keine Minusstunden, denn die Kollegen, bei denen Unterricht ausfällt, sind auch die armen Schweine, die dann korrigieren oder in den mdl. Prüfungen sitzen müssen. Aber mir ist wohl auch klar,dass das an anderen Schulen anderes gehandhabt wird.
    Die Plusstunden für Klassenfahrten sind lt. Erlass festgelegt, wobei die geradezu lächerlich sind: wir bekommen pro Tag eine (!!) Plusstunde, und auch das nur für 4 Tage - also für eine normale 5-tägige Fahrt gibt es wahnsinnige 4 Stunden gutgeschrieben!


    Zurück zum Stunden zählen: ich habe soviele Plusstunden angehäuft, dass ich nächstes Jahr zwei Stunden weniger unterrichten muss. :D


    Viele Grüße

  • Der Standpunkt, der der Schulleitung gegenüber grundsätzlich eingenommen werden muss, ist der folgende: Exkursionen, Unterrichtsgänge etc. sind dienstliche Veranstaltungen, denn so werden sie bei eventuellen Dienstunfällen und Dienstvergehen gehandhabt. Mehrtägige Klassenfahrten sind selbstredend als 24 Stunden Dienstzeit am Tag vom Beginn der Klassenfahrt bis zu ihrem Ende zu betrachten. Kürze Exkursionen entsprechend von Abfahrt bis Rückkehr. Wenn die Schulleitung solche Veranstaltungen außerhalb des regulären Unterrichts als "Freizeit" betrachtet, die "abzufeiern" ist, dann sollte man diese Aussage unbedingt verschriftlichen lassen, so dass das ganze juristisch geprüft werden kann. Und natürlich alle derartigen Schulveranstaltungen bis zur endgültigen Klärung entfallen lassen.


    Nele

  • Zitat

    Original von tempestas


    Zurück zum Stunden zählen: ich habe soviele Plusstunden angehäuft, dass ich nächstes Jahr zwei Stunden weniger unterrichten muss. :D


    Viele Grüße


    In Hessen sind (oder waren, das ist mir dann aber entgangen) monatlich +4 Stunden für Beamte obligatorisch, erst darüber hinausgehende Überstunden werden im Rahmen der MEhrarbeitsvergütung erstattet.
    Bei Angestellten wird wohl schon ab +1 erstattet.

  • Also: Unser Stundenvertretungserfassungsprogramm ist Anfang 60, hört auf den Namen "Michael" und erfasst alles und nichts mit einem spitzen Bleistift. Antworten, so nett sie gemeint sind, die aber zum Inhalt haben, dass Lehrer mit eigens für sie geschriebener Software irgendetwas außer Chaos anrichten, sind wenig hilfreich, weil sie kaum die Alltagspraxis einer Hauptschule wiedergeben. Absolute Bilanzen, über Wochen und u.U. Monate hinweg fortgeschriebene Plus-/Minus-Listen überfordern dieses System natürlich ebenso, wie der Gedanke, dass Vertretungsstunden planbar sind, zumindest für unsere Einrichtung nicht stimmt. "Können Sie mal eben in die 8B!" ist die Regel. Also: Bei uns wird alles "per Daumen" erfasst.
    Zum anderen stehe ich auf dem Standpunkt, dass jede Stunde (also auch die zu fortgeschrittener Stunde vor einem verwüsteten Jungenklo der Jugendherberge verbrachte) eine "geldwerte" Leistung ist. Dass auch diese Stunden pädagogisch sinnvoll sein müssen, steht für einige Externe vielleicht fest (die eigentliche Bedeutung vieler Dinge wird erst dann klar, wenn man knietief in der Sch... watet). Fraglich ist aber, ob sie nicht an anderer Stelle zu Geld gemacht werden könnten. Schließlich gibt es in unserem Kollegium kaum einen, der nicht nebenbei noch an anderer Stelle dazuverdienen muss. Der Stundensatz von netto etwas über 8 Euro je "Vertretungsstunde" ist immerhin doch schon ein Wort. Freilich würde hierfür kaum eine studentische Hilfskraft an der Start gehen.

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

    2 Mal editiert, zuletzt von stranger ()

  • Zitat

    Original von stranger
    Antworten, so nett sie gemeint sind, die aber zum Inhalt haben, dass Lehrer mit eigens für sie geschriebener Software irgendetwas außer Chaos anrichten, sind wenig hilfreich, weil sie kaum die Alltagspraxis einer Hauptschule wiedergeben. Absolute Bilanzen, über Wochen und u.U. Monate hinweg fortgeschriebene Plus-/Minus-Listen überfordern dieses System natürlich ebenso, wie der Gedanke, dass Vertretungsstunden planbar sind, zumindest für unsere Einrichtung nicht stimmt.


