Auf dem Expressweg in die Einheitsschule

  • Zitat

    „Das Gymnasium wird seine schon heute führende Stellung immer weiter ausbauen und in spätestens fünf Jahren die absolut dominante Schulform sein“


    meint Prof. Hurrelmann:
    http://www.focus.de/schule/sch…uptschule_aid_358138.html


    [der Rest des Artikels ist eigentlich nicht wichtig und dient der Ablenkung]


    Also: Die Einheitsschule kommt, aber anders als sich das manche so vorstellen... Wenn es nur noch das "Erfolgsmodell" Gymnasium gibt, muss die Einheitsschule doch ein Erfolg werden?!?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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  • Zitat

    Original von Mikael
    Also: Die Einheitsschule kommt, aber anders als sich das manche so vorstellen... Wenn es nur noch das "Erfolgsmodell" Gymnasium gibt, muss die Einheitsschule doch ein Erfolg werden?!?


    Neu ist die Erkenntnis von Hurrelmann allerdings nicht. Herwig Blankertz hat schon 1982 in seinem Buch 'Die Geschichte der Pädagogik' das 'Gymnasium auf dem Weg zur Hauptschule' gesehen. Hauptschule im Sinne von 'da gehen die meisten hin'. Kann man sehen wie man möchte. Ich kann das Argument "Schlechte Schüler profitieren davon, wenn sie mit guten Mitschülern in einer Klasse sind." gut nachvollziehen und möchte auch daran glauben, dass dem wirklich so ist. Deshalb denke ich, dass dieser Weg ein sinnvoller ist.

  • Zitat

    Original von CKR
    .... Ich kann das Argument "Schlechte Schüler profitieren davon, wenn sie mit guten Mitschülern in einer Klasse sind." gut nachvollziehen und möchte auch daran glauben, dass dem wirklich so ist. Deshalb denke ich, dass dieser Weg ein sinnvoller ist.


    Das kann man jedoch auch andersrum sehen. Meine Gegenthese lautet: "Gute Schüler erreichen nicht ihr Potential, wenn sie mit vielen leistungsschwachen Schülern zusammen sind."
    Paradebeispiel ist meine derzeitige Klasse. Hauptschule-5. Die "Meinungsführer" der Klasse rangieren leistungsmäßig am Rande zur Förderschule und kaschieren ihre Schwächen durch cooles Gehabe. Die leistungsstärkeren Schüler bleiben leistungsmäßig hinter ihren Fähigkeiten zurück, weil es "uncool" ist, sich nachmittags hinzusetzen und zu lernen. Wer nicht auf dem Bolzplatz erscheint oder über die neueste Serie Bescheid weiß bzw. das neueste X-Box-Spiel beherrscht, gehört nicht dazu.


    Meine eigenen Kinder haben am Gymnasium eine vollkommen andere Welt erlebt.


    Bei einer Verschmelzung der Schularten passiert wohl das, was bei sämtlichen Mischungen erfolgt: Aus heiß und kalt entsteht lauwarm....

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Tatsächlich eines der großen Rätsel der gegenwärtigen Schulforschung:


    Warum orientieren sich Hauptschüler nach "unten" und Gymnasiasten nach "oben"?


    Die Hoffnung ist: Es liegt nicht an den SchülerInnen (das würde dann für die "lauwarm"-These sprechen), sondern an sich unterscheidenden Lehrerverhalten, Schulmilieus bzw. Schulklimas. Wenn dem wirklich so ist, müssten sich die Leistungsunterschiede zwischen Hauptschulen und Gymnasien auch an ähnlich starken (d.h. sozial- und leistungskontrollierten) Lerngruppen zeigen.


    Die Gruppe um Jürgen Baumert am MPIB in Berlin findet regelmäßig solche gesuchten "Schereneffekte". Angeblich sieht es Prenzel am IPN in Kiel anders.


    Hat Baumert recht, läge eine möglicher Lösungsansatz tatsächlich darin das Erfolgsmodell "Gymnasium" als Einheitsschulform umzusetzen (inklusive LehrerInnenausbildung, Curriculum etc.).


    Bisher komplett nicht untersucht ist allerdings die Wirkung familiärer Kontexte und die Wirkung von Schulmilieus auf überfachliche Qualifikationen.


