Katastrophale Aufsätze von Achtklässlern

  • Meine Achtklässler machen mich echt fertig. Ich habe in den letzten drei Tagen eine Deutscharbeit korrigiert und (mal wieder) die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. Über die Hälfte der Klasse ist nicht dazu in der Lage auch nur einen grammatikalisch einigermaßen richtigen und vollständigen Satz zu schreiben. Von den unendlich vielen Rechtschreibfehlern mal ganz abgesehen.
    Das ist ein Fass ohne Boden und ich weiß beim besten Willen nicht mehr, wo ich ansetzen soll. Die meisten Drittklässler verfügen über einen besseren Sprachschatz als meine Schüler und können besser schreiben als sie. Der Lehrplan fordert Textanalysen etc. dabei schaffen sie es kaum, einen vernünftigen Satz zu Papier zu bringen. Oft schreiben sie einfach sinnlos aneinandergereihte Worte und einfachste Zusammenhänge werden nicht verstanden. Ich bin wirklich verzweifelt und habe keine Ahnung mehr, wie ich diesem Problem Herr werden soll. Die SuS kommen bald in die neunte Klasse und bewegen sich auf Grundschulniveau.
    Dazu muss ich sagen, dass diese Klasse besonders Leistungsschwach ist. Von 28 SuS sind gerade mal sieben dabei, die keine Fünf auf dem Zeugnis haben... So etwas habe ich noch nie erlebt. Meine Fünftklässler sind diesbezüglich um Längen fitter.


    Kennt ihr das? Was macht ihr dagegen?
    HILFE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  • Mal abgesehen von dem stoischen Bemühen um eine Leistungsverbesserung würde ich den Schülern ganz klar die Noten geben, die sie aufgrund ihrer Leistung verdienen. Zu Beginn meiner Arbeit als Lehrer habe ich bei mir die Tendenz beobachtet, den Schnitt in einem solchen Fall nach oben zu korrigieren. Dadurch wird das Problem aber nur verschleppt und du ärgerst dich unter Umständen über Jahre hinweg mit dieser Klasse rum.

  • Zitat

    Original von Schubbidu
    Dadurch wird das Problem aber nur verschleppt und du ärgerst dich unter Umständen über Jahre hinweg mit dieser Klasse rum.


    Und anschließend ärgern sich die Lehrkräfte der berufsbildenden Schule, an der sie unter Umständen einen höheren Schulabschluss sowie einen Realschulabschluss machen wollen damit rum.

  • Klar habe ich jede Menge Fünfen verteilt, aber damit ist das Problem ja nicht gelöst. Ich frage mich, wie ich es anstellen kann, meine SuS soweit zu bringen, dass sie einigermaßen fehlerfrei und verständlich schreiben....

    • Offizieller Beitrag

    Hm, realistische und demotivierte Antwort: gar nicht.


    Richtige Rechtschreibung ist entweder Arbeit oder Gewohnheit.
    Wenn die Schüler es so könnten, weil sie die Rechtschreibung gewohnt sind, hättest du diese Aufsätze nicht vor dir.
    Also müssen die Schüler bei jedem Wort, dass sie schreiben, nachdenken. Nur: warum sollte man das tun. Das ist ja Arbeit.


    kl. gr. Frosch


    P.S.: Ja, ich weiß, das klingt desillusioniert und abwertend. Aber wahrscheinlich ist es so. Verteil die Fünfen, trainier die Rechtschreibung, aber ob es viel ändert? Ich denke nicht. *seufz*

  • Ich sitz grad über 28 Geschichtsgrundkursklausuren (K12) ... deshalb meine realistische Antwort: das wird nicht besser. Über die Hälfte der SuS hat Probleme, einen Sachverhalt auch so darzustellen, dass es inhaltlich stimmt (und es geht hier um etwas, das nicht wirklich kompliziert ist).

