Kommunismusverherrlichung

  • Hallo,


    ich erlebe es in einer Klasse der Oberstufe derzeit, dass von mehreren Schülern (wohlgemerkt nicht aus der ehemaligen DDR) das Thema Kommunismus stark idealisiert verbrämt gesehen wird. Bei Diskussionen werden unreflektiert Parolen gedroschen, Schlagwörter verwendet und Versuche zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema abgeblockt. Die Schüler haben im Unterricht kommunistische Diktaturen kennengelernt, Zeitzeugen aus der ehemaligen DDR erlebt - dennoch dieses Verhalten. In Klausuren tauchen sogar stark kommunistisch geprägte Termini in Schülerarbeiten auf, wenn die Aufgaben auch nur im Entferntesten politische Anklänge haben. Ich bin derzeit recht ratlos, da jeder Versuch, die Diskussion zu versachlichen, in überheblich-frechen Bemerkungen der Schüler und letztlich in Provokation endet. Über einen Rat würde ich mich sehr freuen.


    Eugenia

  • Interessant. Da würde mich ja zunächst wirklich mal interessieren, wo die ihre Informationen her haben. Hast du mal nachgefragt?


    Spontan würde ich mal mit dem Gemeinschaftskunde/Politik-Kollegen sprechen, wie er die Lage einschätzt.


    Ansonsten würde ich sehr aufmerksam darauf achten, ob hier grundsätzlich verfassungsfeindliche Inhalte transportiert werden. Dann ist selbstverständlich Handlungsbedarf gegeben. Da würde ich dann aber auch nur gut überlegt vorgehen, sonst erreicht man im Zweifel das Gegenteil und die Rolläden gehen bei den Schülern vollends runter.


    Wenn die Verfassungsfeindlichkeit nicht gegeben ist, dann ist es vielleicht auch einfach angebracht hier mal Meinungen stehen zu lassen - ob sie einem politisch nun passen oder nicht.


    Für die Politiklehrer ist hier der sogenannte Beutelsbacher-Konsens maßgeblich, der in den 70ern (?) nach erbitterten politischen Auseinandersetzungen unter "linken" und "rechten" KollegInnen erarbeitet wurde.


    Unter anderem wird hier festgehalten, dass gesellschaftlich kontrovers diskutierte Themen auch im Unterricht kontrovers zu behandeln sind. Dabei ist dann das "Überwältigungsverbot" für den betroffenen Lehrer von Bedeutung. Solange also die Schülermeinungen nicht gegen unsere Verfassung als gesellschaftlichen Basiskonsens verstoßen, sind diese zu akzeptieren. Die politische Meinungsbildung im Unterricht hat transparent und ergebnisoffen zu geschehen. Der Lehrer regt quasi zur differenzierten Meinungsbildung an, politisch beeinflussen (d.h. die Schüler "überwältigen") sollte er sie nicht. Das alles natürlich immer im Rahmen des Grundgesetzes gedacht.


    Allerdings kann ich von einem Oberstufenschüler aber natürlich erwarten, dass er zu einem differenzierten Perspektivwechsel fähig ist. Seine politische Meinung darf er dabei aber natürlich behalten.


    Da der Kapitalismus aktuell ja wieder sehr in die Kritik geraten ist, halte ich es für nicht verwunderlich, wenn kommunistische Ideen unter Jugendlichen wieder eine Art Revival erleben.

  • Der Kommunismus ist ja nicht dadurch Teufelswerk, weil die Machthaber in der Ex-DDR behauptet haben, sie hätten das verwirklicht :) Was dort herrschte hatte mit Kommunismus nur ein paar Phrasen gemein.


    Dass der Kommunismus für Jugendliche, die ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden haben, als Ideal durchaus Charme hat, muss man ihnen nicht verübeln.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Kommunismus


    Häng das mal tief und unterstell nicht sofort staatsgefährdende Umtriebe....


