Eingangsstufe... wo sind die Vorteile für Zweitklässler?

  • Hallo ihr Lieben,


    ich habe ja seit August eine dritte Klasse, die frisch aus drei Eingangsstufen zusammengesetzt worden war.
    Nette Klasse, nette Elternschaft... auch wenn es 30 Kinder sind... es ist eine angenehme Atmosphäre.
    Nun hatte ich gestern eine kleine Weihnachtsfeier, zu der auch die Eltern geladen waren und wir sind ein bisschen ins Gespräch gekommen.
    Und da kam das Gespräch auf diese Eingangsstufe.
    Die Eltern hatten fast einhellig den Eindruck, dass es für ihre Erstklässler noch OK war. Sie kamen in die Schule und konnten sich an den Zweitklässlern orientieren... die zeigten ihnen das Schulgebäude, erklärten ihnen die Regeln, usw. Auch fanden die Erstklässler den Zweitklässlerunterrichtsstoff spannend und das wirkte sehr motivierend.
    Dann wurden die Erstklässler zu Zweitklässlern... und Kinder und Eltern wurden unzufrieden.
    Die Eltern hatten den Eindruck, dass der Unterricht in der Eingangsstufe sehr Erstklässlerlastig ablief... dass die Zweitklässler ein wenig unter ferner liefen geführt wurden... und dass sie zu wenig lernten.
    Eltern von leistungsstarken Zweitklässlern waren besonders unzufrieden, sie hatten den Eindruck, dass ihre Kinder zu wenig gefördert wurden, statt dessen dauernd als *Hilfslehrer* missbraucht wurden, um den Erstklässlern zu helfen.
    Sie sagten all das nicht laut...sie beschwerten sich nicht bei der Schulleitung... aber das schwelt bis heute in der Elternschaft.
    Und die Eltern sind sehr glücklich, dass die Kinder jetzt in der dritten Klasse endlich was lernen.


    Ich habe mir das angehört... freue mich, dass die Eltern mit mir zufrieden sind... und kann die Eltern verstehen.
    In der Eingangsklasse, in die der Sohn meiner Freundin ging, lief es ganz genauso. Die Zweitklässler fanden zu wenig Beachtung und Förderung.


    Aber das kanns ja nicht sein... wahrscheinlich wird das ganze Konzept nur fallsch durchgefüührt... oder ich sehe das nicht richtig.
    Das kann ja nicht nur Vorteile für Erstklässler haben.... denn dann wäre das ganze Konzept ja in Frage zu stellen.


    Wo also liegen genau die Vorteile für Zweitklässler?
    Wie seht ihr das?
    Wie handhabt ihr das?
    Und was genau macht ihr für die Zweitklässler, damit die angemessen gefördert werden?

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • caliope


    Von mir kommt eine Eltern-, keine Lehrerantwort. Von meinen vier Kindern hat eins nur Jahrgangsunterricht erlebt, zwei nur Eingangsstufe, eins ist in der zweiten Klasse von der Eingangsstufe in Jahrgangsunterricht gewechselt.


    Ich habe in allen Klassen hospitiert und kann daher einiges zu den Unterrichtsformen sagen. Vorteile der Eingangsstufe für Zweitklässler kann ich nicht erkennen.
    Im direkten Vergleich kann ich sagen, dass Jahrgangskinder in allen Unterrichtsfächern deutlich weiter sind, geübter Stoff besser sitzt, sie sich im Umgang untereinander sozialer verhalten und zufriedener sind, weil mehr altersgleiche Kinder für Freundschaften zur Verfügung stehen. Wenn Eingangsstufenkinder jahrgangsübergreifend enge Freundschaften geschlossen haben, verlieren sie diese nach einem Jahr wieder und müssen sich sozial neu einsortieren. Diese bittere Komponente wird fast nirgendwo benannt, wenn es um die Eingangsstufe geht! Auch müssen sie sich schon früh an neue Lehrer/innen gewöhnen. Sonst gilt in Brandenburg meist 1-3/4-6, die Eingangsstufe hat in der Regel 1+2/3+4/5+6.


    Bei Hospitationen stach mir zuallererst ins Auge, dass Eingangsstufenlehrerinnen weitaus mehr Zeit für organisatorische Dinge aufbringen müssen. Die direkte fachliche Instruktionszeit pro Schüler nimmt deutlich ab. Ich habe die Lehrer fast nur dirigierend erlebt, welches Blatt wo geholt, wo einsortiert werden muss, wo welcher Ordner hinkommt, welches Material wo geholt werden muss etc.


    Die Eingangsstufe zwingt Lehrer dazu, eher indirekte Lehrmethoden anzuwenden, z.B. Wochenpläne, Werkstattarbeit etc. Dies ist mit einer wahren Kopier- und Laminierorgie verbunden. Insbesondere schwächere Schüler bzw. Schüler, die nicht so gut organisiert sind, leiden hierunter erheblich. Wenn nicht genug Personal zur Verfügung steht, die Schüler in kleinen Gruppen klassenstufenweise zusammenzufassen (was im übrigen ja jeder Art von Unterricht positiv zugute kommt) werden Kinder mehrerer Eingangsstufen partiell jahrgangsweise unterrichtet, d. h. dann müssen ständig mehrere Klassen koordiniert werden, ohne besonderen pädagogische Effekt auf die Schüler. Das bringt viel Unruhe. Spontane Reaktionen auf Unterrichtsthemen - z.B. spontane kleine Ausflüge, habe ich daher in Jahrgangsklassen häufiger erlebt. Der Lärmpegel in Eingangsstufenklassen ist höher.


