Was ist bloß aus der Rechtschreibung geworden?!?

  • Ich unterrichte nun seit 8 Monaten fachfremd Deutsch in der GS und mir fällt das durch die Bank weg auch auf, dass die Kids größtenteils wirklich übel sind in ihrer Rechtschreibung.


    Mir ist da gleich bei der Durchsicht der Bücher (im Vergleich zu meinem eigenen von vor ... einiger Zeit ;)) aufgefallen, dass dort


    1. viel weniger Text
    und


    2. vor allem auch in den Arbeitsheften viel zu wenig zu Schreiben drin ist. Das geht da immer nur darum, einzelne Wörter einzusetzen. Dass die Kinder da schreibfaul und auch nicht gut in der Rechtschreibung werden könnte daran liegen.


    Wie gesagt, ich bin da gewiss kein Profi, aber das ist mir SOFORT aufgefallen. Die fallen ja in der vierten Klasse beim Abschreiben von 10 Zeilen schon vom Stuhl weil das "so viel" ist. Kann doch nicht wirklich sein eigentlich???

  • Hallo Schoko!


    Meine Ehefrau macht es so, dass sie den Kleinen die "wenigen" Rechtschreibregeln beibringt und aus den Regeln abgeleitet, "neue" Wörter schreiben lässt.
    Außerdem achtet sie sehr auf "schönes Schreiben", weil man dann als Schreibender seine eigenen Fehler besser erkennen kann.
    Dazu kommt, dass die Kinder richtig lesen und die Regeln dabei anwenden sollen. Beispiel: Wenn "Otto" nur ein "t" enthält, heißt es [O:to] und so sollen es die Kinder auch lesen. Wenn sie aber "Otto" geschrieben haben wollten, fällt es auf.


    Noch ein Aspekt:
    Ich sagte meinen großen Schülern 'mal, dass ich gar zu falsch oder schlecht (geschmiert) geschriebene Wörter in welchem Fach auch immer als Fehler bewerte.
    Komisch, seitdem geht's viiiiel besser. Das bestätigte ich so: "Mittlerweile schreibt ihr alle besser. Man merkt jetzt, dass man es mit Erwachsenen zu tun hat."
    Noch komischer: Die Großen geben sich noch mehr Mühe ...


    Gruß!
    Björn


    EDIT: Tippfehler

  • Rechtschreibung greift unmittelbar iin Lebensläufe von Schülern ein. Wer als angehende Arzthelferin keinen passablen Arztbrief zustande bringt, wird aus dem Lehrverhältnis nicht übernommen, da kann sie noch so freundlich sein. So ist das, das ist meinen Schülerinnen ein paarmal passiert.
    Meiner Beobachtung nach hat insbesondere die Schuleingangsstufe bewirkt, dass Schüler heutzutage so viel schlechter schreiben als noch vor wenigen Jahren, weil sie Kollegen dazu zwingt, die Schüler nicht mehr direkt an Buchstaben und Wörter heranzuführen, sondern indirekte Methoden anzuwenden,
    Ich habe meine guten und schlechten Rechtschreiber nach der Lehrmethodik befragt. Am besten schreiben diejenigen, die in der ersten Klasse Buchstabe für Buchstabe gelernt und Wort für Wort geschrieben haben.
    Bei den anderen (Reichen-Methode, "Lesen durch Schreiben", Rechtschreibwerkstatt etc.) schneidet nicht etwa isoliert die Rechtschreibung mangelhaft ab, Ausdruck, Grammatik und Satzbau leiden ebenso, selbst bei Schülern, die recht viel lesen.


    schoko-meiki: Meine eigenen Kinder mit weitem Altersabstand haben sehr verschiedene Schriftsprachmethoden erlebt, oder sollte man sagen: erlitten. Bei meinem jüngsten Kind bin ich selbst auf die Suche nach einer guten Methode gegangen, weil ich das Hinterherkorrigieren so unendlich leid war. Schau mal IntraAct plus von Jansen/Streit, erschienen im Springer Wissenschaftsverlag, an. Damit habe ich meine Tochter allen Warnungen zum Trotz bei Erstleseunterricht nach Reichen nebenher beübt. Mein Kind hats gemocht. Und liest in der zweiten Klasse so gut wie ihre Schwester in der 5 und ist fast besser in Rechtschreibung. Die Methode ist noch recht neu, ich kennne keine Erfahrungen mit einer ganzen Klasse. Das Konzept ist aber sehr klar und schlüssig, könnte mir also vorstellen, dass das auch im Klassenverband gut funktioniert.


    Bin gespannt, ob jemand aus dem Forum dazu etwas sagen kann.

  • Ich arbeite an einer BS, habe also nur Schüler, die bereits mindestens neun Jahre Schule hinter sich haben, meist mehr, fast alle mit erfolgreichem Schulabschluss, die wenigsten davon mit "schlechten" Deutschnoten.
    Eine 4 ist da schon die große Ausnahme.


    Fakt ist aber leider, dass ich erfahrungsgemäß in der Regel bei Klassenarbeiten 2/3 der Schüler im Fehlerquotienten eine Note 6 werten muss (was lediglich 1/6 der Endnote ausmacht), bzw. eine ganze Note Abzug.
    Bei 2/3 meiner Schüler - und ich bin an einer kaufmännischen Schule!!!!


