Computer-Unterricht in Klassen 8 und 9

  • Hallo!


    Ich arbeite seit anfang des monats an einer förderschule und "darf" sechs std. computerunterricht geben (jeweils zwei std in zwei achten klassen und jeweils eine std in zwei neunten klassen).
    das problem ist, dass ich jetzt nicht wirklich viel ahnung von computern habe bzw. überhaupt kein konzept von einem möglichen computerunterricht.
    hab mir auch schon literatur ausgeliehen, aber da gings meistens um word oder exel oder auch power point, was die schüler alles schon gemacht haben. laut klassenlehrer sind sie fast alle ziemlich fit.
    hatte mir überlegt, dass wir erstmal steckbriefe schreiben mit word und fotos einfügen. nicht ganz uneigennützig... so dass ich die schüler auch etwas besser kennenlerne. naja, das ist heute bei den neuntklässlern auf ziemliche ablehnung gestoßen und es war eine richtig frustrierende std. letztendlich wollen die eben ins internet und da chatten, spielen usw. das kann man mal machen, zb wenn man eine aufgabe beendet hat, aber nicht die ganze zeit. die sollen ja schließlich was mitnehmen. frage ist einfach "nur was?" bin echt so frustriert gerade...


    hat jemand vielleicht erfahrungen damit, gute ideen, tipps, projekte... ?


    bin echt über jede hilfe mehr als dankbar. wenn das nämlich so läuft wie heute, macht es definitiv keinen spaß... :(


    gruß!

  • Hallo Leidensgenossin,


    so kam ich auch mal zu IT wie die Jungfrau zum Kinde. Die Frage ist jetzt mal als erstes: gibts sowas wie einen Lehrplan bei euch in dem Fach? *g* Da müsste doch feststehen, was an Themen drankommen sollte.


    Bei uns machen die in der achten so Sachen wie: formelle Briefe schreiben, schwierigere Funktionen in Excel etc., Objekte, Attribute, Methoden..


    Dann in der neunten sind Datenbanken ua. mit dran und Bewerbungsmappen erstellen, die machen dann richtig schicke Mappen so mit digitalen Fotos und tollen kreativen Layouts, je nachdem halt.


    Hm, Netzwerke sind noch Thema, Vektorgraphiken, Powerpoint würden die sicher auch gern ausprobieren, das macht ja nichts, wenn sie das schon hatten, dann könntest du die ja Präsentationen in Gruppen erarbeiten lassen zu verschiedenen Themen o.ä.



    mehr fällt mir spontan gerade nicht ein.

    Wenn ich so bin,
    wie ich bin,
    bin ich
    ich !

  • also, nen lehrplan für die förderschule gibts in hh wohl nicht (nur einen von 1971 (oder 72)...und der wird nicht mehr benutzt).
    mir wurde gesagt, alles völlig offen, wie ich will... was zunächst nett klingt, dann aber letztendlich nicht weiterhilft. vielleicht guck ich einfach mal in nen hauptschullehrplan. also, bewerbungen, praktikumsmappen usw haben die laut klassenlehrer alles schon gemacht und können sie wohl auch. sie seien alle sehr fit was computer angeht (natürlich gibt es da abstufungen).
    am besten, ich solle kleine projekte machen, zb visitenkarten erstellen oder ä. mmh...
    vielleicht erstell ich so webquests zu bestimmten themen, sie suchen sich eins aus und bearbeiten das und präsentieren das anschließend. ??

  • Wenn die Schüler so fit sind, dann lass sie selbst Webquests erstellen.


    Ansonsten Word, Excel und später dann Power Point. Zeig ihnen wie ein ordentliches Dokument / eine ordentliche Präsentation auszusehen hat. Lass sie in Excel Diagramme erstellen, kombiniere das auf ejden Fall mit Aufgaben aus dem Mathebuch oder noch besser mit Beispielen aus dem Alltag. Meine Schüler sind auch fit, aber trotzdem müssen wir jedes Jahr wieder mit den Programmen arbeiten, so dass sie das Gelernte ständig brauchen.


    Rede mit ihnen über die rechtlichen Dinge beim Downloaden von Musik im Internet, Urheberrecht etc. Lass sie Fallbeispiele dazu bearbeiten und selber welche erfinden, damit die Miutschüler sie lösen können.


    Sicherheit beim Chatten, Spam-Mails, etc. könnten noch Themen sein. Gerade wenn die Rasselbande unbedingt chatten will könnten sie sich damit ruhig auch beschäftigen.


