Gemeine Briefe

  • In meiner zweiten Klasse wird jeden Freitag am Ende des Tages der Klassenbriefkasten geöffnet und die Post verteilt. Nun kamen am Freitag eine Reihe von Kindern zu mir und zeigten mir enttäuscht ihre Briefe. Ein Junge der Klasse hat im Namen anderer Kinder gemeine Briefe an die Kinder geschrieben! Anhand der Schrift habe ich ihn gleich identifizieren können, habe mit den Kindern aber noch nicht weiter sprechen können, weil die Schule dann aus war. Auch den verdächtigen Jungen konnte ich nicht mehr erwischen...


    Nun suche ich eine sinnvolle und auch "schmerzhafte" Maßnahme, um dem Jungen zu zeigen, wie gemein und hinterlistig diese Aktion war! Hat jemand eine Idee?


    Miriam

  • Hmm, das ist ja wirklich übel.
    Ich würde alleine mit dem Jungen reden, alleine schon mal die Tatsache, dass du ihn ansprichst, wird ihn überraschen, er denkt ja nicht, dass du das weißt. Trotzdem wäre ich vorsichtig, was du tust, wegen Eltern und so.
    Ich würde deutlich und klar mit ihm alleine sprechen, ihm klar machen, dass das mal ein Griff ins Klo war und dann soll er sich überlegen, wie er es wieder gut macht. kenne den Jungen ja nicht, weiß nicht, wie der so drauf ist.
    Dann soll er sich vor der ganzen Klasse entschuldigen, das wird wohl die größte "Strafe" für ihn sein.

  • ich würde es ebenso wie angellover machen:
    gespräch unter 4 augen und dann eine entschuldigung vor der ganzen klasse bei den eizelnen kindern (sowohl bei denen, die den brief bekommen haben, als auch bei denen, deren namen er missbraucht hat!). die entschuldigung vor der ganzen klasse hat bei mir bis jetzt immer gut geholfen. das ist für die meisten kinder doch eine große überwindung. bei schwierigen fällen lasse ich immer noch dazu sagen, warum man das nicht machen soll, wie man sich an der stelle der "opfer" fühlt.

  • Vielen lieben Dank schon mal für eure Antworten! Auf dieses Forum ist echt immer Verlass! :)


    Also, um die Eltern muss ich mir keine Sorgen machen. Ich bin (leider!?!?) an einer Schule, an der sich Eltern nicht die Bohne für Schule interessieren.
    Der Junge, um den es geht, wirkt sehr ruhig und man würde es ihm an sich nie zutrauen! Er ist immer bemüht, einen guten Eindruck zu machen und wird mit Sicherheit groß gucken, wenn ich ihn als "Täter" identifiziere. Genau dass ärgert mich aber, dass er so tut, als könne er keiner Fliege was zuleide tun, viele Kinder ihn auch mögen und er dann hintenrum schlechte Luft in der Klassengemeinschaft machen will. Ein Glück, dass die Kinder mir die Briefe überhaupt gezeigt haben! Die öffentliche Entschuldigung ist schon mal gut. Danke! Gäbe es noch eine Möglichkeit der Wiedergutmachung?

  • Wenn du Klassendienste hast, würde ich ihn den Klassendienst der Schüler machen lassen, für einen Tag oder länger.
    Ansonsten könntest du ihn noch einen Entschuldigungsbrief schreiben lassen. Ich würde das Ganze auch noch thematisieren, Sinn des Briefkastens, wie er sich fühlen würde....


    Lass ihn doch mal überlegen, was er tun könnte, um es wieder gutzumachen.
    Gruß Nof.

