Erziehungspartner

  • ich versuch mal, meine Gedanken als langjähriger Lehrer, Kollege und kritischer Vater ganz allgemein darzustellen.


    Wer ist mit mir noch der Meinung, dass das Wichtigste in der Schule ist,
    dass Eltern und Lehrer nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich voll und ganz als Erziehungspartner begreifen, deren Aufgabe (für die einen beruflich, für die anderen privat) es ist, gemeinsam das bestmögliche für den "obersten Dienstherrn", das Kind, herauszuholen?


    Beispiel: Ich schicke immer an die Eltern einen grundsätzlchen Gedanken über das Thema Hausaufgabe:


    Hausaufgabe kann viel Sinn haben und hat sie auch, aber sie ist niemals ein Grund, dass sich Lehrer und Kinder, Lehrer und Eltern, Eltern und Kinder miteinander streiten müssen


    sicher ist meine Einstellung irgendwie ziemlich idealistisch, aber ich habe schon an Schulen erlebt, dass Kinder und Eltern fast schon wie Feinde behandelt wurden:


    Wir müssen mit einer Zunge sprechen, sonst spielen uns die gegeneinander aus


    Als ob es nicht das wichtigste überhaupt wäre, jeglichen Gedanken an ein Gegeneinander auszuschalten!


    Natürlich kann ich mal anderer Meinung sein als der Erziehungspartner, aber die Sachlichkeit sollte ich dabei nie vergessen.


    Warum regen sich Lehrer auf, wenn Eltern den Sinn einzelner Verweise nicht anerkennen? Beispiel: ein Schülerin ruft in der Pause trotz allgemeinem Handy-Verbot ihre Mutter mit dem Handy an. Welchen Sinn macht ein Verweis?

  • Zitat

    Original von John2
    Warum regen sich Lehrer auf, wenn Eltern den Sinn einzelner Verweise nicht anerkennen? Beispiel: ein Schülerin ruft in der Pause trotz allgemeinem Handy-Verbot ihre Mutter mit dem Handy an. Welchen Sinn macht ein Verweis?


    Klar, stelllen wir es den Eltern frei, was für ihr Kind gelten solll und was nicht. Man könnte den Eltern bei der Einschulung einen Ankreuzfragebogen geben, welche Regeln für ihr Kind gelten sollen.


    ( ) Handyverbot
    ( ) Prügelverbot
    ( ) Diebstahlsverbot
    ( ) Mobbingverbot
    ...


    Es werden dann nur noch die Dinge geahndet, deren Ahndung die Eltern als sinnvoll einsehen. Super Sache, oder?


    Ironie off und Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von John2


    Warum regen sich Lehrer auf, wenn Eltern den Sinn einzelner Verweise nicht anerkennen? Beispiel: ein Schülerin ruft in der Pause trotz allgemeinem Handy-Verbot ihre Mutter mit dem Handy an. Welchen Sinn macht ein Verweis?


    Bist du wirklich Lehrer? ?( Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Lehrer sich die Antwort auf diese Frage - alleine aus dem Alltagserleben heraus - selbst geben kann. Ich hätte diese Frage vielleicht genauso gestellt, als ich noch studiert und Schule noch nicht aus Lehrersicht von innen gesehen habe.


    Der Grund ist eben der, dass man
    a) alle Schüler in der Regel gleich behandeln sollte (natürlich gibt es Ausnahmen, z.B. Notfälle), da sich sonst andere zu Recht beschweren, warum bei ihnen anders gehandelt wurde
    b) man unter Zeitdruck entscheiden muss, da man täglich unzählige Entscheidungen, teilweise innerhalb von Sekunden, fällen muss
    Und wenn man jede Entscheidung individuell fällt, dann wird ganz schnell das System Schule lahmgelegt.


    Ich kann mir wirklich kaum vorstellen, dass diese Frage (und ich beziehe mich jetzt explizit nur auf diese eine Frage in deinem Thread) von jemandem kommt, der täglich - und wie du schreibst, seit Langem - im Alltagsleben der Schule arbeitet.


    Man könnte doch so bei jeder Regel argumentieren: Wieso bekomme ich ein Bußgeld, wenn ich mit dem Auto geblitzt werde, aber außer mir niemand unterwegs ist und ich niemanden gefährde? Außerdem hatte ich es vielleicht eilig.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Referendarin


    Bist du wirklich Lehrer?
    Ich kann mir wirklich kaum vorstellen, dass diese Frage (und ich beziehe mich jetzt explizit nur auf diese eine Frage in deinem Thread) von jemandem kommt, der täglich - und wie du schreibst, seit Langem - im Alltagsleben der Schule arbeitet.


