Wie mit den ewigen Vorurteilen gegen den Job umgehen?

  • weil es hier gerade hereinpasst:


    Gestern war ich auf einer Geburtstagsfeier, auf der eine der Anwesenden ihr Leid über ihren Ex klagte, der Lehrer gewesen sei. Natürlich redete sie nicht über ihren Ex im besonderen, sondern über "die Lehrer" im Allgemeinen, ihre Organisationswut, ihre Jammerei und Wehleidigkeit, der ständige Wunsch nach Ferien - "Haaaallloooooo, ich hätte auch gern mal 4 Wochen am Stück Ferien!" :rolleyes: Also ziemlich anstrengend, unangenehm und nervig auf Dauer.
    Irgendwann steckte ihr jemand, dass eine Lehrerin in Hörweite sei.


    Als sie mich erblickte, verengten sich ihre Augen zu zwei kleinen Schlitzen. Sie drehte sich zu mir um und starrte mich an. Dann legte sie los. Ihr kennt ja wahrscheinlich diese Art von "Gespräch", wenn man zum Stellvertreter eines imaginären Gesprächspartners auserkoren wurde. Irgendwie schien sie noch großen Gesprächsbedarf zu haben und stand unter nicht geringem Alkoholeinfluss und versuchte nun alles, um mich in eine Diskussion über die ungerechtfertigten Ansprüche der Lehrer zu verstricken.


    Ich hörte mir ihre Anklagen über die Perfektionswut, die Überbewertung der Arbeit, die Forderungen nach mehr Ferien "der Lehrer" schweigend an (musste erst einmal mit der Absurdität dieser Situation klarkommen), dann spürte ich meinen Ärger aufsteigen, konnte aber trotzdem ruhig bleiben und meinte dann, wenn ich ihr Freund gewesen wäre, hätte ich mich schon viel früher von ihr getrennt.


    dummdreiste Leute gibt's! :rolleyes:

  • Zitat

    Original von klöni
    ... der ständige Wunsch nach Ferien...


    Es gab zwei gute Gründe für mich, Lehrerin zu werden: Juli und August. :D


    ... Ist manchmal auch eine passende Antwort.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    und meinte dann, wenn ich ihr Freund gewesen wäre, hätte ich mich schon viel früher von ihr getrennt.

    Das war das erste, was ich beim Lesen gedacht habe! :super:

  • Mittlerweile nervt es mich nicht mehr, weil ich weiß, wieviel ich arbeite. Wenn mir doch mal einer doof kommt, bekommt er einen Spruch und gut ist es.


    @ klöni: guter Konter! :respekt:

  • Ich halte es auch meistens mit "Neidisch? Hättest ja auch Lehrer werden können!"
    Meistens kommt dann ein "Nee, wäre mir zu stressig mit den vielen Kindern anderer Leute" zurück. :D

    "I propose we leave math to the machines and go play outside."
    (Calvin and Hobbes, Bill Waterson)

  • Die meisten Aussagen hier kommen ja anscheinend aus dem (erweiterten) Bekanntenkreis. Da muss ich ganz ehrlich sagen, dass mir so dumme Vorurteile selten begegnen. Eher wird aufrichtiges Interesse und z.T. auch Bewunderung gezeigt, wie man denn mit der heutigen Jugend zurechtkommen könne.
    Auf Aussagen in diesem Zusammenhang wie von irgendwelchen Zufallsbekanntschaften an der Theke gebe ich nichts; das ist nicht mal die Diskussion wert.


    Verärgert bin ich aber doch regelmäßig über schlampigst recherchierte Artikel in renommierten Zeitungen und Zeitschriften, die sich dazu nicht einmal entblöden, Vorurteile auf schlechtem Stammtischniveau zu transportieren. Wenn sich dann noch Politiker an solche Medienkampagnen hängen und z.B. klar stellen, dass man uns viel besser ausbilden müsse, kriege ich echt einen Hals. Denn hier kann ich nicht aufstehen und weggehen, sondern muss im Gegenteil die Konsequenzen aus dem daraus resultierenden politischen Handeln tragen.


    Der nächste "Anschlag" auf die faulen Säcke droht uns übrigens nach der nächsten Landtagswahl in Baden-Württemberg, wo für alle Sek. II-Lehrer die 26. Stunde kommen soll.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Ich habe dem Herrn mit den nichtgefärbten Haaren auch nie verziehen, dass er die Lehrer allesamt als *faule Säcke* bezeichnet hat.
    Da konnte er damals auch noch so schön Bundeskanzler sein... seine Einstellung zu unserem Beruf hat er nie geändert...
    Und wenn schon unser höchster Arbeitgeber... wenn man es so sehen will... auf diesem Stammtischniveau Parolen von sich gibt... dann wird sich da nie was ändern... und im schlimmsten Fall beeinflusst es Entscheidungen... wie... höhere Stundenzahl, Gehaltskürzungen, Pensionsgrenze nach oben, Konferenzen nur in unterrichtsfreier Zeit...

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Schöne, schlagfertige Antworten, die ihr da gebt ;) Ich merke mir mal einige!!!


