Ja, "Durchlässigkeit" des Schulsystems ist wirklich eine Parole, die gern geschwungen, in der Praxis aber eigentlich nur nach unten erkennbar ist - schnell und vielfach.
Klasse 09
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Zitat
Original von smelly
Können in Niedersachsen dann z.B. Kinder mit einer 4 in Deutsch, einer 3 in Mathe und einer 3 in Sachunterricht aufgrund des Elternwilles problemlos nach der 4. Klasse an ein Gymnasium wechseln?Alex
Hi Alex,
die Antwort ist -wie schon Friesin schon schrieb - ja. Manchmal berappeln sich die mit Realschulempfehlung, aber in den meisten Fällen übersteigt alles die Kapaziäten der Kinder. Gerade auch mit dem G8 Kurs in NDS. Meine Kollegen und ich beobachten immer wieder, dass die Realschulempfehlungen und auch die HS im Klassenverband auffallen. Die meisten Kollegen holen sich erst nach einer Weile die Information, wer in einer Klasse welche Empfehlung hat. Die allgemeine Rückmeldung ist, dass sie Kollegen zu 90% schon aus dem Unterrich sagen konnten, wer nicht für das GYM empfohlen wurde.
Ergänzend zu Deiner Frage und dem Stichwort Elternwillen: Wir haben immer wieder Fälle, wo Eltern von Schülern ohne GYM-Empfehlung darauf bestehen, dass ihr Kind trotz eines reinen 5er Zeugnisses den Jahrgang 5 wiederholen, weil das Kind ja auf jeden Fall an der Schule Abi machen soll...... Die armen Kinder..
Liebe Grüße
Raket-O-KatzPS: Desgleichen häufen sich in letzter Zeit Hochbegabungen. *staun*
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Nun gut, und was ist dann das Beste für die Kinder?
Ein strikter Notenschnitt wie bei uns in Bayern, der schon nach der 4. Klasse exakt festlegt wer wohin darf und wer nicht?
Oder der freie Elternwille wie z.B. in Niedersachsen, dem ja wahrscheinlich die Überlegung zugrunde liegt, dass man jedem Kind die gleichen Bildungschancen zukommen lassen und man niemandem etwas verbauen möchte. Was die Kinder dann aus der sich ihnen bietenden Chance machen, bleibt ihnen (und ihren Eltern) selbst überlassen.
Auf den ersten Blick scheint die Auslese in Bayern zutiefst ungerecht.
Ich kann und darf einem Schüler mit einem Schnitt von 3,0 nur eine Hauptschulempfehlung geben. Falls er/sie ans Gymnasium oder die Realschule wechseln möchte, muss er also den Probeunterricht bestehen. Wie hier schon öfters beschrieben wurde, weiß man aber nie, wie sich die Kinder noch entwickeln werden. Vielleicht hätte dieses Kind mit dem 3,0-Schnitt auch problemlos die Realschule durchlaufen.Andererseits gibt es in jeder 4. Klasse auch Kinder, die sich wahnsinnig schwer tun und ungern lernen. Tut man diesen Kindern einen Gefallen, wenn man ihnen den Übertritt an eine weiterführende Schule wie z.B. in Niedersachsen problemlos ermöglicht? Oder ist der Notenschnitt wie in Bayern nicht doch ein sinnvolles Instrumentarium zur Feststellung der Eignung für eine bestimmte Schulform?
Ich verfolge, soweit es mir möglich ist, auch den Bildungsweg meiner ehemaligen Schüler. Auch ich habe mich in meiner Empfehlung schon getäuscht. Einige mussten das Gymnasium verlassen und haben an die Realschule gewechselt. Viele haben den Sprung von der Hauptschule an den M-Zweig oder die Realschule geschafft oder den besagten Probeunterricht bestanden. Durchlässig ist unser Schulsystem schon und zwar nach beiden Richtungen hin, hier möchte ich Malina widersprechen.