    Jahrgangsweise wird in der Regel so unterrichtet, dass es eine direkte Unterweisung für die ganze Klasse gibt. Dann können alle Kinder anfangen zu arbeiten. Die Lehrerin hat Zeit, sich um die Schwächeren und/oder die Schwierigen in enger direkter Anleitung zu kümmern und kann anschließend Extra-Aufgaben an die Schnellen verteilen. In Eingangsklassen - verbunden mit indirekten Methoden, bei denen jeder nach seinem Tempo arbeitet - erklärt die Lehrerin jedem Kind einzeln alles. Das bedeutet, dass die Gesamtinstruktionszeit pro Kind deutlich reduziert ist und - schlimmer noch - manche Kinder komplett durchs Lehrerraster fallen können. Die Spannbreite - auch innerhalb einer Klassenstufe - wird größer, Lehrer werden eher Wissensverwalter als Wissensvermittler und sie bekommen gleichzeitig eine eigentümliche Diagnostikfunktion zugewiesen.


    Es wird mehr LRS, Dyskalkulie, ADHS etc. festgestellt. Diese Auffälligkeiten werden dann im besten Fall gesondert gefördert, oft aber auch nur individuell als scheinbare Pathologie diagnostiziert. Scheinbar sage ich deshalb, weil ich denke, dass die Methodik einen erheblichen Einfluss hat.
    Und hier meine eigenen ca.-Zahlen, wobei ich dazu sagen muss, dass in den von mir beschriebenen Klassen die Eltern der Eingangstufe tendentiell höheren Einkommens-/Bildungsschichten entstammten als der Jahrgangsklasse und dagegen in der Jahrgangsklasse mehr früher eingeschulte Kinder waren als in der Eingangsstufe.


    Jahrgangsklasse: 1 LRS/25
    2 Dykalkulie/25
    1 ADHS/25
    kein Sitzenbleiben/25
    8 LuBK/25


    Eingangsstufe: 12 LRS/25
    mehr Dyskalkulie/25
    mehr Unruhe/25
    5 drei Jahre Eingangsstufe/25
    1 LuBK/25


    LuBK= Leistungs- und Begabungsklasse, die Möglichkeit in Brandenburg, Schüler ab der 5. Klasse auf ein Gymnasium zu schicken, betrifft, wenn ich mich nicht täusche, ca. 20-25% der Fünftklässler Brandenburgs. Der Aufnahme geht eine landeseinheitliche zusätzliche prognostische Untersuchung voraus. Der LuBK-Schüler der ehemaligen Eingangsstufe wurde von seiner Mutter quasi parallel unterrichtet.


    Der Eingangsklassenunterricht ist stärker als jede andere Unterrichtsform von der Lehrerpersonality abhängig. Wer also in derart heterogenen Klassen für Ruhe und dauernde Arbeitsatmosphäre und ein gutes soziales Klima sorgen kann, jederzeit mitbekommt, wo ein Kind schwächelt und sofort eingreifen kann, die Kinder motivieren kann, sich jederzeit gegenseitig zu helfen und selbst immer die doppelte Vorbereitungszeit pro Thema in Kauf nimmt, der kann - auch in der zweiten Klasse - gute Ergebnisse schaffen. Ich habe das bisher von Zweitklässlereltern einer einzigen Eingangsstufe gehört und weiß von der betreffenden Lehrerin, dass sie privat überhaupt gar nichts anderes mehr gemacht hat, als Unterricht vorzubereiten. Nur: ein solcher Engel würde wahrscheinlich auch jede Jahrgangsklasse zu Höchstleistungen anstiften.


    Die Eingangsstufe macht meiner Meinung nach ausschließlich dort Sinn, wo wegen zu geringer Schülerzahlen Schulen schließen müssten und ansonsten erheblich längere Schulwege in Betracht kämen.


    craff

  • Danke für deinen ausführlichen Beitrag, craff.
    Genauso schätze ich das auch ein.


    Aus Elternsicht sowieso... ich hab echt drei Kreuze gemacht, als die Schule meiner Kinder beschlossen hat, die Eingangsstufe nicht zu machen.


    Als Lehrerin habe ich noch nicht in der Eingangsstufe unterrichtet... und möchte das auch nicht... ich kann nicht hinter dem Konzept stehen.

    Ich habe mehrfach in den Eingangsklassen unserer Schule hospitiert und genau wie dir ist auch mir aufgefallen, dass die Lehrerin und auch die Kinder unglaublich viel Zeit mit Organisation verbringen.
    Denn auch bei uns wird fast nur mit freien Methoden gearbeitet... und ich sehe die Kolleginnen nur am Kopierer.


    Ich habe nun diese dritte Klasse. Die Eltern sind mir fast um den Hals gefallen, als es bei mir fast einheitliche Arbeitsaufträge udn Hausaufgaben gab. Natürlich differenziere ich auch... aber im Großen und Ganzen bearbeiten meine Schüler dieselben Themen und Aufgaben.


    Mir ist aufgefallen, dass die Kinder insgesamt sehr unruhig sind... sie stehen dauernd auf und gehen im Klassenraum umher oder zu anderen Kindern... oder holen mal eben was... und sie halten keine langen Stillarbeitszeiten aus. Das haben sie nicht gelernt. Und mit lang meine ich alles, was länger dauert als 5 Minuten.


    Von meinen 30 Kindern habe ich 4, bei denen ich über LRS nachdenke und das auch schon mit den Eltern thematisiert habe. Nur bei einem Kind ist es bisher diagnostiziert... weil die Eltern sich dahinter geklemmt haben. Die Kolleginnen der Eingangsstufe haben nichts bemerkt.
    Bei einem Kind denke ich über Dyskalkulie nach... und ADHS. Die Eltern haben nun Termine zur Diagnostik ausgemacht. Die Eingangsstufenlehrerin meinte zu mir nur... der muss eben damit leben, dass er sein Leben lang nur Fünfer in Mathematik hat...
    Zwei andere Kinder haben große Schwierigkeiten in Mathematik...
    Ein Kind hat gesichert ADHS und bekommt Ritalin... er ist dadurch fast unauffällig und kann gut arbeiten. Drei andere Kinder sind schwer auffällig... wenn ich nicht neben ihnen stehe und kleinstschrittige Anweisungen gebe, arbeiten sie gar nicht.... und stören massiv.


