Schülerin "terrorisiert" Sitznachbarin

  • Hallo!
    Hab vorgestern von einer Mutter erfahren, dass ihre Tochter (3. Klasse) von ihrer Sitznachbarin "terrorisiert" wird. Jetzt bin ich am überlegen, wie ich damit umgehe.
    ich schildere euch mal die Situation:


    Also, nennen wir die Mädels mal Fiona und Daisy (Namen sind natürlich nicht die echten).
    Beide sind in der 3. Klasse (meine Klasse) und sitzen seit nun mehr nem Monat nebeneinander. Fiona ist eher schwach, Daisy ist eine der besten, weswegen ich sie auch nebeneinandander gesetzt habe. Beide sind an sich sehr unauffällig. Jetzt rief mich Daisys Mum an und sagte mir, dass Fiona ihre Tochter zwingen würde ihr im UNterricht zu helfen, sie abschreiben zu lassen . Wenn sie das nicht machen würde, würde sie Daisy drohen, mit was, ahb ich aber nicht rausbekommen (tippe auf Freundschaftsentzug). So, Daisy ist aber ein Kind, dass sich nicht getraut hat mir das zu sagen, sondern alles in sich reinfras und Bauchweh bekam, heulend nach hause kam, weil ich beide mal zu mehr Stille aufgefordert habe etc.


    So, was tun? Das beste daran ist ja, dass ich Fiona schonmal wegsetzten musste, nachdem sich ein anderes Kind beschwert hatte, dass sie sie immer piesacken (weiß nicht, wie man das schreibt) würde. Also ist Fiona kein unbeschriebenes Blatt.


    Ich hab der Mutter von Daisy jetzt ein gemeinsames Gespräch mit ihrer Tochter und mir vorgeschlagen, damit mir das Mädel es mal selbst sagt. Weiterhin werde ich Daisy morgen direkt wegsetzen (muss mir noch was einfallen lassen). Nur was dann? Mit Fiona selbst reden? Mit der Mutter von Fiona reden, mit allen reden?
    Was würdet ihr machen?

  • Ich finde Erpressungen unter Kindern relativ normal. Haben wir das nicht alle getan? "Wenn du das nicht tust, bin ich nicht mehr deine Freundin/darfst du nicht mehr in meine Buddelkiste/...!"


    Mit diesem Gedanken nimmt man der Situation die Dramatik. Nichtsdestotrotz darf man es als pädagogische Kraft nicht darauf beruhen lassen. In der Grundschule kommen solche Fälle immer vor. Kinder probieren halt aus, wie sie Macht über andere gewinnen. Das ist im Erwachsenenalter eine lebensnotwendige Erfahrung. Eine lebensnotwendige Erfahrung ist aber auch, wie man damit umzugehen hat, wenn man selbst so erpresst wird. Dabei dürfen wir unsere Kinder nicht allein lassen. Und da setze ich an: ich versuche - ganz allgemein - mit meiner Klasse zu besprechen, wie man am besten reagiert, wenn ein Kind ein anderes erpressen will. Wenn mir also so ein Fall zu Ohren kommt, tröste ich die Eltern erstmal mit dem Gedanken, dass Kinder solche Erfahrungen leider machen müssen und dass sie bitte Ihrem Kind die Seele stärken sollen, indem sie von sich als Kind berichten, den Rest - in der Klasse - mache ich.


    Dann trete ich vor meine Klasse und erzähle ihnen, dass Kinder ganz lieb sein können, aber manchmal auch ganz schön gemein. Dann denke ich mir eine ähnliche Geschichte aus wie vorgefallen ist und lasse die Kinder entscheiden, wie das Opfer-Kind reagieren könnte oder auch die umstehenden Kinder. Dabei ganz groß im Kurs: sich von dem Täterkind abwenden und andere Freunde suchen, Rache ("Dann darfst du auch nicht mehr mit meinem Barbiepferde spielen"), dem betreffenden Kind sagen, dass es gemein ist. Kein Kind will gemein sein! Vielen ist nicht klar, dass sie gemein sind, wenn sie andere bedrohen.


    Meist reicht das, denn die Kinder kennen das Täterkind in der Klasse genau und sagen es in dieser Stunde meist laut. Das wiegle ich aber ab mit den Worten: "Ja, xy hat das vielleicht gemacht, aber andere in dieser Klasse auch schon und in anderen Klassen auch. Aber das heißt nicht, dass er/ sie das auch weiter macht, wenn sie/er weiß, wie gemein das ist. Aber das vergisst man halt manchmal."