    Die Idee, das Lehrerarbeit genauso "messbar" ist wie die Arbeit in einem beliebigen Industrie- oder Dienstleistungsbetrieb, stammt ja nicht von uns, sondern von "höherer" Ebene. Wenn man diese Tatsache einfach ignoriert und so tut, als ob die Stundenzählerei unsinnig ist, dann führt das erfahrungsgemäß nur dazu, dass die "Minusstunden" fein säuberlich gezählt werden, während die "Plusstunden" stillschweigend ignoriert werden.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Inwieweit sind Vertretungsstunden, die man als Aufsicht bei außerschulischen Aktionen (Aufsicht bei Praktikumstagen) geleistet hat, abzurechnen?


    Überhaupt nicht, sie gehören in der Tat zum Dienst. Grundsätzlich gilt in NRW, dass lediglich mehr erteilte Unterrichtsstunden abgerechnet werden können, aber auch diese erst nach der dritten Mehrarbeitsstunde. Abrechnugszeitraum ist dabei der Monat. Schön wäre es in diesem Fall, wenn der vertretende Lehrer in eben diesem "Praktikumsjahrgang" auch unterrichtet, damit er zumindest durch den Wegfall nicht erteilter Unterrichtsstunden ein wenig profitiert. Ich weiß, ein schwacher Trost.


    Wenn die Zustände an er eigenen Schule so sehr nerven, sollte man in einer der nächsten LK eben Grundsätze für ein gescheites Vertretungskonzept beschließen. Das Argument "Bei uns kann man Vertretungsstunden nicht planen" überzeugt mich nicht. Im Übrigen wird man aber auch nach einem solchen Konzept nicht mehr abrechnen können.


    Zitat

    Zum anderen stehe ich auf dem Standpunkt, dass jede Stunde (also auch die zu fortgeschrittener Stunde vor einem verwüsteten Jungenklo der Jugendherberge verbrachte) eine "geldwerte" Leistung ist.


    Tja, um es irgendwie positiv auszudrücken: Den erwähnten Standpunkt teilt auch unser Dienstherr, allerdings ist er der Meinung, dass die geleistete Arbeit bereits mit dem Gehalt vergütet wurde. Eine zusätzliche Abrechnung scheidet jedenfalls aus. Immerhin verzichtet er aber auch darauf, für diese geringwertige Tätigkeit einen Abschlag vorzunehmen, insofern wird die Toilette von einem relativ gut bezahlten Menschen bewacht.


    Interessant zum Thema Mehrarbeit:
    http://www.tresselt.de/mehrarbeit.htm


    Zitat

    Schließlich gibt es in unserem Kollegium kaum einen, der nicht nebenbei noch an anderer Stelle dazuverdienen muss.


    Ein Lehrergehalt reicht nicht zum Leben aus? Sind das alles junge TV-L-Neueinsteiger?


    Mit freundlichem Gruß
    Anton Reiser

  • Du kommst doch aus NRW, und dort findest du im Schulgesetz bei der VO zu §93(2), Abs. 4 folgenden Passus:



    "Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden einer Lehrerin oder eines Lehrers kann vorübergehend aus schulorganisatorischen Gründen um bis zu sechs Stunden über- oder unterschritten werden. Eine Über-schreitung um mehr als zwei Stunden soll in der Regel nicht ohne Zustimmung der betroffenen Lehrkraft erfolgen, wenn sie über zwei Wochen hinaus andauert. Die zusätzlich oder weniger erteilten Unterrichtsstunden sind innerhalb des Schuljahres auszugleichen, ausnahmsweise im folgenden Schuljahr."


    Das bedeutet aber nicht Minus- und Plusstunden, die kenne ich nur von Jahresarbeitszeit-Modellen z.B. in Hamburg. In den von dir geschilderten Beispielen sind zeitweise Schüler abwesend, dann stehst du für andere Aufgaben zur Verfügung. Das kann z.B. Vertretungsunterricht sein.


    Vielleicht schaust du mal in den GEW-Ratgeber "Arbeitsplatz Schule" http://www.gew-nrw.de/index.php?id=106 rein, da werden unter dem Stichwort "Mehrarbeit" die feinen Unterschiede erklärt.

  • Anton Reiser schreibt:

    Zitat

    Ein Lehrergehalt reicht nicht zum Leben aus? Sind das alles junge TV-L-Neueinsteiger?


    Naja, soviel mehr als ein Neueinsteiger verdient man als 'älterer Hase' im TV-L auch nicht (guck Dir den Gehaltsrechner an).


    Da jede Vergünstigung/Zulage vom Arbeitgeber durch Verdis TV-L Einführung für Kinder gestrichen wurde, wird es bei 2 Kindern schon eng, wenn die Lehrkraft Hauptverdiener ist.


