literatur unterrichten - internet ist voll mit material

  • ich hab mal eine frage an die sprachkollegen:


    ich bin gerade dabei meinen ersten durchgang fahrenheit zu planen, hab das buch vor einiger zeit gelesen und wollte mir einen überblick über vorhandenes material verschaffen und an die grobplanung gehen. typischerweise würde ich im englischunterricht ja sowohl summaries als auch charakterisierungen schreiben lassen etc. klassische literaturarbeit eben.


    nachdem ich mir aber angesehen habe, wie viel - auch wirklich gutes - material online frei verfügbar ist, frag ich mich allen ernstes, ob das überhaupt noch sinn macht ?( gerade schwachen schülern rate ich eigentlich immer dazu, das internet/ englischsprachige seiten zu konsultieren und sich da vor allem bezüglich vokabular einiges abzuschauen. natürlich merkt man sofort, wenn direkt abgekupfert wurde, andererseits stellt sich mir ernsthaft die sinnfrage dieser aufgabenstellungen.


    vieleicht stehe ich nach 2 stunden recherche und übermengen an material gerade auf dem schlauch, aber wie kann man jemandem noch allen ernstes die sinnhaftigkeit einer tätigkeit (hier. analyse) vermitteln, die tausendfach sehr gut erledigt wurde und frei verfügbar ist?

  • Zitat

    wie kann man jemandem noch allen ernstes die sinnhaftigkeit einer tätigkeit (hier. analyse) vermitteln, die tausendfach sehr gut erledigt wurde und frei verfügbar ist?


    Na ja, Tausende können es - deine Schüler aber noch nicht...


    Die Frage, die du dir stellst, ist doch eigentlich eine Frage, die immer wieder auftaucht, wenn auch in den verschiedensten Variationen:
    Man könnte genauso gut fragen, warum Schüler noch Diktate schreiben oder einen Text abschreiben sollen, der Text liegt doch in gedruckter Fassung (also auch viel sauberer) vor.
    Oder warum man einen Roman lesen sollte, schließlich gibt es eine sehr gute Verfilmung.
    Oder warum man in Mathe stupide dutzende Aufgaben nach dem selben Muster lösen muss (, wenn doch eigentlich gleich die Lösung mit mitgeteilt werden könnte).
    Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.


    Und dann kommt noch hinzu: Welcher deiner Schüler wird je im "richtigen Leben" (also nach der Schule) noch eine Charakterisierung schreiben müssen? Zudem noch auf Englisch? Wieso also jetzt das ganze "Theater"?


    Schüler stellen immer wieder solche "Sinnfragen" - sicher auch zurecht, wenn wieder einmal etwas nach "Beschäftigungstherapie" aussieht (wie eben die 1001. Charakterisierung einer Romanfigur, heißt sie nun Montag oder Freitag, zu verfassen).


    Da hilft dann vielleicht der Verweis auf das "richtige Leben":
    Im Berufsleben muss man häufig auch längere Texte (a.k.a. "Aufsätze") zu einem Thema verfassen - dann natürlich zum Fachgebiet. In der Schule ist man aber eben noch nicht Experte für x oder y. Man übt das Schreiben an einem überschaubarem Gegenstand - in deinem Fall eben anhand eines Romans.
    (Ich habe z.B. mal längere Zeit in einer Immobilienfirma gearbeitet, dort durfte ein Mitarbeiter vierteljährlich einen ca. 20-seitigen Bericht zur Entwicklung des Immobilienmarktes verfassen - da der Chef Amerikaner war, war dieser Bericht natürlich auf Englisch abzufassen... So etwas übt man nicht in der Schule, aber eben das Schreiben an sich.)


    Im richtigen Leben muss man nicht nur "Aufsätze" verfassen, sondern auch "zwischen den Zeilen" lesen oder Personen einschätzen können. Wie soll ich so etwas lernen, wenn ich es nicht mehrfach geübt habe? Nur weil ich mal eine fertige Interpretation lese, kann ich das doch noch nicht selber...

  • Diese traditionellen "typischen" Aufgaben machen wirklich keinen Sinn mehr, aber ich setze halt eigene Analyseschwerpunkte. Zum Beispiel verteile ich gerne Gruppenaufträge, die im Unterricht erledigt und deren Ergebnisse anschließend dem gesamten Kurs mit Notizen an der Tafel und Erläuterungen präsentiert werden müssen.
    Charakterisierungen mache ich gar nicht. Das machen die im Deutschunterricht so gründlich, die brauchen es nicht noch doppelt in Englisch. Summaries machen ich nur im Hinblick auf spezifische Fragestellungen.
    Als Gruppenaufträge hatte ich zuletzt z. B. Montag und sein Berufsverständnis - wie ist es am Anfang, wie kommt es ins Bröckeln. Oder: das Verhältnis Clarisse-Montag und in welchen einzelnen Stadien es sich entwickelt. Oder: Clarisse, Schule und Bildung. Oder: Das Verhältnis Montag-Millie und seine Entwicklung bis zum Scheitern der Ehe. Oder die von Montag geäußerte Vermutung, "Beatty wanted to die". Schüler sollen diskutieren und mögliche Hinweise/Belege im Text finden.
    Man kann auch wunderbar mit "stills" bzw "freeze frames" (die Dinger haben verschiedene Namen) arbeiten.
    Man kann auch Szenen als "dramatized scenes" provisorisch aufführen lassen (verschiedene Szenen, verschiedene Gruppen).
    Den Vergleich mit der Verfilmung mache ich eisern ERST ZUM SCHLUSS.(Diesen auch mit verschiedenen viewing tasks.)


    Es spricht aber auch nichts dagegen Unterrichtsmaterial der Verlage zu verwenden. Das ist auch gut - und davon steht nichts im Internet.


    Gruß,


    putzi

    "I think it would be a great idea." (Mohandas Karamchand Gandhi when asked what he thought of western civilization)

  • danke für eure antworten.
    inzwischen hat sich der wald wieder ein wenig für mcih gelichtet und die frustration sich reduziert. acuh wenn das problem bleibt gewissen standardtextformen zu üben, wenn die schüler zugriff auf massenweise vorlagen haben. ich werd wohl einfach darauf vertrauen müssen, dass sie etwas lernen wollen und sich selbst die mühe des formulierens machen.

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