Was mir an dem "freien Elternwillen" wie in Niedersachsen nicht gefällt, ist die m. E. damit geförderte mangelnde Anstrengungsbereitschaft. Denn wenn es egal ist welche Noten man in Deutsch, Mathe und Sachunterricht hat, man kann am Ende der vierten Klasse dennoch an die Schule seiner Wahl - wozu sich dann anstrengen? Dass die Kinder mit einer derartigen Arbeitshaltung am Gymnasium scheitern, eventuell "durchgereicht" werden bis zur Hauptschule und diese sogar "abschlusslos" verlassen, wundert mich ehrlich gesagt nicht. Dass dieses "Durchreichen" auch einem bayerischen Schüler passieren kann, weiß ich allerdings auch. Eine gewisse Arbeitshaltung am Ende der vierten Klasse ist aber m. E. für den weiteren Schulerfolg nicht unerheblich.
Dass das derzeitige Übertrittsverfahren in Bayern aber sicherlich nicht das Nonplusultra ist, möchte in an einem anderen Punkt festmachen. Die Unterschiede, was das Anforderungsniveau an die Schüler betrifft, sind an den Grundschulen ja enorm.
Da gibt es Grundschulen, wo die Kinder am Ende der vierten Klasse keinen einzigen Aufsatz geschrieben haben, in Mathematikarbeiten lediglich die Grundrechenarten
überprüft werden (ohne komplexere Sachaufgaben lösen zu müssen) und in HSU-Arbeiten lediglich rein reproduzierendes Wissen abgefragt wird. Dass in solchen Klassen die Übertrittsquote bei 80% oder mehr liegt, ist logisch.
Dann gibt es Grundschulen, meist mit angeschlossener Hauptschule, wo die Probearbeiten wahnsinnig umfangreich und schwer sind. Hier wechselt nur ein geringer Teil der Kinder an ein Gymnasium oder an eine Realschule, denn für die 5. Klasse der Hauptschule müssen ja genügend Kinder da sein.
Beide Formen finde ich extrem unfair und ungerecht.Ein schönes Wochenende,
Alex -
Ich möchte zu Alex noch ergänzen, dass es eben auch die Grundschulen gibt, wo das Niveau eher hoch ist, wie unserer Schule im Speziellen schon öfter durch Schulamt.. "bescheinigt" wurde und die Übertrittsquoten eben doch recht hoch sind, weil die Eltern mit ihren Kindern arbeiten und arbeiten und arbeiten, um den "Königsweg" Gymnasium oder wenigstens RS beschreiten zu können. Aber auch das verfälscht die wirklichen Fähigkeiten eines Kindes.
Bibo hatte das ja schon ausführlich geschildert.
Meine Erfahrung mit 4.Klassen ist die: Am Wahrscheinlichsten sind die Kinder fürs Gymnasium geeignet, die für das Erreichen guter bis sehr guter Noten keinen besonderen Aufwand treiben müssen, aber dennoch willig sind zu lernen und zu arbeiten.
Es gab mal eine Studie, leider kann ich nicht mehr ganz genau sagen, wo und von wem, aber sie belegte, dass die Arbeitshaltung eines Kindes mit den Hauptausschlag gibt für einen Erfolg in Unter- und Mittelstufe des Gymnasiums.Wirkliche Prognosen mit Langzeitgarantie glaube ich nicht, dass wir geben können Ende der 4.Klasse, dafür gibt es viel zu viele Variablen, die wir nicht einschätzen können.
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ja, smelly, viele deiner Überlegungen teile ich auch.
Wer in Nds die Einagngsstufe des Gymnasiums (damals Kl. 7 ) nicht schaffte und keine Empfehlung hatte,sprich, wer eine Real- oder Hauptschulempfehlung hatte, musste die Schulform verlassen. Zumindest an dem Gymnasium an meinem Wohnort war das so. Also ging bei den Eltern die Meinung umher: "Hauptsache, das erste Jahr auf dem Gymn. wird geschafft, der Rest ist egal".