    Ich kann das alles nicht auf die Methoden der Eingangsklasse schieben... ich kann auch nicht sagen, ob es am Stumpenhorst-Konzept liegt... aber jedenfalls sehe ich wirklich NULL Vorteile für Zweitklässler.
    Ich sehe nicht, dass die Zweitklässler von der Eingangsstufe auch nur irgendwie profitieren...
    Aber vielleicht sehe ich das auch nur nicht richtig... denn es muss ja einen Grund geben, die Eingangsstufe an Schulen durchzuziehen.

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  • hallo ihr zwei,


    hier schreibt euch eine eingangsstufenlehrerin.
    ich teile eure meinungen zu 100%!
    die eingangsstufe bedeutet aus meiner sicht nur unnötigen stress und zwar aus lehrer- UND schülersicht!!! als lehrerin steht man dauernd unter strom, versucht ständig beide lerngruppen unter einen hut zu bekommen...
    aber auch die meisten kinder empfinden den eingangsstufenunterricht als puren stress und sind SEHR dankbar, wenn ich beispielsweise in englisch einfach mal "nur" den traditionellen, für alle verbindlichen frontalunterricht mache und endlich jeder mal das gleiche macht und lernt...
    als einzigen vorteil sehe ich die soziale komponente, ich habe wirklich ein paar wenige kinder, die den kleinen ab und an toll erklären können.
    wobei man hier auch wiederum dagegen halten kann, dass diese kinder dann oft zu kurz kommen, da sie ja für sich alten stoff erklären müssen anstatt selbst im stoff voranzukommen...
    außerdem sind heutzutage die normalen jahrgangsklassen meist auch so heterogen, so dass auch dort ein helfersystem möglich ist...!!!


    frustrierte und gestresste grüße.

  • Liebe Kolleginnen,
    vielen Dank für eure Berichte! Ich kenne die Eingangsstufe nur aus Erzählungen und hoffe, dass sie in Hessen nicht bald verbindlich eingeführt wird!
    Zu den Vorteilen für Zweitklässer: ich dachte eigentlich, die Theorie wäre, dass gute SuS die Eingangsstufe in einem Jahr durchlaufen und dann gleich in die dritte Klasse kommen - wird das praktiziert?
    Der "Vorteil" wäre dann, dass diese Kinder die Grundschule in drei Jahren durchlaufen - falls das als Vorteil bezeichnet werden kann ?(...


    Viele Grüße
    venti :)

  • In meiner Klasse ist genau ein Kind, das nur ein Jahr in der Eingangsstufe war. In der Parallelklasse ist noch ein Kind.
    Das heißt... bei 60 Schülern sind es zwei Kinder, die nur ein Jahr in der Eingangsstufe verbracht haben
    Das Kind in meiner Klasse kommt prima mit... es hat Freunde in der Klasse... bei dem war es offenbar eine gute Entscheidung. Das Kind in der Parallelklasse hat große Probleme... es kommt weder im Stoff gut mit, noch ist es in die Klassengemeinschaft gut integriert.
    Diese Kinder hätten auch sonst eine Klasse überspringen können? Wenn man denn darauf steht, Kinder springen zu lassen. ich hab da ja eine andere Meinung zu... die aber nicht sehr populär ist.
    Es hat aber immer Kinder gegeben, die Klassen überspringen... das war ja auch vorher nichts neues. Und es sind ja nicht die Massen an Kindern, die nun springen. Dafür muss man nicht das ganze System ändern!


    Und was diese ganze Organisiererei betrifft... das überfordert mich als Lehrerin, denn ich muss dauernd alles nachhalten, kontrollieren, Listen führen... und ich hätte Angst irgendwo etwas zu vergessen und den Überblick zu verlieren....
    Außerdem würde es mich fertig machen, dass ich den Unterricht und alle Materialien dauernd neu erfinden muss... es gibt ja keine Bücher oder so.
    Meine Eingangsstufenkolleginnen kopieren jeden Tag Massen an Arbeitsblättern, wie ich beobachten kann. Und keine von ihnen macht einen glücklichen Eindruck.


    Und meiner Meinung nach überfordert es auch die Kinder.
    Manche Erstklässler sind dermaßen unselbständig... die können sich kaum alleine anziehen.
    Und wir erwarten, dass sie nun ihr Lernen selbst organisieren? Das sie wissen, was wann dran ist und möglichst frei arbeiten?
    Damit sind manche meiner Drittklässler noch überfordert und ich bin von Wochenplänen für diese Kinder schon zu Tagesplänen zurückgegangen.
    Und wenn ich diesen Drittklässlern keinen Druck mache und immer wieder sage... bis morgen habt ihr Seite XX fertig bearbeitet... und das am nächsten Tag auch kontrolliere... dann machen die gar nichts.


    Die Kinder können sich auch kaum an anderen Kinder orientieren, denn jedes Kind macht ja etwas anderes und ist an einer anderen Stelle im Lernprozess... es sind also 25 kleine, auf sich gestellte Einzellerner in der Klasse... sie können sich nicht mal am Nebenmann orientieren... jedenfalls nicht in den wichtigen Hauptfächern.


