Robischon - freies Lernen in der Förderschule?

    • Offizieller Beitrag

    Was mich mal interessieren würde, robischon: hast du mit deinem Konzept an einer staatlichen Schule gearbeitet? Und hast du Noten gegeben?


    Hast du dein Konzept mit Förderschülern schonmal ausprobiert?

  • Ja, ich habe an einer Staatlichen Schule so gearbeitet. Deshalb wurde ich ja auch ständig überwacht und kontrolliert von den Schulbehörden.
    Weil ich entgegen der Anweisungen auch Kinder in den Lerngruppen hatte, die "eigentlich" sonst auf verschiedene Förderschulen verteilt worden wären (nur einmal, bei einem Kind mit Down Syndrom, wurde ich vorher erwischt und ausgebremst), kann ich sagen, dass ich mit Kindern mit IQ ca. 70 bis IQ schätzungsweise 150, sowie verschiedenen Beeinträchtigungen gearbeitet habe. Ich hab sie lernen lassen. Jedes Kind macht das anders, am besten mit anderen zusammen.
    Ich war nur für den Raum, das Arbeitsmaterial und die Antworten zuständig, nicht fürs Entertainment und die pädagogischen Maßnahmen.
    Ja, ich musste ab der 3. Klasse Noten geben. Das geschah in Absprache und mit Einverständnis der Kinder. Dazu bekam jedes ein Foto von sich bei der Arbeit und einen Brief in dem stand, was es Besonderes konnte. Jedes Kind kann etwas Besonderes.

  • Zitat

    Original von robischon
    Die Frage war (so hab ich es verstanden) ob auch Kinder in einer Förderschulklasse, ausgesondert und gehörig diskrimiert, im Stande sind, selbstbestimmt und kooperativ zu lernen.
    Nachdem sie etliche Jahre nur belehrt, angewiesen, kontrolliert und bewertet (entwertet) wurden.


    Keine Frage, wenn man die Probleme der Förderschulkinder darauf beschränkt, dann können sie es ausnahmslos. Und sicherlich ist es auch viel einfacher, Kinder mit besonderen Schwierigkeiten integrativ zu beschulen. Leider sehen das die meisten Menschen in Deutschland anders, weswegen ich nicht davon ausgehe, dass sich in absehbarer Zeit bildungspolitisch relevante Veränderungen ergeben.


    Förderschulen sind halt leider alles andere integrativ und deswegen habe ich die Ausgangsfrage auch anders verstanden: Die Frage, die mich auch sehr interessieren würde nämlich, ob und vor allem WIE auch Kinder mit sehr vielen und ganz besonderen Schwierigkeiten, vor allem auch im Wahrnehmungs- und im sozio-emotionalen Bereich imstande sind, innerhalb einer angemessenen Zeit genau das zu erlernen und bereits umzusetzen, was ihnen am allermeisten Schwierigkeiten bereitet: Aus einem Angebot eine Sache auszuwählen, sich zu strukturieren und zu organisieren, sich zu motivieren und schlussendlich auch mit anderen Kindern zu kooperieren. Dabei würde mich vor allem auch sehr interessieren wie man die Kinder in einer absolut offenen und freien Situation konkret unterstützen kann, um ihnen die für sie so wichtigen äußeren Strukturen zu gewährleisten, die sie brauchen, um wenigstens annähernd Halt zu finden und sich dadurch auf ein konzentriertes Arbeiten einzulassen.
    Ich frage vielleicht auch noch etwas konkreter nach den Aspekten, die mich interessieren würden: Mit welchen Ritualen könnte man zum Beispiel arbeiten, um Strukturen zu bieten, aber dennoch ein freies Lernen zu gewährleisten? Oder wie kann man Kindern helfen, die von der Vielfalt eines Lernangebots heillos überfordert sind? Wie unterstützt man Kinder, die sehr empfindlich auf Störschall reagieren (gerade bei uns an der Sprachheilschule haben wir ja sehr viele Kinder mit auditiven Wahrnehmungsproblemen, die ganz vehement eine ausgesprochen ruhige Arbeitsatmosphäre einfordern)? Wie unterstützt man ADHS-Kinder, die innerhalb einer so großen Gruppe eigentlich per se überfordert sind?
    Und das ganze natürlich in den räumlichen Bedingungen, die wir an den Schulen vorfinden, d.h. in aller Regel in einem Klassenraum evtl. mit Ausweichoption auf den Flur.


