Fachwissen?

  • Hallo. (bin noch Student)


    Immer wieder kommt bei mir die Frage auf, ob ich mit meinem Studium genügend Fachwissen (nicht Pädagogik sondern die Fächer) auf den Weg bekomme.


    In Englisch z.B. wird bei mir bisher in der Literaturwissenschaft nur stichpunktartig Literatur aus bestimmten Epochen durchgenommen, der große und ganze Überblick bleibt mir aber bisher ein Rätsel.


    Anderes Bsp: Zum Thema Landeskunde sind im Grund- und Hauptstudium nur zwei Seminare verpflichtend, die teilweise auch noch sehr spezialisierte Themen beinhalten. Ist das genug?
    Ich kann mich erinnern, dass der Lehrplan meines Engl-LKs recht viel Landeskunde vorsah.
    Mal angenommen ich hätte jetzt "Wahlsystem in Wales" und "Apartheit in Südafrika" belegt, aber später im Beruf schreibt das Curriculum ganz andere Themen (und vor allem überblicksartiger) vor. Hat man als Lehrer da während des Unterricht-Gebens noch genug Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten?


    Immer wieder heißt es, das der Lehrer fachwissenschaftlich hervorragend vorbereitet sei, ich mag das angesichts des bereits erwähnten kaum glauben...


    Ich danke euch für Antworten.

    • Offizieller Beitrag

    Ich kam mir teilweise auch schlecht vorbereitet vor im Ref. Mein Problem war vor allen Dingen, dass wir teilweise sehr viel Spezialwissen erlernt hatten und ich immer mal wieder das Gefühl hatte, dass mir einfachste Grundlagen fehlen. Das Gefühl hat sich mit der Zteit gelegt, wobei ich immer mal wieder Themenbereiche habe, bei denen ich nicht in aller Tiefe bescheid weiß, mir viel anlese und das geht einigermaßen, weil Du nicht alle Themen, bei denen Du das Gefühl hast, Defizite zu haben, gleichzeitig unterrichtest. Es gibt auch immer mal Situationen im Unterricht, wo ich mal nicht weiter weiß. Es geht aber trotzdem weiter und an manchen Stellen muss ich dann auch sagen, dass ich das mal nachlesen muss, mir aber dies und das so nicht bekannt ist.


    Ein erhebendes Gefühl ist aber, wenn jemand was wissen will und Dir auf einmal ein Geistesblitz kommt zu etwas, was Du im Studium gelernt hast, in diesem Blickwinkel nie betrachtet hast und genau mit dieser Frage eine Quervernetzung im Hirn entsteht (und das kommt bei mir in Bio gar nicht so selten vor) und Du einen kleinen Fetzen Deines speziellen Wissens im Unterricht unterbringen kannst, womit du vorher nie gerechnet hattest.

  • Sieh das ein bisschen lockerer,


    fast 70% dessen, was ich heute unterrichte, habe ich im Studium niemals gehört. Mein Ref war für mich eine Zeit in der ich Tonnen von Fachbüchern durchgeschmöckert habe, um das fachlich aufzuholen, was mir noch fehlte.


    War aber auch kein Problem, denn niemand kann sich darauf verlassen, dass das was er an der Uni gelernt hat das Einzige bleibt, was er jemals im Leben/Unterricht brauchen wird.
    Fachwissen kann man sich aneignen; wir sind alle Akademiker, da ist es uns zuzutrauen, uns in Themen auch mal selber einzulernen. Für sowas sind schließlich auch die vielen Ferien da (=;


    Wenn du also das Gefühl hast, zuwenig über Landeskunde beigebracht zu kriegen, schnapp dir ein Buch und lies es durch.


    Grüße
    MN

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

  • Zitat

    Original von Modal Nodes
    Mein Ref war für mich eine Zeit in der ich Tonnen von Fachbüchern durchgeschmöckert habe, um das fachlich aufzuholen, was mir noch fehlte.


    puh... da hab ich mit meinen Fächern Glück ja gehabt. Da kann man das Zeug aus der Schule auch, wenn man Nachts aus dem Tiefschlaf gerissen werden würde.



    Bei Hospitationen von Englischuntericht habe ich aber auch schon Düsteres erlebt. Das eine mal waren an der Tafel 3 Rechtschreibfehler. Eine andere hat sich ausgedrückt wie nen guter 9.Klässler und immer jegliche Interesse an Vokablen im Keim erstickt mit dem Satz: "I'am not your translator!"
    uiuiui


    Wir hatten damals eine Englischlehrerin, die einfach nur Wahnsinn war, wusste alles, perfekte Aussprache, der Grammatikfreak vor dem Herrn... da hat man im LK echt was gelernt! Ich mag das Fach.


    -edit- dafür habe ich nach 8 Scheinen ErzWi keine Ahnung von diesem Fach. Das lag aber wirklich nicht an mir :(. Die Seminare waren einfach unter aller Sau. Aber wird sich bis zum Staatsexamen ändern ;) .