    Bei den Korrekturen sitze ich ebenfalls etwa 2/3 der Zeit an der Korrektur von RS/ZS- oder Ausdrucksfehlern, eben weil es so viele Fehler sind, nur 1/3 der Zeit brauche ich für die Bewertung des Inhalts.


    Das macht keinen Spaß.... :(


    Als Deutschlehrer ist man natürlich selber auch oft zwiegespalten - ich habe auch keine Freude, wenn ich statt einer 2 eine 3 geben muss. Oder wenn aus einer 5 eine 6 wird, weil die Rechtschreibung unter aller Kanone ist.


    Ich frage die Schüler oft, wie es dazu kommt
    - ist mir egal (häufigste Antwort)
    - habe nie Rechtschreibung/ Zeichensetzung in der Schule gehabt (????)
    - wenn ich das will, kann ich das auch! (öhm, wenn nicht in der Klassenarbeit, wann dann?)


    Mein Eindruck ist ganz einfach, dass der Rechtschreibung überhaupt kein Wert mehr beigemessen wird.



    Es ist schade, wenn ein guter Schüler an der Rechtschreibung scheitert und deshalb keine gute Note erreicht.
    Es ist aber doch auch nicht in Ordnung, dass jemand ohen weiteres eine 2 im Zeugnis bekommen kann, ohne in der Lage zu sein, auch nur einen fehlerfreien Satz zu formulieren. Der bewirbt sich mit dieser, von der Schule offiziell bescheinigten "Note Deutsch: gut" als Bürokaufmann, und wenn der in der Ausbildung seinen ersten Geschäftsbrief aufsetzt - halleluja, ....
    :rolleyes:

  • "craff" und "*mariposa* schließe ich mich unbedingt an:


    "Ich habe meine guten und schlechten Rechtschreiber nach der Lehrmethodik befragt. Am besten schreiben diejenigen, die in der ersten Klasse Buchstabe für Buchstabe gelernt und Wort für Wort geschrieben haben.
    Bei den anderen (Reichen-Methode, "Lesen durch Schreiben", Rechtschreibwerkstatt etc.) schneidet nicht etwa isoliert die Rechtschreibung mangelhaft ab, Ausdruck, Grammatik und Satzbau leiden ebenso, selbst bei Schülern, die recht viel lesen." (craff)


    Im Übrigen passt es an dieser Stelle, noch einmal aus "grundschulservice.de" zu zitieren:


    "Die besondere Bedeutung der Schriftkompetenz schon in alter Zeit beschreibt der Sprach- und Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Peter Stein (Peter Stein: Schriftkultur. Eine Geschichte des Lesens und Schreibens. Darmstadt 2006) und zeigt, dass es schon immer so war - wie es wohl auch heute noch bzw. schon wieder ist:


    "Schriftkompetenz war eine Spezialfähigkeit, die zur Herrschaftsausübung gehörte und deswegen Eliten vorbehalten war. So betrachtet hat die Fähigkeit zur Schriftnutzung den Effekt gehabt, Herrschaft zu erhalten und zu erhöhen. Der französische Ethnologe C. Lévi-Strauss ging sogar so weit zu behaupten, »daß die Schrift zunächst der Ausbeutung des Menschen diente, bevor sie seinen Geist erleuchtete.« (Zit. nach Kuckenburg (1989), S. 220.) Dieses Interesse ist nicht zu bestreiten, zumal unverkennbar ist, dass im Schreiben immer ein Fest-Schreiben wirkt, das Schrift zur Vorschrift werden lässt und die Texte in ihrer kanonischen Funktion zur Geltung bringen will."


    "Es wird so bleiben: Schriftkompetenz ist auch heute weiterhin ein bedeutendes Instrument der Herrschafts-/Machtausübung - in allen möglichen, auch in halbprivaten und sogar in privaten Lebensbereichen. Schon Anträge, Verträge, Ankündigungen, Aufforderungen etc. wird der eher weniger lesekompetente Leser - zu seinem Schaden - oft nicht verstehen können oder missdeuten. Geht mit einer defizitären Lesekompetenz eine mangelhafte bzw. unzureichende Formulierungs- und Rechtschreibkompetenz einher - was in der Regel der Fall ist - , findet sich der auf diese Weise in seiner Sprachhandlungskompetenz Restringierte schon bald in der - je nach Fall und Situation unterschiedlich ausgeprägten - Verliererrolle. Man weiß, dass Menschen, die in ihrer Sprachhandlungskompetenz Defizite haben, oft genug ihre Rechte nicht wahrzunehmen imstande sind oder aus Scham darüber, jemand könne sich über ihre schriftlichen Einlassungen belustigen, darauf verzichten. Schon zu Zeiten der industriellen Revolution im vorletzten Jahrhundert initiierten über Jahrzehnte hinweg Arbeitervereine und Arbeiterbildungsvereine, aus denen später die SPD hervorging - teilweise in Sonntagsschulen - Bildungsmaßnahmen für die in der Regel nur wenig gebildeten Industriearbeiter: schwerpunktmäßig auch Schulungen zur Erweiterung der Schreib-/Lesekompetenz. Das angestrebte Ziel war eine aufgeklärte mündige Arbeiterschaft, die ihre Situation zu durchschauen imstande war sowie reif und fähig sein sollte, sich auf friedlichem Wege aus ihren Fesseln zu befreien sowie für die Errichtung einer Demokratie zu kämpfen und diese mitzutragen."