  • Ich sehe das Ganze auch in einen größeren Rahmen eingebettet. Wir können nicht über die schleichende Entwertung der Haupt- und Realschule klagen, wenn wir an den höheren Schulen nicht bereit sind auch gewissen Mindeststandards durchzusetzen. Wer diese Hürden als Schüler nicht nehmen kann, sollte eben dann doch über eine andere Schullaufbahn nachdenken.


    Da Eltern aufgrund der allgemeinen bildungspolitischen Lage eben dazu neigen, ihre Kinder verstärkt auf das Gymnasium oder die Realschule zu schicken, auch wenn das Leistungsniveau und die Neigungen des Kindes in eine ganz andere Richtung weisen, werden solche Probleme wohl eher weiter zu- als abnehmen.

  • Zitat

    Original von Schubbidu
    Da Eltern aufgrund der allgemeinen bildungspolitischen Lage eben dazu neigen, ihre Kinder verstärkt auf das Gymnasium oder die Realschule zu schicken, auch wenn das Leistungsniveau und die Neigungen des Kindes in eine ganz andere Richtung weisen, werden solche Probleme wohl eher weiter zu- als abnehmen.


    Es sind aber nicht nur die Eltern. es sind auch die Schulen, die aufgrund des Schülermangels eher SchülerInnen aufnehmen (müssen), die früher nicht aufgenommen worden wären.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich mir überlege, dass das Gymnasium vor Ort 6 (!) Eingangsklassen hat, in denen ca. 30 % Realschüler sitzen sollen, würde ich nicht sagen, dass sie aus "Schülermangel" alles aufnehmen, was sich anmeldet.


    Zitat einer Kollegin, deren Mann am Gymnasium unterricht hat: Mein Mann geht nicht mehr in die Unterstufe. Da darf er keine Fünfen mehr geben.


    kl. gr. Frosch

    • Offizieller Beitrag

    es gibt ja bei Klassenarbeiten die xy % Regel, bzw. die Durchschnittsregel.


    In manchen Fällen verführen diese Regeln dazu, die Ansprüche zu drosseln, um die Arbeit "durchzukriegen".


    Wenn die Regel sich wenigstens an der Anzahl der Kinder mit Gymnasialempfehlung orientieren würde, wäre der Niveauverlust nicht gar so arg.

  • Zitat

    Original von Friesin
    In manchen Fällen verführen diese Regeln dazu, die Ansprüche zu drosseln, um die Arbeit "durchzukriegen".


    Das mit dem "Durchkriegen" ist nach meinen Erfahrungen aber meist eine Frage der eigenen Standhaftigkeit. Ich darf halt nicht gleich einbrechen, wenn mein Direktor oder die Eltern mich dazu drängen wollen, eine Klassenarbeit nicht zu werten oder zum Ausgleich eine weitere anzubieten.

    • Offizieller Beitrag

    wen bei uns eine Arbeit nicht genehmigt wird, darfst du sie nicht zurückgeben. Das hat nichts mit Standhaftigkeit zu tun. Du kannst im Gespräch mit der Schulleitung argumentieren, aber die letzte Entscheidung liegt bei der SL.
    Ich habe zum Glück eine SL, die sehr viele Arbeiten genehmigt, kenne aber auch den anderen Fall.


    Die Eltern haben dabei gar kein Mitspracherecht.

    • Offizieller Beitrag

    Meine SL guckt im Fall eines Durchschnitts unter 4,0 immer an, ob es auch gute Noten gegeben hat- also mindestens Zweier. Ist das der Fall, sieht sie erst gar keinen Diskussionsbedarf, sondern winkt die Arbeit durch.
    Eltern können in der Sprechstunde mal motzen, aber da ist es dann tatsächlich eine Frage der eigenen Standhaftigkeit und wenn man eine Arbeit wiederholen lässt, darf man sich dann Jahre danach noch damit rumschlagen: "Aber damals haben Sie doch auch..."
    Übrigens gibt es in Deutsch hier ausdrücklich keine xy% Regel, das liegt daran, dass das KM ganz klar vorschreibt, dass man Aufsätze nicht bepunkten darf.