    Grüße
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

  • Puh, danke für die Rückkehr zum Thema... 8)


    Es ist ja nicht nur, dass die Schüler diese Freiheit nicht gewohnt sind. Ich denke, das ist das kleinere Problem.


    Ich glaube schon, dass unsere Förderschüler lernen könnten, mit der Freiheit umzugehen, wenn sie in einer normalen Grundschulklasse wären. Sind sie aber nunmal nicht. Das heißt, sie haben eben nicht die Klassenkameraden, die ihnen helfen können und die mit 'komischem' Sozialverhalten kompetent umgehen können. Da eskalieren Situationen ganz schnell, weil sich die Schüler selbst nicht helfen können.


    Edit: mit dem vorigen Beitrag überschnitten, danke, du scheinst zu wissen, was ich meine. :D


    Theoretisch kann ich mir die Arbeitsweise sehr gut vorstellen, ich habe ja die letzten Wochen vor den Sommerferien schon für ein kleines 'Experiment' in diese Richtung genutzt. An einer kompletten Umsetzung hindert mich aber, dass ich damit komplett alleine da stehen würde und ich mir das wahnsinnig anstrengend vorstelle. Die anderen Lehrer erzählen mir gerade viel von "ganz engen Strukturen" und ähnlichem, da werde ich wohl kaum Unterstützung finden. Was haben die Eltern bei dir denn gesagt, Rolf?
    Im Moment suche ich daher für mich eine Art und Weise, den Schülern allmählich immer mehr Freiheit zu geben, so dass alle (ich, Schüler, Eltern, Kollegen) mit dieser Entwicklung mitkommen. Wie das aussehen soll, weiß ich selbst noch nicht so genau. :rolleyes:

  • eine Art und Weise, den Kindern allmählich immer mehr Freiheit zu geben
    Das gelingt durch zuverlässige Rituale.
    Die Begrüßung habe ich täglich an die Tafel geschrieben. Und dazu irgendeine kurze Information zum Tag.
    Kindern war freigegeben, wo und bei wem sie sitzen wollten.
    An der Tafel gab es zu jedem Bereich drei bis maximal vier Angebote und daneben Arbeitsblätter zur Auswahl und jede Menge Bücher und ein paar Lernprogramme zu den geschenkten Computern.
    Eine Stunde deutsch, eine Mathe usw...Die Lernuhr an der Wand und ein Zifferblatt an der Tafel half bei der Zeiteinteilung.
    Es gab drei Verbote und drei Erlaubnisse. Ich beantwortete jede Frage möglichst kurz. Auf manche Fragen war die Antwort immer gleich.
    "Was muss ich da machen?" Antwort: "Was kannst Du da machen?"
    Ich habe Kinder nicht gefragt, außer nach Ihrem Befinden.
    Ich hab die Wörter "wir" und aber" nicht verwendet und das immer wieder mal mitgeteilt.
    Es gab überhaupt keine Strafen.
    Ich hab Kindern immer wieder gesagt, was sie da tun und mich drüber gefreut. Ich hab ihnen deutlich gemacht, dass ich neugierig bin auf das was sie tun.


    In meiner eigenen Schülerzeit haben sich Lehrer höchstens davor gefürchtet, was ich wohl wieder tun könnte.
    Was Eltern gesagt haben? Manche haben sich bei den Schulbehörden beschwert, den Kindern ginge es zu gut. Manche haben sich über den Umgang mit ihren Kindern gefreut und manche haben mir einfach vertraut, weil sie selber schon bei mir in der Schule waren.
    Ich war übrigens der einzige an der Schule der so gearbeitet hat, womöglich der einzige weit und breit.

  • Hallo Mia,
    wenn Kinder sich durch andere gestört fühlen, brauchen sie Rückzugsmöglichkeiten. Ich hatte im Raum Stellwände, ein gewaltiges Ecksofa, Tische an der Wand entlang und natürlich auch Tische auf dem Flur und in einem Kämmerchen am Ende des Flurs. Dazu hatte ich auch die Möglichkeit des Rückzugs auf die Schulwiese mit den Bäumen und dem Holzhaufen. Wenn arbeitende Kinder nicht alle anderen sehen, kommt es ihnen schon leiser vor, vor allem wenn sie konzentriert arbeiten. Wenn Kinder immer miteinander reden dürfen, hören sie auch allmählich auf zu schreien und reden in normalem Gesprächston.
    Wichtig war wohl auch, dass ich keine lauten Vorträge hatte und mit Anweisungen übertönen wollte. ich hab einzelne Kinder angesprochen oder meine Mitteilungen einfach an die Tafel geschrieben, auch an einzelne.
    Manchmal hab ich einen sehr großen Karton als Höhle ins Zimmer geschafft.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ja, ich musste ab der 3. Klasse Noten geben. Das geschah in Absprache und mit Einverständnis der Kinder. Dazu bekam jedes ein Foto von sich bei der Arbeit und einen Brief in dem stand, was es Besonderes konnte. Jedes Kind kann etwas Besonderes.

