Einfach zu verstehende Goethegedichte

  • Hallo zusammen,


    ich bin auf der Suche nach relativ einfach zu verstehenden Gedichten bzw. Balladen von Goethe. Außer dem "Zauberlehrling", den ich mit dieser Klasse schon im letzten Schuljahr besprochen habe, sind sämtliche Vorschläge willkommen. Es darf auch eine Ballade sein.


    Ich habe den Eindruck, dass die Gedichte, die ich bisher herausgesucht habe (Willkommen & Abschied, Erlkönig, Prometheus u.s.w.) sprachlich einfach zu schwer für meine SuS sind um sie ihnen zur Analyse in einer Klassenarbeit zuzumuten.

  • Hallo Finchen,


    ich bin zwar keine Deutschlehrerin, aber als Naturwissenschaftlerin kenne ich noch diese Ballade:



    Wirkung in die Ferne



    Die Königin steht im hohen Saal,
    Da brennen der Kerzen so viele;
    Sie spricht zum Pagen: "Du läufst einmal
    Und holst mir den Beutel zum Spiele.
    Er liegt zur Hand
    Auf meines Tisches Rand."
    Der Knabe, der eilt so behende,
    War bald an Schlosses Ende.


    Und neben der Königin schlürft zur Stund
    Sorbet die schönste der Frauen.
    Da brach ihr die Tasse so hart an dem Mund,
    Es war ein Greuel zu schauen.
    Verlegenheit! Scham!
    Um's Prachtkleid ist's getan!
    Sie eilt und fliegt so behende
    Entgegen des Schlosses Ende.


    Der Knabe zurück zu laufen kam
    Entgegen der Schönen in Schmerzen,
    Es wußt es niemand, doch beide zusamm',
    Sie hegten einander im Herzen;
    Und o des Glücks!
    Des günst'gen Geschicks!
    Sie warfen mit Brust sich zu Brüsten
    Und herzten und küßten nach Lüsten.


    Doch endlich beide sich reißen los:
    Sie eilt in ihre Gemächer;
    Der Page drängt sich zur Königin groß
    Durch alle die Degen und Fächer.
    Die Fürstin entdeckt
    Das Westchen befleckt:
    Für sie war nichts unerreichbar,
    Der Kön'gin von Saba vergleichbar.


    Und sie die Hofmeisterin rufen läßt.
    "Wir kamen doch neulich zu Streite,
    Und Ihr behauptetet steif und fest,
    Nicht reiche der Geist in die Weite:
    Die Gegenwart nur
    Die lasse wohl Spur;
    Doch niemand wirk in die Ferne,
    Sogar nicht die himmlischen Sterne.


    Nun seht! Soeben ward mir zur Seit
    Der geistige Süßtrank verschüttet,
    Und gleich darauf hat er dort hinten so weit
    Dem Knaben die Weste zerrüttet. -
    Besorg' dir sie neu!
    Und weil ich mich freu',
    Daß sie mir zum Beweise gegolten,
    Ich zahl sie! sonst wirst du gescholten."



    Ich benutze sie,um Schüler mit guter naturwissenschaftlicher Technik vertraut zu machen (was genau passiert ist, kann man ja als Beobachter des Ergebnisses oft nicht sagen).


    Aber ich finde sie schön kindgerecht.


    Viel Spaß, falls du sie benutzt,


    Lieb grüßt das Zirkuskind

  • Hallo,
    vom Auer-Verlag gibt es ein Heft mit dem Titel "Goethe für Kinder"- aber vielleicht sind die Ideen daraus dann doch etwas zu einfach für eine 9. Klasse?

    • Offizieller Beitrag

    hi,


    lass mich mal Märchenonkel sein...


    hab vor Jahren - war noch im Ref - mal eine relativ schwierige 9. Klasse gehabt. In dieser Klasse machte ich auch meine zweite Zulassungsarbeit über den Einsatz von Computern im Deutschunterricht. Das war ohnehin schwierig genug wegen der schlechten technischen Ausstattung, aber gerade deswegen hatte ich meinen alten Computer dabei.
    Während einer Stillarbeit war Harald, der dazu neigte, seine MitschülerInnen als Schwanzlutscher und Wichser zu bezeichnen, nicht zur Arbeit zu bewegen. Irgendwann setzte ich ihn entnervt vor meinen Computer, lud ein Goethe-Gedicht und meinte, er solle es sich durchlesen und in den Zwischenzeilen seine eigenen Gedanken eintragen...nun ja. Ich war beeindruckt, dass ihm der alte Wichser aus Frankfurt was zu sagen hatte (in kursiv die Gedanken von Harald):


    BEHERZIGUNG


    Ach was soll der Mensch verlangen?


    WÜRDE


    Ist es besser, ruhig zu bleiben?


    Werdet keine JA- SAGER


    Klammernd fest sich anzuhangen?


    Halte dich an deiner Liebe fest


    Ist es besser, sich zu treiben?


    Bildet eure eigene Meinung


    Soll er sich ein Häuschen bauen?


    Ja, wär net schlecht


    Soll er unter Zelten leben?


    Ist auch in Ordnung


    Soll er auf Felsen trauen?


    Traue niemandem denn


    Selbst die festen Felsen beben.


    Doch das alles ist Schwachsinn denn


    Sehe jeder , wie ers treibe,


    sehe jeder , wo er bleibe,


    hauptsache du fliegst nicht auf die Fresse.


    Grüße


    h.


    harald hatte ein bisschen rausgestrichen...so lautet das gedicht vollständig:


    Beherzigung


    Ach, was soll der Mensch verlangen?
    Ist es besser, ruhig bleiben?
    Klammernd fest sich anzuhangen?
    Ist es besser, sich zu treiben?
    Soll er sich ein Häuschen bauen?
    Soll er unter Zelten leben?
    Soll er auf die Felsen trauen?
    Selbst die festen Felsen beben.


    Eines schickt sich nicht für alle!
    Sehe jeder, wie ers treibe,
    Sehe jeder, wo er bleibe,
    Und wer steht, dass er nicht falle!

  • Vielen Dank für eure Beiträge!


    @ Hawkeye:
    Ja, man wundert sich manchmal sehr darüber, welche Gedanken sich die SuS zu gewissen Themen machen bzw. wie sie davon angesprochen werden 8)

  • Spontan fällt mir da ein schönes Liebesgedicht von ihm ein: "Gefunden"


    "Ich ging im Walde so für mich hin
    um nichts zu suchen, das war mein Sinn...."

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

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