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    zur ergänzung...


    ich bin jetzt im zehnten jahr lehrer für geschichte - und wahnsinn, ich lerne auch fachlich noch dazu...einerseits.


    andrerseits hat mich der umgang mit texten im literaturstudium und durch die sprachwissenschaft (eigentlich im gesamten Studium) so fit gemacht, dass ich da im unterricht nicht lang rummachen brauche. ich lese schnell, erfasse schnell, kategorisiere schnell, fasse gut zusammen und habe eine elaborierte sprache. das hilft mir im gesamten schulleben.


    ach ja: wenn ich meine defizite alle im ref aufgeholt hätte oder hätte aufholen wollen, wäre ich nicht zum unterrichten gekommen. ich weiß nicht alles, das weiß ich, aber ich versuche auch nicht anderen (=schülern) vorzumachen, dass es anders sei.


    wenn das handwerkliche stimmt, das methodische herangehen an mein fach und seine kernpunkte, dann brauche ich nicht wirklich ein lückenloses fachwissen. wenn es denn erreichbar wäre. aber wie der kollege oben schon sagte: man sollte einem studierten zutrauen, dass er diese defizite selbst ausgleicht.


    letzter gedanke: angesichts der neuordnung des studiums frage ich mich allerdings, ob die aktuellen studis noch genug fachwissen mitbekommen. "früher" hatte man ja noch zeit und muße mehrere veranstaltungen einfach so zu besuchen...


    nun ja


    grüße


    h.


    ps: keine angst, du wirst nach einem herkömmlichen studium jeden schüler in die tasche stecken können, was das wissen angeht.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von haraldi
    Immer wieder heißt es, das der Lehrer fachwissenschaftlich hervorragend vorbereitet sei, ich mag das angesichts des bereits erwähnten kaum glauben...


    Ich danke euch für Antworten.


    Nun ja, das ist er unter dem Aspekt, dass er das nötige Handwerkszeug mitbringt, um eventuelle fachliche Lücken professionell zu schließen.
    Niemand kann alles wissen - man sollte nur wissen, wo es steht, wenn man etwas sucht.


    Gruß
    Bolzbold

  • Ich sehe es wie Bolzbold: Du musst nicht alles wissen. Du solltest aber die behandelten Themen so weit verinnerlicht haben, dass du mehr (!!!) als das Schulbuch weißt. Wie viel mehr das ist, hängt von dir ab (Quervernetzungen im Hirn, ähnliches schon mal gemacht, usw.).


    Mir wurde mal während eines Praktikums gesagt, dass man sich NIE vor Schülern eine Blöße geben sollte, etwas nicht zu wissen.
    Das sehe ich mittlerweile nicht mehr so - du musst nicht alles wissen. Meine Schüler wissen aber, wo sie selbst Sachen in Erfahrung bringen können (wir haben ein 20bändiges Lexikon in den Klassenzimmern stehen + einen internetfähigen PC + einige Englisch- Wörterbücher).
    Meine Schüler wissen aber, dass ich vieles weiß und das trotzdem nicht gleich verrate 8). Manchmal sage ich aber auch ganz offen, dass ich da jetzt selber nachschauen muss - ist ok, sollte nicht ständig vorkommen und muss dann auch wirklich von dir erledigt werden.
    Dadurch bin ich glaubwürdig und immer noch kompetent (in den Augen der Schüler). Mein Kollege (der in seinen Fächern wirklich ein enormes Fachwissen hat!) hat bei unseren 8.- und 9.Klässlern den Ruf weg, Null Ahnung zu haben. Warum das so ist, weiß ich nicht ?(.

    Vermeintliche Rechtschreibfehler sind ein Vorgriff auf kommende Rechtschreibreformen und deren Widerruf.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von MrsX
    Mein Kollege (der in seinen Fächern wirklich ein enormes Fachwissen hat!) hat bei unseren 8.- und 9.Klässlern den Ruf weg, Null Ahnung zu haben. Warum das so ist, weiß ich nicht ?(.


    weil fachwissen in unserem job nicht alles ist. ich hab auch ne menge kollegen, die bestimmt riesen ahnung haben, aber die schüler verzweifeln bei denen im unterricht. komischerweise taucht das besonders in naturwissenschaftlichen fächern auf.


    aber da wir grad dabei sind. dieser "lehrer-status" des "alles-wissens" steht mir in letzter zeit manchmal ganz schön im weg. es gibt themen, die ich im unterricht bearbeite, sei es in deutsch oder sozialkunde, wo es mich einfach interessiert, was die schüler denken, wo es nicht darauf ankommt, dass jetzt was RICHTIGES gesagt wird, wo einfach mal ins blaue hinein gemutmaßt werden soll, gedacht werden soll...und da schauen sie mich mit großen augen an, haben angst, was zu sagen, weils ja falsch sein könnte *argh*...


    typisches lehrerdilemma?


    grüße


    h.

  • Ich weiß nicht, wie frei heute noch die Wahlmöglichkeiten sind. Zu meiner Zeit bestand doch die Gefahr, zu viel "Abseitiges" zu machen.
    Das erweist sich dann als Horror, wenn man sich als Junglehrer auf einmal auch noch in vielen Gebieten fachlich einarbeiten muss. Mit dem universitären Hintergrund ist das zwar kein prinzipielles, aber durchaus ein zeitliches Problem. Dass ich in Germanistik fast alle Literaturepochen bewusst durch Seminare und Vorlesungen vertieft abgedeckt habe, hat mir schon viel Zeit erspart.
    Ich denke, die Mischung macht es. Schüler sind nämlich auch sehr angetan, wenn man Spezialwissen aus dem Hut zaubern kann.
    Ich würde konkret mich mal bei Praktika oder Absolventen erkundigen, was sinnvoll an der Uni belegt werden könnte/sollte.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

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