    Wie hbe ich mir das vorzustellen? Gab es bei euch keine Zeugnisse mit Ziffernnoten, die du beizutragen hattest?

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Ganz einfach, es war mir verboten auf Noten zu verzichten.
    Hierzulande haben die Kinder Ende des zweiten schuljahrs ihre beiden ersten Noten und im dritten Schuljahr zur halbzeit und am Schuljahrsende für alle Lernbereiche.
    Weil bei der Arbeitsweise die ich zulassen konnte alle Kinder so intensiv wie möglich arbeiteten und erreichten was ihnen erreichbar war, gab es keine "schlechten" Noten. Mit den Kinder machte ich aus, ob da sehr gut, gut oder befriedigend stehen konnte. Sie konnten sowas schon einschätzen.
    Ende des dritten Schuljahrs war meine Schulzeit zu Ende und es ging für die Kinder traditionell weiter, an dieser Grundschule oder an den Förderschulen. Zu ihrem Grundschulabschluss hatten mich dann die Kinder eingeladen und ich war nochmal da. Die Lehrerin war sehr zufrieden und hatte gute Noten verteilen können. Die Schulübergänge waren erfreulich. Und es wurde besonders vermerkt, dass all diese Kinder selbstständig arbeiteten. Sie mussten nie angetrieben werden.
    Ich bin sehr dafür, auf Ziffernnoten völlig zu verzichten. An den freien schulen, die ich noch sporadisch begleite, ist das durchaus üblich und möglich.

  • Ist jetzt das Thema "selbstbestimmtes Lernen" lahm gelegt durch das Problem, wie man Selbstständigkeit beim Lernen zu benoten habe?

  • Ich wüsste jetzt nicht warum. Das Thema Benotung spielt an Förderschulen oftmals sowieso keine große Rolle.


    Und man muss ja nicht jedes Thema krampfhaft am Laufen halten. Offensichtlich hat vorerst keiner mehr etwas Neues dazu zu sagen. Robischon-Pädagogik wurde ja auch schon oft genug hier im Forum durchdiskutiert.

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

    2 Mal editiert, zuletzt von Mia ()


  • Allein dazu stehen - weil man etwas anders macht - ist ein Problem.
    Ich bin gern bereit, dich zu unterstützen.


    Ein erster Schritt könnte sein, dass mit dem Alleinstehen so zu sehen:
    Die anderen stehen auch allein da. Nicht weil sie was anderes im Sinn
    haben, sondern weil sie sich danach richten, wonach sich die meisten
    richten. Nämlich nach der Auffassung: Lernen der Schüler entspräche
    dem Lehren der Lehrer. Das lernen wir Lehrer als Schüler in der Schule,
    das haben wir im Studium gelernt, das haben die Ausbilder im
    Referendariat so gelehrt und das lehren uns Kollegen,
    Vorgesetzte, Eltern …


    Wir Lehrer sind also in einer misslichen Lage. Wir werden ausgebildet an
    Hand einer Lerntheorie, die eigentlich Lehrtheorie heißen sollte. Eine
    Theorie die behauptet, die richtigen Methoden, Didaktiken, Strukturen,
    Organisationen zu kennen, um jedem einzelnen optimales 'lernen' zu
    ermöglichen. Diese Maßlosigkeit macht m.E. Kinder (und Eltern) zu
    Empfängern, statt zu Mitwirkenden und uns Lehrer macht sie blind für
    das, was möglich sein könnte. Diese Maßlosigkeit kostet
    übermenschliche Kraft, sie laugt uns aus, sie lässt uns unsere Berufswahl
    in Frage stellen. Jeder ist doch froh, wenn er die Klassenzimmertür
    hinter sich zumachen kann und keiner sieht, wie wenig es bei ihm
    mit dieser Theorie in der Praxis klappt.


