Buchbesprechung: Tyrannen müssen nicht sein > Ableitungen für die GS

  • Nach Hinweisen hier aus diesem Forum auf das Buch "Tyrannen müssen nicht sein" (A.Winterhoff), hab ich es mir also letzte Woche gekauft und sehr rasch durchgelesen.


    Ich konnte den Ausführung weitgehend folgen. Hätte auch gerade für den Grundschulbereich etliche Beispiele erweitern können, die die Aussagen des Autors bestätigen. Ich habe auch meine eigene "Professionalisierung" vom Referendariat (Kind als Partner) in das Berufsleben (Kind als Kind/Schüler) nachvollziehen können. Das Betrifft z.B. meinen Umgang mit Hausaufgaben, liderlichen Aufzeichnungen, Provaktionen durch Schüler, etc.


    Mich hat jedoch der Teil des Buches geärgert, in denen die Öffnung von Unterricht als grundsätzlich falsches Konzept beschrieben wird. Ich verstehe, dass sich der Autor gegen den Begriff des "selbstverantworteten Lernens" stellt - Grundschüler können ihr Lernen noch nicht verantworten! Aber was spricht gegen Unterrichtsabschnitte des selbstbestimmten Lernens?!


    Meine Schüler arbeiten 80% fremdbestimmt, in der verbleibenden Zeit biete ich Freiräume an. Wer diese nicht wahrnimmt (wahrnehmen kann), wird von mir unterstützt, eine Arbeit zu finden.


    Des weiteren versuche ich durch "Klassenräte", Kinder durchaus zu eigener Verantwortung / Demokratie anzuleiten. Für mich ist das Training, so wie es Winterhoff ja selber schreibt.


    Ich bin nun also ein Stück weit verunsichert (gefiel mir das Buch doch sehr gut!), ob ich den Kindern damit wirklich einen Gefallen tue oder ob ich sie überlaste. Bislang hatte ich das Gefühl, die Entwicklung der Kinder zu unterstützen.


    Wie seid ihr mit den Aussagen des Buches umgegangen - gerade die KollegInnen, die ebenfalls "offenere" Unterrichtskonzepte verfolgen bzw. einbinden. Oder würdet ihr dem Autor sogar grundlegend widersprechen?

  • Kenne nur das erste Buch, da beschreibt er die Versäumnisse und Fehlerziehung im Elternhaus ziemlich treffend, geärgert hat mich, dass seiner Meinung nach die Schule das richten soll. Wie soll sie das denn schaffen? Da ich das zweite Buch nicht gelesen habe, bin ich nur ein unzureichender Diskussionspartner.


    Meiner Auffassung nach gibt es einen großen Unterschied zwischen selbstbestimmtem und selbstverantwortetem Lernen. Die Verantwortung sollte in der Tat beim Lehrer bleiben und die ultramoderne Haltung, ein Lehrer sei lediglich Moderatur verschiedener Lernbiografien halte ich für ebenso falsch wie die Vorstellung, ein Lehrer solle eigentlich nur Vorturner einer bestimmten Art von Lerntechnik sein. Aber neben der Lerntechnik und dem Überblick über das zu erlangende Wissen gibts auch noch Motivation .... und Kreativität... und das Klima in der Klasse.


    Was spricht dagegen, wenn ein Mädchen mit Comix lesen lernt und das andere mit Pferdebüchern und ein Junge mit dem Guinness Buch der Rekorde, solange Du im Auge behältst, dass sie was können und die Verantwortung dafür nicht an die Kinder abgibst.


    Und Klassenrat ist doch was ganz Tolles wenn Du ein Auge drauf hast und auf die Spielregeln aufpasst, dass das nicht zur Petz- und Mobbingveranstaltung ausartet und nicht immer die gleichen das Sagen haben.


    Natürlich gibt es die Gefahr, dass Lehrer sich hinter selbstverantwortendem Lernen zurückziehen. In diesen Klassen herrscht dann in Wirklichkeit Faustrecht und die Kinder lernen in echt nur das, was Mami zu Hause vorschreibt.


    Lass Dich von Winterhoff nicht verunsichern... Gibt es denn konkrete Bedenken, die Du bezüglich Deines eigenen Unterrichts hast?

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe auch nur das erste Buch gelesen. Aber so wie du es beschreibst, bläst er beim zweiten wieder ins gleiche Horn.


    Obwohl ich bis ungefähr zur Hälfte des Buches dachte: Jawohl, so ist es!, konnte ich Winterhoffs Schlussfolgerungen, die er aus seinen Beobachtungen zieht, nicht teilen!
    Im Gegenteil habe ich mich zunehmend geärgert, eben weil er m. E. alles in Frage stellt, was selbstbestimmtes Handeln von Kindern ausmacht.
    Ich hatte auch den Eindruck, dass er quasi die gute alte Zeit beschwört, wo es noch strenge, aber gerechte Erzieher gab, die das Kind an seinen Platz verwiesen.


    Vermutlich ist das jetzt wieder das andere Extrem, was es scheinbar immer braucht, bevor man sich auf einen Mittelweg einigt. ;)


    Letztlich ist es auch nur die Meinung eines Herrn Winterhoff, und diese muss jetzt nicht das Non plus ultra sein! Immerhin ist er Psychologe und kein Pädagoge.
    Insofern sehe ich auch nicht, warum wir als Fachleute weniger wissen sollten, was für den Lern- und Entwicklungsprozess der Kinder gut ist (wie etwa freies Arbeiten) und was nicht.
    Lass dich nicht davon verunsichern. Man kann sicher Denkanstöße aus dem Buch gewinnen, mehr aber auch nicht.


    LG
    Melo

    Für mich gibt es wichtigeres im Leben als die Schule.


    (Mark Twain)


    Auf dem Weg zur Weltherrschaft! :teufel:

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