Hallo, Nitsche!
ZitatOriginal von Nitsche
@ Nele, (und alle Anderen)
Ich finde es gut, dass Du Dich ausführlich mit unserem Fragebogen auseinandersetzt.
Nicht böse gemeint - könntest du bitte auf den Pädagogen-Psychologenduktus verzichten. Ist amüsant aber in diesem Forum nicht notwendig.
Ich denke, das hier sind die Kernstellen in deiner Antwort:
Zitatwenn ein neues Instrument (hier zu Erfassung von Lehrerzielen) untersucht werden soll, da zur Überprüfung der Güte dieses Instrumentes Zusammenhänge zu früheren (etablierten) Skalen hergestellt werden müssen. Erst dann lässt sich mit diesem Instrument wissenschaftlich weiterarbeiten. Aus diesem Grund sind auch so viele Fragen zur „Mentalität“ von Lehrkräften enthalten.
Und:
ZitatWir verstehen Ziele darüber hinaus nicht als etwas, was (angehende) Lehrer einfach nur fertig in die Ausbildung bzw. den Beruf mit einbringen. Sie hängen in starkem Maße auch von der Umwelt ab, in der ich mich befinde und verändern sich über die Zeit, auf Grundlage eigener Überzeugungen, gemachter Erfahrungen und aktuellen Ereignissen, denen ich ausgesetzt bin. Leider können aber nicht alle Aspekte in einer Studie umfassend betrachtet werden.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, geht es dir darum, die Ziele von Lehrern quantitativ untersuchbar zu machen, um so ein verlässliches Instrument zu schaffen, mit dem Erkenntisse gewonnen werden können, die zur Verbesserung der Lehrerausbildung beitragen. Platt ausgedrückt: was wollen die Referendare und Lehrer eigentlich und was bedeutet das für ihre Aus- und Fortbildung?
Das ist sicherlich prinzipiell eine ganz sinnvolle Fragestellung, vor allem, weil du hier, im Gegensatz zu dem, was auf der Einleitungsseite zur Studie und in deinem ersten Beitrag steht, die Veränderlichkeit solcher Ziele und ihre Interdependenz mit der Außenwelt einbeziehst - letzteres war ja mein entscheidender Kritikpunkt. Das entspricht ja auch der banalen Alltagserfahrung, dass sich die Berufsvorstellung von Anfängern in der Regel wenig mit der Vorstellung von "alten Hasen" deckt. Allerdings sehe ich deine Erhebung und das zu erwartende Datenkorpus immer noch auf mehreren Eben als problematisch.
Wenn du denn erstens von der Variabilität der Lehrerhaltung ausgehst, dann muss ich allerdings feststellen, dass deine Daten nur wenig Aussagkraft darüber erlangen werden. Es beginnt damit, dass du zwar zwischen Referendaren und fertigen Lehrern differenzierst (wo bleiben eigentlich die Lehramtsstudenten? - angesichts der geplanten und teilweise schon durchgeführten Verschmelzung der ersten und der zweiten Ausbildungsphase machst du deine Daten wenig zukunftstauglich! ) Ich halte das für eine recht grobschlächtige Unterscheidung, die typische Altersstruktur von Lehrerkollegien fällt da z.B. aus der Perspektive. Viel wichtiger ist allerdings, dass du die Interaktion zwischen Mentalität und Außenwelt außer in einigen Ansätzen nirgendwo einer Betrachtung unterziehst. Ich frage mich ernsthaft, welchen Nutzen eigentlich die Aussage "Referendare denken so" und "Lehrer denken so" hat, wenn man nicht gleichzeitig überprüft, aus welchen Gründen es zu einer Varianz gekommen sein mag oder in welcher Beziehung die Mentalität zur Realität steht.
Zweitens sehe sich eine große Schwierigkeit in der Art und Weise, wie in deinen Fragen mit Ideologie umgegangen wird. Du hast natürlich bemerkt, dass die meisten der Kollegen hier leicht bis mittel enerviert auf den ersten Fragekomplex reagieren. Das resultiert m.E. aus dem Ideologieproblem des Lehrerberufes. Wir arbeiten, um es mal so auszudrücken, gleichzeitig in zwei Welten. Einerseits befinden wir uns in einem hochkomplexen Netz aus strukturellen, materialen, politischen und rechtlichen Bedingungen, die faktisch definieren, was Schule ist und leisten soll. Parallel dazu und vom ersten Komplex weitgehend unberührt besteht ein ideologischer Bau, der die Ideale der Lehrerarbeit definiert (und die allermeisten pädagogischen Lehrstühle sichert) aber über weite Züge nicht nur den Charakter einer Utopie hat, sondern teilweise auch so verstanden wird (Hilbert Meyers Verweis auf die "konkrete Utopie" im Blochschen Sinne), was wissenschaftstheoretisch natürlich reichlich fragwürdig ist. Aus Gründen, die mir nicht ganz klar sind und die wahrscheinlich diskurshistorische Ursachen haben, wird im "System Schule" diese Dichotomie zwischen Ideologie und Realität wie des Kaiser neue Kleider behandelt. Jeder weiß, was Sache ist, aber es wird nicht öffentlich ausgesprochen - allerdings beginnt sich die Stimmung zunehmend zu ändern: die Kollision zwischen "ihr Lehrer sollt!" und dem "ja, wie sollen wir denn bitte!?" sorgt zunehmen für Unmut.
Dein erster Fragenteil stößt, wahrscheinlich unabsichtlich, in genau diesen Problemkomplex, was die zu erwartende Validität deiner Daten berührt. Es ist möglich, dass du eine Reproduktion der Ideologie erhältst aber es ist auch möglich, dass du eine emotional gefärbte (oder überhaupt keine) Antwort auf als ideologiebelastet empfundene Fragen erhältst. Gleichzeitig sehe ich in deinem Fragenkatalog nicht wirklich Kontrollinstrumente, mit denen du die Verlässlichkeit der Angaben überprüfst. Ich befürchte, dass deine Daten nur Aussagen darüber erlauben, ob der Proband generaliter ideologische Positionen reproduziert oder nicht und ob das repräsentativ für Referendare oder Lehrer ist - was mich wiederum zu der Frage führt, ob für diese Erkenntnis wirklich 100 Einzelfragen notwendig sind. Der mehrfache Vorwurf, dass die Fragen wenig differenziert - "platt" - sind, steht ja weiterhin im Raum.
Abschließend kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass so eine, ich sage mal subtile Erweiterung des Wissens über die Lehrermentalität tatsächlich zur Qualitätssicherung in der Ausbildung beitragen kann. Aus mehrjähriger Praxis mit Kontakten in ein Schulministerium und in die Referendarsausbildung hinein sehe ich die absolute Dominanz der strukturell-materialen Parameter im Zusammenhang mit den Prämissen der Bildungspolitik. Deine Untersuchung kann bestenfalls dazu dienen - Rauin lässt grüßen - den ideologischen Überbau zu erweitern.
Das halte ich für kaum hilfreich.
Nele
[edit: einige sprachliche Fehler repariert]