Lehrerausflug Dienstverpflichtung???

  • Hallo,
    ich hoffe, diese Zeilen treffen einen im Verwaltungsrecht versierten Kollegen: Kann ich als bekennender Atheist, Lebenskunde-, Ethik und Religionsersatzlehrer gezwungen werden, im Rahmen eines Kollegiumsausfluges zum Besuch eines katholischen Gotteshauses (inkl. Vortrag eines Gottesmannes) gezwungen zu werden? Vor allem, wenn dieser Teil der Veranstaltung augenzwinkernd als der Teil der Veranstaltung deklariert ist, die ansonsten weinselige Tour vor der Elternschaft zu rechtfertigen. Und wenn die ganze Ochsentour zudem von einem Kollegen organisiert ist, der ansonsten mit sanftem inquisitorischem Nachdruck Schüler dazu bewegt, gegen gute Noten zum Katholizismus überzutreten.

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

    • Offizieller Beitrag

    Sagen wir es mal so (als Kommentar): ich hätte als Religionslehrer zumindest kein Problem damit, bei einem Lehrerausflug an einem Vortrag in einer jüdischen Synagoge oder einem buddhistischen Tempel teilzunehmen.


    Prinzipiell würde ich deine Frage aber mit "Du musst nicht dran teilnehmen" beantworten. Ich habe kurz das Dienstrecht (die ADO) für NRW überflogen und kann keinen Hinweis darauf sehen, dass ein Lehrerausflug eine Pflichtveranstaltung ist. Vorausgesetzt, dass der Lehrerausflug nachmittags stattfindet. Wenn er (was meines Wissens nicht mehr möglich sein dürfte) vormittags stattfindet, ist es eine rechtliche Grauzone. Dann könnte der Schulleiter aber wohl eine Teilnahme verlangen. (Aber da bin ich spontan überfragt, da es ja eigentlich nicht möglich sein sollte.)


    Ich würde aber dennoch über meinen Schatten springen und an dem Termin teilnehmen. Immerhin nehme ich mal nicht an, dass der "Gottesmann" einen religiösen Vortrag hält, sondern etwas zur Kirche erzählt. Und das sollte deinen "Glauben" nicht in Gefahr bringen.


    Grüße, (nein, aufgrund deines Avatars besser: Ad Astra)


    kl. gr. Frosch ;)


    P.S. zu deinem letzten Nachsatz. Ich vermute (sorry, wenn ich dir jetzt zu nahe trete), dass deine Ablehnung auch darin besteht, dass der genannte Kollege die Fahrt organisiert hat.
    Wenn du ihm (sorry) wegen seiner ungewöhnlichen Missionierungswege (die ich übrigens nicht nachvollziehen kann, schlimmer noch, wenn es so ist, schäme ich mich als Reli-Lehrer für meinen Kollegen) auf die Füße treten willst, solltest du andere Wege einschlagen. Das Verhalten des Kollegen wäre so nicht hinnehmbar. (Wobei ich mich frage, wie genau das ganze abläuft, dass er mit Noten missioniert. Vielleicht kannst du mir das ja mal per PN erzählen. Danke.)



    Nachtrag: die Bezirksregierung Arnsberg vertritt die Meinung, dass ein Lehrerausflug keine Dienstveranstaltung ist. Damit bist du auch nicht dienstverpflichtet.

  • Zitat

    Original von Friesin
    zu einem Lehrerausflug kann man nicht verpflichtet werden.
    Ansonsten: hat da jemand Angst vor Gnadenvergiftung ? ;) ;)


    Sagen wir mal so, für Vorträge von Schamanen über magische Rituale und moderne Ausformungen antirationalen Aberglaubens kann ich mich aus folkloristischen Gründen schon interessieren. Aber ich würde auch zu murren beginnen, wenn man das ganze dann als Bildungsveranstaltung dienstlich verfplichten machen will ;)


    Nele


    P.S. A propos, eine Hörempfehlung, da ich es gerade zufällig gestern auf der Rückfahrt vom Lateinkurs im Radio gehört habe:


    WDR5 - "Gedanken zum Schabbat", 1. u. 3. Freitag im Monat, 16:50-17:00.


    Im Gegensatz zum "Wort am Sonntag", das intellektuell meist nicht zu unterbieten ist (übliche rhetorische Figur: Konstrukt eines Paradoxons mit anschließendem Feelgood-Staunen über die "Unergründlichkeit Gottes" und damit verbundenem Einstellen des Weiterdenkens) werden in dieser Sendung regelmäßig auf hochinteressante, geistreiche Weise ethische oder exegetische Probleme von hochgebildeten jüdischen Religionsgelehrten auf witzige und intelligente Art und Weise diskutiert, bzw. Aspekte dieser Religion historisch erläutert. Anregend und sehr spannend.