Dass sehr viele Kinder damit heillos überfordert waren, sahen die Eltern nicht.
In den Notendurchschnitt der Grundschule sollte m.E. immer auch das Arbeitsverhalten des Kindes und die Frage, wie es den Notendurchschnitt erreicht hat ( mit Nachhilfe, alleine, mit massiver Elternhilfe) eine Rolle spielen. -
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das bayerische Modell der rücksichtslosen Selektion schon deshalb untauglich, weil diese Art Schulsystem viel zu wenige Menschen mit Studienberechtigung hervorbringt. Schon für Bayern als Bundesland sieht es jetzt schon so aus, dass selbst bei moderatem Wachstum der Bedarf an Akademikern bei weitem nicht gedeckt werden kann, so dass Bayern auf Einwanderer aus den verachteten Ländern "niederer Qualfikation" angewiesen ist.
Da ja nuneinmal das dreigliedrige Schulsystem erwiesernermaßen in erster Linie ein Schulsystem sozialer Selektion ist - wie sähe diese Verschwendung von menschlichem Potenzial aus, wenn sie in der ganzen Bundesrepublik praktiziert würde?
Nele
P.S. Mal abgesehen davon, weigere ich mich zu akzeptieren, dass man die Kompetenzen, die man für ein erfolgreiches Hochschulstudium braucht, tatsächlich nur in einer leidbesetzten und schülerschindenden Dauerknolzerei erwerben kann, vor der ja wohl die Mehrheit der Schüler ("arme Kinder") beschützt werden muss - zumindest scheint das zwischen den Zeilen der Beiträge hier durch...
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Zitat
Original von neleabels
P.S. Mal abgesehen davon, weigere ich mich zu akzeptieren, dass man die Kompetenzen, die man für ein erfolgreiches Hochschulstudium braucht, tatsächlich nur in einer leidbesetzten und schülerschindenden Dauerknolzerei erwerben kann, vor der ja wohl die Mehrheit der Schüler ("arme Kinder") beschützt werden muss - zumindest scheint das zwischen den Zeilen der Beiträge hier durch...
Ob es nicht andere Wege zur Hochschulreife gibt, kann man durchaus kontrovers diskutieren. Ansonsten kann ich deine Argumentation in diesem Fall aber nicht nachvollziehen.
Ich denke, man sollte die Klagen der Universitäten ernst nehmen, die sich zunehmend über mangelde Hochschulreife der StudienanfängerInnen beklagen. Das Schulsystem scheint hier in seiner jetzigen Form nicht effektiv zu arbeiten.
Ich sehe hier aber weniger die Frage nach dem Für und Wider des dreigliedrigen Schulsystems berührt. Hier geht es eher um übergeordnete methodisch-didaktische Zielsetzungen bzw. Trends und wie diese aktuell umgesetzt werden (also z.B. der Schwenk von der Fakten- zur Kompetenzorientierung). Diese Probleme entstehen meiner Meinung nach unabhängig von der Schulform.
Zudem ist der Fachkräftemangel ja nicht nur auf das Versagen des Schulsystems zurückzuführen. Hier zeigt sich eben auch einfach bereits der demographische Wandel.
Schließlich halte ich den undifferenzierten Ruf nach mehr Akademikern grundsätzlich für sehr fragwürdig - auch oder gerade aus volkswirtschaftlicher Sicht. Ich halte da einfach mehr vom Prinzip der Qualität als der Quantität.