    Meine Drittklässler genießen übrigens auch den Frontalunterricht. Ich dachte, das ist bei denen eine besondere Marotte... aber nachdem ich krokos Erfahrung gelesen habe, komme ich da schon ins Grübeln, ob das nicht auch mit der Eingangsstufe zusammenhängt...
    Ich habe mich am Anfang echt darüber gewundert, denn Frontalunterricht ist doch sowas von out in der Grundschule... aber ich konnte so besser unterrichten, als mit Stuhlkreis oder freien Methoden.... also habe ich ab und an Frontalunterricht gemacht und lieber nicht darüber gesprochen. *g*
    Aber meine Schüler lieben es, gemeinsam etwas zu machen.
    Sie lieben es, Arbeitsaufträge zu bekommen und dann alle zusammen das gleiche Thema zu bearbeiten.
    Sie lieben es, dass jeder fast die gleichen Hausaufgaben hat...
    Und wie gesagt... auch die Eltern der Kinder lieben das.


    Ich als Lehrerin der dritten Klasse profitiere insofern von der Eingangsstufe, als dass die Kinder und Eltern mir sowas von dankbar sind, dass endlich normaler Unterricht gemacht wird... dass endlich gelernt wird.
    Sowohl Eltern als auch Kinder hatten das Gefühl, dass die zweite Klasse *nichts gebracht hat*
    Ich habe da sofort einen Bonus gehabt, ohne groß etwas dafür zu tun.


    Aber das kanns ja nicht sein...

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  • es tut sooo gut, zu lesen, dass es leute gibt, die meine ansichten teilen...!!! :)
    ich habe mittlerweile viele freie arbeitsformen wieder sehr zurückgefahren, verteile beispielsweise auch einheitliche hausaufgaben (die gleichen für die erstklässler, die gleichen für die zweitklässler) und siehe da, bis jetzt hat sich weder ein kind noch ein elternteil darüber beschwert, ganz im gegenteil...
    auch arbeiten wir mittlerweile in mathe wieder recht einheitlich, ich beschäftige eben meine zweitklässler still, während ich mit den erstklässlern gemeinsam unterricht mache. in der nächsten stunde dann umgekehrt.
    in deutsch arbeite ich mit anton und zora, da schreibt und liest eben jeder so viel/gut er kann.
    ab und zu baue ich mal eine freiarbeitsstunde ein, die mögen die kinder zwar sehr, jedoch beobachte ich bei mindestens fünf kindern der klasse regelmäßig, dass sie sehr schnell nicht mehr wissen, wie sie sich selbstständig beschäftigen sollen, obwohl ich VIEL material in der klasse habe...
    und solche kinder sollen nun ihren ganzen lernstoff selbstständig organisieren und autodidaktisch lernen?!?!?!

  • Ich glaube ja, dass das VIELE Material die Kinder restlos überfordert. Das ist ZU viel. Da können sie sich nicht entscheiden.
    Die brauchen Pflichtaufgaben... und eventuell eine Wahlmöglichkeit zwischen zwei verschiedenen Aufgaben. Das kann klappen.
    Also so wie... du machst entweder das oder das... und wenn du dich nicht entscheiden kannst, dann entscheide ich für dich und du machst Möglichkeit 1.
    Wenn sie älter werden und diese Art der Arbeit im Griff haben, dann kann es immer freier werden... aber ich kann einfach nicht glauben, dass alle Kinder das sofort können.

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  • also du meinst ich soll eine art wochenplan statt freiarbeit machen?
    hmmm... das könnte ich mir im grunde auch vorstellen...
    erst ein paar pflichtaufgaben, danach wahlaufgaben, diese jedoch auch nicht ganz frei, sondern eine auswahl zwischen x und y...
    dann würde ich auch das "problem" lösen, dass manche kinder immer das gleiche machen...
    ich muss mal darüber nachdenken! :)

  • Ich kann ja nur für mich sprechen... und bei mir klappt es so besser.
    Ich habe diese Klasse übernommen und man sagte mir, dass die Kinder gewohnt sind ganz frei zu arbeiten.... zum Beispiel im Einstern.
    Aha... hab ich gedacht... und die Kinder mal machen lassen.
    Nach zwei Wochen waren die leistungsstarken Kinder schon sehr weit... und die leistungsschwachen Kinder, die dazu auch noch ein Problem mit dem Arbeitsverhalten haben, dümpelten noch auf den ersten Seiten des Einsterns herum.
    Da habe ich in Absprache mit der Parallelkollegin angefangen, die Freiheit einzuschränken...
    Die Kinder haben von mir Pflichtaufgaben bekommen... das MUSSTE am Ende der Woche fertig sein.
    Und damit waren die Spezial-Kandidaten immer noch überfordert... sie bekamen sich nicht organisiert, dass sie wirklich fertig wurden.
    Also gibt es bei mir nun Tagespläne... die sind Pflicht für alle... das ist im Prinzip fast immer eine Seite aus dem Einstern, die zu schaffen ist. Wer schon weiter ist... wunderbar! Für den gilt der Wochenplan! Ich bremse sie flotten Kinder dadurch nicht aus... und der Einstern bietet ja noch reichlich zusätzliches Material.
    Außerdem haben wir Möglichkeiten am PC, die Blitzrechenkartei, ich habe eine Gehirnjogging-Kartei angelegt... usw.
    Die Wochenpläne sind Arbeiitspläne, die auf dem Arbeitsplan im Einstern basieren. Wir haben die am Anfang des Schuljahres für das ganze Schuljahr fertiggestellt. Das war eine schreckliche Arbeit... aber es hat sich gelohnt.


    Ich will nicht behaupten, dass das nun so die Offenbarung ist... aber ich komme gut damit klar... und die Parallelkollegin ebenfalls.


    Ich komme mit diesen Wochenplänen besser zurecht... ich habe für mich besser im Überblick, wo jedes Kind gerade ist... ich sehe das ja täglich im Unterricht und ich kontrolliere immer am Ende der Woche bei jedem Kind die Hefte, die Pläne, die Arbeitshefte...