    Man könnte doch so bei jeder Regel argumentieren: Wieso bekomme ich ein Bußgeld, wenn ich mit dem Auto geblitzt werde, aber außer mir niemand unterwegs ist und ich niemanden gefährde? Außerdem hatte ich es vielleicht eilig.


    vielleicht ist der Herr ein Elternteil ?


    das würde meine Ansicht bestätigen, dass Lehrer allmählich oft auch zu Erziehern der Eltern werden müssen, ob sie wollen oder nicht

  • Ich stimme John2 grundsätzlich zu, finde das Beispiel mit dem Handy auch grundsätzlich etwas ungünstig. In jeder Schule und in jedem Elternhaus gelten - normalerweise - Regeln, die einzuhalten sind und das haben alle Beteiligten zu akzeptieren.
    Dennoch finde ich die Art und Weise, in der oft über Kinder und deren Eltern geredet wird, mehr als befremdlich. Genauso befremdlich finde ich es aber auch, wenn einiger meiner Miteltern automatisch die Position ihrer Kinder im Konflikt mit der Schule übernehmen.


    "Wer ist mit mir noch der Meinung, dass das Wichtigste in der Schule ist,
    dass Eltern und Lehrer nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich voll und ganz als Erziehungspartner begreifen, deren Aufgabe (für die einen beruflich, für die anderen privat) es ist, gemeinsam das bestmögliche für den "obersten Dienstherrn", das Kind, herauszuholen?"


    Ich unterschreibe das auch für den Fall, dass es sich bei John um einen Vater und nicht um einen Lehrer handeln sollte. Ist mir völlig schnuppe...-


    ninale

    Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

  • Zitat

    Original von John2
    Wer ist mit mir noch der Meinung, dass das Wichtigste in der Schule ist,
    dass Eltern und Lehrer nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich voll und ganz als Erziehungspartner begreifen, deren Aufgabe (für die einen beruflich, für die anderen privat) es ist, gemeinsam das bestmögliche für den "obersten Dienstherrn", das Kind, herauszuholen?


    Sicherlich ist es ideal für alle Beteiligten, wenn Eltern und Lehrer an einem Strang ziehen. Dieses Ideal aber zu verabsolutieren, halte ich für ausgesprochen kontraproduktiv. Ohne John2 und ninale das direkt unterstellen zu wollen (ich kenne euch ja nicht persönlich): Aus meiner Sicht liegt dieser Argumentation oft ein übersteigertes Harmoniebedürfnis und/oder eine eingeschränkte Konfliktfähigkeit zu Grunde.


    Oft ist der Konflikt aber einfach unvermeidbar und auch durchaus sinnvoll. Viele meiner Schüler verhalten sich bspw. in der Schule sicherlich ganz anders als im eigenen Elternhaus. Die Wahrnehmung der Eltern und der Lehrer auf ein und das selbe Kind kann also sehr weit auseinander gehen. Da sind dann Konflikte oft einfach nicht vermeidbar, insbesondere dann, wenn die eine Seite die Wahrnehmung der anderen nicht nachvollziehen kann.


    Mein Schulleiter hat da mal was sinnvolles zu gesagt. Seiner Meinung nach gehören Konflikte zwingend zur pädagogischen Erziehungsarbeit dazu. Sie sind sogar notwendig, damit sich die beteiligten Parteien weiter entwickeln können. Die Frage ist aber, wie ich einen Konflikt austrage. Da gibt es sicherlicherlich auf allen Seiten oft noch Verbesserungsbedarf.

  • Erstmal vielen Dank für die interessanten Beiträge!


    Dass man

    Zitat


    vielleicht ist der Herr ein Elternteil ?


    hier tatsächlich schon einen Gegensatz konstruieren kann?


    Schon mit dieser Frage trifft Friesin das Problem genau auf den Punkt!


    Ist es meine Pflicht, als Lehrer zu vergessen, dass man auch ein Elternteil ist?
    Wird nicht gerade dadurch der Weg für diesen Gegensatz zur "Erziehungspartnerschaft" bereitet? Ist es wirklich vorrangig Aufgabe eines Lehrers, Erziehungsfehler zu beseitigen, weil sich Schüler eben so zu verhalten haben, wie es der - vom System Schule - vorgeschriebenen Norm entspricht?