    "Dass während der letzten Jahrzehnte ausgerechnet in von der SPD geführten Ländern eine Schulpolitik gemacht wurde, die nicht nur ganz allgemein der Bildung lediglich einen geringen Stellenwert einräumte, sondern auch die Bildungsansprüche hunderttausender Benachteiligter mit den unterschiedlichsten Handikaps sowie unterprivilegierter Kreise ignorierte, ist skandalös. Der Anteil der benachteiligten Kinder wächst derzeit um viele Kinder aus der Mittelschicht weiter an: ..." (Elternbrief achtzehn)


    Schriftkompetenz und damit Sprachhandlungskompetenz zu erlernen, fängt in der Grundschule an. Für die meisten Kinder, die den Einstieg bis zur zweiten Klasse verpassen, ist der Zug abgefahren.

  • Oje, nun beginnt der obligatorische Methodenstreit....


    Wer sich mal Studien genauer anschaut, wird feststellen, dass es weniger darauf ankommt, nach welcher Methode die Schüler unterrichtet werden.


    Nachzulesen im Standardwerk "Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht" Augst/Dehn S. 190:


    Hier finden sich sowohl Reichen-, als auch Fibel-Klassen im oberen als auch unteren Leitungspektrum! Was jedoch auffällt ist, dass die leistungsstarken Klassen durchschnittlich mehr und längere Texte schreiben.
    Ich glaube, das ist ein entscheidender Aspekt. Ein große Rolle spielt darüber hinaus insbesondere die Kompetenz der Lehrkraft!


    Und hier könnt ihr euch fragen, wie gut ihr ausgebildet wurdet. Wurdet ihr auf den Anfangsunterricht ausreichend vorbereitet, oder ist es vielmehr so, dass auf das Unterrichtsmetarial und die Methode die an der Schule vorherrscht zurückgegriffen wird?
    Bei der Analyse von Aufgabenstellungen im Deutschunterricht fällt mir auf, dass z.T. Aufgaben immer noch an der (obsoleten) Wortbildtheorie orientiert sind. Oder (wie bei Reichen) der Aspekt der Graphem-Phonem-Korrespondenz zu strak thematisiert wird, obwohl der Anteil lautgetreuer Schreibungen doch sehr gering ist.

  • Etliche Studien berichten mittlerweile darüber, dass die Methode „Lesen durch Schreiben“ schlechtere Rechtschreiber hervorbringt als ein Fibelunterricht. In einer Untersuchung fanden G. Augst/M. Dehn (in: Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht, Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 2oo2) heraus, dass nach „Lesen durch Schreiben“ unterrichtete Kinder nicht nur die bei weitem schlechteren Rechtschreiber waren, sondern auch beim Verfassen von freien Texten nicht mithalten konnten. Nach dem ersten Schulhalbjahr


      schrieben die Fibelkinder pro Text durchschnittlich 22 Wörter,
      die nach „Lesen durch Schreiben“ unterrichteten Kinder schrieben im Durchschnitt 10 Wörter pro Text – mit katastrophaler Rechtschreibung.


    Nachzulesen bei: G. Augst/M. Dehn (in: Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht, Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 2oo2

  • Zitat

    Original von heloise
    Etliche Studien berichten mittlerweile darüber, dass die Methode „Lesen durch Schreiben“ schlechtere Rechtschreiber hervorbringt als ein Fibelunterricht. ...[/B]


    Als ich 1966 in die erste Klasse kam, waren wir alle "Fibelkinder" und vor Weihnachten konnten wir alle zwar langsam aber flüssig lesen.
    Ebenso achtete man darauf, dass wir die Schreibschrift anwandten UND schön, also leserlich, schrieben. Das schöne Schreiben gefiel den Jungs nicht so sehr, aber na ja ...


    Bei aller damaligen "Zucht und Ordnung" kann ich aber sagen, dass wir "scharf" darauf waren (weil wir motiviert wurden), endlich etwas zu können, was "die Großen" können. Groß sein will jedes Kind und diesen Sachverhalt kann man nutzen.


    Zitat

    Original von lissisEin große Rolle spielt darüber hinaus insbesondere die Kompetenz der Lehrkraft!


    Ach ja ...

  • Zitat

    Original von row-k
    endlich etwas zu können, was "die Großen" können. Groß sein will jedes Kind und diesen Sachverhalt kann man nutzen.


    *g* Leider sind ja auch viele der "Großen" dazu nicht imstande, wenn man sich alleine mal die Entschuldigungsschreiben ansieht und die dazugehörigen Handschriften.


    Würde mich jetzt aber mal interessieren, wie man diesen Sachverhalt nutzen soll, bei Kindern, die sich nicht für Rechtschreibung interessieren. Das würde ich echt gerne wissen. Das interessiert einige Kinder wirklich mal überhaupt nicht!

