1. Klasse oder wie bringe ich 28 Schüler zur Ruhe?

  • Kann mich Sunnys Fragen nur anschließen! WIE bekommen sieben Kinder gleichzeitig eure Aufmerksamkeit? Mit dem zuvor erwähnten an die Hand mit durch die Klasse führen kommt man da ja nun nicht weiter - schließlich hat man nur zwei Hände...

  • 4 der 7 Kinder würden alles tun ... sich aber gewiss nicht in dieser Situation an die Hand nehmen lassen. ;)


    Dann blieben also vielleicht fast genug Hände für alle, die dies wollen. Nur die restlichen Schüler würden weiterwüten und für die rund 15 Kinder, die vielleicht lernen wollen würden, wird dies unmöglich.


    LG
    Sunny

  • "Schön, dass du da bist" zu einem Kind zu sagen, das zu spät kommt, und auch noch zu tolerieren, dass andere dann auch zu spät kommen und ihnen dann am besten auch noch "Schön, dass du da bist" zu sagen, (so habe ich Dich jetzt verstanden, Robinschon)
    finde ich nicht richtig.


    Wenn ein Kind bei mir zu spät kommt, dann schimpfe ich es auch nicht (schließlich sind häufig die Eltern schuld), aber ich bringe ihnen bei, beim Reinkommen "Guten Morgen, Entschuldigung, dass ich zu spät bin." zu sagen. FALLS ein Kind dann sagt: "Das Auto war heute morgen kaputt." DANN sage ich evtl. schon "Schön, dass Du jetzt da bist."


    Wenn ein Kind MEHRMALS zu spät kommt, dann werde ich nicht mehr aufmunternd lächeln, wenn es in die Klasse kommt! Und sicher nicht sagen "Schön, dass Du da bist."
    Unpünktlichkeit ist keine Tugend.

  • Jetzt fass ich einfach mal zusammen.
    Da kommen immer wie Fragen mit "Ja aber was ist wenn...?
    Und Misstrauen und Vorhaltungen.
    Störungen gibt es, wenn Inszenierungen unterbrochen werden.
    Zu spät kommt ein Kind, wenn ein Verfahren einen Anfang und ein Ende hat.
    Sonnenscheinpädagogik könnte man eine Pädagogik nennen, die besonders erfreulich ist und bei der es in den Inszenierungen keine Unterbrechungen gibt. Bei der Kinder tun was man von ihnen will.
    Das wovon ich schreibe ist nicht Pädagogik und nicht Didaktik.
    Es ist Epistemologie (Die Lehre davon wie ein Mensch zu Wissen kommt) und Mathetik (Die Kunst lernen zu lassen).
    Lernen fängt nicht an und hört nicht auf. Es gibt nur unterschiedliche Orte und Gelegenheiten dafür. In einem Schulzimmer und einer Schulumgebung wie ich sie hatte, gab es reichlich Gelegenheiten. Dagegen wehren sich Kinder nicht. Das können alle Kinder. Kürzlich hab ich gesehen, dass die Grundschule für die ich mal zuständig war eine Rollstuhlrampe bekommen hat, endlich. Es sind noch gar keine Rollis da. Sie könnten auch kommen.

  • Und ich fasse zusammen: Du hast auf diese Fragen keine Antworten weil es keine Antworten gibt. Dein Stil zu "lehren" ist kein Lehrstil. Er passt nicht in den deutschen Schulalltag und ich bin sehr froh darüber. Denn ich denke, es würden dann noch mehr Kinder einfach "untergehen". Und zwar die, die nicht laut nach Aufmerksamkeit schreien. Und die, die nicht intrinsisch motiviert sind. Kinder, wie ich sie zu 70% in meinen Klassen sitzen habe.


    Offen gstanden, kann ich nicht glauben, dass du jahrelang erfolgreich und von den Ämter geduldet an deutschen Schulen gelehrt hast und dies immer noch tust. Und wenn, dann sicher nicht durchgängig so wie hier von dir beschrieben.
    Kann man deinen Unterricht hospitieren?


    Sunny

  • Hospitieren?
    Ja das konnte man jederzeit, auch als die Behörden mir es verboten hatten.
    Du hättest ja doch nicht geglaubt, was da zu sehen und zu hören war.
    Ich hab ca. 18 Jahre von meinen 40 Dienstjahren so gearbeitet. Es kamen viele Besucher.
    Einen der Berichte kannst Du ja mal lesen
    http://www.rolf-robischon.de/besuchausbasel.htm
    Meine Antworten auf diese Fragen zu massiven Unterrichtsstörungen können jemanden wie Dich natürlich nicht zufriedenstellen. Du müsstest dazu ja Deinen Umgang mit dem Lernen und deine Einstellung zu Kindern verändern. Wer will das schon.
    Also bleiben die Probleme in so vielen Schulklassen: Nur die restlichen Schüler würden weiterwüten und für die rund 15 Kinder, die vielleicht lernen wollen würden, wird dies unmöglich.
    Bei mir kannst Du nicht mehr hospitieren. Wie wäre es mit der Freien Schule Kapriole, dem Kinderlernhaus in Freiburg-Ebnet, der Freien Schule Dreisamtal, der Reformschule Heidelberg.....?