    Überspitzt ausgedrückt: Schule als Institution, einen staatlich definierten Verhaltensanspruch durchzusetzen auch gegen den Willen der "Erziehungspartner". Wie gesagt, überspitzt ausgedrückt, von einem, der eben die Elternrolle nicht vergessen hat, trotz der Lehrerrolle.


    Was ich will, ist schlicht und einfach ausgedrückt, genau das, was sicher in jeder Vorschrift für Lehrer auch irgendwie irgendwo so steht: Eltern nicht als "Kunden" oder "Klienten" (im günstigsten Fall) behandeln, ihnen die geballte Amts- und Institutionsautorität entgegenschmettern, sondern
    in Form einer Art Gleichberechtigung unter Berücksichtigung eines gemeinsamen Zieles nach Wegen der optimalen Förderung (auch in charakterlicherr Hinsicht ) suchen.


    Konkret nun auf Verweise und so bezogen: Ein Verweis, der unter Bezug auf einen Verstoss gegen die Schulordnung gegeben wird (trifft ja wohl vielleicht auf alle Verweise irgendwie zu) ist eine schulische "Waffe", genannt Ordnungsmaßnahme. Dient der "Waffengebrauch" lediglich als Machtdemonstration um eben die Schulordnung durchzusetzen und Verstösse zu ahnden), wird er von den Eltern nicht zu Unrecht oft nicht anerkannt und zielt damit ins Leere, es sei denn, die Institution Schule will damit tatsächlich schon den Weg vorbereiten, den Schüler ggf. irgendwann von der Schule zu entfernen.


    Muss sich die Schule aber berechtigt vor Störungen des Unterrichts durch den Täter schützen, ist ein Verweis voll berechtigt und eine gute Ordnungsmaßnahme.


    Ich bitte, diese Darstellung noch als vereinfacht zu begreifen und vielleicht sich nicht an angreifbaren Einzelformulierungen aufzuhängen, sondern zu versuchen, mein grundsätzliches Anliegen zu verstehen und darauf einzugehen!


    Den Ausführungen von Schubiddu zum Thema Konfliktaustragung stimme ich schon zu, bin allerdings der Meinung, dass mit einem Konflikt so umgegangen werden sollte:


    1. nach Möglichkeit vor dem Entstehen schon ersticken
    2. wenn dies nicht geht, analysieren und mit möglichst umproblematischen, zur Not aber mit allen, Mitteln austragen
    3. auf keinen Fall jedoch unterdrücken.


    Vielleicht noch ein Beispiel: Wenn Schüler an irgendeiner Stelle der Schule öfter irgendeinen Mist machen, löse ich das Problem dann dadurch auf die richtige Weise, dass ich den Aufenthalt dort verbiete oder ist das eine falsche Lösung, die im Grunde nur die Unfähigkeit der Schule zeigt, den Mist zu unterbinden, ohne das positive (den Aufenthalt) gleich mit zu unterbinden?

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde das angestrebte Miteinander so dermaßen selbstverständlich, dass ich es erstaunlich finde, dass da Meinungen eingeholt werden sollen...
    Kommt mir vor, als ob in einem Einzelhandelsforum gefragt wird, ob alle der Meinung sind, dass der Kunde mit Höflichkeit und Respekt behandelt werden soll, und dass man vom Kunden hofft, dass er nix klaut und den Laden nicht verwüstet.


    Das ist die grundsätzliche Annahme, dass das so ist. Das Normale.


    Dass es in der Realität vereinzelte Abweichungen davon gibt, ist jedem bekannt ... dann muss man damit halt umgehen. Außerhalb der Schule gibt es dafür dann ggf. das Strafrecht... und in der Schule gestaffelte pädagogische Maßnahmen, und auch da ist es selbstverständlich, dass man versucht, die im Einvernehmen mit den Eltern zu regeln.


    Ich finde die ganze Diskussion etwas müßig ...


    *achselzuck*

  • dass das Ganze eigentlich selbstverständlich sein sollte, finde ich durchaus.
    Mir geht es aber darum, das theoretisch Selbstverständliche auch in der Praxis in einer Schule genau so selbstverständlich werden zu lassen.


    Beispiel: In einer Schulordnung steht "die Lehrer sind eure Freunde".


    Ein Kollege findet einen solchen Satz wegen der Gefahr der Kumpelhaftigkeit zu gefährlich. Oder man muss sich folgenden Satz vom Schulleiter anhören: "du bist zu demokratisch".