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Modell SChweden:
mehr als 80% der Schüler verlässt die Schule mit Hochschulreife --
ist das sinnvoll? -
Zitat
Original von Friesin
Modell SChweden:
mehr als 80% der Schüler verlässt die Schule mit Hochschulreife --
ist das sinnvoll?Sinnvoll oder nicht ist hier nicht die Frage. Natürlich kann ein Schulsystem 80% Abiturienten produzieren, wenn die Gesellschaft es will. Nur der "Wert" eines solchen Abiturs ist dann ein anderer, als wenn 30%-40% eines Jahrgangs Abitur machen. Mit "Wert" meine ich hier Berufszugang und damit Lebenschancen. Von den 80% Abiturienten werden nicht alle Wissenschaftler, Manager, Ärzte oder Lehrer werden können. Wirtschaft und Gesellschaft werden, wie auch immer das Schulsystem aufgebaut ist, Selektionsmechanismen entwickeln. Das können Auswahlverfahren (die viele Unternehmen und Universitäten auch jetzt schon anwenden) sein, nur eben noch ein paar Kategorien rigoroser, oder eben über Beziehungen (soviel zur "sozialen Gerechtigkeit": Abschied von der Meritokratie...aber in einer Zeit, in der jeder Recht auf alles hat, wundert einen das auch nicht mehr). Oder etwas ketzerischer formuliert: Solch ein "Volksabitur" hat praktisch keine Aussagekraft mehr und ist nur noch eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung mehr für einen "guten" Beruf. Dass man sich bei mehr Abiturienten nicht wundern darf, dass z.B. auch die Arbeitslosigkeit unter Personen mit Abitur steigt, merkt man ja auch gerade in Deutschland.
Ein Vorteil hat es natürlich, wenn möglichst viele Abitur machen und evt. auch noch an der Hochschule eine Bachelor hinterher: Die Leute sind erst einmal aus der Arbeitslosenstatistik heraus und von der Straße weg... Da könnte sich zumindest die Politik kräftig auf die Schultern klopfen.
Gruß !
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Nur damit das nicht vergessen wird: Es gibt meiner Ansicht nach in Bayern (woanders weiß ich es nicht) durchaus Alternativwege zum "Abitur" bzw. "Studium".
- Übertritt von Realschule auf Gymnasium ist möglich, evtl. muss man ein Jahr wiederholen, oft auch nicht. Nachdem Französisch nun schon länger auch an der Realschule angeboten wird, ist ein früheres Problem damit vom Tisch. Ich hatte über die letzten Jahre hinweg mehrfach Schüler/innen in der 10. Klasse, die aus der 9. Klasse Realschule kamen. Ein einziges Mal musste ein Mädchen die 10. wiederholen, die anderen schafften es auf Anhieb in die Oberstufe (ein Junge vor zwei Jahren als IN ALLEN FÄCHERN Klassenbester ... da mussten die "gestandenen" Gymnasiasten erstmal schlucken).
- Nach dem Realschulabschluss an die Fachoberschule, 2 Jahre, endet mit Fachhochschulreife - inzwischen gibt es auch die Möglichkeit, danach das "normale" Abitur zu machen.
- Nach der Hauptschule Berufsausbildung, danach ein oder zwei Jahre auf die Berufsoberschule, Fachabitur oder auch uneingeschränktes Abitur möglich (das ist nicht ganz ohne von der Berufsausbildung z.T. sogar aus dem Beruf wieder auf eine Schulbank, manche müssen Sprachen in kurzer Zeit nachlernen, aber ich hab drei Jahre FOS/BOS unterrichtet, es geht).
in manchen Berufszweigen sind Fachhochschulabsolventen gefragter als Uni-Absolventen, weil sowohl an der FOS als auch an der Fachhochschule viel mehr Wert auf die Praxis gelegt wird.
=> Vom System her würde ich sagen, die Alternativen gibt es, auch wenn früh "selektiert" wird (mir wäre wohler, wir würden diesen Begriff lassen, als Geschichtslehrer verbinde ich da noch ganz andere Dinge damit). Das Problem ist nur, dass die Eltern diese ALternativen zunächst nicht sehen und ihr Kind mit Gewalt auf das Gymasium schicken wollen.