  • Das, was Du in Deinem Beispiel schilderst, kenne ich aus Zeiten des
    'unterrichten'. Der Lehrer wartet darauf, dass alle Schüler still sitzen.
    Dies schaffen viele, aber es gibt immer Kinder, denen dies aus den
    verschiedensten Gründen nicht gelingt. Der Lehrer weist letztere an,
    zu tun, was er von ihnen erwartet und hat damit keinen Erfolg.
    Unter anderem hat diese 'Normalität' des Misserfolgs mich veranlasst,
    zu überlegen, ob ich möglicherweise etwas anders machen kann.


    Beim meinem gemeinsamen Lernen mit den Kindern kann der Tag,
    die Stunde anders anfangen, als mit der Lehrerforderung "Alle auf
    ihre Plätze!" oder so ähnlich. Am Morgen kann z.B. jeder Kontakt
    mit seinen Mitschülern und seiner Lehrerin aufnehmen, wenn er
    dies möchte. Auch in meinem Fachunterricht gehe ich auf das ein,
    was die Kinder mir und anderen entgegenbringen möchten.
    Dann erst beginnt die Lernzeit. Dies ist für mich normal, weil es
    menschlichen Grundbedürfnissen entspricht, dass Menschen
    aufeinander zugehen, wenn sie einen Raum, ein Tun miteinander
    teilen sollen.


    Mir wird dazu gern vorgehalten, dass dies doch 'wertvolle Unterrichtszeit'
    koste. Deine Beispiel und meine unzähligen Beobachtungen zeigen, dass
    die Erwartung, alle Kinder sollten bei Stundenbeginn still auf ihren
    Plätzen sitzen, auch Zeit kostet Außerdem handelt der Lehrer erfolglos
    und vergeudet seine Kraft. Und andere Kinder leiden darunter.


    Bitten und Aufforderungen sind aus meiner Sicht keine Zuwendung.
    Es handelt sich dabei um mehr oder weniger freundlich formulierte Befehle.
    Jedes Kind – Kinder mit Störungen sind da besonders sensibel – merkt,
    dass man von ihm nur erwartet, dass es funktionieren soll. Mit seinen
    unmittelbaren Probleme, z.B. dass es noch nicht gewaltfrei mit anderen
    umgehen kann, will sich der Lehrer in diesem Augenblick – vielleicht
    überhaupt nicht – befassen. Der Lehrer will nur, dass er sich ruhig hinsetzt.
    Wenn wir Lehrer die Realität ignorieren, brauchen wir uns nicht wundern,
    wenn sie uns als Hindernis erscheint.


    Mir ermöglicht mein Lernkonzept, dass es Raum für normalen menschlichen
    Kontakt gibt. Dies entspricht meinem Ethos und den Rahmenkonzepten
    und Bildungsplänen der Freien und Hansestadt Hamburg. Und ich habe
    Vergleichbares auch in den Rahmenkonzepten anderer Bundesländer
    gelesen.


    Zweifel daran, dass es so geht, lassen sich nicht durch Worte ausräumen.
    Ich kann da nur empfehlen, es handelnd und denkend herauszufinden.
    Jeder Lehrer hat die Möglichkeit, sein eigenes Tun zu erforschen.


    monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • Zitat

    Original von SunnyGS
    Dein Stil zu "lehren" ist kein Lehrstil. Er passt nicht in den deutschen
    Schulalltag und ich bin sehr froh darüber. ... Offen gestanden, kann ich
    nicht glauben, dass du jahrelang erfolgreich und von den Ämter geduldet
    an deutschen Schulen gelehrt hast


    Ich denke auch, dass robischon keinen "Lehrstil" pflegte, als er noch
    in der Schule arbeitete. Aber er hat m.E. einen bestimmten
    Lernstil gepflegt, der zukunftsweisend sein könnte.


    Inzwischen behaupten nicht bloß einige (absonderliche) Lehrer, nicht bloß
    Philosophen und Naturwissenschaftler, dass 'lernen' nicht gelehrt, sondern
    allenfalls angeregt werden kann. Das könnte z.B. heißen, die uralte
    Auffassung, dass Lehrer Wissen vermitteln können, sollten wir
    möglicherweise aufgeben.


    Inzwischen kann man konsequente Niederschläge solcher
    Lern-Behauptungen auch in den Bildungsplänen aller
    deutschen Länder finden.


    So steht bspw. im Leitbild der Schulentwicklung des Landes Sachsens,
    dass neben Wissen und Methodenkompetenz, Schüler "Lernkompetenz
    und Sozialkompetenz" erwerben müssen und dass es dazu nötig ist,
    eine andere LERN- und LEHRKULTUR zu entwickeln. "In einer
    Atmosphäre des Zutrauens und der gegenseitigen Achtung sollen
    selbstständiges Denken, Lernen und Arbeiten entwickelt sowie
    Freude am Lernen erhalten und geweckt werden."