  • Hier wird bei diesem Thema gerne die gute alte Zeit heraufbeschworen. Die ist aber nun mal einige Jahre her. In diesen Jahren hat sich eine ganze Menge geändert, man kann sich selbstverständlich streiten, ob alles gut oder schlecht ist.


    Tatsache ist aber, dass mittlerweile die Kinder mit Schwierigkeiten eingeschult werden, die es vor dreißig Jahren in dieser Form nicht gab. Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen sind eher die Regel als die Ausnahme. Gibt es heute noch Kinder, die nicht mindestens schon eine Ergotherapie hinter sich haben? Oder die schon etliche Stunden in der Logopädie verbracht haben? In einer Eingangsklasse sind Entwicklungsunterschiede von drei bis vier Jahre (!!!) normal. Ich hatte in meiner Klasse am ersten Schultag Kinder, die schon lesen konnten neben Kindern, die noch nie gesehen haben, dass jemand schreibt oder liest, weil das zu Hause nicht üblich war. Soll ich allen Ernstes sämtliche Lernvoraussetzungen ignorieren und so tun, als gäbe es immer noch das Durchschnittskind von vor dreißig Jahren??? Wie man da mit einer Fibel auf diese Unterschiede eingehen soll, ist mir schleierhaft, aber jeder der damit zurecht kommt, soll es meinetwegen machen. Ich persönlich komme hervorragend mit "Lesen durch Schreiben" zurecht. Und auch wenn hier einige beschwören, dass LdS-Kinder auf jeden Fall Rechtschreibschwierigkeiten bekommen und in weiterführenden Schulen den Anschluss verlieren, halte ich das für Blödsinn. Allen Unkenrufen zum Trotz (und vielleicht werden ja gerade deshalb die Hasstiraden auf Reichen & Co. immer aggressiver), arbeiten immer mehr LehrerInnen in der Schuleingangsphase mit "Lesen durch Schreiben" ...


    Egal mit welcher Methode, die Rechtschreibleistungen können in der 5 oder in der Berufsschule gar nicht mehr so gut sein, wie vor 30 Jahren, weil die Schulen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben. Und da ist der ewige Ruf "Früher war alles besser, zurück zu den alten Methoden" nicht nur wenig hilfreich, sondern nervig.

  • Zitat

    Original von heloise
    Etliche Studien berichten mittlerweile darüber, dass die Methode „Lesen durch Schreiben“ schlechtere Rechtschreiber hervorbringt als ein Fibelunterricht. In einer Untersuchung fanden G. Augst/M. Dehn (in: Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht, Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 2oo2) heraus, dass nach „Lesen durch Schreiben“ unterrichtete Kinder nicht nur die bei weitem schlechteren Rechtschreiber waren, sondern auch beim Verfassen von freien Texten nicht mithalten konnten. Nach dem ersten Schulhalbjahr


      schrieben die Fibelkinder pro Text durchschnittlich 22 Wörter,
      die nach „Lesen durch Schreiben“ unterrichteten Kinder schrieben im Durchschnitt 10 Wörter pro Text – mit katastrophaler Rechtschreibung.


    Nachzulesen bei: G. Augst/M. Dehn (in: Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht, Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 2oo2


    Kannst du mir bitte die Seitenzahl nennen?
    In meiner Ausgabe (2007) steht auf Seite 190-192:


    Von 20 getesteten Klassen sind die beiden besten Klassen je eine Fibel- und eine Reichenklasse. Beide Klassen zeichnen sich dadurch aus, dass sie besonders viel schreiben.
    "In den Klassen, in denen deutliche Schriftvorgaben gemacht werden, schreiben Kinder in Texten mehr Wörter in freien Texten, mehr richtige Wörter und sie orientieren sich mehr an orthographischen Elementen als in den Klassen, in denen sie von Anfang an anhand von Buchstabentabelle schreiben sollen, was ihnen in den Sinn kommt. Aber: der Lehrgang determiniert diesen Prozess nicht. Auch mit 'Lesen durch Schreiben' können alle diese Phänomene beobachtet werden. Und: Auch bei dem Gebrauch einer Fibel können alle diese Merkmale eingeschränkt sein. Es kommt, so kann man vermuten, auf die jeweilige Modifikation im unterricht an, auf die Schriftorientierung." (S.192)


    Ein Fazit: wer viel schreibt, schreibt viel richtig.

  • Zitat

    Original von _Malina_
    ...
    Würde mich jetzt aber mal interessieren, wie man diesen Sachverhalt nutzen soll, bei Kindern, die sich nicht für Rechtschreibung interessieren. Das würde ich echt gerne wissen. ...


    Ganz leicht, nämlich über das Ansehen:


    Wer schreibt wie ein Idiot, wird auch so angesehen, meist hinter vorgehaltener Hand, aber leider eben doch.
    Das ist genauso, als wenn einer stinkt wie ein Raubtier, weil er sich nicht wäscht. Kaum einer sagt es ihm, aber alle sehen ihn schräg an und meiden ihn irgendwann.
    Nur die, die selber stinken, riechen es nicht und jaulen herum, wenn man einen aus ihrer Mitte direkt anspricht.