    Freilich stösst dieser pädagogische Idealismus irgendwann an seine Grenzen, freilich muss man in der Praxis manchmal radikal die berechtigten Ansprüche der "anderen Seite", bezogen auf den Schüler, durchsetzen, hab ich auch schon getan.


    Es geht hier doch nur darum, ob diese Einstellung erstmal in den Köpfen der Lehrerschaft Fuß fasst und dann soweit es geht, realisiert wird, oder eben die Einstellung, dass - extrem formuliert - nicht Lehrer die sind, die einen Auftrag erfüllen müssen, sondern Schüler und Eltern sich in ihrem Verhalten den Anforderungen der Institution Schule beugen müssen, um nicht mit ihr in Konflikt zu geraten.


    Ein Arzt soll ja auch nicht als Halbgott in Weiß, sondern als bezahlter "Dienstleister" behandelt werden, genau wie ein Lehrer oder ein Anwalt.


    Eltern und Kinder erwarten mit Recht Leistung vom Lehrer, dieser mit Recht angemessenes Verhalten.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von John2
    Es geht hier doch nur darum, ob diese Einstellung erstmal in den Köpfen der Lehrerschaft Fuß fasst und dann soweit es geht, realisiert wird, oder eben die Einstellung, dass - extrem formuliert - nicht Lehrer die sind, die einen Auftrag erfüllen müssen, sondern Schüler und Eltern sich in ihrem Verhalten den Anforderungen der Institution Schule beugen müssen, um nicht mit ihr in Konflikt zu geraten.


    Das suggeriert, dass diese Einstellung lediglich eine Ausnahme sei und dieser Entwicklungsprozess vielen Lehrern noch bevorsteht.


    Zitat

    Ein Arzt soll ja auch nicht als Halbgott in Weiß, sondern als bezahlter "Dienstleister" behandelt werden, genau wie ein Lehrer oder ein Anwalt.


    Das Beispiel mit dem Arzt verstehe ich nicht - wenn Du vom Lehrerverhalten in der Institution Schule ausgehst, dann müsstest Du analog dazu das Verhalten der Ärzte den Patienten gegenüber vergleichen und nicht die "Ehrfurcht" der Patienten vor den Ärzten.


    Mir ist auch nicht klar, was man jetzt noch zu Deinen Wunschvorstellungen sagen soll, da sie wie erwähnt der Normalfall sein sollten und selbstverständlich sind. Ein Verweis auf den Umstand, dass das nicht immer und überall so ist, das ist nicht unbedingt eine neue Erkenntnis.


    Gruß
    Bolzbold

  • Ich lese dies hier auch eher mit Befremden, bei uns gibt es ein Miteinander von Eltern und Lehrern. Das wird praktiziert und darüber wird auch nicht groß geredet. Natürlich gibt es hier und da auch Ausnahmen, da klappt die Zusammenarbeit nicht vollständig, aber die gibt es immer und sie stellen wirklich Ausnahmen dar.


    Trotzdem gibt es Regeln, ich nehme einem Schüler das Handy weg, der während der Pause andere Schüler, die das nicht wollten, fotografiert hat. Nach der Aufsicht rufe ich fix zuhause an, schildere dem Vater, das ich das Handy gern bis morgen Mittag behalten möchte. Er bedankt sich für den Anruf, seufzt "Das Handy ist ganz neu, er hat uns hoch und heilig versprochen keinen Mist damit zu machen, behalten Sie das Ding ruhig übers Wochenede!" Fertig.

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

  • Bei dem Beispiel mit dem Arzt wollte ich darauf hinaus, dass Ärzte von den Patienten oft als Halbgötter in Weiß behandelt werden (wurden), statt der Tatsache mehr Bedeutung beizumessen, dass sie - wie eben auch die meisten Beamten, z. B. die Lehrer - im Dienstleistungsbereich tätig sind und Ärzte von den Patienten leben.


    Wenn dieses von mir angeschnittene Miteinander in der Erziehung an einer Schule funktioniert, ist es ja gut. Ich glaube ja auch, dass es in den meisten Schulen der Fall ist und dass die meisten Kollegen so denken.


    Wenn sich diese Zahl durch meinen etwas provozierenden Gesprächsanstoß vielleicht doch noch erhöht haben sollte, oder vielleicht Andersdenkende zum Überdenken gebracht wurden, hatte der Beitrag schon seinen Sinn.


    Das war's eigentlich.

Werbung