Wir wissen ja. das liegt nicht an Ihnen...

  • ... aber wir denken trotzdem über einen Schulwechsel nach.


    das höre ich nun schon zum zweiten mal...
    Beide Kinder sind LRS-Kinder und haben erhebliche Probleme in der Rechtschreibung und ein Kind auch im Lesen.
    Beide Elternpaare denken unabhängig voneinander an die Waldorfschule..
    Da... so vermuten sie... hat das Kind nicht so einen Leistungsdruck... da wird nicht so viel geschrieben und das Kind kann sich in anderen Bereichen profilieren und hat nicht so einen Frust.


    Ich habe diese dritte Klasse im Sommer übernommen. Rechtschreibung wird nach Sommer-Stumpemhorst gemacht... und ich habe nicht nur diese beiden Kinder, die ich zum LRS-Test geschickt habe.
    Ich bemühe mich sehr, Ursachen zu finden und den Kindern gezielt zu helfen.
    Ich arbeite eng mit den Elternhäusern zusammen.
    Das eine Kind geht in ein spezielles LRS-Nachhilfe-Institut... die Eltern bezahlen über 200 Euro im Monat dafür... das andere Kind bekommt in unserer Schule spezielle LRS-Förderung von einer, dafür ausgebildeten, Kollegin.
    Ich muss zugeben, dass ich nicht sonderlich viel Ahnung von LRS habe... und muss auch zugeben, dass mich die halbe Stelle mit einer Klassenführung von 30 Kindern... und die Einarbeitung ín die Methoden von Einstern und Sommer-Stumpemhorst, die ich bisher ja auch nicht kannte... auch dermaßen fordert, dass ich es bis jetzt nicht schaffe, mich da auch noch so richtig schlau zu machen.
    Aber offenbar reicht meine Förderung nicht, denn bei beiden Kindern sind keine Fortschritte zu erkennen.... udn ehrlich gesagt bei den anderen Kindern, bei denen ich LRS-Verdacht habe, auch nicht.


    Diese beiden Kinder um die es geht, kommen aus einem akademischen Elternhaus die Geschwisterkinder besuchen mit sehr gutem Erfolg ein Gymnasium... und diese Kinder fühlen Leistungsdruck, fühlen sich minderwertig...


    Und all das soll nun die Waldorfschule heilen.
    Welches LRS-Konzept hat denn die Waldorfschule?
    Und gibt es wirklich keinen Leistungsdruck dort? Muss da nichts geschrieben werden?
    Gibt es keine Hausaufgaben?
    Habt ihr schon LRS-Kinder aus euren Klassen an Waldorfschulen abgegeben und sind die dann da richtig aufgeblüht?


    Ich überlege nämlich, ob so ein Schulwechsel wirklich helfen kann... oder ob der die Probleme nicht nur verlagert? Aber um das zu beurteilen, weiß ich zu wenig über Waldorfschulen...
    Oder was ich noch tun kann, um diese Kinder zu fördern.


    Denn es sind natürlich zwei supernette Kinder, die die Klassengemeinschaft wirklich toll bereichern... und die ich ungerne abgeben würde....

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Also der Sohn einer Freundin hat erst in der 4. Klasse der Waldorfschule begonnen zu lesen. Seine Mitschüler früher, nur ihm war das zu unbequem. Er konnte die Buchstaben benennen, aber das zusammenziehen war ihm zu anstrengend. Bis er dann im Alter von 9 Jahren Asterix lieben lernte. Und den wollte er verstehen. Dazu begann er zu lesen (was er dann mit 10 Jahren vertiefte).


    Für seine Mutter war das kein Problem, für seine Lehrer auch nicht, für ihn erst recht nicht. Heute ist er 17 und geht aufs Abitur zu.


    Frag mich nicht, wie Waldorflehrer den Vormittag füllen, ohne dass die Kinder schön still was abschreiben. Vermutlich lassen sie die Kinder stundenlang in gelb und blau malen, Bücher binden, Muster nachzeichnen und ihren Namen tanzen (sie nennen es Eurythmie). Russisch lernen sie auch. Aber es klappt.


    Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass wir mit all diesen ganzen Therapien nur die Zeit überbrücken, die das Hirn des Kindes noch zur Reifung braucht. Wir haben dann das Gefühl, was getan zu haben. Das hilft.

  • Bei uns werden auffällige Kinder auch gerne zur Walddorfschule hin abgeschult und anscheinend klappt das dort häufig sehr gut.


    Warum?!?


    Ich denke, das hat wirklich mit diesem fürchterlichen Leistungsdruck zu tun. Vergleichsarbeiten, Bildungsstandard, Gutachten für weiterführende Schulen - all das zielt ja darauf ab, dass wir Entwicklungszeiten gar nicht zulassen, sondern eine "Lernkolonne" herbeizüchten: alles im Gleichschritt marsch.


    Eine Waldorfschule ist gleichzeitig weiterführende Schule, kann also wesentlich lockerer mit Entwicklungsverzögerungen umgehen. Mir würden Eltern auf die Palme steigen, wenn ihr Kind in der 3.Klasse nicht lesen und rechnen kann.


    Insofern ist das Walddorfkonzept sicher keine LRS-Therapie, es ist m.E. vielmehr die andere (druckfreiere) Atmosphäre, die diesen Kindern hilft!


    Allerdings kenne ich auch andere Fälle, die auf einer Walddorfschule unglücklich waren und im Regelschulbetrieb leistungsfähiger wurden. Es gibt eben nicht die Schule für alle, oder ?!?


    piep:


    Zitat


    Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass wir mit all diesen ganzen Therapien nur die Zeit überbrücken, die das Hirn des Kindes noch zur Reifung braucht. Wir haben dann das Gefühl, was getan zu haben. Das hilft.


    schön formuliert. so erlebe ich das auch. kaum mal ein problem in der schule - schon wird eine therapie angesetzt ... als ob wir in deutschland nur noch geisteskranke kinder hätten !?!?

  • Mit einem meiner Kinder bin ich vor zwei Jahren den umgekehrten Weg ggangen, weg von einer reformpädagogisch arbeitenden Schule - allerdings nicht Waldorf - mit jahrgangsübergreifendem Unterricht, Wochenplänen, Lesen durch Schreiben nach Reichen, später Rechtschreibwerkstatt nach Sommer-Stumpenhorst, Werkstattunterricht, fächerübergreifendem Lernen, Projektarbeit, außerschulischem Lernen, Lernentwicklungsgesprächen anstelle von Zeugnisse/Berichten, rhythmisiertem Tagesablauf/Ganztag etc. hin zu einer sehr traditionell arbeitenden Klasse, die ich gar nicht einfach gefunden habe: Halbtagsschule, Jahrgangsklasse, Noten, Fächer, anfangs Fibelunterricht. Das gesamte Klassenklima war viel viel ruhiger und mehr aufs Lernen als aufs Organisieren ausgerichtet. Mein Kind war unglaublich erleichtert. Diese sehr traditionell unterrichtende schon ältere Lehrerin hat selbstverständlich auch das gesamte vorgesehene Evaluationsprogramm abgeleistet, aber ohne viel Aufsehens, eher nebenher, und hat es wohl auch genauso verstanden, wie es ursprünglich gemeint war, nämlich als Information über ihre eigene Arbeit, nicht als Folterinstrument für Schüler. Wir Eltern haben erst das Ergebnis, vorher nicht mal den Termin erfahren. Training to the test gabs vorher nicht, auch keinerlei Druck auf die Eltern. Das war übrigens für mich das allertollste, diese unglaubliche Entlastung von dem Druck, der trotz Reformpädagogik doch permanent herrschte und die Erleichterung in der traditionellen Klasse, mein Kind nicht mehr selber unterrichten zu müssen. Die Ergebnisse der Vergleichstests dieser Klasse waren übrigens spitzenmäßig.
    Ich glaube, in Deiner dritten Klasse bricht sich gerade die gesamte Widersprüchlichkeit unseres Bildungssystems. In die Grundschulen werden Verfahren hereingespresst, die einst in Reformschulen entwickelt wurden (in Bielefeld haben bekanntlich die universitären Eltern den Bildungsweg ihrer Sprösslinge in der extrem gut ausgestatteten Reformschule "evaluiert"), ohne jede Untersuchung, was für Auswirkungen diese Verfahren eigentlich auf Normalschulen mit ihrer normalen personellen und Sachausstattung haben. Alles wurde dem Ziel des "eigeninitiierten Lernens" untergeordnete und viel Traditionelles, was interessanterweise, nun wieder das Neueste vom Neuesten der Forschung ist, guck mal hier: http://www.uni-frankfurt.de/fb…fluency_dgls_text.htmlist auf den pädaogischen Müllhaufen gekippt.
    Da die Ergebnisse immer schlechter wurden, wurde dann von oben kompensatorisch der Druck erhöht, damit meine ich höhere Eingangsvoraussetzungen zum Gymnasium, G8, Bologna-Prozess mit Einführung von Bachelor/Master etc.
    Und Euch Grundschullehrern wird jetzt das ganze daraus resultierende Elend vor die Füße gekippt. Eben sollten die Schüler noch völlig selbstgesteuert in freier Begeisterung für die Sache sich Lesen, Schreiben und Rechnen eigeninitiativ aneignen, jetzt sollt ihr evaluieren, was das Zeug hält und jeder weiß, hier gehts in Wirklichkeit um den Endspurt auf die weiterführenden Schulen. Sommer-Stumpenhorst erzielt übrigens laut einer medizinischen Studie weitaus schlechtere Ergebnisse als die Arbeit mit der Lollipop-Fibel. Nach vier Jahren ist der Unterschied ja angeblich nicht mehr stark, aber in diese Zeit fällt ja auch der immense Druck, den Deine Eltern beklagen...