    Spiel mal ein bißchen am Gehaltsrechner rum: E 11: 3 Dienstjahre (Ref wird bei Angestellten nur als 1/2 Jahr angerechnet) mit 2 Kindern: 1696.89 € netto (verheiratet). Endstufe 2119 €. E 13 ist auch nicht so furchbar viel mehr (ca. 200-250 € netto mehr: verheiratet+ 2 Kinder)


    Und viel mehr wird es auch nicht mehr (2. höchste Stufe nach 6 Jahren: 1944 €). Für einen Familienernährer nicht so dolle.


    Und Angestellte müssen noch quasi zwingend für ihre Altersversorgung einiges von ihrem Nettogehalt abzweigen...(die einstmals gute VBL-Zusatzversorgung/Betriebsrente ist ja seit 2001 zum besseren Taschengeld mutiert..., das zudem noch vom Arbeitnehmer mitfinanziert wird)


    Link: Tarifrechner

  • Vielen Dank für die vielen erhellenden Infos. Ich stelle fest: Das Problem haben wir nicht exklusiv in unserer Einrichtung, viele Schulen (Schulleitungen) sind ähnlich kreativ und setzen im Zweifel auf die Bequemlichkeit der KollegInnen. Da rettet auch nicht die GEW, ist doch nicht alles klug, was rechtens sein mag. Mehr als zwei Stunden Vertretung sind auch über Monate hinweg aufgrund der Vielzahl der erkrankten KollegInnen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Im Großteil der sog. "Vertretungsstunden" wird nicht unterrichtet, sondern verwahrt. Da unser Bildungsklientel nachmittags noch weniger beschulbar ist als vormittags, sind am Nachmittag zu leistende "Verwahrstunden" der blanke Horror (nein, man kann die Antriebsarmut auch zu fortgeschrittener Stunde mit auch noch so viel pädagogischem Eifer nicht besiegen!). Und schließlich nochmals "Nein": Das einfache Gehalt reicht tatsächlich nicht aus, entgangene Zeit ist also ein materieller Schaden, weswegen sich der Ärger über die solchermaßen sinnlos verblasene, pädagogisch wie monetär wertlose Zeit nur dem erschließt, der mal einen solchen Dienst geschoben hat.

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

  • Wir als Schule mit dem Versuch des Jahresarbeitzeitmodells rechnen alles, was gerechnet werden kann. Was ist das Fazit? Wir arbeiten als gesamtes Kollegium zu viel, welch Überraschung! Was hat das für Konsequenezen? Einige Kollegen haben riesige Mengen an Überstunden und was machen wir damit? Wir sammeln sie und türmen sie zu hohen Bergen auf, denn weniger arbeiten geht nicht, da die Arbeit gemacht werden muss. Also lautet das Zauberwort: Umverteilung, alle Kollegen sollen etwa gleich viel arbeiten. ABER grundsätzlich arbeiten wir als Kollegium noch immer zu viel...
    Alles frustrierend!

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

  • Tja, so ist das wohl mit den JAZ-Modellen: vorgegaukelt wird mehr Gerechtigkeit, mehr arbeiten dürfern unterm Strich alle. Und bei diesem Modell gibt's schließlich ein paar "Stellschrauben". Wunder dich also nicht, wenn Ihr durch Änderung von Berechnungsschlüsseln :pfui: schließlich bei gleichviel geleisteter Mehrarbeit wieder "auf 0" landet.


    Was mich interessiert: Werden die nachweislich angefallenen Überstunden eines Tages wieder "kassiert" oder erfolgt eine finanzielle Erstattung?

  • stranger schrieb:

    Zitat

    Da rettet auch nicht die GEW,


    ... und auch sonst kein höh´res Wesen. Uns aus dem Elend zu erlösen...Wie ging das noch weiter?


    [ ] ... wird schon der Schulleiter tun. (Da wäre ich aber sehr skeptisch)
    [ ] ... wird schon der neue Morgen tun. (Hört sich auch nicht sehr erfolgversprechend an, immerhin wird es aber hell)
    [ ] ... wird leider nie geschehen. (Nö, das ist mir zu wenig an Hoffnung)
    [ ] ... das werde ich bestimmt nicht tun. (Finde ich sehr unkollegial und klingt ein wenig nach Schulleiter s.o.)
    [ ] ... wird gottseidank die Rente tun (Das muss deutlich früher geschehen)
    [X] ... können wir nur selber tun (Immerhin wäre das einen Versuch wert, deshalb mein Favorit).


    Kennt jemand eine bessere Lösung?


    Mit freundlichem Gruß
    Anton Reiser

  • Vielen Dank Kiray, vielen Dank Anton Reiser, vielen Dank rudolf49,... Ich habe es geahnt und meine Fragen enden hier. Immerhin ein Trost, dass andere an anderer Stelle den gleichen Murks ertragen. So bleibt dem praktizierenden "Helden des Alltags" nichts weiter als die innere Emigration. Warum habe ich nichts Vernünftiges gelernt?

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

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