    Wir helfen einem Menschen mehr, wenn wir ihm ein günstiges Bild seiner selbst vorhalten, als wenn wir ihn unablässig mit seinen Fehlern konfrontieren.
    A. Camus

  • habt ihr einen klassenrat oder einen montagskreis oder dergleichen?


    ich weiß nicht, ob es für deine klasse passt, aber ich habe immer gute erfahrungen gemacht, wenn solche vorfälle dort disskutiert und besprochen werden. es wäre dann gut, wenn der betroffe empfänger von seinem unmut über den gemeinen brief erzählt. dann würde ich die reaktionen abwarten ... vielleicht wird sehr schnell deutlich, dass es die ganze klasse auch so sieht und damit wäre das ganze für mich erledigt (ohne täternennung, sanktionen, etc.).


    nur wenn der klassenrat nicht zufriedenstellend läuft, würde ich als lehrer ganz am ende kurz sagen: "im übrigen weiß ich, wer diesen brief geschrieben hat und bin darüber auch sehr enttäuscht. vielleicht traut sich derjenige ja, sich zu entschuldigen - das wäre richtig. ich möchte solche briefe nicht mehr in unserem klassenbriefkasten finden."


    der erste weg über den konsens der klasse ist aber auf jeden fall vorzuziehen! viel erfolg :)

    • Offizieller Beitrag

    Vielleicht solltest du auch erstmal durchatmen und der Sache nicht sooo viel Gewicht beimessen?
    Natürlich ist es unschön, wenn solche Briefe verschickt werden, aber vielleicht hat sich der Junge gar nicht soo viel dabei gedacht, wie du ihm unterstellst?
    Diese Aussage

    Zitat

    Original von miriam
    Genau dass ärgert mich aber, dass er so tut, als könne er keiner Fliege was zuleide tun, viele Kinder ihn auch mögen und er dann hintenrum schlechte Luft in der Klassengemeinschaft machen will.


    finde ich ganz schön stark!


    Meinst du echt, die gehen in der zweiten Klasse schon so berechnend vor?
    Ich denke, er wollte einen blöden Streich machen.
    Man muss ihm natürlich klar machen, dass das nicht ok ist und nicht mehr vorkommen soll. Ich stimme hier schlauby zu,was das Vorgehen anbelangt.
    Ihn vor der ganzen Klasse bloß zu stellen und zu demütigen (sich vor allen entschuldigen müssen), halte ich für ziemlich daneben!


    Melosine

  • Zitat

    Ihn vor der ganzen Klasse bloß zu stellen und zu demütigen (sich vor allen entschuldigen müssen), halte ich für ziemlich daneben!

    Wenn die Kinder eh schon wissen, wer ihnen die gemeinen Briefe geschrieben haben: Was hat das mit "demütigen" und "bloßstellen" zu tun, wenn er sich vor der Klasse bei den Kindern entschuldigt, denen er Leid zugefügt hat? ?(


    Das ist eine natürliche Konsequenz dessen, was er verbockt hat.


    Er muss ja nicht vorne vor der Klasse an den Pranger gestellt werden....aber soviel pädagogisches Geschick traue ich meiner Kollegin schon zu, dass sie das nicht tut ;) .


    Wenn die Kinder noch nicht wissen, wer die Briefe geschrieben hat, würde ich es so wie Schlauby handhaben. :)

    ~*~ Lache nicht über jemanden, der einen Schritt zurück macht - er könnte Anlauf nehmen!~*~

    2 Mal editiert, zuletzt von Feenstaubflocke ()

    • Offizieller Beitrag

    Ich sehe da keinen Zusammnenhang. Ist doch egal, ob sie es wissen oder nicht.


    Ich halte es für übertrieben ein Kind wegen eines solchen Vergehens, zumal anscheinend bisher einmalig geschehen, wie einen Straftäter zu behandeln und ihm zu unterstellen, es wolle die Klassengemeinschaft (zer)stören.
    Da sollte man doch die Kirche im Dorf lassen.


    Dass man den Vorfall klären muss, habe ich ja geschrieben.


    Demütigend ist der Zwang sich öffentlich vor allen Kindern entschuldigen zu müssen.
    Schade, dass man das erklären muss.


    Eine Entschuldigung bei den Kindern, die es betrifft, halte ich für angemessen.


    Melo

  • Du musst mir nichts erklären, danke.


    Der Schüler hat sich falsch verhalten - er hat gemein/fies gehandelt und andere Schüler mit seinem Verhalten verletzt. Ein Zweitklässler ist kein Baby mehr, das unreflektiert agiert.


    Zitat

    Demütigend ist der Zwang sich öffentlich vor allen Kindern entschuldigen zu müssen.