    Viele meiner Schüler erwarten, dass ITG Fun and Action ist. Chatten und Surfen eben. Ich ahbe auch oft gemeckere und Gemaule wenn ich dann von ihnen verlange, dass sie über das was sie da mit so viel Feuereifer stundenlang machen, chatten, Onlinegames, Onlinecommunities, etc., auch Bescheid wissen. Die meisten gehen da nämlich recht unbedarft ran.


    Was zur Zeit bei uns ein großes Thema ist, ist Mobbing über diese Online Communities oder auch über Chats / ICQ. Sehr heikel und schwierig. Da weiß ich noch nicht so richtig wie ich es anpacken soll.


    Viel Erfolg bei deinem Unterricht! :)

  • Hallo zusammen,


    prinzipiell finde ich es erschreckend wie lax dieses wichtige Fach an den zuführenden Schulen z.T. behandelt wird.
    Obwohl die Ss nächtelang im Internet surfen oder PC-Spiele zocken, ist kaum Verständnis für die Grundprinzipien der Informationstechnologie da.
    Ich finde es z.T. erschreckend, wie wenig Schüler, die in kaufmännische oder sogar IT-relevante Berufe oder Schularten gehen, über Informatik wissen.
    Daher finde ich es immer gut, wenn eine Lehrer/in den Anspruch hat einen ordentlichen IT-Unterricht abzuliefern. Lass dich auch nicht von den Schülern erweichen, IT ist mehr als Surfen, das muss den Ss klar sein. Sonst kommt das große Erwachen, wenn sie sich mal professionell damit beschäftigen müssen und dann im Fach Informatik die 4er und 5er purzeln.


    Aber um deine Frage zu beantworten: Was m.E. unbedingt rein muss:
    - Grundkenntnisse am PC
    d.h. Verschieben/Kopieren von Dateien, Verzeichnisstrukturen(!)
    - Grundlagen Excel
    Vor allem WENN-Funktion, das ist das erste reinschnuppern in die strukturierte Programmierung.
    - Powerpoint
    Damit die Ss auch mal Ergebnisse festhalten können
    - Grundlagen Objektorientierung
    GANZ wichtig!! (zumindest auf der Realschule und dem Gym). Dies legt den Grundstein für das Verständnis der heutigen IT-Welt. Keine Angst, ist halb so wild, google mal, aber vermeide die Seiten von Unis, die sind zu theoretisch.


    Da fallen mir noch meine drei Unterrichtsprinzipien ein, die ich (meist) beherzige:
    - Im PC-Raum nie länger als 10 Minuten erklären, den Rest der Stunde arbeiten die Schüler. Auch ruhig mal ins kalte Wasser werfen, niemand kann was kaputtmachen.
    - Auf Fehler laufen lassen, damit die Schüler erkennen, dass man ein gestelltes Problem irgendwie anders lösen muss, als der bisher bekannte Weg.
    - Die Ss den Computer als Werkzeug aus Metall und Plastik verstehen lassen. Ein "Ich dachte der PC kann das schon, auch wenn ich ihm das ungenau oder gar nicht sage" muss raus aus den Ss-Köpfen. Denken muss der oder die vor dem PC.


    Noch zwei gute Buchtipps:
    http://www.amazon.de/Informatikunterricht-planen-durchf%C3%BChren-Examen-Press-Hartmann/dp/3540344845/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1234294359&sr=8-1&tag=lf-21 [Anzeige]
    und
    http://www.amazon.de/Abenteuer-Informatik-Windows-Vista-2000/dp/3827420229/ref=sr_1_3?ie=UTF8&s=software&qid=1234294359&sr=8-3&tag=lf-21 [Anzeige]


    Es ist immer schön, wenn ich an der Berufsschule mit Schülern arbeiten kann, die schon ein Grundverständnis für IT-Fragestellungen mitbringen. Bitte tue mir den Gefallen und lasse sie nicht nur sinnlos surfen. (=;


    Viele Grüße
    MN

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

    5 Mal editiert, zuletzt von Modal Nodes ()

  • ich habe mich jetzt mal nach so baukasten-xsystemen für eigenen homepages umgesehen. dachte, es müsste eigtnlich ziemlich motivierend sein, wenn die schüler sich eine eigene homepage erstellen. habe unter


    http://www.homepage-baukasten.de


    was gefunden, was sich für mein laienohr ganz gut anhört.
    was haltet ihr davon? ist sowas sinnvoll? vielleicht hat jemand ja auch diesbezüglich erfahrungen?
    alternativ habe ich noch überlegt, dass die schüler sich einen email-account anlegen (soweit noch nicht vorhanden), damit ich den schülern aufträge via email schicken kann oder eben webquests zu verschiedenen themen, zb. fußballmannschaft, eine bestimmte stadt, bestimmter musiker o.ä.
    wenn die schüler das ausprobiert haben und die ergebnisse präsentiert haben, könnten sie dann selst welche erstellen.
    oder nehem ich mir da gerade zu viel vor? :gruebel:

    • Offizieller Beitrag

    Hm, die Homepage aus dem Baukasten entsteht direkt im Netz.