    Mag sein, dass das auch an meiner Unfähigkeit liegt, freie Arbeit korrekt durchzuführen... mir ist das nicht strukturiert genug... aber es ist eben wie es ist... und bei mir sind alle zufrieden. ;)

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    • Offizieller Beitrag

    Ich schalte mich mal dazwischen und möchte euch ein paar Vorteile der jahrgangsübergreifenden Eingangsstufe nennen:
    Die neuen Erstklässler kommen in ein bestehendes soziales Gefüge und wissen nach einer Woche bereits alle organisatorischen Dinge, für die ich zuvor bis zu den Herbstferien gebraucht habe. Die neuen Zweitklässler übernehmen die Rolle, die sie im Jahr zuvor genossen haben, ganz selbstverständlich und wer absolut nicht helfen will (was selten vorkommt) wird von mir auch nicht gezwungen. Aber die Großen fühlen sich dadurch auch groß und wachsen auch zu Hause selbstverständlicher in Aufgaben hinein wie mir von Eltern berichtet wurde.


    Meine Schule hat sich das 'Problem' der Zweitklässler ebenfalls lange durch den Kopf gehen lassen. Es war zwar mehr ein Problem der Eltern, aber wir haben verschiedene Änderungen vorgenommen:
    - Während die Erstklässler (ab Februar) Englisch haben werden, kommen die Zweitklässler aus zwei Parallelklassen zusammen und haben eine Übungsstunde in Mathe oder Deutsch - frontal und einheitlich (soweit es möglich ist, denn wir haben auch noch GU-Kinder). Im übernächsten Jahr wird ja dann für alle Englisch sein.
    - Die Zweitklässler haben eine Einzelförderstunde pro Woche in ihrer Kleingruppe. In dieser Stunde schreiben wir z.B. Tests, besprechen Rechtschreib-/Grammatikübungen oder den Wochenplan. Da nur ca. 12 Kinder in der Gruppe sind, schafft man dann schon eine Menge inclusive individueller Förderung. Auf meinem Wunschzettel für nächstes Schuljahr stehen zwei dieser Förderstunden.
    - Durch die geringere Anzahl Erst-/Zweitklässler habe ich diese Kinder bereits nach wenigen Wochen so gut kennengelernt, dass mir mittlerweile Diagnosen und Förderpläne schnell von der Hand gehen.
    - Ich habe eine Lehramtsanwärterin und wir trennen öfter die Gruppe, wenn wir im Team auf dem Stundenplan stehen. Trotz der vielen Arbeit, die man mit einer LAA hat, kann ich nur empfehlen, sich am Ausbildungsunterricht zu beteiligen.
    - Die Drittklasskollegen loben ausdrücklich das sehr gute Sozialverhalten und die Selbstständigkeit der Kinder, die sie übernehmen. Alle Klassen fanden sich sehr schnell, vielleicht auch, weil wir dazu übergegangen sind, direkt am Anfang des dritten Schuljahres auf Klassenfahrt zu gehen. Es ist nicht alles eitel Sonnenschein. So kämpfen wir sehr mit Eltern, die versuchen, die Lehrer gegeneinander auszuspielen, nach dem Motto 'Das haben wir im 1./2. Schuljahr nicht so gelernt.'. Diese Probleme gibt es aber immer. Es gibt ja auch Schulen, die generell nach dem zweiten Schuljahr einen Klassenlehrerwechsel durchführen.


    Nach vier Jahren Eingangsstufe kann ich sagen:
    Ich differenziere nur, wenn es absolut notwendig ist. Ein Pflichtprogramm muss schon jeder bewältigen - auch als Hausaufgabe. Nach drei super Jahrgängen in der Klasse, habe ich zum ersten Mal echt schwierige Erstklässler, die mich an meine Grenzen bringen. In einer reinen Jahrgangsklasse wäre ich mit diesen Kindern längst untergegangen! So kann ich in aller Ruhe die vielen schweren Elterngespräche führen, die mich sonst mehr stressen würden (mehrere ADS/ADHS-Kinder, ein potenzieller Förderschüler, ein hochbegabtes Kind) Dank meiner Zweitklässler sehe ich aber jeden Tag ein bisschen Licht ... Im Moment erziehe ich mehr, als dass ich bilden kann, aber da ich die Basis schaffe (die teilweise vom Kindergarten versäumt wurde ...), nehme ich mir den Mut zur Lücke und lasse mich nicht durch festgesetzte Ziele stressen (Nächsten Montag müssen wir im Mathebuch auf Seite 50 sein, sonst können wir den Lerntest nicht schreiben!). Kopierschlachten habe ich abgeschafft. Ich arbeite viel mit Tages- und Wochenplänen, die ich oft einfach nur an die Tafel schreibe - weniger ist mehr. Das klappt prima.


    So wie oben beschrieben arbeiten Kolleginnen, die ihr System nicht weiterentwickeln. Sie stecken fest und lassen in ihrer Verzweiflung Abteilungsunterricht laufen oder sie stehen nicht hinter der Mischung, werden aber durch die schulischen Gegebenheiten dazu gezwungen. Wir können uns leider nicht auf Schulbücher stützen. Selbst nach zwei Überarbeitungen passen unsere 'Bausteine' in Deutsch immer noch nicht. Auch ich fluche manchmal und hatte am Freitag das Gefühl noch nie so ferienreif zu sein, aber das liegt wirklich nicht am jahrgangsübergreifenden Unterricht, sondern an anderen gesellschaftlichen Gegebenheiten, die sich im Moment zuzuspitzen scheinen (bildungsferne Elternhäuser, öffentlicher Druck, Aufgabenflut aus dem Mininsterium, ...). Ich versuche, mich davon nicht irritieren zu lassen, denn: Ich möchte keinen Jahrgangsunterricht mehr. Ich liebe meine gemischten Wusel und würde am Liebsten bis zur vierten Klasse mischen.