    Also spricht man über solche unangenehmen Sachen MIT dem Betroffenen VERTRAULICH.


    Wenn man es gut mit jemandem meint, MUSS man ihn auf solche Sachverhalte hinweisen!! Jede falsche, weil "gut gemeinte", aber still verlogene Rücksicht lässt Betroffene nur weiter in ihr Verderben rennen.

  • Ich finde den Vergleich moderne - antiquierte Methoden wenig zielführend. Sollte es nicht vielmehr um Qualität gehen? Ich zumindest vergleiche heutige Schüler im Jahre 2008 miteinander, nicht irgendwelche antiken Puppen mit modernen Geschöpfen und da fallen mir in der Tat große Unterschiede auf.
    Mein dringender Verdacht ist, dass manche Methoden Hyperaktivität und Konzentrationsschwierigkeiten ebenso wie LRS nachgerade fördern, andere weniger. Natürlich nicht immer und nicht bei allen Schülern, aber eben in der Tendenz. Schüler unterscheiden sich bei der Einschulung sehr stark - keine Frage. Dass sie sich stärker unterscheiden als vor 30 Jahren - mal abgesehen von Schülern mit Migrationshintergrund - wage ich zu bezweifeln. heloise: Gibts hierüber Studien?
    lissis: Dass die Kompetenz des Lehrers immer im Vordergrund steht, bezweifelt sicher niemand. Dennoch sollte auch das Handwerkszeug genau betrachtet werden dürfen.
    Letztendlich kommt es mir darauf an, darauf hinzuweisen, dass einen guten vom schlechten Rechtschreiber mehr als der mouseclick zum Rechtschreibprogramm unterscheidet.

  • @Iissis, hallo!


    Zu Deiner Frage:
    G. Augst/M. Dehn (in: Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht, Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 2002), Seiten 207/208, das Zitat:


    „Das Ergebnis ist sehr markant: Die Klassen, die im Unterricht explizit Möglichkeiten der Schriftorientierung erhalten, schreiben deutlich mehr Wörter pro Text (im Durchschnitt 22 Wörter pro Text – nach einem halben Schuljahr!) gegenüber den Klassen, die auf implizites Lernen mit Hilfe der Buchstabentabelle setzen (im Durchschnitt 10 Wörter pro Text) – mit jeweils einer Ausnahme (Klasse 19, Klasse 6). Die Klassen, die im Unterricht explizit Möglichkeiten der Schriftorientierung* erhalten, sind zugleich die Klassen, die am Ende von Klasse 2 zu den leistungsstarken Klassen im Rechtschreiben gehören. Die, die diese Möglichkeit nicht praktizieren, gehören zu den leistungsschwachen (wiederum jeweils mit einer Ausnahme). Die Rechtschreibleistung der Klassen bleibt auch bis zum Ende von Klasse 3 ziemlich konstant."


    *'Schriftorientierung' bedeutet bei G. Augst/M. Dehn 'Fibelunterricht'


    Testergebnis (lt. G. Augst/M. Dehn): Bei den vier besten Klassen (von insgesamt 20 Klassen) ist einmal ‚Reichen’ vertreten, bei den vier schwächsten Klassen ‚Reichen’ jedoch 3 X. Unter den sieben schwächsten Klassen in der Rechtschreibung ist keine Klasse mit einer ’Eigenfibel’.


    Aus Deinem Zitat: „Aber: der Lehrgang determiniert diesen Prozess nicht. Auch mit 'Lesen durch Schreiben' können alle diese Phänomene beobachtet werden.“ Diese Einlassungen sind natürlich in ihrem Kontext zu betrachten, immerhin heißt es dann weiter: „Es kommt, so kann man vermuten, auf die jeweilige Modifikation im Unterricht an, auf die Schriftorientierung." Und Schriftorientierung heißt bei G. Augst/M. Dehn ’Fibelunterricht’.



    Du führst an, „...., dass es weniger darauf ankommt, nach welcher Methode die Schüler unterrichtet werden.“ Ich denke, dass gute Lehrer mit den besten Methoden hocheffektiv arbeiten können, mit schlechten Methoden können sie es – mit erheblichem Mehraufwand - versuchen.

  • craff


    Hallo,


    Deine Frage:


    Zitat

    Gibts hierüber Studien?


    Auf der ersten Seite dieses Diskussionsstrangs „Was ist bloß aus der Rechtschreibung geworden?!?“ habe ich ausführlicher dazu zitiert.


    Vor kurzem, August (?) 2008 erschien bei Beltz ’Entwicklung von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter/Befunde der Münchener Längsschnittstudie LOGIK’ (Herausgeber: Wolfgang Schneider, ISBN 978-3-621-27605-4) Darin ist auf den Seiten 181-186 mehr über die inzwischen dritte Untersuchung zu finden.
    Initiiert hatten damals die Längsschnittstudie ’LOGIK’ Prof. Dr. Franz E. Weinert †, Direktor des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung in München, und Prof. A. Helmke.


