Unter Lehrern war das Einzelkämpfertum und das sich-nicht-in-die-Karten-gucken-lassen-wollen viele jahrzehntelang eine Tradition. Ganz früher aus Gründen des Selbstverständnisses als gutsherrenartiger Oberherrscher über die Klassen, in den Siebzigern war es dann in, vor lauter pädagogischem und Weltrettungsengagement das Rad ständig selbst neu zu erfinden - ich bin der beste aller Pädagogen und der ganze Quatsch - und erst in den 80igern und 90igern hat man, auch in der Lehrerausbildung angefangen von efiizienter Teamarbeit, Prozessmanagement und ähnlichem zu reden ... und da ja in den Schulen alles etwas langsamer ankommt, naja, ihr wisst was ich meine.
Als ich vor 11 Jahren an meiner Schule anfing war es tatsächlich noch so: jeder kochte sein eigenenes Süppchen, keiner rückte sein Material raus, Refefendare waren Bittsteller und keine Bereicherung und durften sich gefälligst über kleine, hingeworfene Bröckchen freuen, familiär und korrekturmäßig überbelastete Kollegen trauten sich nicht, das zuzugeben und wenn sie es doch taten, belächelte man sie. Schon damals gab es aber eine nicht gerade kleine Gruppe Kollegen, die das anders haben wollte und die just in meinem ersten Jahr "revolutionierten": i.e. in den Konferenzen laut und vehement Forderungen nach Materialpools, Koordination, Offenheit, kollegialer Hospitation und Transparenz stellten. Kursz vor der Zeit war auch gerade ein neuer Schulleiter angekommen, allseits sehr beliebt und diesen Ideen nicht nur offen gegenüber, sondern auch sehr konsequent in der Umsetzung.
Die Vertreter der alten Schue wurden dann fast alle pensioniert (manche waren auch bei der Revoluzzergruppe dabei) - und heute arbeiten die Hälfte aller Fachschaften komplett koordiniert, die anderen lose - nur Mathe und Physik gar nicht - wenn die SL auch hart drum kämpft (Mathematiker sind irgendwie ein eigener Menschenschlag, scheint's ), es gibt Materialpools und für jede Fachschaft Begrüßungsordner für neue Kollegen für alle Fächer, in denen man das fachinterne Curriculum, interne Bewertungsschlüssel, die wichtigsten Handwerksarbeitsnblätter und Konferenzprotokolle findet. Leselisten, Materialtipss etc werden regelmäßig geupdatet. Kollegen mit vielen Korrekturen oder belastender Familiensituation (sofern bekannt) oder kleinen Kindern werden ganz selbstverständlich geschont. Das waren früher Diskussionen, die echt übel waren (wieso muss der keine ....machen / wieso kann der/die ...??") - heute traut sich dieses Geläster und Geneide kaum ein Kollege das mehr, weil solch unkollegiales Verhalten geächtet wird. Hat einer einen guten Text, ein neues Material oder ein Arbeitsblatt erstellt, schickt er es ganz selbstverständlich an die anderen per mail weiter ..früher tat man das nicht, weil tatsächlich einige Angst hatten, die anderen könne die Qualität der Eigenkreation kommentieren - auch das ist heute nicht mehr drin: - ob die Kollegen es dann nehmen oder nicht, ist deren Sache, erstmal danke für den Tipp/das Material. Für schwerer kranke Kollegen oder Kollegen, die irgend einen Schock erlitten haben, haben wir auch schon ganze Klausursätze mitkorrigiert und da musste keiner dienstverpflichtet werden.
Mit jungen Kolleginnen, die gerade anfingen, habe ich auch schon Klausuren zusammen korrigiert und ihnen Tipps gegeben, weil die jammerten, sie brauchten für jeden Test so lange ... das machen andere Kollegen auch.
Es gibt bei uns vergleichsweise wenige , die überlastet zu sein bekunden, und da liegt es dann eher nicht am Fach sondern an Pflegefällen oder schlimmen Situationen in der Familie oder Dauerkrankheiten, die einen fertig machen.
Was Kollegialität und Professionalität an Arbeitsentlastung (und sei sie nur subjektiv gefühlt, weil man weiß, man wird im Notfall nicht hängen gelassen) ausmacht, weiß ich, weil ich den direkten Vergleich hatte an der Mittelstufe, an die ich mal abgeordnet war: Missgunst, Neid, Geiz, unkollegiales Verhalten, kontraproduktive Konferenzabläufe, Hintenrumgemauschel und ineffizientes Arbeiten in großen Teilen des Kollegiums haben mich (und viele andere) von da verscheucht, obwohl ich die Kleinen echt gerne unterrichte und die mich auch ungern gehen lassen wollten - aber diese 6 Stunden Abordnung haben mir mehr Energie abgesaugt, als die komplette Oberstufe mit Abi und allem zusammen. Inzwischen sind diese vormales fast gleichen Kollegien (Stamm- und Abordnungsschule) fast komplett getrennt - wobei die Kollegen der OS sich weniger abordnen lassen wollen, als der der MS, nachvollziehbarerweise.
Das mal als Beispiel aus der Praxis. Dass man darum - vor allem wenn man keine gescheite SL hat - hart kämpfen muss und dass das auch bei uns ein nicht reibungsfreier Pozess über viele Jahre war, ist klar. Aber es lohnt sich drum zu kämpfen! Auch für die Schüler, deren bewertungen unserer Schule von Jahr zu Jahr positiver werden, v.a. wegen Trasparenz und Koordination. Vor allem aber für die eigenen Arbeitszufriedenheit.
Auf konkrete und faire Hilfen (nicht nur) für Korrekurfachlehrer seitens des KM zu hoffen, ist zwar nicht völlig illusorisch, aber mit Sicherheit nur dann von Erfolg gekrönt, wenn man sich auch gewerkschaftlich oder sonstwie dauerhaft und unablässig einsetzt. Zu hoffen, die Einsicht diffundiere einfach so in Politikerköpfe, ist völlig sinnlos. Sich mit Kollegen zusammen zu tun und heftigst und engagiert für die Verbesserung der Kollegialität und der Kooperation zu kämpfen, kann sehr schnell sehr große Effekte haben.
Dazu rate ich.