    Man wird sehen, welche politische Entscheidungen in diesem Feld umgesetzt werden werden :o)


    ambrador

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von alias


    Bei einer Verschmelzung der Schularten passiert wohl das, was bei sämtlichen Mischungen erfolgt: Aus heiß und kalt entsteht lauwarm....


    dann aber ein paar ehrliche fragen, die ich mir ewig stelle:


    a) produzieren dann alle länder, die diese trennung nicht durchführen - derer sinds ja nicht wenig -, lauwarme schüler, lauwarme erwachsene, lauwarme bildung?


    b) wieso funktionieren schulen innerhalb deutschlands, die z.b. in der grundschule eine alters- und leistungstrennung aufheben bzw. letzteres auch in den oberen jahrgängen durchziehen?


    c) wieso ist das eigentlich ein blödes bild mit der mischung und den schularten?


    d) wieso wissen einige meiner schüler gut über die xbox-spiele bescheid, spielen fußball usw. und können auf der anderen seite aber manche gymnasiale, die ich kenne, leistungsmäßig locker in die tasche stecken?


    e) wieso landen so viele schüler bei mir an der realschule mit oftmals einer ursache: 6 in latein...nicht geeignet fürs gymnasium...?


    grübelnd...


    h.

  • Zitat

    Original von Hawkeye
    e) wieso landen so viele schüler bei mir an der realschule mit oftmals einer ursache: 6 in latein...nicht geeignet fürs gymnasium...?


    grübelnd...


    h.


    Interessante Frage. Das Gymnasium ist sehr sprachlastig (Deutsch + 1.FS + 2.FS, zusammen fast 40 Prozent der Unterrichtszeit). Wer in einer Sprache Probleme hat kann i.d.R. nur mit einer anderen Sprache oder mit Mathematik ausgleichen. Ob Prof. Hurrelmann auch daran gedacht hat?


    Deshalb meine 2. These: Wenn sich das Gymnasium erst einmal zur Einheitsschule entwickelt hat, wird man das "Sitzenbleiben" abschaffen (müssen).


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

    • Offizieller Beitrag

    Bestrebungen, das "Sitzenbleiben" abzuschaffen, gibt es jetzt schon mehr als genug. Leider gibt es anstelle der wünschenswerten Förderung zur Vermeidung desselben nur ständig weitere Absenkungen der Qualität- die Beispiel-Abituraufgaben fürs G8 in Bayern sind im Fach Deutsch geradezu peinlich einfach und wenn's die Aufgaben nicht sind, dann werden wir Lehrer dazu angehalten, so zu korrigieren, dass jeder mindestens eine 3 bekommt.
    Ich fürchte auch stark, dass eine Vereinheitlichung der Schulen eher eine massive Qualitätsabsenkung zur Folge hat- denn die notwendigen Lehrkräfte lassen sich nicht so einfach aus dem Boden stampfen...
    Bei Hawkeyes Frage (e) habe ich noch eine andere Idee anzubieten:
    Meiner Erfahrung nach ist die fünfte Klasse im Gymnasium eher eine "Auslotungsphase". Querversetzt wird da kaum. Es landen aber viele Kinder bei uns in der fünften Klasse, bei denen ich mich regelmässig wundere, wie sie den Notendurchschnitt überhaupt geschafft haben und manche Grundschullehrerinnen erzählen dann auch von massivstem Druck von Seiten der Eltern.
    Spätestens in der sechsten Klasse, wenn mit Latein die "Paukerei" angeht, sind genau solche Kandidaten dann weg bzw. auf der Realschule. Meist ist es auch nicht nur allein Latein...
    Ich hab mal interessehalber während einer Konferenz eine Statistik über die Fächer angefertigt, wegen denen die meisten Schüler Probleme haben und wiederholen müssten.
    Es sind: Mathe, Latein, Physik, Chemie, Französisch, Englisch- also eigentlich eine gute Mischung.
    Nur wird meist den Kandidaten, die Probleme mit Französisch oder Latein haben, geraten, doch auf die Realschule zu gehen, denn da fällt bekanntlich das "böse" Fach weg.
    Dass viele solche Schüler dann auch auf der Realschule Probleme haben, liegt dann ganz stark an ihrem Arbeitsverhalten...
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Zitat

    Original von alias


    Bei einer Verschmelzung der Schularten passiert wohl das, was bei sämtlichen Mischungen erfolgt: Aus heiß und kalt entsteht lauwarm....