    Im Prinzip nett, weil motivierend, aber ...


    ... die Kids basteln munter drauf los und nutzen alle möglichen Bilder, die sie finden für die Seite.
    ... die Kids füllen die Seite mit Text (auch mit "der und der ist blöd"....)



    etc.


    Bevor die Kids die Praxis am Webbaukasten im Netz machen, sollten sie erst einmal Praxis auf dem PC gewinnen. Und außerdem wissen, was man bei einer Internetseite machen darf und was nicht. Denke ich.


    Praktische Tipps für den Unterricht in einer Förderschule habe ich aber keine, da ich nciht einschätzen kann, wie der Unterschied zu meinen Schülern ist. Und was daher funktionieren kann und was nicht.


    Viel Erfolg.


    kl. gr. Frosch

  • Liebe sarahkatha et. al.,


    meine persönliche Erfahrung ist ähnlich zu der Situation, die Modal Nodes beschrieben hat. Die Selbstüberschätzung der Schüler spüre ich nicht bei meiner Tätigkeit an der (beruflichen) Schule, sondern sogar bei meinen Vorlesungen an verschiedenen Hochschulen. Oft höre ich "... kann ich schon" oder "haben wir schon auf'm Gymmi gemacht". In der Tat gibt es Schüler, die auf den Gymnasien und zu Hause Client-Server Anwendungen "zusammenbasteln" und sich mehr oder weniger aufwendige Grafikoberflächen "zusammenklicken".


    Gerade diese Schüler geraten aber häufig in massive Schwierigkeiten, wenn von ihnen eine einigermaßen effiziente Internetrecherche oder der sichere Umgang mit dem Betriebssystem (z.B. Strukturierung von Verzeichnissen, Kopieren von Dateien, etc.) verlangt wird. Viele Studenten fällt die Kinnlade runter, wenn ich mal am Beamer zeige, wie ich in Google mit trivialen Zusätzen zu den Suchbegriffen recht schnell die richtigen Seiten herausfiltern kann. Ferner stelle ich fest, dass sowohl bei Schülern als auch bei Studenten die Bedeutung des Begriffs "Urheberrecht" oft völlig unbekannt ist. Referate, manchmal sogar Bachelor- oder Masterarbeiten enthalten nicht gekennzeichnete Zitate und Bilder aus dem Internet.


    Ebenso wäre (aus meiner persönlichen Sicht) wünschenswert, wenn die "Zuliefererschulen" den Schülern zumindest sagen würden, dass es noch weitere Betriebssysteme neben Microsoft Windows gibt, und - noch wichtiger - wozu ein Betriebssystem überhaupt benötigt wird. Ich bin kein Microsoft-Gegner per se, aber es darf eigentlich nicht sein, dass ein Informatik-Student im 1. Semester sagt: "Ui ... die Fenster hier sehen aber komisch aus. Ist das schon das neue Windows?". Ein weiteres amüsantes Erlebnis war ein Student, der eine neue Tastatur vom Laborbetreuer wollte, weil bei der Passworteingabe auf der Konsole nichts angezeigt wurde ...


    Aus meiner Sicht würde ich sagen, "weniger ist mehr". Die Schüler, die bereits auf unseren "Zuliefererschulen" zum "zusammenklicken" von 3D-Ego-Shootern motiviert wurden, können wir gerade deshalb nicht zu industrietauglichen Softwareentwicklern ausbilden. Die "ich-hab-schon-alles-mal-gesehen" Studenten landen dann meist in Frustration, weil sie eines Tages (meist am Ende bei der Klausur) erkennen müssen, dass "gesehenhaben" doch nicht reicht.


    Schüler, die mit einer richtigen Einstellung zur Informationstechnologie ins Studium kommen, scheinen "ihren Weg zu machen". Und zwar unabhängig davon, ob sie schon mal C++ oder was auch immer programmiert haben oder nicht.


    Zur richtigen Einstellung gehört, die Informationstechnologie nicht nur als "Selbstzweck" zu sehen.


