Grundschule ohne Noten - ja oder nein?

    • Offizieller Beitrag

    Du hast recht, da gehen zwei Dinge durcheinander.
    Allerdings hättest du die 3 in Diagnostik verstanden, wenn man sie dir erklärt hätte und da sehe ich die Transparenz der Notengebung in der Pflicht. Das ist eindeutig die Aufgabe des Lehrers und ich versuche der auch, soweit wie möglich gerecht zu werden.

  • Ich denke, dass Noten insgesamt an unser System der Schule gekoppelt sind und daraus nur schwer herauszulösen sind.


    An die Noten/Bewertung (selbst, wenn es keine Ziffern mehr sind, finden sich bald wie im arbeitszeugnis Floskeln, die sich in "Noten" übersetzen lassen, das ist für mich kein Fortschritt) ist z.B. die Rolle des Lehrers geknüpft. In der Gesellschaft müssten Lehrer dann vielmehr als LErnbegleiter und weniger als Benoter gesehen werden. Weitergedacht sind wir dann auch wieder bei einer Kritik des frühen Selektierens und des dreigliedrigen Schulsystems.
    Solange die Klassen auf über 30 Kinder aufgestockt werden und nur Alibi-artig an kleinen Eckchen in Bildung investiert wird, hielte ich es für vorschnell, die Noten abzuschaffen. Es würde m.E. keine Veränderung bringen, außer, dass die Eltern die Leistungen ihrer Kinder schlechter einschätzen könnten. An Modellschulen außerhalb des üblichen Schulsystems funktionieren solche Modelle. Ich würde mir aber einfach ein Gesamtkonzept wünschen und nicht solche einseitigen und wenig durchdachten Maßnahmen.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Mia Aber durch Noten wird das Schülerranking zumeist auf die Spitze getrieben und das habe ich auch noch als sehr unangenehm aus meiner eigenen Schulzeit in Erinnerung. Dadurch wird soviel Frust und Resignation geschaffen und jetzt im Nachhinhein denke ich: Wie bescheuert, dass man ständig verglichen hat und verglichen wurde. Die Lebenswege verlaufen ohnehin so unterschiedlich und ich stand niemals wieder in Konkurrenz zu meinen Mitschülern. Aber was haben wir für Zeit damit verschwendet, uns zu ärgern und über irgendwelche Noten zu diskutieren.


    Ich glaube davon abgesehen aber, dass hier gerade zwei Dinge mächtig durcheinander geschmissen werden und daher reden wir vielleicht stellenweise aneinander vorbei: Auf Noten zu verzichten heißt ja nicht, dass Schülern Rückmeldungen über die eigene Leistung vorenthalten wird. Und andersrum ist eine reine Notenvergabe in den meisten Fällen keine ausreichende Rückmeldung über den Leistungsstand. Eigentlich nur dann, wenn da die volle Punktzahl und eine 1 steht.


    LG
    Mia

    Unterschreibe auch das !

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • kurz: ich bin für grundschule ohne noten, weil ich ziffernoten einfach verdammt unaussagekräftig finde. rückmeldung muss es natürlich trotzdem geben. wenigstens halbe noten im zeugnis wären schon ein fortschritt, denn eine 4 ist eine 4 egal ob mit 3,5 oder 4,5 und dazwischen liegen schon auch einige leistungsunterschiede.


    ich glaube kaum, dass es mal eine schule ohne noten geben wird, aber ich fände es ja schonmal ein fortschritt, wenn man teilbereiche bewerten würde (das ist ja in manchen bundesländern so). sodass z.b. in deutsch lesen, texte schreiben, sprache, rs, ausdrucksfähigkeit, etc. einzeln bewertet werden und dann von mir aus eine gesamtnote entsteht. (so bewerten wir ja eigentlich auch, aber das wird nicht gesehen.) dann wüssten kinder und eltern wenigstens, WO die schwachpunkte oder auch stärken liegen.


    ich bin beim zeugnisschreiben froh, wenn ich wenigstens ein paar sätze schreiben kann, die auch über arbeitsverhalten, verhalten in der klasse, auffassung etc. etwas aussagen. DAS ist m.e VIEL wichtiger als die ziffernnoten.


    wenn ich selbst ein arbeitszeugnis erhalte, interessiert mich vielmehr, was da dabei steht als die note.


    und: als ich selbst in die fünfte klasse kam, gab es damals einen kleinen versuch in dem wir im ersten halbjahr keine noten bekamen. ich fand das super (und es war danach auch kein schock, denn anhand der fehlerzahl oder was auch immer konnte man schon ein wenig einschätzen, wie man so stand) und es erleichterte das eingewöhnen und freundschaften knüpfen unabhängig von leistungsdruck.
    jetzt in meiner vierten klasse finde ich den druck schon ziemlich hoch. die meinung dass man ja auch aufs "weitere leben" vorbereiten muss kann ich verstehen, aber wenn es einfach so wäre dass es in der GS keine noten, sondern andere formen der rückmeldungen gibt dann wäre es so und niemand würde sich da was denken. noten gäbe es dann einfach erst ab der weiterführenden schule. und da könnte ja auch ein umdenken stattfinden und noten langsam eingeführt werden!