    Dann habe ich noch meine Stunde "Gemeinheit oder Erpressung". Am Anfang stelle ich klar, dass manches Gemeinheit ist und anderes Verhalten schon Erpressung. Die Grenze ist dann erreicht, wenn der Bedroher das immer wieder tut, Geld oder Dinge erpresst oder dritte bedroht (dann haue ich deine Schwester - das lasse ich aber meist weg, um die Kinder nicht auf noch schärfere Gedanken zu bringen). Dann habe ich einige Fallgeschichten, die die Kinder in kleinen Gruppen lesen und entscheiden sollen, ob es sich hier um Gemeinheit oder Bedrohung handelt. Sie sollen in der Gruppe entscheiden, wen den anderen den Fall vorliest und, wer vorträgt, wie sie den Fall einschätzen und warum. Am Ende gibt es ein Arbeitsblatt, auf dem nochmal Aussagen stehen, die man in Gemeinheit- oder Bedrohung-farbe umranden soll. Manche müssen/können dann auch zweifarbig werden. Das Blatt ist auch für die Eltern, damit sie merken, dass wir mal drüber gesprochen haben.


    Beides reicht nach meiner Erfahrung um diesen kindlichen Exessen Einhalt zu gebieten.


    Anders liegt der Fall natürlich, wenn Dasie immer wieder das Opfer-Kind ist (das ist dann Mobbing) oder wenn Fiona einen Ring von Kindern um sich ringt, die die von ihr ausgehende Bedrohung überbringen, sich also mafiöse Strukturen entwickeln. Dann braucht es härtere Mittel.

  • Hmm, vielen Dank für die ausführlichen Beiträge.
    Ich sehe es aber irgendwie nicht so leger, und bespreche es nur in der Klasse. Ich halte nicht viel von einer öffentlichen "Bloßstellung" (ist wohl zu hart ausgedrückt und nicht so gemeint), sonder kläre Probleme gerne nur mit den Betroffenen.
    Nur, da Fiona nun das zweite Mal in dieser Hinsicht negativ auffällt (und sie macht das ganz versteckt, bei beiden Malen hab ich nix davon mitbekommen), denke ich, ich muss doch die Mutter von ihr darüber informieren und natürlich auf der anderen Seite Daisys Mutter ebenfalls besänftigen, geschweige denn auch Daisy selbst...Ich bin gerade so hin und her gerissen...

  • Also Fiona sagt zu Daisy: "Wenn du mich nicht abschreiben lässt, bin ich nicht mehr deine Freundin?"


    Sorry, aber sowas ist doch pillepalle! :rolleyes:
    Schnapp dir Fiona und Daisy und red mit den beiden Mädchen. Oder schnapp dir nur Fiona und frag sie, wie sie das denn sieht. Sag ihr klar, was das bei den anderen Kindern auslöst, wenn sie sowas macht.
    Setz sie auseinander (alleine DAS scheint ja schon problematisch zu sein?), behalte im Auge was passiert und fertig. Wenn Fiona das gut versteckt macht (was auch normal ist *gg*), dann achte eine Weile besonders genau auf sie.


    Für mich klingt das alles ziemlich altersentsprechend und im Rahmen. Die Mütter würde ich da völlig außen vor lassen.

  • Bei Lichte besehen, hat Fiona ja in Deinem Auftrag gehandelt, schließlich hast Du sie ja nebeneinander gesetzt, damit Daisy Fiona hilft. Wenn Fiona jetzt meint, auf Hilfe einen Anspruch zu haben, den sie mit Karacho durchsetzen kann, so musst Du Dir zumindest klar sein, dass Du das mit ausgelöst hast.


    Du solltest rauskriegen, was genau dahinter steht, ob nicht irgendeine Gewaltandrohung, von der Du noch nichts weißt, noch im Raum steht. Komisch finde ich, dass ein Kind, nur weil es etwas helfen soll, gleich Bauchschmerzen bekommt. Wird sie von zu Hause unter Druck gesetzt, nicht zu helfen?
    Wenn Gewalt im Spiel ist, setz beide sofort auseinander. Ansonsten halte ich das Dilemma, das man als Lehrer mit dem Hilfeauftrag in Gang setzt, für Schüler schwer zu ertragen - helfen ja, aber bloß nicht zu laut, nicht zur falschen Zeit, nicht dem falschen Schüler etc.


    Entlaste die Schüler doch von dem Hilfeauftrag. Ermutige zuerst Fiona, sich an Dich zu wenden, wenn sie etwas nicht versteht, vielleicht ist sie ja davon überzeugt, in der Schule muss man sich Hilfe von Mitschülern erpressen, wenn man sie anders nicht bekommt.