    Nun, soweit man raten kann, versuch den Druck von den Kindern zu nehmen bei gleichzeitig gutem Unterricht. Muss es denn Sommer-Stumpenhorst sein? Ich kenne übrigens etliche Waldorf-Eltern, die sich bitter beklagen, und einmal dort angefangen, sich als Gefangene dieses Systems empfinden. Privatschulen, für die Eltern ordentlich zahlen, haben es halt immer etwas leichter. Das Zurück, wenns dort schlecht läuft, ist halt alles andere als trivial. Zumindest das würde ich Deinen wechselfreudigen Eltern zu bedenken geben. Und für die echten Legastheniekinder gibts ja Notenschutz.

  • Unterrichte an ner Montessori-Schule und wir fangen solche Kinder regelmäßig auf.


    (wobei ich jetzt Montessori keinesfalls mit Waldorf gleichstellen will! - mit Waldorf kenn ich mich auch gar nicht aus)


    Was ich dazu aber sagen kann:


    Es gibt Kinder, die werden in dem einen Schulsystem glücklich, andere Kinder kommen mit einem anderen Schulsystem besser zurecht (in beide Richtungen bezogen, ich habe auch schon so manchen Erstklass-Eltern geraten, ihr Kind auf die Regelschule zu schicken)


    Und: Wenn ich 200 Euro monatlich privat für LRS-Institute zahlen würde, würd ich auch gaaaaanz stark drüber nachdenken, ob ich das Geld nicht lieber in einen Privatschul-Platz stecken würde und mein Kind dann (befreit vom Notendruck) in allen Fächern glücklicher erlebe.


    Ist bzw. wäre denn überhaupt ein Platz in der Waldorfschule frei? Bei uns ist das nicht so einfach... Und wenn, dann laden wir uns die Kinder erstmal eine Woche zum Schnuppern ein, lassen uns Zeugnisse zeigen und sprechen mit den Eltern (manchmal auch mit der abgebenden Schule), und dann haben die Eltern nochmal ein paar Tage Zeit nachzudenken, ob sie immer noch glauben, dass die Montessori-Schule die richtige Schule für ihr Kind ist.