    Talida

  • Finde iich spannend zu lesen... vor allem dein Fazit: Weniger ist mehr!
    Auch die Tages- und Wochenpläne finde ich klasse... denn das scheint wirklich eine praktischere Organisationsform zu sein.
    Ich glaube, das haben meine Eingangskolleginnen so nicht verwirklicht.
    Die Vorteile für Erstklässler sehe iich ja auch... aber wo genau war nun der Vorteil für die Zweitklässler?
    Sie sind Helfer für die Erstklässler.... das lässt sie wachsen.
    Aha.
    Sie haben ab und zu Jahrgangsunterricht, sie haben eine gemeinsame Förderstunde in der Woche, sie sind eine kleine Lerngruppe.
    Kleine Lerngruppe hat natürlich viele Vorteile, das sehe ich schon. Da hat man jedes Kind besser im Blick, als ich das bei meinen 30 Kindern kann.
    Aber hat man sie wirklich im Blick, wenn gleichzeitig noch die andere kleine Lerngruppe der Erstklässler sehr viel Energie zieht?


    Die EingangsstufenLehrerinnen an unserer Schule sprechen nicht über solche Themen... Eingangsstufe ist Schulprinzip und da üben sie nicht Kritik.
    Außerdem haben wir Drittklässlerlehrerinnen ja keine Ahnung, weil wir da nicht unterrichten... und jede Frage wird sofort als persönliche Kritik aufgefasst.
    Deshalb frage ich ja hier... ;)

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    • Offizieller Beitrag

    Sie wachsen doch nicht nur durchs Helfen! Und mal ehrlich: wer es negativ sehen möchte, dass die Zweitklässler den Erstklässlern helfen, der wird auch alle positiven Argumente ins Gegenteil kehren können. Das habe ich jetzt schon so oft gehört. Es ist doch nicht so, dass ich lauter kleine Hilfslehrer um mich herumlaufen habe. Das würden die Kinder gar nicht mitmachen. Die Hilfe geschieht meist indirekt, wenn die Kleinen sich bei den Großen abgucken, wo denn der Zeichenblock abgelegt wird, was als Matheheft bezeichnet wird, wie der Tisch aufgeräumt wird, bevor gefrühstückt werden kann, was der Kakaodienst zu erledigen hat, usw. Die direkte Hilfe besteht in kurzen Tipps oder Kommentaren (manchmal sehr trocken und urkomisch). Die einzige Hilfe, die ich einfordere, besteht in gemeinsamen Lesestunden. Dadurch haben alle Erstklässler bis zu den Herbstferien die Lesetechnik verstanden, bis Weihnachten können fast alle lesen. Die Zweitklässler üben dadurch auch, schwache Leser sind angespornt, gute Leser hochmotiviert, ihre Fähigkeit zu zeigen. Das macht die Großen und mich immer mächtig stolz und diese gemeinsamen Glücksmomente zu etwas Besonderem. Das muss man vielleicht erlebt haben, um es zu verstehen.
    Für mich liegt auch einer der Vorteile darin, dass Zweitklässler, die keine jüngeren Geschwister haben, ein paar wichtige Kompetenzen erwerben, z.B. Rücksichtnahme, Toleranz, aber auch 'wohlwollendes Gönnenkönnen', Freude am Teilen, gemeinsames Spiel, ... Und genau das kommt ihnen im dritten Schuljahr zugute, wenn sie aus vielen Klassen zusammengewürfelt werden. Bei uns hatte kein Kind der Eingangsstufe Schwierigkeiten, sich in den 30er-Klassen einzuleben und fast alle meiner Ehemaligen haben mittlerweile neue Freunde gefunden.
    Das kleinste Problem haben die Kinder mit der Eingangsstufe. Ich kann jetzt nur für unser Einzugsgebiet sprechen: Hier machen die Eltern den Wind, weil sie nicht bereit sind, hinter das System zu gucken und weil sie sich im zweiten Schuljahr schon Gedanken über die weiterführende Schule machen. Denn sie wollen ja alle aufs Gymnasium ... Und dann frage ich: Welche Kompetenzen werden denn dort erwartet? - Selbstständigkeit, Aufmerksamkeit, Kooperation usw. - Das lernen sie in der Eingangsstufe und es wäre schön, wenn die Lehrer des dritten Schuljahres daran weiterarbeiten könnten. Ich beobachte aber leider bei uns, dass die Kollegen, die nur noch 3/4 unterrichten, so langsam den Blick dafür verlieren, dass wir aus 1/2 keine 'fertigen' Schüler entsenden. Ich erzähle deshalb immer gerne von alltäglichen Begebenheiten, die eigentlich in den Kindergarten gehören und mir Lernzeit rauben (Schuhe binden, Jacken schließen, 'Die mag mich nicht mehr'-Gespräche führen, Hände waschen nach WC-Gang lernen, Kinder vor dem Sport fast komplett umziehen, Stift halten, Schere benutzen ...). Meine Kritik geht deshalb Richtung Bildungspolitik: Wann sind wir endlich soweit, dass das Personal im Kindergarten eine vernünftige Ausbildung absolvieren muss? Dort werden in Vorschulgruppen ABC-Lieder geübt - natürlich buchstabiert, nicht lautiert, obwohl wir seit Jahren solche Infos weitergeben! Sowas ärgert mich. Da wird an der ersten Basis schon viel verdorben und versäumt. Nicht in allen Kindergärten, ich kenne auch Ausnahmen, aber ich merke an den Erstklässlern deutlich, wer aus welchem KiGa kommt.

