Schüler ist Diabetiker

  • Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen!
    Ich habe in meiner ersten Klasse einen Jungen, der Diabetiker ist. Vor Schulbeginn hatte ich einige Gespräche mit der Mutter und eine Fortbildung bei einer Diätassistentin, die den Jungen betreut. Die Mutter spritzt zu Hause Insulin, in der Schule muss ich lediglich 3 Mal den Blutzucker kontrollieren, zusätzlich vor und nach dem Sportunterricht und bei extremer körperlicher Anstrengung und natürlich, wenn es ihm nicht gut geht. Die Werte werden von mir in ein Heft eingetragen, das der Schüler bei sich trägt.
    So schwer kann das ja nicht sein, hab ich mir gedacht und mir die ganzen Unannehmlichkeiten auch zugetraut. Außerdem dachte ich, ich müsste es sowieso machen, ist eben mein Job, auf alle Kinder mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen einzugehen.
    Im Laufe des Schuljahres hat sich ergeben, dass ein Drittel meiner Schüler richtige "Problemschüler" sind. Ich bin jetzt dabei, einzelne Baustellen so zu bearbeiten, dass mir die Arbeitsbelastung nicht über den Kopf wächst. Als einer dieser "Problemschüler" hat sich auch der oben beschriebene Junge erwiesen.
    - Er ist sehr schlecht eingestellt, so dass der Blutzucker häufig viel zu niedrig oder zu hoch ist. Als Folge kann er sich sehr schlecht konzentrieren und nicht mehr mitarbeiten. Wenn es ihm schlecht geht, liegt er auf dem Boden und weint und ich muss mich für längere Zeit um ihn kümmern und bin nicht mehr für die anderen Kinder da, die auch dringend meine Hilfe benötigen.
    - Die Verantwortung, die ich trage, belastet zusätzlich.
    - Er misst nicht selbstständig seinen Blutzucker, ich muss ihn ständig daran erinnern und auch ermahnen, bis er es denn mal tut. Auch darunter leidet die ganze Klasse.
    - Er ist absolut chaotisch und unorganisiert und arbeitet kaum mit. Die Mutter schiebt es auf seine Krankheit und ist mit der Situation eh total überfordert.


    Ich weiß, dass er sehr unter seiner Krankheit leidet, aber die Klasse und ich leiden auch. Ich suche nach einer Lösung, von der wir alle profitieren. Deshalb meine Fragen:
    - Habt ihr Erfahrungen mit Diabetikerkindern? Wie habt ihr das organisiert?
    - Muss ich den Blutzucker messen oder kann ich die Verantwortung abgeben an einen Zivi oder Pflegedienst, der mehrmals am Vormittag zum Messen kommt oder den Jungen den Vormittag über begleitet?
    - Wo beantrage ich solch eine Unterstützung und wer zahlt sie?


    Es wäre toll, wenn ihr von euren Erfahrungen berichtet! Vielen Dank im Voraus!


    Schmökermäuschen

  • Ich bin nicht der Meinung, dass dein Job darin besteht die Gesundheitsführsorge des Jungen zu übernehmen!


    Diabetis ist als Behinderung anerkannt, somit gelten zumindest in der Kita die Kinder als I-Kinder, müßte in der Schule ja dann auch so sein und haben damit Anspruch auf zusätzliche Betreuung.

  • in meiner klasse ist auch eine diabetikerin, die jetzt bald 8 jahre alt wird und erst 2 jahre an diabetis leidet. sie misst ihren wert ca. 30 min, vor der frühstückspause, manchmal vergessen wir beide daran zu denken, dann misst sie erst direkt vorm essen. den wert zeigt sie mir kurz und ich nehme ihn nur zur kenntnis. reagieren muss ich nur, wenn er unter 80 ist. war er aber erst 2 mal, da sie ständig zu hoch eingestellt ist.
    spritzen übernimmt sie völlig allein, den wert gibt sie anhand eines aufklebers auf der butterbrotdose ein (den ermittelt also ihre mutter, wenn sie die butterbrote schmiert). also für mich kaum aufwand. sie trägt ständig eine bauchtasche mit allen nötigen utensilien.
    manchmal muss ich ihre eltern im unterricht anrufen, weil spritze klemmt oder wert nicht aufgeschrieben wurde oder sie das essen nicht mag. das nervt dann schon mal bzw. dazu brauche ich kur ruhe,m auch wnen mich andere sch. gerade brauchen.
    dann misst sie nochmal vorm sport und falls es ihr nicht gut geht oder sie durch fö mal länger schule hat. im schulkühlschrank liegt zudem die notfallspritze, die aber sowohl bei mir als auch zuhause noch nie eingesetzt werden musste. zudem hat dieses kind noch zölliakie und darf keine weismelhprodukte etc. essen. feiern wir geburtstag und jemand bringt etwas süßes mit, bekommt sie einen kinderriegel und erhöht ihren insulinwert dementsprechend. also auch recht einfach.
    daher kann ich nicht über extxrem mehr arbeit durch diese schülern sprechen. die verantwortung an sich ist aber auf jeden fall höher, besonders bei ausflügen etc.


