Bibelverteilung

  • Guten Morgen,


    sagt mal, ist es ok, wenn in einer bayerischen weiterführenden Schule in der Pausenhalle Bibeln verteilt werden?


    Laut Innenaufdruck sind diese kleinen Bibeln - passende Größe für die Schultasche - vom Gideonbund.



    Nani

  • Ich muss noch mal betonen, dass diese Bibeln nicht im Religonsunterricht verteilt worden sind, sondern in der Pausenhalle.
    Also hat auch mein Kind, welches den Ethikunterricht besucht, diese Bibel in die Hand gedrückt bekommen.


    Ich kann nicht glauben, dass diese Form der Missionierung statthaft ist.


    Vielleicht stehen heute schon die mit dem Wachturm dort *ironieoff*



    @ NannyOgg


    interessant ist bei deinem link diese Aussage:



    Zitat

    an katholischen Konfessionsschulen ist die Aktion nicht dienlich und soll unterbleiben


    soll ich das so verstehen: Da sind eh keine "neuen" Schäfchen zu rekrutieren, also dort lieber das Geld sparen und zu den Heidenkindern gehen... *ok etwas überspitzt....*




    nani

  • ...wohl eher, weil "Gideonsbund" unter "evangelisch" läuft - und das sind für Katholiken schlimme Ketzer.... ;)


    Normalerweise darf niemand in der Schule etwas verteilen (ich denke, sie ev. noch nicht mal betreten), wenn das nicht mit der Schulleitung abgesprochen ist. Es dürfen ja noch nicht mal Schüler beliebig Zettel aufhängen.

  • Die Gideons kommen bei uns einmal im Jahr und bringen irgendwas mit. Letztes Jahr gabs auch so kleine grüne Bibeln (für alle - auch für die katholischen :evil:).
    Diese Termine sind bei uns allerdings mit der Schulleitung abgesprochen und werden im Lehrerzimmer am schwarzen Brett angekündigt ("Die Gideons kommen am ...").


    Einfach in der Pause Bibeln verteilen ist nicht. Das wissen die aber eigentlich. Bei uns legen die sogar großen Wert drauf, dass vorher alle Bescheid wissen.

    Vermeintliche Rechtschreibfehler sind ein Vorgriff auf kommende Rechtschreibreformen und deren Widerruf.

  • Zitat

    Original von MrsX


    Einfach in der Pause Bibeln verteilen ist nicht. Das wissen die aber eigentlich. Bei uns legen die sogar großen Wert drauf, dass vorher alle Bescheid wissen.


    Wer ist denn mit "alle" gemeint?


    Die Frage ist nur, damit uch die Eltern gemeint ?


    Was ich damit meine: Es ist mir eigentlich egal, ob der Kunstlehrer und der Chemielehrer es wissen (und dem zustimmen). Die Eltern sollten es wissen.



    Oder kann ich davon ausgehen, dass der Elternbeirat damit einverstanden war?



    nani

  • Zu uns kommen die nur in die 5. und 6. Klassen im Rahmen des Religionsunterrichts. Da dort die Arbeit mit der Bibel im Lehrplan steht, fragen wir die Eltern auch nicht vorher, die sind froh, wenn sie selbst keine kaufen müssen.


    An Schüler Bibeln verteilen zu lassen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, käme mir nicht in den Sinn und finde ich auch befremdlich. An deiner Stelle würde ich schon zum Ausdruck bringen, dass du da Bedenken hast.