Und genau diese Fachhochschulabsolventen werden durch irgendwelce OECD-Studien nämlich nie berücksichtig ... und evtl. auch nicht von Dir, Nele.
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Den schwedischen Schülern und Lehrern hat es aber nicht geschadet - im Gegenteil! Die Schule dort gilt als vorbildlich - und ich kann auch nicht finden, wo es der schwedischen Wirtschaft nachweisbar Abbruch getan hat...
Das ist einfach ein altes deutsches Vorurteil, das wir am Leben halten um nichts neu denken zu müssen...
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Ach Meike! Das hat doch nichts mit der Zahl der Abiturienten zu tun.
Sieh mal hier nach:
http://dx.doi.org/10.1787/664243822887 (Excel-Tabelle).
(Mehr davon unter: http://www.oecd.org/document/2…_43586328_1_1_1_1,00.html)Wer die nicht öffnen kann/möchte:
Schweden gab 2006 für das Schulsystem (ohne Hochschulen) (=Primary, secondary and post-secondary non-tertiary education) 4,1% des Bruttoinlandsproduktes aus, Deutschland nur 3,1%, der OECD-Durchschnitt liegt bei 3,7%. Im Vergleich zu Schweden ist das deutsche Schulsystem daher mit knapp 24 Milliarden Euro pro Jahr unterfinanziert. Die Differenz ergibt sich NICHT aus der Zahl der fehlenden Abiturienten, da in Deutschland die Schüler statt das Abitur zu machen, die Berufsschule durchlaufen (12 Jahre Schulpflicht gilt für alle), und die Berufsschule teurer ist als die allgemeinbildende Schule
Über alle Bereiche des Bildungssystems (also inkl. Universitäten) gab Schweden 2006 6,3% des BIPs aus, Deutschland 4,8%, OECD-Durschschnitt 5,7%. Also auch hier Unterfinanzierung im Vergleich zu Schweden: 36 Milliarden Euro, von denen (s.o.) 24 Milliarden aus dem Schulbereich stammen. Unsere "hohen" Lehrergehälter sind in den Zahlen selbstverständlich mit drinnen.
Und die Merkelschen 10% vom BIP werden wir sicherlich nicht erreichen, da müsste man die Bildungsausgaben um 75% steigern, was vollkommen unrealistisch ist. Aber es wird ja schon an den statistischen Tricks gearbeitet, um das Wahlvolk ruhig zu stimmen:
Neun Milliarden Euro mehr für Bidlung!
Mehr ausgeben ohne mehr zu zahlen lautet die Devise.Gruß !
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Aha,und weil wir so toll unterfinanziert sind, sollen wir auch weniger Abiturienten haben, damit wir auch toll unterversorgt sind, was Akademiker angeht?
Macht Sinn... -
Meike, habe ich doch geschrieben: Die Zahl der Abiturienten hat nichts mit der Finanzierung zu tun. In der Zeit, in der in anderen Ländern das Abitur gemacht wird, gibt es bei uns Berufsschule, Berufsvorbereitungsjahr usw.
Man kann die Frage nach der Qualität des Schulsystems nicht von der Bereitschaft der Gesellschaft, dieses angemessen zu finanzieren, trennen.
Da hilft kein "Wenn erst einmal alle das Abitur haben, dann ist alles gut." Ideologie führt immer zum Scheitern.
Gruß !
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Leider werden die vielen Wege zum Abitur oft übersehen. Es wird ja schon so argumentiert, dass jeder, der via FOS/BOS das Abi macht, ja eigentlich falsch sortiert wurde. Das kann ich nicht nachvollziehen, denn HS/RS und eben später FOS/BOS setzen andere Schwerpunkte und bieten, wenn wir die Wirtschaftsschule mit einbeziehen, sogar den sogenannten Spätstartern massig Chancen. Leider wollen Eltern von Kindern in den Klassen 3 & 4 davon absolut nichts hören. Da ist das Jammern über die vermeintliche "Selektion von Lebenschancen" eben bequemer als die Informationsbeschaffung. Leider wissen zudem viele Grundschullehrerinnen nicht, was überhaupt eine Wirtschaftsschule ist.