    Im Vorwort heißt es: „Sie (Anmerkung: die Studie) wurde von Franz E. Weinert [....] und seinem wissenschaftlichen Team Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts sorgfältig vorbereitet und im Jahr 1984 begonnen. Die gleiche Gruppe von etwa 200 (zunächst) 4-jährigen wurde über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren begleitet. Im Jahr 2004 wurde die LOGIK-Studie abgeschlossen.“


    Bis 2006 wurden die Studie ausgewertet, jetzt werden die Ergebnisse veröffentlicht.


    Die Professoren Franz E. Weinert †, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung in München, und Prof. A. Helmke sind übrigens in keiner Weise verdächtig, diese Untersuchungen interessengeleitet durchgeführt zu haben – sie unterhalten auch keinerlei Kontakte zur Lehr-/Lernmittelindustrie.

  • heloise: Danke für Deinen Hinweis. Ich möchte aber noch mal nachfragen:



    [quote]Original von Benno


    "Tatsache ist aber, dass mittlerweile die Kinder mit Schwierigkeiten eingeschult werden, die es vor dreißig Jahren in dieser Form nicht gab. Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen sind eher die Regel als die Ausnahme. Gibt es heute noch Kinder, die nicht mindestens schon eine Ergotherapie hinter sich haben? Oder die schon etliche Stunden in der Logopädie verbracht haben? Soll ich allen Ernstes sämtliche Lernvoraussetzungen ignorieren und so tun, als gäbe es immer noch das Durchschnittskind von vor dreißig Jahren???"



    Dass Erstklässler heute so viel schlechter sein sollen als vor dreißig Jahren deckt sich nicht mit meinen eigenen Erfahrungen. Meine Annahme ist vielmehr, dass einige der neueren Methoden Ursache der Störungen ist, deren Lösungen zu sein sie vorgeben. Ich denke nicht, dass heutige Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung in so viel höherem Maße verhaltensgestört sind. Vernachlässigung(Struwwelpeter), Aggressivität (Der böse Friederich) Pyromanie (Paulinchen), Magersucht (Suppenkaspar), Daumenlutschen (Konrad), Hyperaktivität (Zappelphilipp), Wahrnehmungsstörung(Hans-guck-in-die-Luft) gab es schon vor über hundert und auch vor dreißig Jahren. Allerdings scheinen manche Methoden mit ihrem Mix aus Überforderung und Unterbeschäftigung Verhaltensauffälligkeiten vielleicht eher zu verstärken als früher.


    Weil Du so gut über empirische Studien Bescheid weißt, möchte ich meine Frage an Dich noch einmal präzisieren: Sind Verhaltensauffälligkeiten bei Schuleintritt heutzutage häufiger als früher? Wenn Sie häufiger sind, in welchem Lebensalter stellen sie sich ein?
    Kannst Du darüber etwas sagen?

  • Zitat

    Original von row-k
    [Ganz leicht, nämlich über das Ansehen:
    Wenn man es gut mit jemandem meint, MUSS man ihn auf solche Sachverhalte hinweisen!! Jede falsche, weil "gut gemeinte", aber still verlogene Rücksicht lässt Betroffene nur weiter in ihr Verderben rennen.


    Dann lade ich dich herzlich in meine dritte und vierte Deutschklasse ein, das mit den Kindern privat zu bereden.


    Hast du ne Ahnung wie egal das denen ist???

  • Die Diskussion hier dreht sich im Kreis. Es ist der ewige Frontenkrieg zwischen den Fibelgegnern und den Fibelanhängern. Und der wird hier mit Sicherheit nicht beendet werden. Bevor ich mich aus diesem Thema verabschiede, nur kurz:
    craff: Das mag sein, dass sich unsere Erfahrungen nicht decken. Ich traue allerdings meinen 20 Jahren Grundschulerfahrungen mehr, als deinen Erfahrungen als Berufsschullehrer.
    Im übrigen kann ich nicht so eloquent mit empirischen Studien und Zitaten um mich werfen wie heloise. Wenn das für dich meine Kompetenz als Grundschullehrer in Frage stellt, kann ich dich nicht daran hindern, aber ich kann damit leben ...

  • craff


    Hallo,


    ich versuche eine Antwort.


    Zitat

    Dass Erstklässler heute so viel schlechter sein sollen als vor dreißig Jahren deckt sich nicht mit meinen eigenen Erfahrungen.

    Sind Verhaltensauffälligkeiten bei Schuleintritt heutzutage häufiger als früher?


    Zu klären wäre natürlich, was „früher“ heißt. Glaubt man Dr. Michael Winterhoff, (Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie sowie für Sozialpsychiatrie), derzeit in den Hit-Listen der Sachliteratur ganz oben zu finden (Michael Winterhoff: Warum unsere Kinder Tyrannen werden. Gütersloh), dann wäre es tatsächlich so: "Gab es vor 15 oder 20 Jahren etwa zwei bis vier auffällige Kinder pro Schulklasse, so hat sich das Verhältnis heute genau umgedreht [...]: Von etwa 25 Kindern in einer Schulklasse sind heute noch zwei bis vier Kinder komplett unauffällig, alle anderen zeigen, in der Mehrzahl miteinander kombinierte, Störungsbilder." (ebd.) An anderer Stelle heißt es: "In der Konsequenz führt das dazu, dass der Entwicklungsstand eines Kindes bei der Beschulung nicht mehr vergleichbar ist mit dem Status quo, der etwa zu Beginn der 90-Jahre vorherrschte." (ebd.) Winterhoff behauptet allerdings nicht, eine Studie vorzulegen, die wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Was er vorlegt, ist wohl eher ein Erfahrungsbericht aus seiner Praxis. Seine Ausführungen sind jedoch nicht unplausibel. Du hast dennoch auch Recht: Gestörte Kinder gab es schon immer.