    zudem habe ich noch 2 bluter in der klasse, die auch notfallmedikamente haben und bei denen ich in bestimmten fällen auch vorgegeben reagieren/handeln muss.
    ich dachte anfangs auch "oh je", alle "besonderen"/kranken kids sind in meiner klasse, aber ich habe mich schnmell daran gewöhnt, bei diesen kids eben besonders hinzuschauen, wenn sie sich nicht wohl fühlen, hinfallen, etwas essen etc.


    die anderen schüler sind insgesamt recht sensibel, was unsere "besonderen" schüler angeht und wissen, dass ich in bestimmten momentan nur zeit für diese habe oder sie zb bei ausflügen in meine gruppe einteilen muss.


    ich wieß jedoch nicht, was wäre, wnen ich einen extrem auffälligen/störenden schüler hätte...
    meine klasse ist auch die die leichteste und ich habe viele jungs, die oft sehr unruhig sind und sich schnell anfangen zu prügeln, aber noch habe ich alles im griff und ich denke, nach dem 1. jahr wird alles noch eher routinierter als komplizierter, weil die diabetikerin immer mehr alleine ausrechnen kann.


    :)


    ich weiß aber auch, dass es als volle behinderung angesehen wird. vielleicht könntest du also einen schulbegleiter beantragen?!

  • Hallo!


    Da du schreibst, dass die Mutter auch total überfordert ist, würde ich mit ihr über einen Antrag zur HZE (Hilfe zur Erziehung) oder eine Familientherapie reden. Ich denke, dass das Verhalten des Jungen zuhause genauso ist wie in der Schule.
    Das, was du hier leisten musst, ist nicht deine Aufgabe. Es geht hier nämlich darum, Verantwortung für die eigene Krankheit zu übernehmen. Das muss einem kleinen Jungen erst beigebracht werden, aber dafür ist die Mutter zuständig und nicht du mit einem Klassenverband.
    Ich bin selbst Diabetikerin, deshalb weiß ich auch, wie schwer diese Thematik zu bewältigen ist. Dazu benötigt man Hilfe von außen. Dein Schüler hebt sich durch seine Krankheit von den anderen Schülern ab, ist sozusagen nicht normal. Das muss er kompensieren und das zeigt sich in seinem Verhalten, das du beschreibst. Er will sich nicht von den anderen Kindern unterscheiden. Das macht er damit, indem er seinen Zucker nicht misst und sich auch nicht an Regeln hält. Bei einem Diabetes muss man sich sehr genau an Relgen halten.


    Das komplette Verhalten des Kindes zeigt den Protest gegen seine Krankheit und evtl. auch noch anderer Dinge. Um das aufzulösen benötigt man Hilfe von außen, damit man zu diesem Thema Distanz gewinnt. Das ist die Aufgabe der Familie und nicht deine.


    Ich würde es an deiner Stelle auf folgende Weise machen. Wenn der Junge in der Schule keinen Zucker messen will, dann würde ich ihn von zuhause abholen lassen, weil ich keine Verantwortung für Hyper- oder Hypoglykämie und die damit zusammenhängenden Folgen übernehmen wollte. Damit gibst du die Verantwortung über das Verhalten des Jungen wieder an die Eltern zurück. Wenn die ihn ein paar Mal abholen mussten, dann werden sie sich vielleicht etwas überlegen.


    Ich hoffe, es ist nicht zu durcheinander geschrieben und ich konnte dir etwas weiterhelfen.