    Falls du dich auf eine Diskussion mit den Schülern einlassen willst hilft nur eins - informiere dich gründlich über diese philosophische Gedankenwelt. Aber dann bist du beschäftigt. Das ist keine einfache Kost.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • mach doch spannenden Unterricht draus. Nicht das das einfach wird, aber lass doch mal die Schüler ihre Thesen formulieren und vom Rest der Klasse überprüfen. Dogmatiker kommen in solchen Umgebungen nicht weit. Und wenn die Schüler sich erstmal durch Blockade von den restlichen Schülern gespalten haben, dann werden sie ums Überleben argumentieren müssen. Da fängts dann an spannend zu werden und es können andere Stimmen nochmal angehört werden (Zeitzeugen, historische Ereignisse, etc.) Ebenso wie im religiösen Dialog ist es auch im politischen wichtig die eigenen Fundamente gut zu kennen, nur dann seht man sicher drauf. Und einen politischen Dialog zu fördern ist immer gut (auch wenn man nicht immer unbedingt hinter allen Meinungen stehen muss). Du bist in diesem Fall der Moderator.

  • Ich hänge jetzt schon seit 10 Minuten an diesem Wort fest: "Kommunismusverherrlichung". Hm.


    Vielleicht ist das eine Gegenbewegung zur Kapitalismusverherrlichung?


    Jedenfalls muss es keine Ex-DDR-Verherrlichung sein, und dass junge Menschen auf der Suche sind nach einem anderen, einem besseren System, das kann man ihnen nicht verübeln und das ist auch ganz altersgemäß. Da sind sie nicht die ersten und werden nicht die letzten sein. Hoffentlich.


    Cool bleiben 8)

  • Zitat

    Original von achso
    Dogmatiker kommen in solchen Umgebungen nicht weit.


    Das sehe ich völlig anders - zumindest wenn es sich um intelliegente Dogmatiker/Verschwörungstheoretiker etc. handelt. Die finden heute nämlich massenhaft Quellen im Internet, die zumindest auf den ersten (und oft auch auf den zweiten) Blick ihre Argumente zu belegen scheinen. Das wird dann richtig knifflig, zumal wenn es sich um eine Gruppe von Schülern handelt, die sich gegenseitig stärkt, und nicht um den üblichen, meist isolierten "Spinner".

  • Der eigentliche Kommunismus kann auf keinen Fall als etwas ausschließlich negatives dargestellt werden. Darüberhinaus halte ich es für positiv, wenn Schüler/innen sich mit politischen Richtungen oder Ansichten auseinandersetzten. Kommunismus oder Sozialismus kann außerden in veilen Fächern diskutiert werden und gerade in Anbetracht der derzeitigen wirtschaftlichen Sitaution ist es durchaus verständlich, dass Jugenliche sich mit Dingen wie sozialer Gerechtigkeit oder Gleichheit für alle beschäftigen. Hinzu kommt, dass es sich weder bei der DDR, noch bei Maos China oder der Sowjetunion, nur um Staaten gehadelt hat die den Begriff des Kommunismus als Synonym für Diktatur benutz und ihn dadurch pervertiert haben.

  • Nun, junge Leute lieben natürlich extremes Denken und paradisische Vorstellungen einer völlig anderen Gesellschaft. Sie sind für Rechts- und Linksradikalismus anfällig, weil diese Ideologien dieses Bedürfnis beliefern.


    Wie man mit Rechtsradikalismus umgeht, ist klar. Aber auch im Umgang mit glühenden Vertretern des Kommunismus, darf allerdings nicht vergessen werden, dass ausnahmslos in jedem historischen Präzedenzfall von Staaten, die den sozialistischen und kommunistischen Weg gehen wollten, es zu einer menschenverachtenden Diktatur gekommen ist - die ganze Bandbreite entlang vom autoritären Spitzel- und Gängelstaat der DDR, in der es zu relativ wenig Staatsmorden gekommen ist, bis hin zum millionenfachen Massenmord à la Mao Tse Tung, Stalin, Pol Pot. Es gab und gibt keinen sozialistischen Staat, der demokratisch oder ein Rechtsstaat gewesen wäre oder ist, bzw. der Freiheit und Menschenrechte tolerieren würde. Das muss natürlich auch unterrichtet werden.