    (und wenn bei uns eine Lehrerin anrufen würde, die sagen würde, sie weiß nicht, ob sie den Eltern dazu raten soll, das Kind die Schule wechseln zu lassen, würde sie auch einen Rückruf bekommen und man würde sich kurz unterhalten - was sich dann später keinesfalls negativ auf das Kind und die Schulplatzvergabe auswirken würde)

  • Ich habe meine eigenen Kinder übrigens selbst auf einer Privatschule und ich zahle 150 Euro Schulgeld pro Kind.
    Ich bereue keinen Cent!
    Es IST einfach ein anderes Arbeiten... die Schule ist besser personell ausgestattet und hat alle Möglichkeiten an Materialien und Büchern.... es sind immer kleine Klassen... es wird individuell gelernt.
    Diese Schule fände ich auch für meine beiden LRS-Schüler sehr passend und geeignet... aber wie es oft so ist... da ist gar kein Platz frei für Seiteneinsteiger.


    Meine Drittklässler kommen ja aus der jahrgangsübergreifenden Eingangsstufe, in der sehr frei und fast ohne Leistungsdruck gearbeitet wurde.
    Die haben also schon Leistungsdruck, wenn ich sage... am Freitag ist bitte der Wochenplan fertig?
    Und sie haben Leistungsdruck, wenn sie fragen... gibts dafür Noten? Und ich das bejahen muss?
    Dass wir im Frühling Vergleichssarbeiten schreiben müssen, sehe ich noch relativ locker. ich werde bestimmt keinen Stress machen... weder den Kidnern noch mir.
    Ich habe also nicht das Gefühl, dass ich besonderen Leistungsdruck ausübe... sondern ich habe eher das Gefühl, dass ich motiviere und die Kinder mit Freude lernen.
    Beide LRS-Schüler, um die es geht, machen in der Schule übrigens immer einen zufriedenen Eindruck... sie sind heiter und ausgeglichen. Sie beteiligen sich mit Einsatz und Freude am Unterricht und verweigern nie. Weder ich, noch andere Kolleginnen, die in der Klasse unterrichten, haben bemerkt, dass diese Kinder angeblich total unglücklich und überfordert sind.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Ich arbeite an einer Sek 1 Schule für Sprachbehinderte und habe daher seeehr viele Schüler mit LRS.
    Wir versuchen, den Schülern den Leistungsdruck zu nehmen und "Rechtschreibung mit Spaß" zu üben. Nebenbei haben wir noch gezielte Einzelförderungen. Generell wird bei Schülern mit diagnositizierter LRS die Rechtschreibung nicht mitbenotet - und ich korrigere es nicht bei allen Texten, sonst hätten die Schüler nur noch Rot in ihren Heften und das ist ziemlich demotivierend.
    Gut finde ich auch das Arbeiten mit der Lernwortkartei nach Sommer-Stumpenhorst.
    Mich wundert, dass bei Dir die Eltern selber für die LRS-Förderung zahlen müssen. Ich kenne es nur so, dass Kinder, bei denen eine LRS diagnositziert wurde, einen Anspruch darauf haben, dass das Jugendamt die Förderung voll bezahlt. Unabhängig vom Einkommen des Elternhauses. So läuft es bei uns jedenfalls ab.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von goldi777


    Mich wundert, dass bei Dir die Eltern selber für die LRS-Förderung zahlen müssen. Ich kenne es nur so, dass Kinder, bei denen eine LRS diagnositziert wurde, einen Anspruch darauf haben, dass das Jugendamt die Förderung voll bezahlt. Unabhängig vom Einkommen des Elternhauses. So läuft es bei uns jedenfalls ab.


    Ja, bei unseren LRS-Schülern wird die externe Förderung auch bezahlt. Wer genau das übernimmt, weiß ich gerade nicht, aber ich weiß, dass ich in regelmäßigen Abständen über den aktuellen Rechtschreibstand und die Notwendigkeit der externen Förderung berichten musste, damit diese Zahlung (von der Stadt?) bewilligt wird.

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