  • Hallo,


    wer an der Schule was wo verteilt, entscheidet meines Wissens ausschließlich der Schulleiter, der ja das Hausrecht hat. Unabhängig davon, welche Oragnisation oder Einzelperson - keiner darf an der Schule bei uns Aushänge machen oder werben, ohne dass dies genehmigt wurde. Selbstverständlich ist Schule auch nicht der Ort für Missionierung. Derartige Aktionen sollten auch, wenn man sie überhaupt durchführen lassen möchte, mit dem Elternbeirat abgesprochen werden. Ich erlebe in letzter Zeit aber auch z.T. recht massive Reaktionen atheistisch eingestellter Eltern, wenn nur der geringeste Verdacht besteht, irgendjemand könnte ihr Kind mit christlichem Gedankengut in Kontakt bringen. Das befremdet mich zugegeben genauso, wenn dabei klare Intoleranz von nicht-christlicher Seite zum Ausdruck kommt.
    Ich hätte auch Probleme damit, wenn irgendeine weltanschauliche Gemeinschaft - und egal welche! - den schulischen Raum an den Eltern vorbei als Podium für Mitgliederwerbung nutzt. Zum Satz "Also hat auch mein Kind, welches den Ethikunterricht besucht, diese Bibel in die Hand gedrückt bekommen." möchte ich allerdings sagen, dass bei uns auch im Ethikunterricht die Bibel eingesetzt wird, nämlich dann, wenn es darum geht, verschiedene religiöse, philosophische ... Auffassungen sachlich zu vergleichen und zu eigenständigen Urteilen zu kommen.


    Eugenia

  • Zitat

    möchte ich allerdings sagen, dass bei uns auch im Ethikunterricht die Bibel eingesetzt wird, nämlich dann, wenn es darum geht, verschiedene religiöse, philosophische ... Auffassungen sachlich zu vergleichen und zu eigenständigen Urteilen zu kommen.


    Die Bibel gab es aber nicht im Unterricht und im Zusammenhang mit einer unterrichtlichen Betrachtungsweise.


    Das ist meines Erachtens schon ein großer Unterschied.


    Nani

  • Aus atheistischer Sicht meine ich, dass man die Bibel nicht unnötig mit Bedeutung aufladen sollte, auch seitens kritischer Eltern nicht. Die Bibel ist nichts weiter als eine antike Literatursammlung, die allerdings eine große kulturgeschichtliche Bedeutung hat. Idealerweise sollte es genauso undramatisch sein, die Bibel zu verteilen wie das Gilgamesch-Epos oder Hesiods Theogonie.


    Aber die Säkularisierung hat noch einen weiten Weg zu gehen, und es ist viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Ein unvermeidlicher Zwischenschritt ist allerdings wohl, dass kritische Eltern die Bibel in einer dialektischen Wendung mit genau der magischen Kraft aufladen, die sie ihr eigentlich nehmen wollen...


    Nele

  • Ich habe so eine Aktion auch mal an unserer Schule beobachten können:


    Die Schulleitung (die sehr auf formale Richtigkeit achtet) hatte das ganze genehmigt.


    Die Gideonen bauten sich vor dem Hauptportal auf und verteilten fleißig ihre Bibeln an die Schüler. Die nahmen sie mit in die Klassenräume und prüften die aerodynamischen Eigenschaften. Da Bibeln nicht so gut fliegen, flogen sie noch vor der ersten Stunde in die Mülleimer...
    Mein Kritikpunkt an der Aktion ist somit eher die unnötige Ressourcenverschwendung / Umweltverschmutzung.


    Übrigens hatte es die Schulleitung versäumt, das Kollegium zu informieren. Jeder Kollege, der morgens kam, hat die "Bibelaktivisten" angesprochen etc., jedes mal wieder rechtfertigten diese sich und verwiesen auf die Genehmigung der Schulleitung.


    Trotz meiner ablehnenden Haltung der ganzen Aktion gegenüber denke ich aber nicht, dass Eltern hierüber informiert werden müssen. Sonst würden sie ja auch in sehr vielen anderen Punkten zunächst um Zustimmung gefragt werden müssen - da wäre kein sinnvolles Arbeiten mehr möglich. Jedes Elternteil hat andere "Steckenpferde": Muslimische Eltern, christliche Eltern (jeweils der unterschiedlichsten "Schattierungen"), Darwinisten, Kreationisten, Vegetarier, Menschen mit und ohne ökologischem Bewusstsein, ... Schon allein das Besprechen der Nahrungspyramide im Biologieunterricht wäre das reinste "Minenfeld"...
    Solange etwas im Rahmen der Vorgaben / Gesetze abläuft und andere Meinungen / Gruppierungen (die z.B. ebenfalls nicht vom Sektenbeauftragten beobachtet werden...) auch präsentiert werden (können), liegt es im Ermessen der Schule, so etwas zuzulassen (oder eben auch nicht).