  • Zitat

    Original von Friesin
    Die Eltern haben dabei gar kein Mitspracherecht.


    Klar, wenn eine Klassenarbeit quasi als Dienstanweisung vom Chef eingestampft wird, hast du keine Chance. Dass die Eltern kein Mitspracherecht besitzen ist auch klar. Es gibt aber durchaus KollegInnen, die - egal ob in Bezug auf Direktion oder Eltern - einfach zu schnell den Konflikt scheuen und deshalb den Schnitt der KA nach oben rechnen. Auf diese Situation bezog sich auch meine Forderung nach Standhaftigkeit.


  • Warum so negativ? In der Taxonomie liegt die Rechtschreibung so weit unten, dass es jedem Schüler ohne Lernbeeinträchtigung gelingen sollte, Rechtschreibung zu erlernen. Letztenendes ist Rechtschreibung nur Auswendiglernen, Regeln anwenden und üben.
    Ich unterrichte ja nun in der beruflichen Schule fast alle, die nicht gerade studieren (außer BEJ/BVJ). Und da hat meiner Schätzung über alle Schulabschlüsse weniger als 1/5 der Schüler gravierende Rechtschreibprobleme. Bei einem weiteren Fünftel kann man auf absehbare Zeitung zumindest so viel tun, dass die Rechtschreibung im Großen und Ganzen im befriedigenden Bereich ist.


    Ich lasse meine Schüler unheimlich viel im Unterricht schreiben. Das geht vom Aufsatz über Orthografie- und Sprachübungen. Immer steht eine Form der Kontrolle am Ende und bei Aufsätzen verschaffe ich mir auch selbst immer einen Überblick über die Fehlerschwerpunkte. Die Fehlerschwerpunkte werden dann den Schülern in Zitaten präsentiert und sind dann wieder Ausgangspunkt für weitere Übungen.


    Einige meiner Verfahren:


    - Bei der Korrektur der Aufsätze tippe ich typische Sätze für Fehlerschwerpunkte sofort in den Computer und bespreche diese dann nach.
    - Ich lasse die Schüler zu zweit am Computer einen Aufsatz tippen. Die Aufsätze schaue ich mir durch und per Drag&Drop werden die Fehlerschwerpunkte in ein weiteres Dokument gezogen. Anschließend wieder Fehleranalyse in der Klasse.
    - Ich lasse die Schüler in einer Schreibkonferenz die Aufsätze anfertigen/verbessern. Am Ende kommt ein Gemeinschaftwerk heraus, das auf obige Weise wieder der Fehleranalyse dient.


    Wichtig ist eben, Zeit im Unterricht für Sprache und Rechtschreibung freizuschaufeln.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Hallo Finchen,


    Ich hatte einen "vergleicbbaren" Fall, der allerdings weit nicht so extrem ist wie deiner. Meiner Meinung nach helfen drei Dinge:


    1. Schreiben, schreiben, schreiben... da du nicht jede Woche 120 Texte lesen kannst trainier mit den Schülern, wie sie sich gegenseitig Rückmeldungen geben.


    2. Mit klaren Kriterien arbeiten, welche die Schüler verstehen. Lass dann erst fremde Texte auf diese hin untersuchen und fremde Texte überarbeiten. Dann eigene Texte selbst beurteilen sowie in Schreibkonferenzen. Lass sie ihre Texte überarbeiten - zweimal, dreimal notfalls viermal.


    3. In die Beurteilung kann man neben dem Ergebnis in jedem Fall den Fortschritt berücksichtigen. Prozessorientierung ist durchaus sinnvoll! Hat der Schüler die Schwächen in seinem Text erkannt? Konnte er diese verbessern? Wie tiefgreifend waren seine Überarbeitungen? So sehen die Schüler, dass man Schreiben lernen kann. Sie sehen Fortschritte und auch, dass sich diese in einer Note wiederspiegeln.

