Niedersachsen: Wulff droht Lehrern längere Arbeitszeiten an

  • Zitat

    Wulff machte den Lehrern öffentlich klar, dass er durchaus noch weiter hätte gehen können: Der Landesrechnungshof habe schließlich angeregt, den Lehrern sogar generell längere Arbeitszeiten zu verordnen.


    http://www.abendblatt.de/daten/2009/02/25/1062332.html


    Vor kurzem habe ich hier noch spekuliert, dass dies der nächste logische Schritt ist (hier), um den durch Versagen der Poltik verursachten Lehrermangel zu beheben.


    Aber nach kompletter Streichung der Sonderzahlung (=Weihnachts- und Urlaubsgeld), Wortbruch beim Arbeitszeitkonto und den aktuellen Maßnahmen (siehe obigen Link) wundert einen nichts mehr.


    Nebenbei: Die Überschrift des oben verlinkten Zeitungsartikel ("2050 Lehrer gegen Unterrichtsausfall") ist eine Frechheit: Es werden nicht etwa 2050 Lehrer eingestellt, sondern es werden 2050 Lehrerstellen durch die diversen "Maßnahmen" der Politik "erwirtschaftet".


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich frage mich, wie lange die PolitikerInnen das Thema Lehrerarbeitszeit noch ausreizen können. (Vielleicht solange das Thema Arbeitszeit in Hauptfächern nicht angemessen behandelt wurde? Wenn doppelte HauptfachlehrerInnen es immer noch schaffen, 26 Stunden zu erteilen und dabei 7-8 Korrekturen zu bewältigen, dann kann man ja immer noch etwas draufsetzen, denn NebenfachlehrerInnen wissen sich schon zu helfen, da kann man auch mal die eine oder andere Stunde verquatschen und sich Freiraum schaffen, denn Tests - wenn, dann nur multiple choice! - muss man ja nicht unbedingt schreiben! Wer kontrolliert überhaupt, was im Biologie-, Religions-, Politik-, Erdkunde-, Sport- oder Kunstunterricht geleistet wird?) Das Jammern der LehrerInnen ist hinreichend bekannt, es wird an den Zuständen nichts ändern und die Lufthoheit haben die Stammtische. Welche Möglichkeiten haben Beamte/Beamtinnen, sich gegen Verordnungen zu wehren, die nirgendwo zu Buche schlagen außer in der weiteren Beschneidung ihrer Freizeit? Solange Lehrerarbeitszeit nur über das Unterrichtsdeputat festgelegt wird (was bedeutet schon das eine oder andere Stündchen mehr?), wird sich die Arbeit in den nicht umsonst so genannten, korrekturintensiven Hauptfächern verschlechtern. So passen neueste wissenschaftliche Untersuchungen ins politische Konzept: Bessere LehrerInnen braucht das Land, die noch mehr in noch weniger Zeit für einen (vielleicht noch nicht einmal gedachten) warmen Händedruck bewirken, den pädagogischen Zauberstab schwingen und nur noch strahlende Gesichter hinterlassen!

  • Das Unterrichts-Deputats-Modell ist eben Schwachsinn und von Übel. Es erzeugt (verständlicherweise) ein schlechtes Image des Berufs (denn wer hätte nicht gerne eine 26 mal 45 Minuten-Woche)? Es bietet Politikern jederzeit Handlungsmöglichkeiten - denn es ist immer noch Luft drin. Und es erschafft totale Intransparenz bezüglich der Frage, wer an den Schulen eigentlich was (und wieviel) macht. Fairerweise muss man aber sagen, dass ja Profiteure des Modells nicht nur in den Kultusministerien sitzen. Daher ist die Sache auch für Lehrer-Interessensverbände und an den Schulen kein wirkliches Thema - außer, wenn es darum geht, Erhöhungen abzulehnen. Was aber eben nicht wirklich überzeugend ist, da der Schluss Unterrichtsstunden=Wochenarbeitszeit für die Öffentlichkeit zu nahe liegt.

  • Einspruch.


    Nicht das Deputatsmodell ist von Übel, sondern die Wahrnehmung der Außenstehenden - und oft auch die Selbstdarstellung mancher Kollegen.


    Wer von sich behauptet, er müsse 26 Stunden arbeiten ist selbst schuld, wenn ihm ein normaler Arbeiter entgegenhält, dass er dagegen 40 Stunden arbeiten müsse.
    Den Schluss Unterrichtsstunden=Wochenarbeitszeit publizieren wir doch meist selbst.


    Wenn mich jemand fragt, wie viel ich arbeite, sage ich ihm: "Ich muss 26 Unterrichtsstunden halten und vorbereiten. Dazu 26 Aufsätze von Hauptschülern entziffern und korrigieren, 26 Mal denselben Fehler in der Englischarbeit anstreichen, 26 Mal im Bio-Test herausfinden, ob die Antwort etwas mit meiner Frage zu tun hat, 26 Mal bei der Korrektur der Mathearbeit daran zweifeln, ob ich richtig rechne oder die Schüler (hat die Masse nicht doch Recht?), 22 Mal Hefte durchsehen (4 geben in der Regel nicht ab) ... im Technikraum das Material für das nächste Werkstück zurechtsägen, die Arbeiten aus dem Kunstuntericht beurteilen und nebenbei das Computernetzwerk mit 60 Rechnern am Laufen halten... dazwischen Streit schlichten, richten, anklagen, trösten, aufrichten, zurechtstutzen, Eltern anrufen und zwischendurch Luft holen...." Korrekturfachlehrer? Was ist das?