    Ich finde es wichtig, dass wir uns gegenseitig darin unterstützen,
    "neben dem Dienstweg den jeweils eigenen Weg" (Ich danke Dir
    für diese Bemerkung über robischon, Franz-Josef-Neffe.) zu finden.


    monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • Monika
    du sprichst mir voll aus der Seele! Jeder Lehrer(in) sollte nach seinen eigenen praktischen Erfahrungen die effektivsten Formen, Strukturen und Vermittlungsstrategien für die Schüler herüber bringen. Die sogenannte "wissenschaftliche" Pädagogik/Didaktik selbst sind starre Strukturen, an denen weder die Professoren etwas ändern wollen, noch die Lehrer an staatlichen Schulen durch die beschrieben Umstände kaum verändern können. Leider ist es so, dass einige gute "freie" pädagogischen Konzepte auch nur an freien Schulen zu guten Erfolgen führen, weil sie dort einheitlich in den entsprechenden Jahrgängen vollzogen werden. Ich habe es an einer staatlichen Realschule selber erlebt, dass die Schüler durch meine "Erwachsenenpädagogik", dem logisch sachzusammenhängenden Lehren und der "wissenschaftlichen" Lehrweise dann hin und her gerissen werden und nur verwirren!


    unag

  • Ja, es wäre positiv für alle unsere Schüler, wenn wir gemeinsam
    pädagogische Konzepte entwickelten, die jedem einzelnen Lehrer einen
    Rahmen bieten könnten, innerhalb dessen er unabhängig von "starren
    Strukturen" gemäß seiner persönlichen Erfahrung seine eigene
    Wirksamkeit ständig optimieren könnte. Doch nichts wird sich in
    der Schule und auch nicht in der Pädagogik von einem Tag auf
    den anderen verändern. Ich muss es im Moment hinnehmen,
    dass man meine Wirksamkeit auch in meiner eigenen Klasse
    beschränkt. Das tun Kollegen und Vorgesetzte in der festen Überzeugung,
    Schaden von den Schülern abwenden und herkömmliches Unterrichten
    bewahren zu sollen. Für die Schüler ist dies keine optimale Situation.
    Doch sie kommen damit klar und ich unterstütze sie darin, damit klar zu kommen.


    Die herrschende Pädagogik scheint mir an wissenschaftlichen Konzepten
    und Auffassungen festzuhalten, die im Wesentlichen vom Primat der
    Theorie geprägt sind. Vor ca. 250 Jahren hat der erste pädagogische
    Lehrstuhlinhaber Christian Trapp festgestellt, dass das Geschehen im
    Klassenzimmer kaum Aufmerksamkeit bei den pädagogischen Gelehrten
    findet. Und noch heute findet man erst vereinzelt Konzepte in der
    Lehrerausbildung, die angehende Lehrer anleiten könnten, sich durch
    Hinsehen auf das Verhalten ihrer Schüler zu den nächsten Lernschritten
    anregen zu lassen, bzw. Beobachtungen und eigenes Handeln im
    Kontext wissenschaftlicher Forschungsprojekte reflektieren zu können.


    Doch es gibt diese ersten Ansätze, es gibt bundesweit Veränderungen
    der Bildungskonzepte … Um den Karren 'Schule' insgesamt in Schwung
    zu bringen, reicht es noch nicht, aber jeder zählt, der mitzieht.


    monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • Mich würde mal interessieren:


    Ist es wirklich so, dass Freiarbeit eine derart vernachlässigte Unterrichtsform ist? Dass sie weder in Studium noch im Referendariat Beachtung findet? Wenn man die Beiträge hier liest könnte man glauben, dass es nur eine Handvoll "Superpädagogen" gibt, die mutig den Zwängen des Systems trotzen und Freiarbeit machen.


    Ich habe das nämlich bisher ganz anders erlebt - sogar im Studium und im Ref...! Auch an Schulen für Geistigbehinderte...
    Wie ist das denn bei euch?


    Gruß, Andi

  • Was fasst Du unter 'Freiarbeit'?


    monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • Die Schüler wählen aus einem breiten und fachunabhängigen Angebot an Materialien, welche sie möglichst selbstst. bearbeiten, Thempo und Dauer entscheiden sie. Selbstkorrektur, wenn der Schüler dazu in der Lage ist (bezieht sich auf die G-Schule).