    Wenn diese Sache z.B. im Klassenrat geklärt wird, also an einem Ort, wo explizit und ritualisiert Platz ist für "diese Dinge", hat das in meinen Augen immer noch nichts mit Demütigung zu tun.


    Mein Bild einer Demütigung sieht so aus: Der Schüler steht vorne, die Lehrkraft drischt verbal auf ihn ein und zwingt ihn, sich zu entschuldigen. Am besten muss er dann noch wortwörtlich die Sätze wiederholen, die die LK ihm vorgibt - dabei wird er angehalten, den Mitschülern in die Augen zu sehen.


    Aber wie ich schon schrieb:

    Zitat

    Er muss ja nicht vorne vor der Klasse an den Pranger gestellt werden....aber soviel pädagogisches Geschick traue ich meiner Kollegin schon zu, dass sie das nicht tut ;)

    ~*~ Lache nicht über jemanden, der einen Schritt zurück macht - er könnte Anlauf nehmen!~*~

    Einmal editiert, zuletzt von Feenstaubflocke ()

  • es geht ja wirklich nicht darum, jemanden an den pranger zu stellen, blöd anzumachen oder verbal völlig fertig zu machen.


    aber ich sehe es wie feenstaubflocke: wer mist baut, muss auch dazu stehen. und ich habe es nach 7 wochen schule mit meinen erstklässlern schon soweit gebracht, dass sie wissen, wie mutig und ehrlich es ist, wenn sich jemand entschuldigt.


    zudem habe ich die erfahrung gemacht, dass eine entschuldigung meist mehr bewirkt als sonstige straf-/nachdenk- oder sonstwie-aufgaben.


    auch was feenstaubflocke schreibt, kann ich nur unterschreiben: sie sind keine babys mehr. selbst erstklässler können bereits über ihr verhalten reflektieren. und wenn die kinder die regeln klar kennen, fällt es ihnen um so einfacher.

  • Aber warum muss die Entschuldigung vor der ganzen Klassen passieren? Ich kläre solche Dinge auch lieber mit dem einzelnen Kind bzw. mit den Betroffenen. Dann kann das betreffende Kind sich direkt entschuldigen und gut ists.


    Ich seh das wie Melosine - es ist für mich schon eine Demütigung und die möchte ich in meinem Klassenraum bestimmt nicht.


    Gruß
    Britta

  • Ich würde hier auch zwischen "privat" und "öffentlich" unterscheiden. Kind unter vier Augen mit dem Ziel der Entschuldigung an die Betroffenen ansprechen, ja. Die "Begegnung" zwischen dem Schüler und den Betroffenen herstellen, ja.


    Aber warum muss eine Sache, die vermutlich ca. 6 Kinder betrifft, "schmerzhaft (Zitat aus dem Ausgangsposting) mit einer Blossstellung vor der gesamten Klasse passieren?


    Ähnlich sehe ich es mit dem Klassenrat, der ja der "Pranger" nur in Kreisform wäre. M.E. gehören in den Klassenrat nur Dinge, die "öffentlich" sind. Briefe zähle ich zur Kategorie "privat" und würde als Lehrerin nur lenkend (s.o.) eingreifen.


    LG, das_kaddl.

  • Ja klar, der Klassenbriefkasten ist ja (bei mir zumindest) auch nur ein Briefkasten, in den die verschlossenen Briefe eingeworfen werden und einmal pro Woche (oder wie oft auch immer) wird er dann von einem Briefträger geleert und die Briefe werden an die Adressaten verteilt. Briefe, die ich bei der Post abgebe, unterliegen schließlich auch dem Briefgeheimnis...

  • Oh! ich habe hier ja eine wilde Diskussion ausgelöst! Also, ich habe es nun ungefähr so gemacht wie schlauby vorgeschlagen hat. Im Klassenrat wurde von dem Vorfall berichtet (ohne Name) und die betroffenen Kinder (12!!!) haben beschrieben, wie sie sich fühlten, als sie den Brief gelesen haben. NOCH wussten die Kinder ja nicht, wer der Übeltäter ist. Ich gab dann die Chance, dass der Briefeschreiber sich doch ehrlich melden solle. Das hat er dann auch Gott sei Dank getan....er selbst schlug dann vor, einen Entschuldigungsbrief zu schreiben. Den hat er dann heute vorgelesen und die Klasse hat spontan applaudiert und ihm verziehen. Er fühlt sich wieder besser und hat etwas gelernt...


