BBS: Unterrichtsgestaltung und -ziele

  • Hallo zusammen,


    ich bin Dipl.-Ing. der Elektrotechnik und denke über den Seiteneinstieg in das Lehramt für Berufsbildende Schulen nach. Im Rahmen einer Hospitation an einer Berufsschule habe ich probeweise zwei Unterrichtsstunden gehalten und möchte Euch dazu gerne ein paar Fragen stellen (die Klasse war im 1. Ausbildungsjahr zum Informationselektroniker):


    Themen der Stunden waren "Computer-Arbeitsspeicher" bzw. "USB".
    - wie würde bei diesen Themen Eure Unterrichtsgestaltung aussehen ?
    Um in die Tiefe zu gehen, fehlte m.E. die Zeit (pro Thema stand eine Doppelstunde zur Verfügung). Deshalb hatte ich gehofft, zumindest das Funktionsprinzip erklären zu können, z.B. hing in dem Klassenraum ein Bild, das den schematischen Aufbau eines Laserdruckers zeigte (Trommel, Toner, Steuerungseinheit usw.). Für meine abstrakten Themen fiel mir leider nichts dementsprechendes ein, so daß ich eigentlich nur im Dozentenstil die verschiedenen Speichertypen und ihre Vor-/ und Nachteile aufzählte bzw. im Falle von USB dessen Vor-/Nachteile. Das hat aber meiner Meinung nach nichts mit Erklären und Verstehen zu tun, sondern ist reines Fakten-Wissen (ungefähr so, als ob Günther Jauch nach dem höchsten Berg der Erde fragt).


    - Wie behandelt Ihr diese oder ähnliche Themen im Unterricht ?
    (ich weiß, daß genau diese Thematik im Referendariat vermittelt wird und ganze Bücher sich mit der Antwort auf diese Frage beschäftigen. Vielleicht könnt Ihr trotzdem das ganze zumindest grob umreißen).
    - Gibt es vielleicht sogar offzielle Vorgaben in Lehrplänen, was genau bei diesen Themen erläutert werden soll ?


    Außerdem dachte ich vorher, daß ich mich durch Unwissen bloßgestellt fühlen könnte, z.B. wenn ich eine Schülerfrage nicht adhoc beantworten kann. Das war nicht der Fall, hier habe ich m.E. sogar recht souverän reagiert. Was mich viel mehr verunsichert hat, war das Gefühl den Schülern Oberflächlichkeiten beizubringen. Über Arbeitsspeicher und USB liest doch heutzutage jeder 15-jährige Jugendliche in Computerzeitschriften, und sei es nur Computer-BILD ?!?! Wenn ich mich tatsächlich für den Beruf des Lehrers entscheide, möchte ich Schüleraussagen a la "in der Berufsschule lernt man nichts" vermeiden.
    - kennt jemand speziell bei diesen Themen das Unterrichtsziel ? Was sollen die Schüler lernen, einen Riegel Arbeitsspeicher von einem Riegel Schokolade unterscheiden zu können oder wissen wo am Computer man eine externe USB-Festplatte anschließt ? Das wissen die doch alles ?!?!


    Vielen Dank, malvinas2

  • Hallo malvinas,


    aber genau so ist es. Du kannst in diesem knappen Zeitrahmen nicht in die Tiefe gehen. Wenn man sich die vollgestopften Lehrpläne ansieht, dann muss man sagen, dass dies nicht geht. Entweder verzichtest du auf Qualität oder auf Quantität. Beides musst du in einer ausgewogenen Balance halten.


    Offizielle Vorgaben in den Lehrplänen insbesondere der berufsbildendne Schulen gibt es zunehmend lediglich in Kompetenzbeschreibungen, die sehr komplex und abstrakt angelegt sind. Dann gibt es Verweise auf Inhalte, an / mit denen diese Kompetenzen erworben werden sollen. Die Enstcheidung über Genauigkeit und Tiefe wird bewusst auf die vor Ort Handelnden abgegeben um lokal passende Lösungen zu finden.