    LG
    tamina

  • Moin!
    Also hier in HH gibt es irgendson Erlass, der ganz klar sagt, dass man als Lehrkraft nicht fürs Spritzengeben und dergleichen zuständig ist.
    In unserem Jahrgang ist auch ein Diabetiker. Der hat sich über die ganze Zeit hinweg selbst gespritzt und auch selbst gemessen und auch selbst die Werte notiert. Natürlich wurde er am Anfang unterstützt, so dass man mitgeholfen hat daran zu denken etc. Aber ansonsten macht/e er alles selbstständig und ich würde dafür an deiner Stelle auch nicht die Verantwortung übernehmen. Ich denke auch, dass sich die Mutter Hilfe/Beratung holen muss. Diabetikerkinder gibts ja häufiger in Schulen, insofern werden sich Ärzte und Beratungsstellen sicher damit auskennen.

  • Ich bin sowohl in meiner eigenen Familie mit Diabetes aufgewachsen und habe auch mal einen Schüler in einem ersten Schuljahr gehabt, der Diabetiker ist. Durch meine Erfahrugnen von zu Hause wusste ich leider bald besser Bescheid als seine Mutter, die ihm durchaus auch mal eine kleine Süßigkeit in die Brotbox legte, was er dann kommentierte, da sei nicht viel Zucker drin etc. Er ar noch nicht soweit, dass er sich mit seinen 6 Jahren alleine spritzen konnte. Er hat aber selbstständig den Blutzucker gemessen - vor der Frühstückspause und nach Bedarf (wenn er mir sehr unkonzentriert oder Ä. schien). War der Wert sehr niedrig oder sehr hoch, hat die Skretärin die Mutter benachrichtigt, diese ihn abgeholt oder kam vorbei, um ihn zu versorgen, ggf. zu spritzen. Tw. hat sie auch am Telefon gesagt, 370 Wert, der soll mal 10 Minuten draußen rennenund nichts essen, dann "geht's schon wieder".


    Mein Problem damals, war einfach meine gute Information über Folgeschäden bei schlecht eingestelltem Diabetes und dass ich mich aber im Fall des kleinen Jungen davon frei machen musste, mich verantwortlich zu fühlen. Nein, cih war seine Lehrerin und bin in dieser Rolle geblieben.
    Ich hatte die Klasse nur ein Jahr.
    Größere Ausflüge oder gar eine Klassenfahrt musste ich also nich tmit ihm machen. In diesem Fall hätte ich das nur in Begleitung der Mutter gemacht oder ihn nich tmitgenommen.


    LG
    PRINZ

  • Danke für eure Antworten!
    Sie enthalten viele hilfreiche Tipps und ich fühle mich auch bestärkt, meinen Weg zu gehen und meine Verantwortung zu verringern.
    Ich habe mit der Mutter jetzt besprochen. dass sie beim Jugendamt einen Antrag für eine Schulbegleitung stellt. Mal sehen, was dabei herauskommt...
    Natürlich freue ich mich über weitere Erfahrungsberichte!


    Viele Grüße,
    Schmökermäuschen

  • Hey,
    ich habe auch einen 6-jährigen Diabetiker in meiner 1. Klasse. Mittlerweile spritzt er selbstständig und hat auch immer eine Brotdose dabei, auf der die EInheiten stehen.
    Insbesondere bei besonderen Veranstaltungen habe ich ihn immer genau im Blick. Und immer einen Traubenzucker dabei.
    Was seltsam ist: Anfangs musste er immer messen und je nach Bedarf spritzen oder essen. Im Januar sagte mir der Vater nun, er müsse nicht mehr messen. Er spritzt einfach und wenn es ihm nicht gut geht, isst er etwas. Das kommt mir sehr komisch vor. Zumal er vor und nach dem Sport ebenfalls nichts Besonderes tut (messen oder essen ). Ich muss gestehen, ich kenne mich mit der Krankheit nicht besonders gut aus. Aber das Vorgehen seit Januar ist komisch.


    Wisst Ihr, ob es dafür sinnvolle Erklärungen gibt, oder ist das ein falsches Verhalten der Familie und was Langzeitschäden verursacht?
    Ich habe nämlich das Gefühl, die Familie vereinfacht das auf Kosten der Gesundheit des Kindes.


    Der Junge ist übrigens sehr auffällig, hält sich kaum an Regeln u.ä.


    Viele Grüße,
    Lordhelmchen

    Viele Grüße,
    Lordhelmchen





    Be a hero, be a teacher!

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