    Ich denke, dass robischon und mein Lernkonzept zu solchen Forderungen
    kompetente Anregungen geben können.


    Wir Lehrer haben das Lernen nicht erfunden. Der Mensch lernt von sich aus.
    Dies kann man beobachten und dieser Umstand ermöglichte u.a. auch
    die menschliche Evolution. Seit einigen Jahren gibt es in Ulm ein
    "Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen" das sich auf
    den unterschiedlichsten schulischen Lernbereichen mit Untersuchungen
    über Lernen beschäftigt. Die Lektüre solcher Untersuchungen könnte
    möglicherweise anregend für das Lernen von Lehrern sein.


    monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • passt nicht in den deutschen Schulalltag
    Danke Monika.
    Sunny meint, mein Lehrstil passt nicht in den Schulalltag.
    Welchen Schulalltag.
    Da draußen außerhalb der Klassenzimmertür hat sich schon allerhand bewegt.
    Da gibt es schon eine Weile die TQSE, ein Papier der Uni Bremen für die Schuleingangsphase in Thüringen.
    http://www.tqse.uni-bremen.de/…ten/bestandsaufnahme.html
    In verschiedenen anderen Bundesländern ist da auch allerhand in Bewegung. In Ulm und hier etwa 1 Kilometer von meinem Haus gibt es Lernumgebung für Kinder ab drei Jahren, Kindergarten und Grundschule ohne Übergang. Da kann es sowas wie einen Lehrstil und Wissenvermittlung mit Erklärung, Anweisung, Auftrag und Kontrolle mit Bewertung nicht mehr geben. Keine Ostereierpädagogik mehr.
    Vor Jahrhunderten hat schon mal jemand gesagt: Wenn die Lehrer aufhören zu lehren, können die Schüler endlich lernen.

  • Zitat

    Original von NiciCresso Wenn ein Kind MEHRMALS zu spät kommt,
    dann werde ich nicht mehr aufmunternd lächeln, wenn es in die Klasse
    kommt! Und sicher nicht sagen "Schön, dass Du da bist." Unpünktlichkeit
    ist keine Tugend.


    Ich kenne aus meinem langen Berufsleben zahllose unterschiedliche
    schulische Reaktionen auf Untugenden zu reagieren.


    Ich möchte, dass mein Verhalten situativ angemessen und für den
    betreffenden Schüler hilfreich sein kann.


    monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • robischon: was passiert denn, wenn sich ein Kind mal nicht an diese drei "Verbote" hält? Und jetzt sag nicht, dass das nicht passiert weil du allen Aufmerksamkeit schenkst ;) Angenommen, es wäre so: was machst du dann?

    Was du nicht kennst, das, meinst du, soll nicht gelten? Du meinst, daß Phantasie nicht wirklich sei? Aus ihr erwachsen künftige Welten: In dem, was wir erschaffen, sind wir frei. (Michael Ende)

  • Ganz einfach: Dran erinnern.
    Im dritten Schuljahr hing nur noch eins der drei Verbote an der Wand.
    Die anderen waren überflüssig.


  • Gern geschehen. Es ist leichter, für andere zu sprechen, als sich selbst
    zu verteidigen.
    Mich freut es, dass aus den unterschiedlichsten Forschungsbereichen
    neue Anregungen kommen, ebenso dass auch in den Rahmenkonzepten
    und Lehrplänen Ansätze zu einem Umdenken zu entdecken sind, wenn
    auch im Kontext eines verstörenden "doubble-binding-effects".
    Naja, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut …


    Ich möchte gern einige Samenkörner ausstreuen, Lehrern Flöhe ins Ohr
    setzen, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Noch immer werden
    in der Lehrerausbildung didaktische und methodische Prinzipien gelehrt,
    die schon zu meiner Zeit (vor 40 Jahren) fragwürdig waren. Diese
    versperren die Sicht auf anderes. Lehrer werden so Opfer ihrer eigenen
    Liebe für Kinder, denke ich oft, weil sie mit einem uneffektiven
    Handwerkszeug ausgerüstet werden. Mir ist es jedenfalls so gegangen.
    Im Unterschied zu Dir habe ich– wie ich Dir mal schrieb – nach den ersten
    Jahren stürmischer Bemühungen "es anders zu machen" wieder klein
    beigegeben und bin dem Konzept "Schullalltag" meiner Kollegen gefolgt.
    Es hat lange gedauert, bis ich merkte, dass ich so nicht weiterkomme.
    Ich habe erst vor wenigen Jahren mit Hilfe eines erfahrenen Lernhelfers auf
    'unterrichten' ganz verzichtet und mich auf das Experiment
    GEMEINSAM LERNEN eingelassen.


    Jetzt bin ich 61 und habe wieder entdeckt, wie schön mein Beruf ist,
    den ich vor 3 Jahren an den Nagel hängen wollte, weil ich mich vor
    28 unlösbare Aufgaben (Anzahl der Schüler meiner damaligen Klasse)
    gestellt sah.


    monika :)


    Zu diesem Thema passt folgender Vortrag von Paul Watzlawick von 1987:
    "Wenn die Lösung das Problem ist."

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

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