    · Übermäßiger Konsum jeglicher Art, auch (auch medienbezogen),
    · Vernachlässigung oder falsche ’Erziehung’,
    · Kindheit heute in veränderten sozialen Strukturen


    mögen dazu geführt haben, dass die altbekannten Störungsmuster gravierendere Erscheinungsformen angenommen haben und neue hinzugekommen sind, wir als LehrerInnen könnten zudem eine neue Sensibilität für diese Problematik entwickelt haben. Dümmer geworden sind unsere Kinder aber wohl offenbar tatsächlich nicht. Eine Studie belegt: Die sprachfreie Intelligenz ist seit 1977 von 100 auf 111 IQ-Punkte angewachsen.


    Du fragst: „Wenn sie (Anmerkung: die Störungen) häufiger sind, in welchem Lebensalter stellen sie sich ein?“ Studien dazu gibt es meines Wissens nicht, zum zweiten Teil der Frage finde ich nur die – m. E. plausible – Antwort: schon bald nach der Geburt.


    Zitat

    Meine Annahme ist vielmehr, dass einige der neueren Methoden Ursache der Störungen ist, deren Lösungen zu sein sie vorgeben.

    Allerdings scheinen manche Methoden mit ihrem Mix aus Überforderung und Unterbeschäftigung Verhaltensauffälligkeiten vielleicht eher zu verstärken als früher.


    Dass „neuere Methoden“ die Ursachen für viele der Störungen sind, ist m. E. weniger anzunehmen. Ich bin aber ganz Deiner Ansicht, dass „neuere Methoden“ zur Lösung der Probleme nichts beitragen, vielmehr bin ich davon überzeugt, dass wir das Gegenteil annehmen müssen. Mein Vorwurf gegen viele der neueren Methoden (insbesondere des Schriftspracherwerbs) ist, dass zwar sehr viel von ’Individualisierung’ die Rede ist, sie jedoch geradezu vereiteln, dass etliche der speziellen Störungen/Probleme rechtzeitig wahrgenommen können. Dass sich mit ihrer Hilfe vorhandene Defizite beheben ließen, ist nicht erkennbar. Ich denke an Störungen in den Sprachwahrnehmungsleistungen (bei der phonematisch-akustischen Differenzierungsfähigkeit, der kinästhetisch-artikulatorischen Differenzierungsfähigkeit, der melodisch-intonatorischen Differenzierungsfähigkeit, der rhythmisch-strukturierenden Differenzierungsfähigkeit) wie auch an Störungen in den in den lautsprachlichen Grundfertigkeiten (bei der Artikulationssicherheit, dem Umfang/der Qualität des Wortschatzes, dem Sprachgedächtnis, dem Sprachverstehen, der mündlichen Kommunikationsfähigkeit). Gewisse Verfechter der Methode 'Lesen durch Schreiben' versuchen sich seit Jahren in inzwischen unzähligen Veröffentlichungen gegen diese Problematik zu immunisieren, indem sie ohne jegliche seriöse Begründung, erst recht nicht aufgrund wissenschaftlicher empirischer Untersuchungen, vom ersten Schuljahr an die Kinder in lernstarke, schnell lernende und langsam lernende Kinder einteilen und damit die Frage der Defizite in den Sprachwahrnehmungsleistungen und lautsprachlichen Grundfertigkeiten bei immerhin hierzulande derzeit weit über 100.000 neu eingeschulten Kindern mit Schwierigkeiten/Störungen schlichtweg ignorieren. Mit einfach nur langsamem Abarbeiten von Kärtchen lassen sich die oben genannten Defizite nicht – wie von selbst – beheben. Das alles ist natürlich nicht Individualisierung, zumal Üben mit immer wieder denselben Materialen für alle stattfindet! Diese Art des Fortschreitens, für die einen langsamer, für andere schneller, hätte man – allerdings weniger aufwändig - schon in den vergangenen Jahrzehnten auch mit den schwächsten Fibeln arrangieren können. Ich halte es daher auch für wenig überlegt , wenn man Kolleginnen, die mit einer Fibel arbeiten, ’gleichschrittiges Arbeiten mit allen’ vorhält. Außerdem: moderne Fibeln sind heute in der Regel pfiffiger angelegt und bieten eine Vielzahl von Differenzierungsmöglichkeiten. Kompetente Lehrerinnen werden sich jedoch darüber hinaus in mancher Situation sehen, in der auch das noch nicht ausreicht und sie bei besonderen Schwierigkeiten spezielle Arbeitsmaterial selbst entwickeln müssen.
    Mich erstaunt immer wieder, dass der theoretische Ansatz aller Methoden mit dem Konzept „Lesen durch Schreiben“ so wenig hinterfragt wird. Bei J. Reichen finden wir (http://www.heinevetter-verlag.de/05/leitsaetze.htm:(