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

    • Offizieller Beitrag

    Die Besichtigung einer Kirche mit Vortrag dazu von wem auch immer (in der Hoffnung, dass es jemand Kompetentes ist, der dort referiert) würde ich weniger folkloristisch als vielmehr kulturell ansehen.


    Wenn ich in Asien bin, schaue ich mir auch Pagoden und Tempel an, gerne auch mit Erklärung :-), ohne dass ich auch nur ansatzweise mit der Religion zu tun haben will.


    Warum immer gleich von Missionierungsversuchen ausgehen?


    P.S. Einen Kollegiumsausflug zur verbindlichen Veranstaltung zu erklären, ist in meinen Augen eh das kontraproduktivste, was ich mir vorstellen kann....:-(

  • Zitat

    Original von Friesin
    Die Besichtigung einer Kirche mit Vortrag dazu von wem auch immer (in der Hoffnung, dass es jemand Kompetentes ist, der dort referiert) würde ich weniger folkloristisch als vielmehr kulturell ansehen.


    Wo ist der Unterschied? Magie ist Magie und Kultstätte ist Kultstätte. ;)


    Zitat

    P.S. Einen Kollegiumsausflug zur verbindlichen Veranstaltung zu erklären, ist in meinen Augen eh das kontraproduktivste, was ich mir vorstellen kann....:-(


    Da kann ich dir nur zustimmen - aber zur verpflichtenden Veranstaltungen werden Kollegiumsausflüge bekannterweise gerade von den Schulleitungen gemacht, in deren Kollegien aufgrund eines miserablen Führungsstils eine völlig vergiftete Stimmung herrscht. :)


    Nele


    [edit: bankrotten Genitiv repariert]

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Hallo,


    findet der Ausflug denn während der Schulzeit statt? Wenn ja und wenn deshalb Unterricht ausfällt ist es sicher Arbeitszeit!

  • Was soll's...


    Es gilt noch immer das schöne Zitat von Albert Schweitzer:


    Zitat

    "Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht."


    :D

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Ein Ziel zu finden, das für (bei uns) 100 Kollegen geeignet ist, ist völlig unmöglich.


    Sinn eines Lehrerausflugs ist, mit Kollegen zu kommunizieren, bei denen man vorher gar nicht wusste, dass es solche sind und Kollegen einmal anders kennenzulernen.


    Daher ist eine Teilnahme am Lehrerausflug für mich selbstverständlich.


    Da unsere Schule de facto eine Ganztagesschule (auch samstags) ist, fällt zwangsläufig Unterricht aus. Dies ist aber auch bei Betriebsausflügen in Firmen nicht unüblich und dient ja im Endeffekt dem Betrieb (der Schule) durch ein besseres Betriebsklima.


    Bei uns ist der Ausflug freiwillig, wer nicht teilnimmt muss unterrichten.
    An meiner früheren Schule war die Teilnahme verpflichtend und das fand ich gar nicht schlecht.

  • Ich find's auch immer schade, wenn manche Kollegen nicht mitgehen.


    Wer nicht mitgeht, muss bei uns auch unterrichten. Finde ich richtig so.


    Irgendwie spiegelt die Teilnahme doch auch die Verbundheit mit dem Kollegium und der Schule wieder.


    Wenn man überlegt, wie viel Zeit man in der Schule verbringt, sollte man doch ein möglichst gutes Arbeitsklima haben.


    Gruß
    Super-Lion

  • Zitat

    Original von stranger
    Hallo,
    ich hoffe, diese Zeilen treffen einen im Verwaltungsrecht versierten Kollegen: Kann ich als bekennender Atheist, Lebenskunde-, Ethik und Religionsersatzlehrer gezwungen werden, im Rahmen eines Kollegiumsausfluges zum Besuch eines katholischen Gotteshauses (inkl. Vortrag eines Gottesmannes) gezwungen zu werden? Vor allem, wenn dieser Teil der Veranstaltung augenzwinkernd als der Teil der Veranstaltung deklariert ist, die ansonsten weinselige Tour vor der Elternschaft zu rechtfertigen. Und wenn die ganze Ochsentour zudem von einem Kollegen organisiert ist, der ansonsten mit sanftem inquisitorischem Nachdruck Schüler dazu bewegt, gegen gute Noten zum Katholizismus überzutreten.


    Rein theoretisch gäbe es ja noch die Alternative, eben nicht in die Kirche mitzugehen. Ein Kollege und ich haben das einmal praktiziert, dass wir uns während eines sehr ausschweifenden Teils einer Führung in ein Café gesetzt haben und erst dann wieder zur Gruppe stießen. Abgesprochen war das natürlich nicht und einen Rüffel wegen dieser Aktion hätten wir schon weggesteckt, es hat aber niemand etwas gesagt.

    Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr. Marie Curie

    • Offizieller Beitrag

    Ich find die Begründung mit der Kirche ehrlich gesagt etwas albern: Kirchen sind Kulturgut und ich selbst besichtige sie auch als Atheistin aus geschichtlichem Interesse gern und oft - ich werd ja nicht zum Beten in die Kie gezwungen und zur Beichte genötigt :D ... im Ausland besichtigt man doch auch Tempel und Kultstätten und andere mystische Orte, ich seh da keinen Unterschied zur Kirche.
    Und ansonsten geht es drum Zeit mit den Kollegen zu verbringen und sich mal außerschulisch kennen zu lernen - und das ist wichtig und gut...
    In diesem speziellen Falle geht es anscheinend eher um den ungeliebten Kollegen - da könnte man doch ein Zeichen setzen und dem katholischen Schamanen ;) ein paar kritische Nachfragen stellen, aus Interesse und als aktiver Rezipient? So möchten wir unsere Schüler doch auch haben... :) :P

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • German schrieb:

    Zitat

    Bei uns ist der Ausflug freiwillig, wer nicht teilnimmt muss unterrichten.


    Das klingt interessant. Wie ist das denn dann genau organisiert? Schüler sind doch eigentlich nicht anwesend. Eine Antwort würde mich sehr interessieren!


    kleiner gruener frosch schrieb:

    Zitat

    Nachtrag: die Bezirksregierung Arnsberg vertritt die Meinung, dass ein Lehrerausflug keine Dienstveranstaltung ist. Damit bist du auch nicht dienstverpflichtet.


    Nun, die Bezirksregierung sieht das so. Dein Link verweist aber auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Arnsberg, das diese Auffassung (glücklicherweise) korrigiert. Das ist auch wichtig, damit die Teilnehmer der als Dienstveranstaltung deklarierten Veranstaltung auch versichert sind. Unabhängig von einer ausdrücklichen Verpflichtung (gezwungen werden kann niemand) ist für das Gericht der Zweck der Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der ADO maßgebend. Im Klartext bedeutet das m.E., dass kein Lehrerkollegium zwanghaft bemüht sein muss, einen Lehrerausflug irgendwie als Fortbildung etikettieren zu müssen. Der Bezirksregierung Arnsberg jedenfalls ist das ohnehin völlig egal, sie betrachtet Lehrerausflüge insgesamt eher als Privatveranstaltung.


    stranger: Wie heißt es bei Böll: "Atheisten langweilen mich, weil sie immer nur von Gott sprechen." Das soll kein Angriff, sondern eher die Ermunterung an einen "bekennenden Atheisten" sein, den Besuch eines Gotteshauses sozusagen als Forschungsobjekt in eigener Sache zu sehen. Einen Tipp (sozusagen zur Überprüfung) ;) kann ich sozusagen blind geben: Im Dunstkreis von Kirchen finden sich in der Regel Einrichtungen des Gaststättengewerbes...


    Wie lief denn eigentlich die Diskussion während der LK in dieser Frage? Bei einer sehr knappen Entscheidung hielte ich das Ausflugsziel nicht für angebracht. Aber unabhängig davon: Wenn du nicht mitfährst, musst du unterrrichten, wenn du mitfährst und die Kirche nicht besuchst, geschieht vermutlich nichts, außer dass du etwas verpasst ;)


    Mit freundlichem Gruß
    Anton Reiser

  • Ganz einfach. Die Klassen sind in diesen Stunden anwesend, schimpfen über die Lehrer, die beim Ausflug nicht mitfahren und freuen sich über ausfallende Stunden der Lehrer, die mitfahren.


    Der Hausmeister fährt nicht mit, die Schule ist also ganz normal geöffnet.

  • ad 1: Die Abstimmung war keine echte solche, diejenigen, die sich gegen den Ausflug entschieden, mussten vor dem Kollegium ihre Entscheidung auf Bitten der Schulleitung kommentieren. Alles klar? Ich denke, wir werden wieder einmal "Die Gedanken sind frei" intonieren.


    ad 2: Natürlich geht es nicht darum, den Glaubenskrieg fortzuführen oder gar einen neuen künstlich anzuzetteln. Angesichts von knapp 100000 Austritten pro Jahr sehe ich das ohnehin sehr gelassen. Ich halte es aber mit Hamlet und verfechte gerne einen Strohhalm, wenn die Ehre auf dem Spiel steht: Wo gute Laune in einem derart desolaten und maroden Kollegium wie dem unsrigen verordnet wird ("Witzigkeit kennt keine Grenzen!") und zudem auch noch pastoral begleitet sein soll, ist Widerstand oberste Pflicht. Keine Frage, dass man mehr für das Kollegium und die Einrichtung erreichen könnte, wenn man darauf verzichtete, die Fußlahmen und Kurzatmigen in Bus und Kirche zu pferchen.

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

    2 Mal editiert, zuletzt von stranger ()

Werbung