Und mal ganz grundsätzlich zu den angeblich zu niedrigen Abiturienten-/Studentenquoten: Wir könnten doch auch ganz einfach z. B. den Studiengang "Fleischereifachverkauf" anbieten, demzufolge die Berufsschulen in Hochschulen umbenennen und hätten ohne nennenswerten Mehraufwand das erreicht, was wir doch alle irgendwie wollen, oder?
Dass da aus der Politik noch niemand drauf gekommen ist ... -
Zitat
Original von rittersport
Leider werden die vielen Wege zum Abitur oft übersehen..... Leider wissen zudem viele Grundschullehrerinnen nicht, was überhaupt eine Wirtschaftsschule ist.Und - um das zu ergänzen - die meisten Menschen in Deutschland (Grundschul-, Real und Gymnasiallehrer eingeschlossen) haben keine Ahnung von den "Zuständen" an den Hauptschulen. In den Focus der Öffentlichkeit geraten Brennpunktschulen. Die kleinen, wohnortnahen Hauptschulen in Baden-Württemberg und Bayern dagegen, die junge Menschen mit kognitiven Schwächen und praktischen Stärken durch vielfältige Förderungsmaßnahmen auf dem Weg in den Beruf begleiten, finden keine Beachtung. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist zu unspektakulär.
Der Vergleich der Schulabschlüsse mit Schweden oder anderen Ländern der Welt hinkt auch sehr. Das Duale Berufsausbildungssystem gibt es nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch der Weg über Berufsfachschulen führt zu "höheren" Bildungsabschlüssen - falls man die haben möchte oder benötigt. Die anderen Möglichkeiten hat Nighthawk ja bereits umfassend dargestellt.
Daher ist die Hauptschule keine Sackgasse für die "Looser". Leider wird jedoch genau dieses Bild in der Öffentlichkeit kolportiert und bereits den Kindern in der 4.Klasse vermittelt. Kinder, die eine Empfehlung für die Hauptschule erhalten fallen oft in Resignation und es bereitet uns an den Hauptschulen unsägliche Mühe die Lernbereitschaft und Lernmotivation, die an der Grundschule vorhanden war, wieder zu wecken.
Kleine Klassen und überschaubare Schulgrößen, sowie die Vernetzung mit den Betrieben vor Ort kommen den Kindern zu Gute. Leider ist in Baden-Württemberg mit der nun beschlossenen Einführung der "Werkrealschule" und den damit in Verbindung stehenden flächenweiten Schließungen und Zusammenlegungen der Hauptschulen der Weg zu problemhaften "Brennpunktschulen" vorgezeichnet.
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Mikael, ich sehe das nicht ideologisch. Ich sage auch nicht, dass Abi dereinzige Weg zum Glück ist. Ich sehe es nur nicht ein, warum in einem offenscihtlich dysfunktionalen System an etwas festgehalten wird, das offensichtlich nicht funktioniert.
Ich weiß, dass in Skandinavien das Abitur nicht mit unserem vergleichbar ist und ich weiß auch, dass das volkswirtschaftlich völlig schnurz ist, weil nicht alle, die dort die Hochschulzugangsberechtigung erhalten, auch an die Uni gehen. Dafür haben sie aber deutlich bessere Chancen auf dem Lehrstellenmarkt als unsere Real- und Hauptschüler, die ja real kaum noch genommen werden, weil inzwischen die Betriebe Abitur für fast alles verlangen. Und eine deutlich höhere Schülerzufriedenheit.