    Wenn ich die Informatik-Lehrpläne von der Grundschule bis zum Abi gestalten dürfte, würde ich persönlich die folgenden Themen darin aufnehmen:


    - die Geschichte der Informatik (-> damit wird klar, wozu "RECHNER" wirklich gebraucht werden)


    - der verantwortungsvolle Umgang mit "Information", z.B. Urheberrechte respektieren


    - Wie bewege ich mich *richtig* (z.B. effizient) im Internet? Worauf muss ich achten (Werbung, Trojaner, sonstige Fallen)


    - Was ist ein Betriebssystem und wie gehe ich damit um (keine komplizierten Dinge, aber der Schüler sollte beispielsweise wissen, welche Konsequenzen die Ablage von zu vielen Dateien auf dem Desktop haben kann) ... und "nicht nur Windows" ... das wäre, als wenn ein Hauswirtschaftslehrer nur die produktspezifische Zubereitung von Knorr-Produkten unterrichten würde.


    - der richtige Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen (wenn einer meint er wäre Profi, dann lass' ihn doch mal ein Template, einen Serienbrief, oder ein Dokument mit automatisch generiertem Inhaltsverzeichnis erstellen ...)


    - ein Gefühl für Speichergrößen und Übertragungsgeschwindigkeiten (z.B. Wie Schreibmaschinenseiten kann ich in 8 GByte RAM ablegen? Wann und wozu benötige ich eine 6000er DSL Leitung?)


    - Netiquette (z.B. Wie schreibe ich eine Email?)


    Zu diesem Punkt eine erschreckende Schülermail, die ich am Freitag erhalten habe:


    --
    herr xxxxxxxxxxx schicken sie mir die lösung vom der aufgabe von heute weil ich nicht in die schule konnte.
    --
    (Keine Signatur, und das Ganze von einer Adresse abgeschickt, die mit "agresivchiller..." beginnt. Der Schüler stammt aus einer deutschsprachigen Familie und hat im letzten Jahr den mittleren Bildungsabschluss auf einer Realschule(!) erworben. Dazu kommt, dass ich immer alle Lösungen an einem den Schülern seit Schuljahresbeginn bekannten Ort zum Download anbiete ...)


    Ich bin mir bewusst, dass mein Deutsch auch zu wünschen übrig lässt, aber ich mache mir wenigstens Gedanken darüber, welchen Eindruck ich beim Schreiben von Emails hinterlasse.


    Wenn bei den Schülern alle o.g. Punkte *sauber* (nicht oberflächlich) geklärt sind, können die Schüler (falls sie sich in Richtung "Informatik" orientieren wollen) auf ein stabiles Fundament bauen.


    "Grundlagen" der objektorientierten Programmierung in der Schule zu unterrichten halte ich persönlich für nicht angebracht. Erstens werden Zweck und Nutzen von OOP erst bei größeren Softwareprojekten sichtbar, und zweitens gilt hier eine Art "alles-oder-nichts" Prinzip. Jeder Softwareentwickler aus Industrie und Wissenschaft weiss, dass "ein bisschen" OOP nichts bringt. OOP macht dann Sinn, wenn man mit einem durchdachten Design beginnt. Erst wenn der Schüler weiss, warum und wo er Interfaces setzen muss, wie Templates richtig eingesetzt werden etc., kann er Nutzen aus der objektorientierten Programmierung ziehen. Da in der Schule meist nicht bis zu diesem Punkt vorgestossen wird und die meisten Lehrer auch dies nicht leisten könnten, sollten die Schulen die Finger davon lassen. Es gibt wichtigere Dinge. Ein Mathematiklehrer würde doch auch nicht auf die Idee kommen, in der Schule "ein bisschen" die Laplace-Transformation zu unterrichten, ohne dass die Schüler wissen, was Integral- und Differentialrechnung sind ... oder vielleicht doch?


    Was ich hier schreibe, ist meine persönliche Meinung und Erfahrung zur Thematik, und ich möchte auch niemanden damit angreifen. Vielleicht ist es eine Kritik am System ... vielleicht aber auch einfach nur meine Verzweiflung im täglichen Versuch, genau diese Probleme mit den Schülern und Studierenden zu lösen.


    Wir dürfen eines nicht vergessen: Die meisten von uns sind noch ohne Internet im Kinderzimmer aufgewachsen. Mein damaliger Commodore 64 hat mir -- im Gegensatz zu den heutigen Windows-Rechnern -- nicht vorgegaukelt, ich würde ihn beherrschen. Damals wurden "Geeks" aufgrund ihres Wissens um die Rechnertechnik als solche bezeichnet. Diesen Status erreicht ein Schüler heute, in dem er in einen Laden geht und sich das neuste IPhone kauft.


    Viele Grüße,


    Drew

    Until he extends his circle of compassion to include all living things, man will not himself find peace.
    Albert Schweitzer 1875-1965

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