Curricullum völlig überfrachtet

  • Ich bin soooooo wütend. Ich unterrichte seit beginn des letzten Schuljahres, also jetzt seit fast 1,5 Jahren Wirtschaftslehre in Jahrgang 8 mit EINER Wochenstunde.
    Das schulinterne Curricullum ist vollkommen überfrachtet. Das kann man nicht alles schaffen, wenn man einigermaßen vernünftigen Unterricht machen will und bei den SuS wenigstens ein bißchen hängenbleiben soll. Die Themen, Inhalte und Lernziele sind im Curricullum relativ detailliert vorgegeben.Schon im letzten Schuljahr bin ich mit dem Lernstoff nicht durchgekommen und diesen Jahr schaffe ich es definitiv auch nicht.
    Dazu muss ich sagen, dass das Curriculum erst seit dem letzten Schuljahr gilt und jetzt erst der zweite Jahrgang damit arbeitet. Das Buch, nach dem sich das Curricullum richtet, ist für zwei Jahrgänge (7/acht) ausgelegt, soll aber thematisch im Prinzip komplett in Jg. acht abgearbeitet werden.


    Jetzt hatte ich Fachkonferenz und habe dort das Problem angesprochen. Außer mir unterrichten noch zwei Kollegen Wirtschaft in Jahrgang 8. Der Eine war auf der Konferenz nicht anwesend und der Zweite sieht das ganz locker, frei nach dem Motto, dann muss man halt kürzen und oberflächlich arbeiten...
    Gleichzeitig wurde daruf hingewiesen, dass alle Themen bearbeitet werden müssen, da die Inhalte der Jahrgänge 9 und 10 quasi spiralförmig auf das in Jahrgang acht erworbene Vorwissen aufbauen.
    Ich könnte gerade mal ganz laut schreien...!


    Ich weiß, dass die Lehrpläne auch in anderen Fächern voll sind, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Mir bleibt keine Zeit zwischendurch auch nur ein bißchen was Schönes oder auch Aktuelles mit den SuS außer der Reihe zu machen. So macht der Unterricht echt keinen Spaß mehr.


    So, nun habe ich mich genug ausgekotzt. Kennt ihr auch solche Situationen oder habt ihr Tipps, was ich machen kann, nachdem ich bei der Fachkonferenz nicht wirklich gehört wurde?

  • Hallo Finchen:


    Ich kenne das Problem aus dem Geschichtsunterricht. Da müssen wir z.B. in Klasse 7 alles vom Zusammenbruch des Römischen Reiches (500) bis zum Dreißigjährigen Krieg (1648 ) abhandeln. Geht natürlich nicht. Interessiert aber die Rahmenplaner nicht.


    In unserer Fachschaft halten wir es so wie dein Kollege mit dem Mut zur Lücke. Weiterhin wird ja immer auf die didaktische Reduktion verwiesen, soll heißen man pickt sich hie und da ein Thema exemplarisch heraus und verdeutlich daran das Wesentliche. Geht m.E. aber erst, wenn man die Themen schon 2-3x unterrichtet und ein Auge für die wesentlichen Dinge entwickelt hat. Weiter hören wir neuerdings immer häufiger, dass der Unterricht nicht fachliches Wissen vermitteln soll, sondern kompetenzorientiert ausgerichtet ist, d.h. "Lesen von Statistiken", "Interpretation von Karikaturen", "Umfragen durchführen", etc., d.h. der Inhalt verliert notgedrungen an Gewicht.


    Zitat

    Mir bleibt keine Zeit zwischendurch auch nur ein bißchen was Schönes oder auch Aktuelles mit den SuS außer der Reihe zu machen. So macht der Unterricht echt keinen Spaß mehr.


    Viele aktuelle Themen eignen sich, ein Grobthema exemplarisch zu behandeln. Aber generell gebe ich dir recht, es macht so keinen Spaß mehr!!

  • Ist bei uns (Bayern) in Geschichte auch nicht besser. Geht in der 7. Klasse von Karl dem Großen (meist muss man die Völkerwanderung noch machen, weil der Lehrer der 6. das nicht mehr geschafft hat) bis einschließlich Absolutismus.

  • Ich kann noch eins draufsetzen:


    Berufskolleg Baden Württemberg: In einem Jahr zweistündig von der Antike bis zum Ende des WK II.


    Ich habe die komplette Zeit von der Antike bis in den Anfang der Neuzeit hinein als Projekt laufen lassen. Im Fokus standen die "Verfassungen" und Verfassungsrealtität exemplarisch erarbeitet an:


    - der römischen Republik,
    - dem heiligen römischen Reich deutscher Nationen
    - dem Absolutismus
    - der amerikanischen Verfassung.


    Ich habe dazu einen Reader erstellt, aus dem die Gruppen - ergänzt durch Internetrecherchen - eine Präsentation mit Handout erstellen mussten.


    Zur Ergebnissicherung haben die Gruppen zudem noch einen Lückentext entworfen und mit der Klasse durchgearbeitet. Von meiner Seite aus gab es noch eine Wiederholungsarbeit über die Handouts.


    In zwei Stunden haben ich einige Unklarheiten vertieft behandelt und außerdem eine Zeittafel mit den wichtigsten Daten erstellt, die man als halbwegs gebildeter Mensch draufhaben sollte.


    Ein großer Vorteil ist, dass ich die Klasse auch in Deutsch habe und neben den kognitiven Lernzielen in Geschichte die instrumentellen des Deutschlehrplans abgearbeitet habe (Recherchieren, Exzerpieren, Visualisieren, Rhetorik und Präsentation).


    Fand das Projekt recht gelungen und auch die Evaluation in der Klasse zeigte überwiegend positive Ergebnisse. Ohne meine Deutschstunden möchte ich so etwas aber auch nicht machen.
    Jetzt geht es aber erstmal eine Weile ganz normal weiter...


    Wer Interesse hat, kann gerne von mir das Material bekommen.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    2 Mal editiert, zuletzt von Timm ()

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