    Gruß, Andi

  • genau Andi
    für die ersten beiden GSjahre würde ich dem bei unter 50% Freiarbeit zustimmen, aber keinesfalls fachunabhängig! Die SuS müssen langsam an die härtere Gangart ab der 5. heran geführt werden. Sie können sich so von jedem anderen Kind Hilfe holen, aber nicht, wenn jeder ein anderes Fach bearbeitet!
    Freiarbeit ist für mich z.B. auch Gruppenarbeit, was in späteren Jahren dann meist in Deutsch, Mathe bei Komplexaufgaben lösen oder in Physik/Chemie die Experimente sind. Also durchaus Bestandteil auch der "wissenschaftl." Pädagogik. In der Form der von Robischon proklamierten aber völlig uneffektiv bei der zu lernenden Stofffülle!

  • Meine Definition bezog sich auch nur auf die Schule für Geistigbehinderte. In die FA gehören Materialien aus dem Bereich Grob- und Feinmotorik genauso dazu wie Materialien aus den Bereichen Deutsch, Mathe, Sachkunde. Insofern widerspreche ich dir da nicht, da du ja die Grundschule im Blick hast.


    Gruß, Andi

  • Zitat

    Original von ***Andi***
    Die Schüler wählen aus einem breiten und fachunabhängigen Angebot an
    Materialien, welche sie möglichst selbstst. bearbeiten, Thempo und Dauer
    entscheiden sie. Selbstkorrektur, wenn der Schüler dazu in der Lage ist
    (bezieht sich auf die G-Schule).


    Mein Lernen mit den Schülern orientiert sich an einem Lernkonzept,
    das sich im Wesentlichen

    • an den Forschungsergebnissen der Neurowissenschaften
    • an den Ergebnissen der Lernforschung
    • und meinen Beobachtungen des Lernverhaltens jedes Einzelnen

    orientiert.


    HERAUSFINDEN scheint dabei das Lernverhalten zu sein, durch das –
    im Hinblick auf diese Ergebnisse - möglicherweise am effektivsten gelernt
    werden kann. Da dies so eigenständig wie möglich geschieht, könnte
    es an dieser Stelle möglicherweise Anknüpfungen zu der von Dir
    beschriebenen Freiarbeit geben.


    Die verfügbaren Materialien sind Lerninstrumente und nicht – wie in
    der Freiarbeit - Lerngegenstände (Ich nehme an, Du meinst
    Werkstatthefte, Lernprogramme u.ä.). Die Kinder erforschen gemeinsam
    Sachverhalte (Sie arbeiten also kein Pensum ab.) Sie führen Projekte
    durch, fertigen Themenhefte, Vorträge, Fotos, Zeichnungen, Texte …an.


    Daneben haben wir für das, was wir schon herausgefunden haben,
    Trainingszeiten, in denen geübt und optimiert wird, was mit Schreiben,
    Lesen, Rechnen … zu tun hat. Außerdem besuchen wir - so oft sich
    dies anbietet und möglich ist - außerschulische Lernorte, laden andere
    Erwachsene oder Kinder ein, die uns was Neues erzählen können.



    monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.


  • Ich habe es glücklicherweise auch nicht so erlebt, dass Freiarbeit oder Freies Lernen oder wie auch immer man diese Art des Lernens nun betiteln möchte als eine völlig vernachlässigte Unterrichtsform im Studium und im Referendariat behandelt wird. (Wobei sich zugegebenermaßen im Referendariat Theorie und Praxis permanent widersprochen haben. :rolleyes: )
    Ja, ich habe sogar selbst in meiner eigenen Schulzeit bereits Freiarbeit an einer stinknormalen staatlichen Schule in Deutschland von Klasse 4 bis 6 erlebt. (Vorher nicht, weil ich da noch nicht hier zur Schule gegangen bin.)
    Deswegen wundere ich mich manchmal auch, wie unglaublich vorkämpferisch hin und wieder Verfechter von Freiarbeit aktuell noch auftreten. Aber natürlich decken sich meine Erfahrungen nicht mit denen von anderen Menschen. Wobei es mich allerdings wundern würde, wenn zumindest die Unis da nicht auf mehr oder weniger dem gleichen Stand wären.
    Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass Gymnasiallehrer aufgrund der mangelnden pädagogischen Ausbildung die Bandbreite von Unterrichtsformen tatsächlich nur unzureichend studiert haben.