    Beim Rechtsradikalismus gelingt es sehr leicht die Kausalität zwischen der Ideologie und den realhistorischen Ausformungen zu erkennen. Bei der linksradikalen Ideologie fällt das aus irgendeinem Grund schwerer. Ich weiß nicht woran das liegt, das muss mit der intellektuellen Tradition im Westen zusammenhängen, dass wir schon immer die romantischen Implikationen der linken Freiheitversprechungen lieber wahrgenommen haben und die üblen tatsächlichen Folgen ausgeblendet.


    Wie hat unsere Elterngeneration so schön gesagt? "Die Nebenwidersprüche werden mit dem Hauptwiderspruch aufgelöst..." Und die Träume von der schönen neuen Welt sind doch so schön.


    Nele


    P.S. Interessanterweise zeigt das Beispiel China gerade sehr schön, dass eine kommunistische Staatsideologie offenbar keineswegs immun gegen raubtierkapitalistisches Wirtschaftsunwesen sind. Offenbar ist es problematisch, eine grundlegende Dichotomie zwischen den Staatssystemen anzunehmen. Jenseitige Ideologie hat eben nichts mit der Realität zu tun - egal, um welches Glaubenssystem es sich handelt.

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Zitat

    Original von neleabels


    Beim Rechtsradikalismus gelingt es sehr leicht die Kausalität zwischen der Ideologie und den realhistorischen Ausformungen zu erkennen. Bei der linksradikalen Ideologie fällt das aus irgendeinem Grund schwerer. Ich weiß nicht woran das liegt...


    Ich würde sagen, das liegt an den unterschiedlichen Grundwerten, die beiden Ideologien zu Grunde liegen. Während der Rechtsradikalismus eindeutig auf dem Prinzip der Ungleichheit aufbaut, orientiert sich der Kommunismus eben am Wert der Gleichheit.


    Das Gleichheit (der Begriff ist ja eher positiv aufgeladen) im Sinne einer zwanghaften Nivellierung eben genau so ins Unrecht führen kann wie das Prinzip der Ungleichheit, ist wohl nicht so unmittelbar einsichtig.

  • Ja, ja,ein Gespenst geht um in Europa... ;)
    Vielleicht war ja das Bild der DDR, das im Unterricht entworfen wurde etwas einseitig? Ich erlebe immer wieder, das DDR gleichgesetzt wird mit Verfolgung, Flucht, Erschießung an der Grenze. Da gab es aber auch ein ganz normales Lebenmit den Aufs und Abs in Alltag und Beruf, so wie es das hier und heute auch gibt. Das allerdings wird nahazu vollständig ausgeblended.
    Dann allerdings muß man sich nicht über undifferenzierte Meinungen seiner Schüler wundern.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Mm. Welch ein Argument. Kommt mir irgendwie bekannt vor.


    Zitat

    Vielleicht war ja das Bild der DDR, das im Unterricht entworfen wurde etwas einseitig? Ich erlebe immer wieder, das DDR gleichgesetzt wird mit Verfolgung, Flucht, Erschießung an der Grenze. Da gab es aber auch ein ganz normales Lebenmit den Aufs und Abs in Alltag und Beruf, so wie es das hier und heute auch gibt. Das allerdings wird nahazu vollständig ausgeblended.


    Gibt es das nicht in jeder Diktatur?

  • Zitat

    Original von Schubbidu
    Ich würde sagen, das liegt an den unterschiedlichen Grundwerten, die beiden Ideologien zu Grunde liegen. Während der Rechtsradikalismus eindeutig auf dem Prinzip der Ungleichheit aufbaut, orientiert sich der Kommunismus eben am Wert der Gleichheit.


    Das Gleichheit (der Begriff ist ja eher positiv aufgeladen) im Sinne einer zwanghaften Nivellierung eben genau so ins Unrecht führen kann wie das Prinzip der Ungleichheit, ist wohl nicht so unmittelbar einsichtig.


    Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass bei den Anhängern linksradikaler Ideologien wirklich der Kampf für Gleichheit Priorität hat - es geht doch letztlich im Schrifttum und in den Reden, die man liest und hört, zunächst immer GEGEN die anderen, die Ausbeuter, die Unterdrücker - mit dem direkten und unmittelbaren Ziel, sie wiederum zu unterdrücken. Bucharin und Preobraschenskij haben das 1920 sehr schön in ihrem kleinen Handbuch "Das ABC des Kommunismus, populäre Erläuterung des Programms der Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki) ausgedrückt:


    Zitat

    Die Sowjetmacht [d.h. die Macht der Arbeiter- und Soldatenräte, N.A.] gesteht nicht nur ihren Klassencharakter ein, sie schreckt auch nicht vor der Entziehung des Wahlrechtes und der Ausschließung der Vertreter der Machtorgane jener Klassen zurück, die dem Proletariat und der Bauernschaft feindlich gesinnt sind. [...] Das Wesentliche liegt ja darin, dass der Widerstand der Ausbeuter gebrochen werden muss. Wenn aber diese Ausbeuter niedergedrückt, gezügelt und gezähmt sind und sich in ebensolche Arbeitende wie alle übrigen verwandelt haben, so wird natürlich der Druck nachlassen und die Diktatur des Proletariats allmählich verschwinden.
    (Zürich, Manasse Verlag, Nachdruck der Ausgabe von 1920, S. 307f.)


    Nota bene, "Ausbeuter" liest sich recht genau als "Vertreter aller anderen Meinungen", das ist schließlich dialektisch-materialistisch sichergestellt und am Schicksal der Kulaken in Russland ist exemplifiziert, wie das "niederdrücken" realiter zu verstehen ist!


    Ich kann mir durchaus vorstellen, dass, gerade bei jungen Leuten, die Vorstellung, jetzt endlich mal handfest gegen "das System" vorzugehen und den Spieß umzudrehen, sehr viel attraktiver ist, als die nebulösen Heilsversprechungen am Ende eines langen teleologischen Entwicklungsweges. Außerdem sieht Che Guevara ja auf den Postern auch reichlich cool aus. Verbal kann man dann da natürlich ordentlich mitmischen. Ob das dann in der Wirklichkeit so wird, ist eine andere Sache - Alias hat Recht, das muss man cum grano salis nehmen, ob der Weg zum Schwarzen Block oder doch eher zu einem schwärzlichen Blog geht... ;)


    SteffdA
    Ja, klar, in jeder Dikatatur kann man seine Nischen finden. Die Datschen in der DDR, der Schrebergarten in Hitlerdeutschland. Die einen mögen sich über staatlich subventionierte Lebensmittelpreise gefreut haben, die anderen über die anständigen und sauberen Autobahnen. Das eigentliche, rechtlose Wesen einer Dikatatur enthüllt sich allerdings immer in ihrem Umgang mit Dissidenten - und da darf man weder die erste noch die zweite Diktatur vom Kanthaken lasen.


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Zitat

    Original von neleabels
    Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass bei den Anhängern linksradikaler Ideologien wirklich der Kampf für Gleichheit Priorität hat


    Ich finde eigentlich nicht, dass sich deine und meine Aussagen widersprechen - eher ergänzen sie sich.


    Bei meinen nicht-linksradikalen (!) Schülern nehme ich war, dass sie die Gleichheitsidee, die ja auf eine völlig korumpierte Art und Weise auch in der von dir zitierten Quelle anklingt, oft als etwas grundlegend Positives an der kommunistischen Ideoligie ansehen. Kritisiert werden dann eben die realpolitischen Mittel zum Zweck, aber nicht das Gleichheitspostulat als solches.


    Bei linksgesinnten bzw. linksradikalen Jugendlichen spielen dann die von dir genannten Motive sicherlich eine bedeutende Rolle.


    Zitat

    Original von neleabels
    Ja, klar, in jeder Dikatatur kann man seine Nischen finden. Die Datschen in der DDR, der Schrebergarten in Hitlerdeutschland. Die einen mögen sich über staatlich subventionierte Lebensmittelpreise gefreut haben, die anderen über die anständigen und sauberen Autobahnen. Das eigentliche, rechtlose Wesen einer Dikatatur enthüllt sich allerdings immer in ihrem Umgang mit Dissidenten - und da darf man weder die erste noch die zweite Diktatur vom Kanthaken lasen.
    Nele


    Volle Zustimmung!

  • Hallo,


    zunächst vielen Dank für die zahlreichen Antworten! Einige Anmerkungen zu dem Gesagten:


    "Häng das mal tief und unterstell nicht sofort staatsgefährdende Umtriebe...."