    Das Deputatsmodell ist die einzig mögliche Festlegung von Lehrerarbeitszeit - alles andere ist von Übel.
    Sollen wir in Zukunft verpflichtet werden persönliche, nach Minuten aufgeschlüsselte Tagebücher über unsere Tätigkeiten zu führen? Da kommt zur normalen Tätigkeit noch eine Stunde Buchführung pro Tag für den Arbeitszeitnachweis hinzu.
    Ich stelle mir das mal vor:
    14.45-14.52: Idee zur Gestaltung der Biologiestunde am Mittwoch gehabt. Im Internet nach Material dafür gesucht.
    14.53: Idee wegen nicht ausreichendem Material wieder verworfen.....
    14.54-14.58 Kaffepause
    14.59-15.12 Kaffepause unterbrochen - neue Idee! Material gesucht und gefunden
    15.12-15.24 Mischtätigkeit (hälftige Anrechnung) mit meiner Frau Kaffee getrunken und gleichzeitig über die Biologiestunde geredet...


    Oh heiliger St.Bürokratius!


    Oder werden den Lehrern Transponder um den Hals gelegt, die genau registrieren, wann gearbeitet wird? Das wär's doch - die vollautomatische Arbeitszeiterfassung. Vielleicht lässt sich sowas ja über die Messung des Adrenalinspiegels verwirklichen.... der vollüberwachte Lehrer....


    Verpflichtende Präsenzzeiten in der Schule mit Stechuhr - hebt das den Unterrichtserfolg oder verbessert das irgendwas? Dann aber bitte auch einen Raum in jeder Schule mit Hängematten, damit die Kollegen, die nach dem Unterricht zunächst ausgepowert sind, sich kurz erholen können. Die kollektive Entspannung - das neue Wir-Gefühl..... das Kollegium schnarcht gemeinsam. Sowas verbindet.


    Wir brauchen kein neues Arbeitszeitmodell, sondern Anrechnungen für bestimmte, durch Korrekturen und Zusatzaufgaben stärker belastete Kollegen. Was wir ebenfalls brauchen ist die Abschaffung des überkommenen Beamtenmodells, das ein Streikverbot beinhaltet. Hier besteht Hoffnung, das der europäische Gerichtshof ein Machtwort spricht und diese Beschneidung der Arbeitnehmerrechte abschafft. Dies bedeutet nicht die Abschaffung des Beamtenstatus. Sobald Beamte - wie in anderen Ländern Europas - für die Durchsetzung ihrer Rechte streiken dürfen, werden Leute wie Wulff mit ihren Gedankenspielen vorsichtiger - und der Lehrerberuf vielleicht attraktiver.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat

    Original von alias
    Was wir ebenfalls brauchen ist die Abschaffung des überkommenen Beamtenmodells, das ein Streikverbot beinhaltet. Hier besteht Hoffnung, das der europäische Gerichtshof ein Machtwort spricht und diese Beschneidung der Arbeitnehmerrechte abschafft. Dies bedeutet nicht die Abschaffung des Beamtenstatus. Sobald Beamte - wie in anderen Ländern Europas - für die Durchsetzung ihrer Rechte streiken dürfen, werden Leute wie Wulff mit ihren Gedankenspielen vorsichtiger - und der Lehrerberuf vielleicht attraktiver.


    Ja, DAS wäre es. Hast du da nähere Infos drüber, d.h. ist so eine Klage anhängig? Sonst wäre es an der Zeit, dass die jemand auf den Weg bringt.
    So weit ich mich erinnere, haben Feuerwehrleute, Ärzte usw. es auch erst über den EuGH geschafft, ihre Bereitschaftszeiten als Arbeistzeit anerkennen zu lassen.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • In Bremen streiken bereits Beamte (auch im derzeiten Tarifstreik) und beziehen sich auf den EUGH. Hier in Niedersachsen bietet die GEW Rechtsschutz und Ausgleich, aber getraut hat sich wohl noch keiner...


    ... geht aber nur, wenn es die Masse macht.

  • Kurzer Nachtrag mit Blick auf die österreichischen KollegInnen, die auch mit einer Stundenerhöhung zu rechnen haben, denen es aber vergleichsweise besser geht und bei denen eine Differenzierung nach Fächern erfolgt:


    "An Haupt- und Polytechnischen Schulen müssen Lehrer 21 Stunden unterrichten. In AHS-Unterstufen und Höheren Schulen wird unterschiedlich bewertet, ob ein Professor ein Haupt- oder ein Nebenfach lehrt. Im Durchschnitt liegt aber auch hier die reine Unterrichtszeit bei 21 Stunden. Wer allerdings zwei Hauptfächer wie Deutsch oder Mathematik hat, muss deutlich weniger in den Klassen stehen als Kollegen, die Geographie und Geschichte unterrichten." (OÖ Nachrichten - nachrichten.at)

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