    Aber freies Lernen ist natürlich auch eine Unterrichtsform, unter der vieles zusammengefasst wird und die daher sehr unterschiedlich umgesetzt werden kann und auch wird. Natürlich immer sehr personenabhängig, weil diese Art des Lehrens auch sehr stark von der Beziehungsarbeit zu den Schülern lebt. Manchmal wird ein Konzept eigentlich auch erst dadurch wirklich begreifbar - ich glaube, bei Robischon ist das z.B. der Fall, weswegen sich die Diskussionen zu "seiner" Pädagogik immer wieder im Kreis drehen. Er hat das Rad mit Sicherheit nicht neu erfunden, hat die Erfindung des freien Lernens aber unter Garantie sehr gut umgesetzt. Wie genau er das macht, versuchen wir ja immer wieder hier im Forum rauszufinden, aber es ist sehr schwierig da Genaueres und vor allem Handfesteres aus ihm herauszukitzeln. Vermutlich ist in solchen Fällen die einzige Möglichkeit, das Neue an diesen Konzepten zu erkennen, mal live dabei zu sein. Bei Robischon ist es aber leider wohl schon zu spät dafür....


    Jedenfalls macht diese Bandbreite der Herangehensweisen, die Unterschiede in der Umsetzung und die neuen Impulse, die dadurch gesetzt werden, die Diskussionen über Freiarbeit für mich sehr spannend. Freie Unterrichtsformen leben davon, dass man seine Arbeit permanent reflektiert und immer wieder mit neuen Ideen erweitert.


    Schade allerdings ist, dass diese Unterrichtsform politisch absolut nicht gewollt ist. Seit Jahren wird zumindest hier in Hessen an allen Ecken und Enden dagegen gearbeitet: Standards, wo man nur hinblickt, immer mehr Vergleichsarbeiten, Abschaffung der Förderstufen sowie Abschaffung der Gesamtschulen (sofern diese überhaupt jemals welche waren....). Und diverse Vergleichsstudien schüren auch in der Bevölkerung die Angst davor, Kinder einfach lernen zu lassen - in ihrem eigenen Tempo, ihren eigenen Stärken entsprechend. Stattdessen lehnt man sich lieber beruhigt zurück, wenn man weiß, dass der Druck und Schulstress noch früher als jemals zuvor aufgebaut wird und nach Leibeskräften Stoff in Köpfe eingetrichtert werden soll.


    Und in diesem Spannungsfeld zwischen den Fronten von Politikern und Eltern (um diese mal pauschal über den Kamm zu scheren) auf der einen Seite und Lernforschern und "Vorzeigepädagogen" à la Helene-Lange-Schule hier in Hessen auf der anderen Seite befinden sich dann viele Lehrer. Oftmals sind also bestimmte Konzepte gar nicht umsetzbar, egal wovon der jeweilige Lehrer nun persönlich überzeugt ist. Das mag vielleicht hin und wieder den Eindruck erwecken, dass die Pädagogik in Deutschland sich seit Jahrzehnten kaum verändert hat. Tatsache ist aber eigentlich, dass sich die Pädagogik durchaus weiterentwickelt, es aber Wählern und Politikern am Mut fehlt, den entscheidenden Schritt in Richtung Zukunft zu gehen. Stattdessen beruft man sich lieber auf "alte Werte" und versucht durch Rückschritte zumindest wieder auf das alte Niveau zurück zu kommen, dabei völlig außer Acht lassend, dass sich Menschen und Gesellschaft nun mal weiterentwickelt haben und das "alte Niveau" vielleicht besser ist als der Ist-Zustand, aber niemals wirklich gut sein wird.


    Jetzt bin ich leider wieder mal auf die "Systemschiene" abgerutscht, aber genau hier liegt für mich letztlich immer wieder der springende Punkt. Insbesondere, weil hierzulande das Thema Inklusion in greifbare Nähe rückt, aber nichts dafür getan wird, dafür notwendige Voraussetzungen zu schaffen. Und persönlich denke ich daher derzeit immens viel darüber nach, wie Schule in naher Zukunft für mich persönlich als Lehrerin aussehen soll und wie genau ich arbeiten kann und möchte. Es sieht aber ganz danach aus, als würde der ewige Spagat zwischen systemischen Voraussetzungen, Erwartungen von den unterschiedlichsten Seiten an mich als Lehrerin und lerntheoretischen Erkenntnissen nicht so schnell sein Ende finden.
    Aber man muss es positiv sehen: Dadurch werde ich auch nicht so schnell in Verlegenheit kommen, mich auf ein ganz bestimmtes Konzept einzuschießen und dabei zu stagnieren. :D


    In diesem Sinne: Auf ein weiteres frohes Diskutieren :D
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

    Einmal editiert, zuletzt von Mia ()

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