  • Als Mutter habe ich gesagt... ich kann nichts dafür, dass andere Kinder keine Geschwister haben... meine Kinder haben DREI Geschwister, die können das schon mit Rücksichtnahme, Gönnen können, Teilen, warten, bis sie dran sind... dafür brauche ich keine Eingangsstufe für mein Kind.
    Und als Mutter darf ich das sehr subjektiv sehen... und mir sehr wohl aussuchen, wo diie Vorteile für mein Kind sind.


    Als Lehrerin bin ich natürlich froh, wenn die Erstklässlereingewöhnung mit Hilfe der Zweitklässler schneller und effektiver klappt... wenn die Organisation nicht mühsam erklärt, sondern abgeguckt werden kann.... dann finde ich als Lehrerin, dass die Zweitklässler daran reifen und davon profitieren... und soziale Kompetenz entwickeln.


    Scheint mir eine Sache des Blickwinkels zu sein.


    Wie auch immer... meine Kritik geht ebenfalls in Richtung Bildungspolitik.
    Ich möchte nicht mehr länger mit einem 15 Jahre alten Sprachbuch arbeiten... und ich wäre sehr für kleinere Klassen... mit 20 Kindern als Höchstgrenze... dann könnte man sich viele Reformen glatt sparen.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Talida: Offensichtlich scheinst du eine der wenigen zu sein, die so eine Unterrichtsform im Griff haben, wenn bei Dir alle bis auf die Eltern zufrieden sind. Ich hingegen habe auch beim dritten Kind keine echte Besserung erlebt. O-Ton meines Kindes: Und da soll ich neben einem Erstklässler sitzen und nichts tun außer warten, bis der einen Fehler macht, damit ich ihn verbessern kann. So langsam, wie der schreibt, macht der doch fast keine Fehler.


    Es gibt auch in dieser Schule Jahrgangsunterricht, allerdings nie geteilt, sondern zusammengesetzt aus zwei Eingangsklassen. Der dann durchgeführte Lehrgang, um alle Zweitklässler in wenigen Stunden auf Linie zu bringen, ist starr und undifferenziert. Ergebnis: Mein Kind wird oft verdonnert, recht lange still auf seinem Stühlchen zu sitzen und zu warten, wenn es schon fertig ist. Das wird mir als Teil des Konzeptes verkauft. Die Lehrerin argumentiert, dass sie bei den wenigen Stunden für Jahrgangsunterricht nicht auch noch differenzieren kann. Wäre es das erste Mal, dass ich das so oder ähnlich erlebe, würde ich denken, es läge an den Lehrern. Nun ists aber das dritte Mal mit unterschiedlichen Lehrern. Da glaube ich halt an einen Systemfehler. Kleingruppen mit zwölf Kindern, wie Du es beschreibst, gibt es halt nicht.


    Nun haben wir eine Liste mit detaillierten Anweisungen erhalten, wie wir uns Aufgaben selber ausdenken und zu Hause mit den Kindern üben sollen. Ganz normalen Schulstoff übrigens, nicht Anziehen, Schuhezubinden und Händewaschen. Die echte positive Neuerung gegenüber meinen anderen Kindern war, dass wenigstens mal ausgesprochen und nicht verheimlicht wurde, dass die Kinder in der Schule nicht allen Stoff des Jahrgangs lernen. Danke, aber dafür schicke ich das Kind ja eigentlich zur Schule. Und mit vier Kindern und eigenen Schülern gehen mir auch ohne solche Anweisungen die Ideen für nachmittägliche Beschäftigung nicht aus. Nun, zusammengefasst, fühle ich mich dem ganzen ziemlich ohnmächtig ausgeliefert. Zumal ich erlebt habe, dass es auch anders, besser, laufen könnte.


    Daher meine Frage: Wer von Euch hat echte eigene Lehrerfahrungen mit Erst- und Zweitklässlerunterricht in beiden Formen bei gleicher personeller Ausstattung? Anders kann mans ja nicht vergleichen. Und wie beurteilt Ihr das?

  • Ich plädiere dafür, dieses Verfahren auch in der dualen Berufsausbildung einzuführen:
    Lehrlinge des 2. Ausbildungsjahres bringen den neuen Lehrlingen den Stoff des ersten Lehrjahres bei. Nach dem Prinzip des Lernens durch Lehren beherrschen die Lehrlinge dann im 2.Lehrjahr den Stoff des 1.Lehrjahres perfekt.


    Den Stoff des 2.Lehrjahres müssen sie dann eben im dritten Lehrjahr lernen....

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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    • Offizieller Beitrag