    Ich glaube nicht, dass hier wirklich "staatsgefährdende Umtriebe" dahinter stehen, eher Provokationswünsche und Idealisierung eines (tatsächlich nicht uninteressanten) Modells.


    "Vielleicht war ja das Bild der DDR, das im Unterricht entworfen wurde etwas einseitig? Ich erlebe immer wieder, das DDR gleichgesetzt wird mit Verfolgung, Flucht, Erschießung an der Grenze. Da gab es aber auch ein ganz normales Lebenmit den Aufs und Abs in Alltag und Beruf, so wie es das hier und heute auch gibt. Das allerdings wird nahazu vollständig ausgeblended."


    Der bisherige Geschichtsunterricht war sehr facettenreich, Alltag in der DDR kam genauso vor wie das SED-Regime, Zeitzeugen wurden vom Opfer der Diktatur über den Ex-Stasi-Offizier bis hin zu einer Dame gehört, die von ihrem "ganz normalen Alltagsleben" in der DDR erzählte, daran liegt es meiner Meinung also nicht.


    Was stimmt, ist, dass der frühere POWI-Lehrer der Schüler als deutlich linkslastig angesehen werden kann, vielleicht daher eine gewisse Einseitigkeit.


    Das Hauptproblem ist aber, dass diese Schüler sich auch in Diskussionen Argumenten anderer total verschließen und an stark idealisierenden Ansichten festhalten. Ich habe auch den Eindruck, dass es dabei teilweise nicht mehr um Inhalte, sondern um Provokation mir und anderen Schülern gegenüber geht. Leider sind diese Schüler gewissermaßen Wortführer der gesamten Gruppe, sodass kaum einer wirklich widerspricht.


    "Die Träume von einer schönen neuen Welt" sind sicher auch nicht zu verachten und ich versuche sie auch produktiv für den Unterricht zu nutzen, aber leider verhindern sie derzeit klar ein tieferes Problembewusstsein, da von der Antike bis hin zur Neuzeit bei jedem Thema die Kommunismuskeule hervorgeholt wird. Ich frage mich auch, inwiefern es überhaupt noch produktiv wäre, diesen Äußerungen dauernd wieder Raum in Form von Diskussionen zu geben, oder ob das die Dominanz dieser Schüler nur noch mehr verfestigen würde. Vielleicht hilft letztlich nur die Einsicht, dass monokausale Interpretationen von Zusammenhängen nicht ausreichen - auch notentechnisch nicht?


    Eugenia

  • Nele
    Es geht nicht darum, irgendwen, -etwas vom Kanthaken zu lassen. Es geht um ein differenziertes Bild des Landes zu zeigen, indem ein Teil der Bevölkerung der BRD aufgewachsen ist. Und natürlich müssen auch Flucht, Verfolgung, Erschießung an der Grenze aufgearbeitet werden, da gibt es nix zu beschönigen oder zu relativieren.
    Aber die DDR ausschließlich darauf zu reduzieren isteinseitig und wird diesm Land und dessen Mensche nicht gerecht. Das wäre in etwa so, als würde ich die "alte" BRD ausschließlich an der Berufsverbotspraxis für linke Lehrer in den siebzigern messen. Auch das würde diesem Land nicht gerecht werden.


    Eugenia
    Mhmm... das liest sich doch gut :)
    Dann wäre ich allerdings auch etwas ratlos. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, das ein linkslastiger POWI-Lehrer unreflektiert kommunistische Parolen verbreitet bzw. das Schüler ihm da so leicht folgen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Die Schüler können ja einmal ein paar Referate aus dem "Schwarzbuch des Kommunismus" halten. Dann ist die Frage auch schnell geklärt, was aus dieser Ideologie bis jetzt an Gutem erwachsen ist:
    Opferzahlen:
    China: 65 Millionen
    Sowjetunion: 20 Millionen
    Afrika: 1,7 Millionen
    Afghanistan: 1,5 Millionen
    Nordkorea: 2 Millionen
    Kambodscha: 2 Millionen
    Osteuropa: eine Million
    Vietnam: eine Million
    Lateinamerika: 150.000


    Sicherlich bietet das Werk von Marx und Engels interessante und teils wieder aktuelle Analysen. Fakt ist aber, dass aus der Umsetzung dieser Ideologie noch nichts Gutes entsprungen ist. Und da bleibt die Frage für mich rhetorisch, wie oft man es noch mit einer anderen Umsetzung versuchen sollte.