  • Die Eltern waren darüber - soweit ich mich erinnere - nicht informiert.


    Die Aktion letztes Jahr z.B. war aber eigentlich ganz gut. Der Mann von den Gideons ist in jede Klasse gekommen, hat kurz (wirklich kurz - keine 10 Minuten) mit der Klasse geredet, ob sie die Bibel kennen und jeder, der eine wollte, hat danach eine geschenkt bekommen. Manche wollten keine, die bekamen dann keine.

    Vermeintliche Rechtschreibfehler sind ein Vorgriff auf kommende Rechtschreibreformen und deren Widerruf.

    Einmal editiert, zuletzt von MrsX ()

  • Die Gideons verteilen keine "Bibeln". Ich versuche meinen Schülern immer den Unterschied zwischen Bibel und Neuem Testament deutlich zu machen. In der Gideon-Bibel ist das Neue Testament enthalten und einige Psalmen. Das ist nicht mit der "Bibel" gleichzusetzen.


    "Eltern sind froh, wenn sie keine Bibeln kaufen müssen"???


    Wir haben die Bibeln als Klassensatz und verteilen sie im Unterricht, wenn sie benötigt werden. Ich würde mich weigern, mit der GideonBibel im Religionsunterricht zu arbeiten!


    Bei uns werden die GideonBibeln auch nicht von den Schülern gewürdigt, ich versuche sie (die "Bibeln") immer vor der Vermüllung zu retten. Aber was die Schüler damit spätestens nach Schulschluss tun?


    Nele: ... nur ne antike Literatursammlung?
    Das geht mir dann doch zu weit. Der Glaubensaspekt geht damit verloren, lass uns den doch bitte. (Das wäre eine Thread-sprengende, aber interessante Diskussion, die aber in einem Forum schwierig zu führen wäre).


    Grüße, Boeing

    • Offizieller Beitrag

    Bei uns müssen die draußen bleiben. Unsere Schulleitung legt keinen Wert auf Missionare, zumal wir einen der höchsten Ausländer(und damit Muslime-)anteil aller hessichen Oberstufen haben.


    Deshalb lauern die vor dem Schulgelämde Richtung Bahnhof, da müssen die meisten Schüler vorbei. Die sind aber entweder gar nicht interessiert oder durchaus unbequem diskussionswillig: im letzten Herbst habe ich drei vier Schülerinnen, darunter zwei Muslime, mit ihnen über Sinn und Unsiin des Missionsgedankens diskutieren hören - die Gideons waren ganz schön in Bedrängnis und mein Atheistenherz pochte für meine Schüler :D

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zitat

    Original von Boeing
    Nele: ... nur ne antike Literatursammlung?
    Das geht mir dann doch zu weit. Der Glaubensaspekt geht damit verloren, lass uns den doch bitte.


    Äh, ja, aber was soll ich denn sagen? Die Bibel IST eine Sammlung antiker Literatur und, da metaphysische Mächte ein menschliches Konstrukt sind, definiert das und ihre Rezeption ihr Sein. In diesem Sinne ist das "nur" gemeint, das ist nicht abwertend - in der Bibel finden sich großartige Erzählungen und Stoffe (allerdings auch schwächeres Zeug, wie z.B. die dürre Apostelgeschichte.) Warum sollte das deinen Glauben berühren, wenn ich das ausspreche?


    Aber du hast Recht, es ist natürlich spannend zu diskutieren, ob es sinnvoller ist, wenn Menschen die Welt durch die Erzählungen eines Mythos betrachten, oder ob man nicht besser versucht, die Welt zu verstehen, wie sie ist, und sein Handeln anhand eines rational definierten ethischen Systems auszurichten - aber das würde den Thread sprengen.


    Zitat

    Meike:
    Bei uns müssen die draußen bleiben. Unsere Schulleitung legt keinen Wert auf Missionare, zumal wir einen der höchsten Ausländer(und damit Muslime-)anteil aller hessichen Oberstufen haben.


