Pro / Contra Erwartungshorizont ausgeben zu einer Literaturanalyse (Deutsch)

  • Hallo und einen schönen Sonntag zusammen,


    mal eine Frage an die Deutsch-Lehrer hier.
    Ich habe in einer 11. Klasse eine Literaturanalyse schreiben lassen (Analyse eines Akts eines Dramas, dazu noch eine kleine Stellungnahme).
    Ich habe mir überlegt, die Korrektur für die Schüler transparenter zu machen und jedem ein Blatt mit der korrigierten Arbeit auszugeben, auf dem ich meinen Erwartungshorizont formuliert habe, also welche Aspekte in der Analyse formuliert und diskutiert werden könnten.


    Darauf würde ich dann jeweils Häkchen setzen, sodass der Schüler selber erkennen und vergleichen kann, welche Aspekte bedacht wurden und welche nicht.


    Es versteht sich von selbst, dass ich das nicht als Checkliste betrachte und man nur dann eine 1 bekommt, wenn sämtliche meiner Gedanken spiegelstrichartig abgearbeitet und abgehakt sind. Es ist als offener Erwartungshorizontzu verstehen und soll die Korrektur einfach transparenter machen.


    Habt Ihr schon mal mit einem solchen offenen Erwartungshorizont für die Schüler gearbeitet? Und wenn ja, welche Erfahrungen habt Ihr gesammelt?
    Führt das zu vermehrten Diskussionen?

  • Ich gebe schon seit längerer Zeit Erwartungshorizonte in Englischklausuren heraus, die auch die Kriterien für eine Literaturanalyse enthalten können. Seit wir in NRW das Zentralabitur haben, habe ich meine Erwartungshorizonte in Form und Inhalt an die Korrekturformulare für die Lehrer angeglichen. Bei der Korrektur tackere ich den ausgefüllten und mit Endnote versehenen Horizont an die Klausur an und gebe beides zusammen zurück.


    Insgesamt habe ich hervorragende Erfahrungen mit solchen Erwartungshorizonten gemacht. Die Schüler schätzen die größere Transparenz und empfinden meine Bewertung als weniger willkürlich. Außerdem ist der Erwartungshorizont für eine Nachbereitung hilfreich, weil sie Anspruch und erbrachte Leistung sehr viel besser miteinander vergleichen können, als wenn ich die Klausur nur einmal mit ihnen durchgehe.


    Man muss etwas üben, bis man seine Erwartungshorizonte so hinkriegt, dass die Klausur kein "ich errate die Gedanken des Lehrers"-Spiel wird, aber wenn man im Horizont Operationalisierung und Methoden betont, dann geht das eigentlich ganz gut (und entspricht nebenbei dazu noch der geforderten Kompetenzorientierung in der Didaktik.)


    Nele

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von *mariposa*
    Habt Ihr schon mal mit einem solchen offenen Erwartungshorizont für die Schüler gearbeitet? Und wenn ja, welche Erfahrungen habt Ihr gesammelt?
    Führt das zu vermehrten Diskussionen?


    Ich mache das seitdem es das Zentralabitur in NRW gibt und habe damit nur positive Erfahrungen gemacht.


    Diese "Checkliste" wie auch Nele schon gesagt hat, vermittelt die Transparenz, die Du sonst durch die alternativ erfolgenden Kommentare nicht immer hinbekommst.


    Seitdem ich meine "Bewertungsbögen" in die Klausur lege und entsprechend wie beim ZA Punkte verteile und wie im ZA auch die Noten bilde, hat es keine Notendiskussionen mehr gegeben.
    Gelegentlich fragen Schüler nach, wieso bestimmte Dinge falsch waren bzw. nicht besser bepunktet wurden, aber das sind allenfalls einmal ein oder zwei Schüler pro Klausur.


    Viel häufiger schauen sich die Schüler ihre Klausur und die Bewertungsbögen intensiv an und verstehen oft in Kombination mit meinen Randbemerkungen dann, was gut war und was nicht.


    Gruß
    Bolzbold

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Danke Euch :)
    So ermutigt kanns ja weitergehen mit der Korrektur!


    Die Idee, gleich die Operatoren fürs Abi einzubauen, ist klasse. Das werde ich direkt mal angehen.

  • Auch ich habe bisher gute Erfahrungen mit solchen "Checklisten" gemacht - FAST immer.


    Ein kleiner Tipp: Vermerke sehr deutlich auf deinem Bewertungsbogen, dass es sich nur um eine Auswahl an Kriterien handelt, dass etwa Randbemerkungen ebenfalls beachtet werden müssen.
    Außerdem muss ein Hinweis mit drauf, dass nicht alle Punkte gleich gewichtet werden.


    Ich hatte letztes Schuljahr längere Diskussionen mit einem Schüler und den dazugehörigen Eltern, weil einiges, was ich auf der Checkliste "antizipiert" hatte, tatsächlich im Aufsatz vorhanden war. Aber die Probleme mit dem Aufsatz fingen auf wesentlich niedrigerem Niveau an... Dinge, bei denen ich mir nicht mehr die Mühe gemacht hatte, sie auf dem Bewertungsbogen aufzuführen, weil z.B. die Aufsatzart eigentlich seit Jahren bekannt war. Somit waren auf dem Bewertungsbogen einige Dinge als "vorhanden" abgehakt - und wer dann anfängt, abzuzählen, stellt fest, dass x% absolut richtig waren, und die Note deshalb nicht gerechtfertigt ist... (dass etwa korrekte Rechtschreibung und Grammatik im Fach Deutsch in den oberen Klassenstufen nicht mehr allein für die Note 1 ausschlaggebend sein können, ist nicht jedem ersichtlich...)

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