    Seit Jahren keine Gehaltserhöhung, enorm gekürztes Weihnachtsgeld, kein Absetzen des Arbeitszimmers, hochqualifizierten Unterricht geben - die Materialien dafür natürlich aus eigener Tasche bezahlt, das Klassenzimmer selbst putzen, etc.... darüber wundern sich die meisten auch, weil sie das nämlich alles nicht auf dem Schirm haben!!! Da machen sie dann immer große Augen und sind recht schnell leise... ;)


    Gruß DO_it

    • Offizieller Beitrag

    jo, do_it.


    ich kontere in der Regel moit Fakten. Meistens reicht es schon, wenn ich sage, dass ich meine "Dienstreisen" selber bezahle. Dann ziehen sich die kritischen Stimmen zurück. ;)


    Allerdings sollte man bei diesen Fakten halt nicht ins andere Extrem fallen und sich selber zu sehr zum Märtyrer stilisieren. (Im Sinne von: was wir alles ertragen müssen.)


    btw: in meinem Bekanntenkreis ernte ich auch eher selten Vorurteile. Die meisten sagen ganz klar, dass sie nicht mit Lehrern tauschen würden.


    kl. gr. Frosch

  • Ich kenne beides: Die blöden Sprüche, aber auch die Bewunderung über die Geduld, die ich habe, wenn ich mich mit den Kindern anderer Leute herum ärgere.


    Da aber gerade von meiner Schwester einige blöde Sprüche kamen, die mich am meisten ärgerten, schlug mir unser Rektor in einer gemütlichen Runde vor, sie doch mal eine Woche einzuladen und ihr meinen Unterricht zu überlassen.
    Er meinte das ganz ehrlich. Also hab ich ihr den Vorschlag bei der nächsten blöden Bemerkung gemacht.
    Reaktion: Spinnst du, ich ärger mich doch nicht mit einer Horde fremder Kinder rum, die nichts von Erziehung halten? 8)


    Ansonsten kontere ich mit "Du hattest doch auch die Möglichkeit Lehramt zu studieren!" oder lächle nur mitleidig ohne etwas zu sagen.


    Ich hab mir übrigens auch mal die Mühe gemacht und meine tatsächlichen Wochenarbeitsstunden aufgeschrieben. Als ich dann an einem Donnerstag bei 40 Stunden war, konnte ich mir selbst zeigen, dass ich bestimmt nicht faul bin.
    Über diese "Beweise" bin ich aber glücklicherweise längst weg.....

  • Zitat

    Original von kleiner gruener frosch
    ich kontere in der Regel moit Fakten. Meistens reicht es schon, wenn ich sage, dass ich meine "Dienstreisen" selber bezahle. Dann ziehen sich die kritischen Stimmen zurück. ;)
    kl. gr. Frosch


    Was für "Dienstreisen"? Klassenfahrten sind doch der reinste Urlaub...


    Meine persönliche Erfahrung ist, dass Nicht-Lehrer im persönlichen Gespräch unsere Leistungen schon zu würdigen wissen, es sind nur die Medien, die Politiker und die Bildungsforscher, die alles besser wissen. Aber ich sage mir mittlerweile, die können gar nicht anders. Wenn sie nicht über die Lehrer und Lehrerinnen herziehen könnten, was sollten die sonst auch tun? Inbesondere einige Journalisten/Redakteure und Politiker haben ja nichts Vernünftiges gelernt... In Hamburg haben sie mal einen von denen abgewählt (http://www.taz.de/1/leben/allt…1/ein-leben-ohne-latinum/ und http://www.bild.de/BILD/news/p…gsabgeordneten.html?o=RSS)


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    3 Mal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Zitat

    Original von Mikael
    Meine persönliche Erfahrung ist, dass Nicht-Lehrer im persönlichen Gespräch unsere Leistungen schon zu würdigen wissen, es sind nur die Medien, die Politiker und die Bildungsforscher, die alles besser wissen.


    Ja, das hab ich auch schon häufiger gedacht. "Echte" Menschen auf der Straße denken das gar nicht so wirklich, es ist einfach totale Stimmungsmache.

  • Gute, schlagfertige Antworten, von denen ich einige nun in mein Retourkutschen-Repertoire aufnehmen werde. Danke für die Beiträge!
    Grüße!
    Antigone

  • Wie wär's noch mit "Hätt'ste was gescheites gelernt!".


    Oh halt, das ist ja unsere Standardantwort, wenn wieder mal jamand im Lehrerzimmer laut jammert.



    Für muggels habe ich diese Replik: "Ganz richtig, man verdient sehr ordentlich und hat auch noch Zeit, das Geld auszugeben!"



    Kopf hoch!


    Helmut

  • Auch ganz nett:


    "Du hast ja gar keine Ahnung, welchem Stress ich als Lehrer ausgesetzt bin. Nach der Schule habe ich beim Italiener kaum Zeit, meinen Espresso zu trinken, weil um 2 schon die Personal-Wellness-Trainerin mit der Massage auf mich wartet. Um 4 muss ich auf dem Tennisplatz sein, um 6 ist Fraktionsvorbesprechung in der Weinstube und um 8 Gemeinderatssitzung. Morgen nachmittag hab ich nichtmal Zeit zum Tennis, weil um 15 Uhr der doofe Empfang beim OB stattfindet... "


    Da sollte dann die Klappe des anderen soweit herabgefallen sein, dass sie in Kinnhöhe baumelt... :pfeif:

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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