    Ich denke, es ist schon wichtig, dass er sich öffentlich entschuldigt hat. Mit 12 betroffenen Kindern war die Sache nun mal nicht mehr privat... und von wegen "Der arme Kleine hat sich nix dabei gedacht..." ...ihr könnt gerne mal in meiner Brennpunktschule vorbeischauen. Ganz so niedlich und unschuldig ist es bei uns nicht... Wer Mist baut, muss dazu stehen... das hat er gemacht und nu: Schwamm drüber!


    Danke für eure vielen Anregungen!

  • Zitat

    Ähnlich sehe ich es mit dem Klassenrat, der ja der "Pranger" nur in Kreisform wäre. M.E. gehören in den Klassenrat nur Dinge, die "öffentlich" sind. Briefe zähle ich zur Kategorie "privat" und würde als Lehrerin nur lenkend (s.o.) eingreifen.


    da ich den klassenrat erwähnt habe, möchte ich noch mal kurz ausführen, was ich meinte.


    es geht mir darum, dass in meinem klassenrat u.a. regeln für den gemeinsamen umgang aufgestellt und eingefordert werden dürfen. ich finde es daher absolut richtig, wenn die institution "klassenbriefkasten" im "klassenrat" behandelt wird. dabei ginge es mir nicht darum, den schuldigen herauszufinden oder zu sanktionieren, sondern die klassengemeinschaft zu stärken und kinder für themen des "sozialen miteinander" zu sensibilisieren. das hat nichts (!) mit einem pranger zu tun - auch nicht in kreisform. aber vielleicht hat das_kaddl das ja auch gar nicht gemeint.


    der hinweis auf das briefgeheimnis ergibt hier für mich gar keinen sinn, schließlich bedeutet es doch nur, dass der "postbote/staat/lehrer..." nicht hineinschauen darf - der schüler doch aber jederzeit veröffentlichen kann und darf, was ihm in einem brief geschrieben wurde.


    es ist immer abzuwägen, ob ein 4-augen-gespräch oder eine diskussion im klassenrat sinnvoll/zweckmäßiger ist. gerade bei grundsatzfragen (hier: anonyme beleidigungen, missbrauch des klassenbriefkasten) würde ich letzteres immer vorziehen. aber am ende ist der klassenlehrer der experte und wird wissen, wie er/ sie seine schüler anzusprechen hat :)

  • miriam:


    upps, jetzt haben wir gerade parallel geschireben. aber wie schön, dass meine idee auch deine war und dass es so prima geklappt hat. wenn sich der überltäter wirklich freiwillig gemeldet hat, finde ich das einen großen erfolg für deine ganze klassengemeinschaft. im 4-augen-gespräch wäre sonst vielen diese erfahrung verloren gegangen ;)

  • Hallo miriam, da hat der Kleine Stärke gezeigt. :)


    Schlauby, ich sehe auch einen großen Unterschied darin, ob eine öffentliche Entschuldigung verpflichtend oder freiwillig geschieht, ich glaube, das war das, was hier als Problem betrachtet wurde (eine verpflichtende Entschuldigung). Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Melodsine dein Vorgehen auch befürwortet.


    Wenn ein Schüler sich vor versammelter Runde entschuldigen muss, obwohl es nur einen Teil betrifft, dann hat das etwas Demütigendes an sich, egal in welcher Form das geschieht. Das würden wir Erwachsene untereinander auch nicht machen. ;)

  • Der Hinweis auf das Briefgeheimnis war nur die Antwort auf Friesins Frage, ob die Briefe im Klassenbriefkasten noch als privat anzusehen sind - ja, sind sie für mich eindeutig. Wenn die Kinder von sich auch davon berichten, ist es natürlich ok.


    Schön jedenfalls, dass das Problem nun (offenbar zur Zufriedenheit aller) gelöst ist.

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