    Es ist wirklich traurig, dass viele Kollegen an diesem Konzept scheitern. Die Umsetzung gelingt auch nur, wenn man 100%ig dahinter steht. Das sehe ich an Kollegen, die immer mal wieder stark zweifeln. Es war in den ersten Jahren auch nur mit viel häuslicher Zusatzarbeit zu bewältigen. Mittlerweile haben wir einen gut funktionierenden Rahmen und wir sitzen jede Woche ca. 1-2 Stunden zusammen um uns abzusprechen. Das ist enorm wichtig!
    Es klang vielleicht so, aber nicht alle Eltern sind unzufrieden. Viele sind skeptisch und sagen das auch offen. Ich bemühe mich um viel Kommunikation. Das war nie mein Ding und daran musste ich hart arbeiten, aber dank Email verteilen sich die Gespräche sehr gut. Ich musste lernen, sehr direkt und trotzdem freundlich darauf zu bestehen, dass Kinder gewisse Grundkompetenzen (z.B. Schuhe binden) mitbringen müssen, weil ich keine Zeit dafür habe und meine Zweitklässler nicht ständig mit solchen Dingen beschäftigen kann (Das denken sich nämlich viele Erstklasseltern!). Wenn im KiGa so gar nichts in dieser Richtung gelaufen ist, nehme ich die Eltern in die Pflicht. Das geht nicht immer friedlich ab, aber inzwischen habe ich diese Gespräche im Griff.
    Von den Skeptikern kommen dann viele im Laufe der zwei Jahre und loben unser Konzept. Es bleiben nur wenige Eltern, die sich beschweren, die es aber auch ablehnen, mal zu hospitieren oder sachlich zu diskutieren. Die werden wir aber immer haben. Vielleicht als Tipp für andere Betroffene: Wir veranstalten jedes Jahr einen Infoabend für künftige Erstklasseltern, einen Tag der offenen Tür mit Unterricht zum Zugucken, die Kindergärten kommen mehrmals im Jahr mit kleinen Gruppen zu Besuch, die Kindergärtnerinnen kommen zu einem umfasssenden Gespräch, ich gehe in die Kindergärten, ... Wir haben uns auch Hilfe von Schulen in der Umgebung geholt, die schon länger jahrgangsübergreifend arbeiten.
    Gerade diese Arbeit lohnt sich! Es ist eine Durststrecke, aber wie gesagt, ich möchte nicht mehr anders arbeiten. Es gibt keinen Stillstand mehr, ich muss mein persönliches Konzept ständig überarbeiten. Das ist für viele ältere Kollegen schwer, die es gewohnt waren, ein Arbeitsblatt zu einer bestimmten Zeit im Jahr über mehrere Jahrgänge alle vier Jahre einzusetzen. ;) Aber das gehört halt auch zur Differenzierung und es klappt auch ohne Kopierschlachten. Für die Kinder sind ein Rahmen (Wochen-/Tagesplan) und klare, immer wiederkehrende Grundaufgaben wichtig (z.B. bei Buchstabeneinführungen oder Grundwortschatzwörtern), die sich dann individuell erweitern lassen.


    Wenn Zweitklässler auf Fehler der Erstklässler warten müssen, geht das gar nicht! Bei mir arbeiten immer alle. Ich habe zeitweilig sogar separate Gruppentische für Erst- und Zweitklässler, damit die Großen leise im Team arbeiten können. Die Sitzordnung wechselt bei mir aber alle paar Wochen bzw. wenn Kinder mich bitten den Platz wechseln zu dürfen. Das trägt auch sehr zur Zufriedenheit bei und die Kinder wissen genau, welche Sitzplätze ich für einige für günstig halte. ;)


    Einen Vorteil habe ich noch: Einige Kinder sind sehr fit, können/sollen aber nicht überspringen. In diesen Fällen arbeiten Erst- und Zweitklässler bei lehrgangsgelösten Aufgaben (LAA sei Dank!) prima zusammen. Für die fitten Zweitklässler habe ich immer Zusatzaufgaben und spreche gerade bei diesen mit den Eltern alle paar Wochen die nächsten Lernschritte ab.


    Jetzt habe ich schon wieder so viel geschrieben und ihr müsst mein Plädoyer für die Jahrgangsmischung lesen. ;)

  • Ich kann mich Talida nur anschliessen. Ich arbeite in einer Basisstufe (d.h. Kindergarten bis 3. Klasse) und ich sehe ganz viele Vorteile für meine Kinder. Wichtig ist es, eine geeignete Form zu finden. Bei uns hat jedes Kind einen individuellen Wochenplan. So sind auch nicht alle Erstklässler gleichweit. Der Vorteil ist, dass niemand gebremst werden muss und alle die Zeit bekommen, die sie benötigen. Bei uns ist auch ein halbjährlicher Übertritt möglich. D.h. im Februar wird einer meiner Erstklässler bereits in die zweite Klasse wechseln, da er mit dem Stoff durch ist und bereits bis tausend im Kopf rechnet...

  • Ich arbeite auch in einer jahrgangsgemischten Klasse 1/2 - und möchte nicht mehr mit Jahrgangsklassen tauschen.
    Sicher hängt der Erfolg des jahrgangsgemischten Unterrichts oft von den Fähigkeiten der Lehrerin/des Lehrers ab. Da gruselt es mich auch, wenn ich hier einige Beschreibungen lese. Aber bei solchen KollegInnen würde es mich wahrscheinlich auch gruseln, wenn ich sie in Jahrgangsklassen unterrichten sehe.
    Wenn Zweitklässler einem Erstklässler etwas erklären, halte ich das überhaupt nicht für langweilig und überflüssig. Im Grunde ist es doch so, dass ich eine Sache erst dann verstanden habe, wenn ich sie anderen erklären kann. Und gerade Schwächere wiederholen für sich so noch einmal Stoff, den sie in Jahrgangsklassen wahrscheinlich eher wenig gesichert abhaken würden. Stärkere profitieren wahrscheinlich tatsächlich vor allem (aber nicht nur) in der ersten Klasse. Denn in einer Jahrgangsklasse würden sie nur die Erfahrung machen, dass sie locker alles besser können als die anderen. In der Jahrgangsmischung gibt es bei den Zweitklässlern genügend Kinder, die sie als Vorbilder anspornen können - und wenn sie fit genug sind und auch sozial "reif" sind, können sie nach einem Jahr schon ins dritte Schuljahr wechseln. Schwächere Kinder dagegen sind im zweiten Lernjahr nicht mehr die, die nichts so gut können, wie die anderen. Sie können den neuen Erstklässlern auch Dinge erklären und gewinnen dabei enorm an Selbstvertrauen.
    Ich empfinde meine jahrgangsgemischten Klassen gerade im sozialen Miteinander als erheblich entspannter als die Jahrgangsklassen, die ich früher unterrichtet habe. Konkurrenzverhalten erlebe ich nur sehr selten. Unterschiede zwischen Kindern, die es ja auch in Jahrgangsklassen gibt, werden viel selbstverständlicher akzeptiert.

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