    Das mit dem dozieren ist sicherlich nicht günstig. Ich habe ca. 15 - 20 Bücher zu Unterrichtsmethoden. Dataus jetzt die passende Methode für dich zu finden ist schwierig. Die passende Methodenwahl hängt von vielen VAriablen ab: Lehrerpersönlichkeit, Ziele, Zeitrahmen, Schülerkompetenzen, Rahmenbedingungen, etc. So viel kann ich sagen: Die Schüler sollten möglichst viel eigenaktiv denken und handeln. Der minimalste Schritt wäre, deinen Lehrervortrag zu halten und die SuS bitten, mitzuschreiben. In einem nächsten Schritt tauschen sie sich mit einem Partner über das Mitgeschriebene aus, dann treffen sie sich zu viert und erarbeiten einen kurzen Vortrag aus dem Gelernten, den sie dann vorstellen. Dein Vortrag sollte dabei nur ca. 15 bis 20 Minuten dauern.
    Du könntest auch zum Einstieg ein Fallbeispiel geben, welches eine Auswahl von einem bestimmten Speichertyp erfordert. Zum Lösen des Falles müssen sich die SuS mit den Speichertypen beschäftigen, ihre Vor- und Nachteile ermitteln (entweder per Textarbeit oder Internetrecherche) und ihr Ergebnis dann vorstellen: welchen Speichertyp haben sie gewählt und warum?


    Wenn die Schüler angeblich so viel schon wissen, kannst du auch dieses Vorwissen nutzen: Welche Speichertypen kennen sie und welche Vor- und Nachteile haben diese. Meist kommt dann dabei raus, dass die SuS gar nicht so viel Ahnung haben, wie man meint.


    Es ist meiner Meinung übrigens keine Schande, bestimmte Dinge als Lehrer nicht zu wissen. Das ist heutzutage (und bei manchen dämlichen Schülerfragen) gar nicht möglich. Man kann die SuS dann auch bitten, dies mal zu recherchieren und beim nächsten Mal die gefundenen Lösungen besprechen (natürlich musst du dann auch selbst nachschlagen).


    Zu den Zielen: die kannst du festlegen. Wenn du meinst, dass die das alles schon wissen (und dem ist tatsächlich so), dann musst du deine Ziele anpassen und komplexer gestalten.


    Soweit erst mal. Ach so: Meine ersten Unterrichtsversuche während des Studiums waren auch nicht so der Hit. Wichtig ist der Wille zur steten Verbesserung und die Arbeit daran.


    Gruß
    CKR

  • Hallo Malvinas,
    naürlich wissen die Schüler (scheinbar) oft mehr als der Lehrer. Na und?
    Du sollst als Lehrer einen Lernprozeß anregen und die Schüler dabei begleiten. Gerade im berufsschulischen Bereich ist die Prozeßgestaltung (des Lernprozesses) neben den Fachinhalten ein wichtiger Inhalt.
    Du könntest beispielsweise Werbung für PCs nutzen (von Mediamarkt, Saturn o.ä.). Dort wird immer mit großen Zahlen für Arbeitsspeicher, Festplatte usw. bzw. mit hohen Geschwindigkeiten für USB 2.0, Prozessor... geworben.
    Im Unterricht wäre dann zu thematisieren, was diese Zahlen tatsächlich bedeuten. Dazu könntest du die Schüler in Gruppen zu einzelnen Themen recherchieren und das Ergebnis kurz präsentieren lassen. Mit "präsentieren" meine ich hier nicht unbedingt eine "dicke" PowerPoint-Präsentation, ein paar Stichpunkte auf einer OHP-Folie tuns auch :)
    Als Informationsmaterial kommen Bücher, Zeitschriften und das Internet in Frage.
    Die Präsentationen der Schüler kannst du dann durch andere Schüler ergänzen lassen oder durch eigenes Wissen ergänzen.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Hallo,


    vielen Dank für Eure Antworten !


    Es ging mir in erster Linie herauszufinden, wie diese Themen inhaltlich behandelt werden.
    Da ich als Laie keinerlei didaktische und methodische Kenntnisse besitze, blieb mir nur der unsägliche Frontalunterricht übrig, zumal die Zeiten zwischen Bekanntgabe der Unterrichtsthemen und des Unterrichts nur 1 bzw. 2 Tage betrugen.

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