    “Der Schriftspracherwerb ist genetisch bedingt.“


    So kann es aber wohl eben nicht sein. Lesen und Schreiben sind Kulturtechniken, die erst erlernt werden können, seitdem es die Schrift gibt, und die gibt es erst seit etwa fünf- bis sechstausend Jahren. Während sich über einen langen Zeitraum hinweg im menschlichen Hirn bestimmte Dispositionen zum Erlernen des Sprechens herausbilden konnten, war dies für das Erlernen des Schreibens und Lesens in der kurzen Zeit von nur wenigen tausend Jahren natürlich nicht möglich. Es gab auch keinen Evolutionsdruck, der auf die Entwicklung der Fähigkeiten zu lesen oder zu schreiben im Hirn hingewirkt hätte. Der den meisten Lehrerinnen bekannte Hirnforscher Prof. Manfred Spitzer (in seinem Buch ’Lernen’): „Unser Gehirn ist für das Lesen nicht gebaut. Es entstand lange vor der Erfindung der Schrift und aufgrund von Lebensbedingungen, die mit den heutigen wenig gemeinsam haben. Eines zeichnete diese Lebensbedingungen ganz gewiss nicht aus: Schrift auf Schritt und Tritt. Wer liest, der missbraucht also zunächst einmal seinen Wahrnehmungsapparat für eine nicht artgerechte Tätigkeit, etwa wie ein Fliesenleger seine Knie missbraucht, um in Bädern herumzukriechen oder wie ein Tennisspieler, der seinem Ellenbogen das Aufnehmen von mehr Kräften zumutet, als dieser verkraften kann. Noch einmal anders ausgedrückt: Das Gehirn verhält sich zum Lesen wie ein Traktor zum Formel -1-Rennen, für dessen Tuning man kurz vor dem Rennen zwei Stunden Zeit bekommt.“ Dass nach tausenden Stunden des Übens Menschen tatsächlich lesen können, ist für Spitzer ein wichtiger Beweis: Das menschliche Hirn "kann Tätigkeiten lernen, die ihm nicht in die Wiege gelegt sind." Und was für das Lesen gilt, gilt natürlich auch für die Kulturtechnik des Schreibens.


    Aus dem falschen Ansatz heraus konnten sich über Jahre hinweg Werbesprüche wie der für die Methode ’Tinto’ des Cornelsen-Verlags halten: „Grundlage der Materialien in der Lehrwerksreihe ist die Idee, dass Kinder sich den Weg in die Schriftsprache weitgehend selbstständig erarbeiten können.“


    Die Münsteraner Professorin Hanke rechtfertigt den Einsatz moderner Methoden (dazu gehört bei ihr auch ‚’Lesen durch Schreiben’) damit, „dass der pädagogisch-didaktische Ansatz der ’Öffnung des Unterrichts’ sich als ein Konstrukt aus theoriegeleiteter Perspektive als plausibel und für die Realisierung des Bildungsauftrags der Grundschule als brauchbar erweist.“ Wir hätten Katastrophen ohne Ende, wenn auch Chirurgen nach solchen Maximen arbeiten dürften.
    Ich komme noch einmal zurück auf die letztgenannten Zitate aus Deinem Beitrag:


    Es ist inzwischen hinreichend erwiesen, dass „neuere Methoden“ in größerem Umfang methodenverursachte LR-Schwierigkeiten auslösen können (und auch so wirken), wie auch bekannt ist, dass schwächere SchülerinInnen damit überfordert sind.


    Schönes Wochenende!


    Heloise
    (die ein arbeitsreiches Wochenende vor sich hat)

  • Ich frage mich die ganze Zeit, was ich falsch mache: denn obwohl (vielleicht auch weil...) ich mit einer Methode arbeite, bei der man Lesen durch Schreiben lernt und obwohl ich weder mit einer Fibel, noch mit einem Sprachbuch arbeite, sondern mit einem Konzept, in das ich mich gut eingearbeitet habe und in dem die Kinder sehr differenziert arbeiten, lernen meine Kinder Rechtschreiben...und selbst in eigenen Texten verfuegen sie ueber eine hohe Rechtschreibsicherheit...du hast Recht, heloise...ich sollte das lassen...
    Mannmannmann...soll doch jeder mit dem Konzept arbeiten, mit dem er gute Erfolge erzielt!
    Heloise hat uns ja noch nicht verraten, womit sie/er (erfolgreich?)arbeitet...
    Ich halte es wie Benno und verabschiede mich aus diesem Thread...es ging irgendwann mal darum, wer wie gute Rechtschreibleistungen bei den Kindern erzielt...auf einen Methodenstreit habe auch ich keine Lust...weil, wenn man wissenschaftliche Studien richtig liest, erfaehrt man dort auch, dass eine Methode immer so gut ist, wie der Lehrer, der sie anwendet. Das heloise, solltest du mal in deiner u.a. vielzitierten hessischen Studie nachlesen...
    Rottenmeier

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