    Es ist eben einfach problematisch - an jeder deutschen Schule wird missioniert, nämlich durch die bloße Existenz des im Grundgesetz vorgeschriebenen Religionsunterrichts. Natürlich werden sich jetzt die Religionslehrer zu Wort melden und dem widersprechen - nein, wir missionieren nicht, wir bieten eine Plattform zur Diskussion lebenpraktischer Probleme und zum persönlichen Nachdenken. Das ist sicherlich auch richtig, aber gleichzeitig übernehmen die (großen) christlichen Glaubensgruppen damit eine Position der Deutungshoheit, was das Weltverständnis in Glaubensfragen angeht. Demgegenüber könnte man natürlich darauf hinweisen, dass der individuelle Religionslehrer seine geistige Freiheit erhält; aber die Steuerung der theologischen und religionskundlichen Ausbildung und der Anspruch der Kirchen, über die Vocatio und die Missio Canonica auf die Auswahl der Religionslehrer jenseits der staatlichen Legitimation Einfluß zu nehmen, zeigt doch sehr deutlich, dass die Kirchen ihrem Interesse nachgehen, zu bestimmen, was im Religionsunterricht gelehrt wird.


    Natürlich ist der Religionsunterricht subtil und es wird nicht à la Heidenmission mit der Bibel auf den Tisch gehauen. Aber das ist ja nicht nötig, da das Christentum seit der Spätantike als Staatsreligion etabliert ist. Aber seit seiner Einführung diente der Religionsunterricht immer dem Ziel, die Gläubigen im Schoße der Glaubensgruppe zu halten und die inneren Strukturen der Kirche zu festigen - das zeigt sich in allen Epochen der Geschichte, wenn staatliche Interessen den kirchlichen Interessen konträr gehen. In dem Kontext muß man auch den Ethikunterricht sehen, den man dem, was ich im vorherigen Absatz zum Anspruch auf Deutungshoheit geschrieben habe, entgegenhalten könnte - aber der Ethikunterricht ist eine Folge der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft und den Kirchen abgetrotzt. Dass ein Anspruch auf Deutungshoheit zurückgedrängt worden ist, heißt ja nicht, dass er nicht bestünde, auch wenn man offen nicht so gerne darüber redet...


    Meike hat natürlich Recht, wenn es um ostentative Missionierung geht - und es ist eine gute Sache, wenn Jugendliche durch ihre Bildung geistig so gefestigt werden, dass sie religiöser Überrumpelung widerstehen können. Und es kann eine brisante symbolische Handlung sein, wenn Bibeln verteilt werden, das kann ich durchaus verstehen. Vielleicht geht es ganz pragmatisch doch eher darum, dass man einen gesellschaftlichen Ausgleich wahrt, um den Frieden zu erhalten. Wir reden hier immerhin über recht gefährliche Ideologien...


    Trotzdem bleibt das, was ich in meinem vorherigen Beitrag geschrieben habe, meine fromme utopische Hoffnung... :)


    Nele

  • Zitat

    Original von neleabels
    Die Bibel ist nichts weiter als eine antike Literatursammlung, die allerdings eine große kulturgeschichtliche Bedeutung hat.


    Das sehe ich ganz genauso. Und im zweiten Satzteil drückt sich genügend Respekt aus.


    In unserem Bundesland ist es so, dass sogar schriftlich fixiert ist, dass die "Erziehung der Kinder" in diesem Sinne stattfinden soll - "in Ehrfurcht vor...") (Ergänzung zu Neles letztem Beitrag). Fand ich schon etwas schwierig....

    • Offizieller Beitrag

    Meinetwegen kann/sollte man den Religionsunterricht zugunsten von Religionskunde abschaffen. Sich mit Religionen zu beschäftigen ist allerdings wichtig, denn schon immer waren sie und immer noch sind sie Triebfedern für so einiges, was geschieht auf der Welt (tendenziell leider eher nix Gutes). Ich hätte sie aber lieber gleichberechtigt nebeneinander stehen und kritisch reflektiert im Unterricht ...

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
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    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

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