    Dass es sich Menschen immer unter totalitären Ideologien gemütlich eingerichtet haben, halte ich für eher banal. Das Einzige was man aus dem Leben der "Eingerichteten" ziehen kann, ist die Frage, wie man sich selbst verhalten hätte und dass man deswegen nicht mit Arroganz über solche Lebensentwürfe richten sollte.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Wie hat Churchill so schön gesagt:


    Zitat

    "Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."



    :D

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Eugenia
    Das Hauptproblem ist aber, dass diese Schüler sich auch in Diskussionen Argumenten anderer total verschließen und an stark idealisierenden Ansichten festhalten. Ich habe auch den Eindruck, dass es dabei teilweise nicht mehr um Inhalte, sondern um Provokation mir und anderen Schülern gegenüber geht. Leider sind diese Schüler gewissermaßen Wortführer der gesamten Gruppe, sodass kaum einer wirklich widerspricht.
    Eugenia


    Das kann ich aus eigener Erfahrung unterstreichen.


    Interessant ist dabei, wie intolerant die Schüler doch gegenüber anderen politischen Meinungen sein können, obwohl sie doch gemäß ihrer hier kommunistischen Ideale und Weltgerechtigkeit (böse Zungen würden von Weltgleichmachereri sprechen) eigentlich anderes vermuten lassen würden.


    Ich habe auch den einen oder anderen Schüler in meinem Ge-LK, der deutlich links ist. Die Einsicht, dass die Praxisbeispiele des Kommunismus nicht gerade selbigen überzeugend promoten können und das Killerargument, dass es bislang keinen Staat gab, in dem ein Volk mehrheitlich für den Kommunismus gestimmt hat und der Kommunismus sich stets gewaltsam den Weg gebahnt hat, ziehen jedoch ganz gut.
    Wunschdenken gepaart mit der politischen Ideologie, die dieses Wunschdenken am ehesten verspricht ergibt dann eben mitunter die Verherrlichung des Kommunismus.


    Ich muss gestehen, dass mir das entscheidend liebe ist als eine Verherrlichung der anderen Richtung.


    Gruß
    Bolzbold


  • Nix für ungut, aber das ist für mich so wie die Diskussion, welche Konsistenz der Diarrhoe besser ist.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Vielen Dank Meike, für die eindrückliche Schilderung. "Diktatur ist Diktatur", da würde ich dir und Timm völlig recht geben.


    Ich interpretiere Bolzbolds Aussage aber ein wenig anders und würde somit auch ihm zustimmen wenn er sagt, dass ihm Jugendliche, die kommunistischen Idealen anhängen, lieber sind als faschistoid/rechtsradikal denkende Kids.


    In der Regel können wir doch davon ausgehen, das der durchschnittliche Schüler nicht besonders tief in die ideengeschichtliche Entstehung einer Ideologie eintaucht. Die Zu- oder Abneigung entsteht auf einem ziemlich oberflächlichen Niveau. "Leitplanken" bilden dabei eben zentrale Grundwerte und gesellschaftliche Zielvorstellungen, die mit der Ideologie jeweils verknüpft werden. Die müssen dabei historisch noch nicht mal völlig korrekt sein.


    In der alltäglichen Praxis nehme ich vor diesem Hintergrund die beiden "Lager" eben auch völlig anders war.


    Um es mal ganz plakativ zu veranschaulichen:


    Seit der Wiedervereinigung gab es in Deutschland über 100(!) Tote rechter Gewalt - und diese geht ja überwiegend von jungen Menschen aus.
    http://www.tagesspiegel.de/pol…tremismus;art2647,2681877
    (Ich glaube hier übrigends den offiziellen Zahlen nicht und nenne bewusst den höheren Werte >> siehe verlinkter Artikel)


    Todesopfer durch linksradikale Gewaltakte? Mir sind für die Zeit nach der Wiedervereinigung keine bekannt.


    Insofern sind mir linksradikal denkende Schüler eben auch 1000fach lieber als rechtsradikale.

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