Ich weiß auch, dass das alles ohne eine gute Finanzierung nicht geht und dass deren Finanzierungsweise sinnvoll ist - und dass das unanbhängig von der Vergabe von Abschlüssen ist (die eine inhaltliche Entscheidung sind). Ich habe dergleichen übrigens nirgends behauptet ...
Mir geht es einzig und allein darum, dass wir es wohl mal schaffen müssen, uns von etwas zu lösen, was sich als Erhalt der Klassengesellschaft und als hoch frustrierend für die Schüler, Eltern und vor allem auch Lehrer herausgestellt hat. Damit meine ich NICHT als Alternative eine unterfinanzierte Einheitsschule, sondern etwas gut finanziertes Wirkungsvolles und hoch Diverses (siehe Anfang dieses threads).
Wie viele Prozent Schüler finden denn bei uns den "anderen Weg zum Abitur und Studium"? Das würde mich mal interessieren... und noch mehr: warum bieten wir ihn dann nicht gleich in einer wohlorganisierten Schule für alle an, in der es diese "anderen Wege" unter einem Dach gibt, wenn das doch offensichtlich Konsens ist, dass es auch andere Wege dahin geben muss? -
Zitat
Original von Meike.
Dafür haben sie aber deutlich bessere Chancen auf dem Lehrstellenmarkt als unsere Real- und Hauptschüler, die ja real kaum noch genommen werden, weil inzwischen die Betriebe Abitur für fast alles verlangen.
Oft genug fordern Betriebe zwar das Abi, nehmen dann aber dennoch Realschüler. Außerdem gibt´s noch viele Betriebe, die einen guten Realschüler einem Gymnasiasten vorziehen, weil der (je nach Zweig) Ahnung von kaufmännischen Vorgängen hat. (In Bayern kann man mit dem Abschluss der Wirtschaftsschule sogar um 1 Jahr verkürzen).Aber: Würden wir jetzt möglichst viele Abiturienten haben, hätten wir sehr schnell wieder das Gejammer vieler Betriebe über die vielen ungeeigneten Bewerber und letztlich müsste JEDER Betrieb sehr gründlich auswählen und entsprechende Einstellungstests machen, weil ja schließlich jeder sein Abi hat und keiner so recht weiß, was er nun tatsächlich kann. Alternative: Wer ein Schule A-Abi hat, bekommt den Job, wer auf Schule B war, darf´s gerne sonstwo probieren.
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Zitat
Original von Meike.
Mir geht es einzig und allein darum, dass wir es wohl mal schaffen müssen, uns von etwas zu lösen, was sich als Erhalt der Klassengesellschaft und als hoch frustrierend für die Schüler, Eltern und vor allem auch Lehrer herausgestellt hat.Naja, ganz unideologisch klingen deine Worte hier aber nicht .
Ich sehe durchaus auch die historischen Wurzeln des dreigliedrigen Schulsystems. Das ist meiner Meinung aber nicht zentral. Es geht doch darum, ob es sich unter den gebenen Bedingungen und von seiner Grundstruktur her als tauglich heraus stellt.
Das Beispiel hinkt bestimmt gewaltig. Trotzdem: Die ersten Autobahnen wurden auch zu einem Zweck gebaut, den ich für problematisch halte. Dennoch möchte heute aus guten Gründen keiner darauf verzichten.
Grundsätzlich halte ich es eben für wesentlich effektiver ab einem bestimmten Alter Schüler in einigermaßen leistungshomogenen Gruppen zu unterrichten. Und die Effektivität beziehe ich dabei auf alle Beteiligten, also Lehrer, leistungsfähige und weniger leistungsfähige Schüler.
Was die angebliche Frustration anbelangt: Hier ist die Wahrnehmung einfach verfälscht. Die hier bereits angesprochenen Umfrageergebnisse zur hohen Akzeptanz des dreigliedrigen Schulsystems bei nahezu allen (!) Bevölkerungsgruppen sprechen da eine andere Sprache.
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