    bitte entschuldigt die kommasetzung-meine kommataste klemmt

  • Manchmal müssen wir evtl. aufpassen, die Realitäten der anderen nicht zu sehr aus den Augen zu verlieren. Wünschenswert wären bestimmte Entwicklungen zweifellos - vorausgesetzt, dass andere Beteiligte sich ebenso "vernünftig", "selbstlos" etc. verhalten (das bitte nicht als Vorwurf an irgend jemanden werten, aber nur weil wir glauben/wissen, dass etwas definitiv gut/schlecht ist, muss das noch nicht heißen, dass alle anderen das genau so sehen bzw. die gleichen Motive haben, aus denen heraus wir unser Urteil fällen).


    Konkret: Eine Note - und das ist ja auch der kritisierte Nachteil - sagt (zu) knapp etwas über den Leistungsstand des Kindes. Aus unserer Sicht kann man ein Kind nicht auf eine Note reduzieren und auch nicht das Ergebnis der Arbeit eines Kindes.


    Wir würden also lieber ein langes Wortgutachten schreiben.


    Aber wer liest und versteht diese Wortgutachten? Geben sie den Eltern auch so deutlich und verständlich den ungefähren Könnensstand ihres Kindes wider? Den Kindern auch?


    Gerade Eltern aus "bildungsferneren" Schichten sind - man möge mir die Verallemeinerung und die Übertreibung verzeihen - doch manchmal mit solchen Gutachten überfordert.


    Dazu kommt, dass eine Note recht eindeutig ist (objektiv ist sie nicht - das wären Wortgutachten aber auch nicht).
    Ist die Formulierung "altersgemäß" nun eine positive Aussage, eine neutrale oder eine negative? Ich hoffe, es wird klar, worauf ich hinaus will: Worte werden interpretiert vom Empfänger. Und auch verschiedene Sender meinen mit dem gleichen Satz manchmal ganz verschiedene Dinge.


    Eine Note ist also eine knappe, recht eindeutige, leicht verständliche Rückmeldung. Diese Knappheit ist ein Vorteil - und gleichzeitig ein großer Nachteil.


    Und nochmal: Meine Erfahrung ist, dass Kinder diese Art von Rückmeldung meist auch wollen - nicht nur die guten Noten - und sich selbst, anders als ein Kollege/eine Kollegin hier geschrieben hat, von der Leistungsstärke innerhalb der Klasse sonst nur schwer richtig einschätzen können. Es gibt auch SuS, die durch eine schlechte Note motiviert werden ... und welche, die durch ständige Misserfolge zermürbt aufgeben. Den einen würde die Abschaffung der Noten gut tun ... anderen vielleicht nicht. Ich sehe das nicht so einfach.


    Irgendwann müssen wir wohl mit Noten anfangen ... wenn nicht wenigstens am Ende der Grundschule, wann dann? Nochmal: der Übertritt ist schwer genug, sich dann plötzlich an Noten gewöhnen zu müssen, macht ihn noch schwerer. Und ich glaube nicht, dass es realistisch ist zu fordern, dass auch in der 5. Klasse Gymnasium keine Noten gegeben werden.

  • Zitat

    Wir würden also lieber ein langes Wortgutachten schreiben.


    Aber wer liest und versteht diese Wortgutachten? Geben sie den Eltern auch so deutlich und verständlich den ungefähren Könnensstand ihres Kindes wider? Den Kindern auch?


    Gerade Eltern aus "bildungsferneren" Schichten sind - man möge mir die Verallemeinerung und die Übertreibung verzeihen - doch manchmal mit solchen Gutachten überfordert.


    Ich stimme vollkommen zu.


    Wenn man den Selektionsaspekt betrachtet (egal, wie hässlich das Wort ist), fehlt zu Noten eine wirklich Alternative. Und Selektion wird es immer geben, mit Grundschulnoten oder ohne.


    Ich las neulich ein Interview mit einem Wissenschaftler (das ich leider nicht mehr im Netz finde), der meinte, die strikt an Noten gekoppelten Übergangsbestimmungen der bayrischen Grundschulen würden tatsächlich das große Problem der sozialen Vorselektion im deutschen Bildungssystem VERRINGERN (wenn auch: nicht aufheben). Das bayrische Verfahren erschwere es bildungsbürgerlichen Eltern, ihren Kindern den Weg freizuschwätzen.


    Noten mögen oft sehr demotivierend und für Lehrer ein Klotz am Bein sein. Aber sie haben den Vorteil verhältnismäßig großer Transparenz - und sei es nur dergestalt, dass eine bestimmte Person zu dem Ergebnis kommt, eine Leistung sei gut (oder nicht).

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