    Komplett verschmelzen ist sicherlich Quatsch. Die Spitzenschüler würden darunter leiden. Aber die Anzahl von Gesamtschulen erhöhen ist meiner Meinung nach ein MUSS!


    Im Folgenden beschreibe ich, warum Gesamtschulen toll sind:
    (wer es nicht lesen will und als offtopic sieht, muss esja nicht lesen)


    Um mich (etwas) von der Realität an so einer Schule zu überzeugen, habe ich mein Blockpraktikum an so einer gemacht. Und es war wirklich toll. Man muss sich ja nur mal anschauen, wie die (End-)Prüfungsleistungen der Regelschüler im Vergleich zu "normalen" Regelschulen sind. Und der Unterschied ist Wahnsinn!
    Jedes Kind, dass die Hauptschulabschlussprüfung mitschreibt (und das sind fast alle) kann bei entsprechender Leistung einen Realabschluss versuchen. Und da die Kinder (oftmals) mit ihren Kumpels zusammen bleiben wollen versuchen sie es auch.


    Da in den Kernfächern eine Trennung erfolgt, ist das Niveau auch in den sogenannten Leistungskursen (Lehrplan entspricht dann Gym) angemessen. Einziger Nachteil für die Abiturienten: Es sind 13Schuljahre. Aber ob das ein Nachteil ist ... meiner Meinung nach ja... aber da gibt es bekanntlich auch andere Stimmen.

  • Zitat

    Original von Hawkeye


    a) produzieren dann alle länder, die diese trennung nicht durchführen - derer sinds ja nicht wenig -, lauwarme schüler, lauwarme erwachsene, lauwarme bildung?


    Gibt es nicht in vielen dieser Länder de facto mittlerweile zwei getrennte Schulsysteme d.h. ein staatliches "für alle" und ein privates, in das man sich einkaufen kann, z.B. auch in Schulen, deren Elternschaft ihren Kindern einen bestimmten Background an Begleitung, Förderung und Unterstützung bietet?

    Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr. Marie Curie

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Maria Leticia


    Gibt es nicht in vielen dieser Länder de facto mittlerweile zwei getrennte Schulsysteme d.h. ein staatliches "für alle" und ein privates, in das man sich einkaufen kann, z.B. auch in Schulen, deren Elternschaft ihren Kindern einen bestimmten Background an Begleitung, Förderung und Unterstützung bietet?


    auch wieder wahr...


    andrerseits...skandinavien? italien? spanien?...nur mal so in den raum geworfen - müsste ich näher informieren...

  • Zitat

    Original von Hawkeye


    spanien?


    Da kann ich als Spanischlehrerin etwas dazu sagen: aus historischen und kulturellen Gründen gibt es in Spanien traditionell einerseits die staatlichen Schulen, andererseits die meist katholischen Privatschulen (ca. 30% über alle Schulstufen hinweg). Und die können sich ihre Schüler halt aussuchen.



    Ich persönlich bin, wie man unschwer gemerkt hat, ja der Meinung, dass die Einheitsschule nichts weiter tut, als dem Trend zur Privatschule Vorschub zu leisten.

    Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr. Marie Curie

    2 Mal editiert, zuletzt von Maria Leticia ()

  • Was ist der Grund dafür, dass im Flächenland Baden-Württemberg nur halb so viele Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen wie im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern?
    http://www.bundeslaenderrankin…enger-ohne-abschluss.html


    Was bringt eine Zusammenlegung von Hauptschule und Realschule, wenn im Gegenzug die Schülerzahlen an der Förderschule und die Zahl der Schüler ohne Abschluss rapide steigen?


    Nimmt man die Zahlen von
    http://www.kmk.org/statist/Dok184.pdf
    (S.62 und S.84)
    und setzt die Zahlen der Schüler an allgemein bildenden und beruflichen Schulen ins Verhältnis zur Zahl der Schüler an Förderschulen, so ist signifikant, dass in Mecklenburg-Vorpommern (5,1%), Sachsen (4,1%), Sachsen-Anhalt (5,2%) und Thüringen (4,9%) mehr Schüler die Förderschulen besuchen als zum Beispiel in Baden-Württemberg (3,1%), Rheinland-Pfalz (2,7%), Schleswig-Holstein (2,5%) , Bremen (2,6%) oder im Saarland (2,6%).


    Da werden die Schüler aus den Mittelschulen eben "nach unten" durchgereicht oder als Schulabbrecher nach Hause geschickt.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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