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin zwar nicht die Threaderstellung, lese aber auch gerade mit Interesse deine tollen Tipps, die ich auch noch nicht alle kannte.


    Zitat

    Original von Timm


    - Ich lasse die Schüler zu zweit am Computer einen Aufsatz tippen. Die Aufsätze schaue ich mir durch und per Drag&Drop werden die Fehlerschwerpunkte in ein weiteres Dokument gezogen. Anschließend wieder Fehleranalyse in der Klasse.


    Diese Vorgehensweise klingt besonders interessant. Dazu habe ich aber mal eine praktische Frage: Machst du das vom Lehrercomputer aus und hast du dann Zugriff zu den Dokumenten oder schreiben die Schüler die Ausätze zu zweit zu Hause und du nimmst du die Aufsätze in digitaler Form mit nach Hause?

  • Zitat

    Original von Referendarin
    Ich bin zwar nicht die Threaderstellung, lese aber auch gerade mit Interesse deine tollen Tipps, die ich auch noch nicht alle kannte.



    Diese Vorgehensweise klingt besonders interessant. Dazu habe ich aber mal eine praktische Frage: Machst du das vom Lehrercomputer aus und hast du dann Zugriff zu den Dokumenten oder schreiben die Schüler die Ausätze zu zweit zu Hause und du nimmst du die Aufsätze in digitaler Form mit nach Hause?


    Danke :) Wir haben ein Schulnetzwerk und ich habe Zugriff auf die persönlichen Laufwerke der Schüler. Ich lasse ein Blatt herumgehen, auf dem die Schüler schreiben, wie die Datei heißt und wo ich sie finde. Ich drucke dann die Aufsätze aus, korrigiere sie und ziehe gleichzeitig am Lehrer-PC entsprechend Passagen von den Schülerdokumenten in die Analyse.


    Im Übrigen finde ich auch immer wieder witzige oder bestaunenswerte Fehler (z.B. Sätze über 5 Zeilen, die keiner mehr versteht), was die ganze Sache ungemein auflockert. Netter Nebeneffekt ist übrigens, dass die Schüler verstehen, welch ein Aufwand die Korrektur von Aufsätzen ist.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Timm


    Danke :) Wir haben ein Schulnetzwerk und ich habe Zugriff auf die persönlichen Laufwerke der Schüler. Ich lasse ein Blatt herumgehen, auf dem die Schüler schreiben, wie die Datei heißt und wo ich sie finde. Ich drucke dann die Aufsätze aus, korrigiere sie und ziehe gleichzeitig am Lehrer-PC entsprechend Passagen von den Schülerdokumenten in die Analyse.


    Das klingt klasse. Leider haben wir so einen Luxus nicht. :(
    Wenn überhaupt, dann kann man bei uns meist nur in einem Raum Rechner benutzen, in dem es keinen Lehrerrechner, sondern nur ein paar Schülerrechner gibt. Das zweite Problem ist, dass es nur so wenige funktionsfähige Rechner gibt, dass die Schüler Rechner zu dritt benutzen müssen. :(
    Im Informatikraum war ich an dieser Schule (an meiner Ref-Schule war das anders) bisher genau einmal mit Schülern, da der meist belegt ist.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    es gibt ja bei Klassenarbeiten die xy % Regel, bzw. die Durchschnittsregel.


    In NRW gibt es sie nicht. Hier wird demnach auch eine Arbeit gewertet, die unterm Strich ist. Wobei es im Ermessen des jeweiligen Lehrers liegt, ob er die Arbeit doch wiederholen lässt.


    Zu Timm:
    ich bin halt was das angeht negativ, weil ich die Erfahrungen mache, dass viele Schüler "zu faul" dafür sind. (Siehe oben.) Leider
    Aber deine Idee mit dem Drag&Drop ist gut, dass merke ich mir mal.


    kl. gr. Frosch

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