    Und dann ermutige Daisy, dass sie durchaus helfen darf, aber es nicht unbedingt tun muss, denn schließlich bist Du die Lehrerin. Sag ihr, dass sie sich an Dich wenden kann, wenn sie etwas bedrückt.


    Und dann setz Dir eine Zeit - z.B. eine Woche, in der Du schaust, ob sich was zum positiven verändert. Wenn nicht - setz sie auseinander.
    So behältst Du das Heft in der Hand, machst Dich nicht zum Befehlsempfänger von Daisys Mutter und hast Fiona nicht automatisch als ungeliebten Sündenbock und Karusselkind abgestempelt.


    craff

  • Das öffentliche Besprechen ist aber notwendig, weil sowas (altersgemäß) immer wieder vorkommt. Wenn du keine Fiona hast, dann hast du eine Aleyna oder Vanessa in der Klasse, die als erstes auf diese Strategie verfällt. Wenn du also in den nächsten Monaten nicht ein Sechs-Augen-und-Eltern-Gespräch nach dem anderen führen magst, dann solltest du nach diesen aktuellen Sechs-Augen-Gespräch ruhig noch mal allgemein mit deiner Klasse darüber reden. Schwerpunkt: Begegnen und lösen gegenüber solchen Duchssetzungsstrategien.


    Nicht dramatisieren! Und umsetzen würde ich auch nicht sofort. Dann hat Daisy ja keine Chance, diese negative Erfahrung in eine positive zu verkehren.


    Wenn Daisy aber von deiner "hört doch mal auf zu quasseln"-Kritik belastet ist, dann entschuldige dich bei ihr und erkläre ihr, dass du es eigentlich gut findest, wenn sie Fiona hilft, aber manchmal stört es den Unterricht. Vereinbart ein gemeinsames Zeichen (blinzeln, Finger stumm an den Mund legen,...), dass du in Zukunft machen willst, das sie nicht verletzend empfindet.

  • Hmm, mit ein bissel Anstand zu der Sache sehe ich das Ganze auch irgendwie nimmer sooo schlimm, wie die Mutter da am Phone gemacht hat. Ich habe heute mal genau drauf geachtet: Fiona fragt was, Daisy gibt keine Antwort, Fiona wird direkt böse. Hab sie dann natürlich gestört...denke, ich werde mit den beiden reden. So á la: Daisy, was stört dich im Moment, was dich Fiona?
    Das einzige was mir halt Sorgen macht, ist, dass Fiona ja nicht zum ersten Mal aufgefallen ist. Sehe ein Konsequenz darin, dass ich sie alleine setzen muss, das will ich aber eigentlich auch nicht...nun ja, ich muss mal weiter sehen...

  • Bei mir sitzen Kinder beisammen, die sich gerne mögen -- um mehr Kinder besser kennenzulernen, wechseln wir auch ab und an mal die Sitzordnung (der Wunsch kommt auch manchmal von den Kindern selber). Dass ein Kind dabei von einem anderen profitieren kann, ist gut, aber eigentlich nicht mein erstes Auswahlkriterium.


    Dass Fiona die anderen 'gepiesakt' hat, kann auch einfach heißen, dass sie sich an dem Platz nicht wohl gefühlt hat.
    Neben wem möchte denn Fiona selbst sitzen? Darf sie da mitreden?


    und: Warum müssen de beiden beisammen sitzen? Wollen sie das eigentlich selber?


    Irgendwie klingt das alles ein wenig verkrampft. Daisy antwortet nicht, weil sie nicht geschimpft werden will, oder einfach, weil sie Fiona nicht besonders mag (?).


    Ehrlich: ich würde mir ja, wenn überhaupt, fast mehr Sorgen um Daisy machen - sie scheint kein allzugroßes Selbstbewusstsein zu haben, wenn sie sich nicht traut mit dir zu reden, und weint, weil du sie zur Ruhe ermahnst. (oder bist du SO streng? :evil:)
    Fiona wirkt nicht sonderlich auffällig auf mich (außer, da gibt's noch mehr, was sie auffällig wirken lässt).


    zum Trost: 3. Klassen sind oft mal eher schwierig im Sozialverhalten, das sollte man nicht überbewerten

  • Also ich schaue natürlich schon, dass sich die Kids ansich verstehen. Bei mir in der Klasse sind sie auch alle relativ verträglich. Deswegen wundert es mich halt bei den beiden...vielleicht wird es nach nem klärenden Gespräch besser...hoffentlich :)

Werbung