Schulbegleitung

  • Hallo,
    ich hatte schon mehrfach gepostet und um Rat gefragt, weil ich einen extrem verhaltensauffälligen, aggressiven Schüler in der 2. Klasse habe.
    Im Gespräch mit der Schulleitung und den Eltern habe ich dringend die Kinder- und Jugendpsychiatrie empfohlen. Das lehnen die Eltern aber ab. Außerdem haben wir darüber informiert, dass wir ein "Sonderschulverfahren" einleiten, was die Eltern natürlich auch ablehnen.
    Der Junge wird ab übernächste Woche in die Parallelklasse strafversetzt, weil er schon mehrfach nach mir getreten hat und ich schwanger bin. Dennoch muss und möchte ich dieses Verfahren auch zu Ende bringen.
    Die Eltern haben mir nun mitgeteilt, dass sie Schulbegleitung beantragen werden und ich Sie bitte dabei unterstützen soll. Ich dachte, das gibt es nur in integrativen Schulen bei behinderten Kindern.
    1. Hat jemand damit Erfahrung?
    2. Geht das denn auch an einer Schule, die nicht integrativ ist, und bei einem Kind, bei dem noch kein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde?
    3. Was ist meine Aufgabe dabei? Inwiefern kann ich dabei helfen, eine Schulbegleitung umzusetzen bzw. zu bekommen?
    Bin mal wieder vollkommen ratlos und für eure Hilfen dankbar.
    Alema

  • Ich arbeite in Schleswig-Holstein und weiß deshalb nicht, ob meine Schilderung dir weiterhilft. Ich schreibe trotzdem mal.
    Ein Schüler meiner Schule hat im letzten Schuljahr eine Schulbegleitung bekommen, weil er sich ähnlich verhalten hat, wie der Schüler, über den du berichtest. Klassenlehrerin und Schulleiter sind ständig beim Jugendamt aufgelaufen, weil der Schüler einfach nicht mehr tragbar war. Die Klassenlehrerin hat alle Vorfälle dokumentiert und regelmäßig Gespräche mit der Mutter geführt. Irgendwann hat das Jugendamt "nachgegeben" und die Schulbegleitung bewilligt. Mit der Begleitung lief es gut, jetzt ist der Junge auf einer anderen Schule (für Verhaltenssauffällige).
    Ich habe zwei extrem verhaltensauffällige Schüler in meiner ersten Klasse; der eine verletzt täglich andere Kinder und der andere ist schon damit überfordert, seine Federtasche aus dem Ranzen zu holen. Die beiden brauchen so viel Unterstützung, Reglementierung, Feedback und Liebe, dass ich den Rest der Klasse die ersten sechs Wochen fast vernachlässigt habe. Beide Schüler waren im Kindergarten schon in Fördermaßnahmen und es war eine Schulbegleitung beantragt, die aber nicht bewilligt wurde. In der Woche vor den Ferien hatte ich ein Gespräch mit Eltern, Schulleitung und Jugendamt, weil es so einfach nicht mehr weitergeht. Ich fühle mich wie in einer I-Klasse, allerdings ohne zusätzliche Erzieherin oder Sonderpädagogin. Zusätzlich sind viele Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten in der Klasse, ein Kind mit Diabetes, Kinder mit Migrationshintergrund, ein Kind mit Sprachverzögerung, Kinder, die andere ganz gemein ärgern und und und... Im Gespräch bügelte mich die Frau vom Jugendamt mit folgender Äußerung ab: "Die Grundschulen müssen sich auf die Änderung im Schulgesetz (Einschulung ALLER Kinder) einstellen. Eine Schulbegleitung wird es nicht geben."
    Ich fühle mich total im Stich gelassen, weil ich für meine Schüler tu, was ich kann. Ich bemühe mich, den Unterricht individualisiert zu gestalten und allen gerecht zu werden, lege viel Wert auf die Einhaltung von Regeln und das soziale Miteinander. Und dann bekomme ich zu hören, dass es an den Grundschulen, also an mir liegt. Danke für die Unterstützung!!!
    Schweif ab...aber ich musste mal Dampf ablassen.
    Jetzt zu deinen Fragen:
    Die Eltern müssen die Schulbegleitung beim Jugendamt beantragen.
    Ich schreibe einen Text, in dem ich begründe, warum die Schulbegleitung notwendig ist und dokumentiere alle Vorfälle mit Datumsangaben. Die Eltern sind über den Inhalt meines Schreibens informiert. Ich und die Schulleitung fragen regelmäßig beim Jugendamt nach und signalisieren Handlungsbedarf. Außerdem schreibe ich für beide Schüler Förderpläne und werde, falls die Schüler keine Unterstützung erhalten, eine sonderpädagogische Überprüfung beantragen.
    Sollte die Situation so eskalieren, dass sie für die Mitschüler und mich nicht mehr tragbar ist, werden wir die Schüler beurlauben lassen. Das haben wir schon mal bei einem anderen Schüler gemacht.
    Ich glaube, dass es extrem wichtig ist, Handlungsdruck aufzubauen: bei den Eltern, beim Jugendamt, bei der Schulleitung.
    Mit dieser minimalen Ausstattung bleiben alle auf der Strecke: die Schüler und wir als Lehrer.
    Berichte mal, wie es dir und deinem Schüler ergangen ist.
    Ich wünsche dir starke Nerven und dass ihr zu einer zufriedenstellenden Lösung kommt.
    Schmökermäuschen

  • Ich habe eine zeitlang Schulbegleitung bei einem Kind mit Autismus gemacht. Meine Aufgabe bestand darin, dass Kind dahingehend zu unterstützen, dass es am Unterricht teilnehmen konnte . Oder wenn gar nichts mehr ging bin ich mit dem Kind aus dem Unterricht gegangen. Eben die Dinge, die eine Lehrerin nicht leisten kann, ohne die anderen Kinder zu vernachlässigen. Obwohl bei dem Kind die Diagnose klar war, mussten die Eltern alle halbe Jahre beim Jugendamt "betteln", um die nötige Anzahl an Stunden zu bekommen
    Schulbegleiter sind häufig Zivildienstleistende, man muss damit rechnen, anfangs einen weiteren "Schüler" zu haben, den man "anlernen" muss. Hilfreich ist es, wenn man sich selber klar wird, was man sich von der Schulbegleitung wünscht, was speziell bei dem Kind zu beachten ist. Vielleicht schriftlich festhalten und den Schulbegleitern als Leitfaden an die Hand geben.
    Was auch zu beachten ist: die Zivis wechseln häufiger als ein Schuljahr lang ist.
    :wink: filzfrau

  • Ach so, ich vergaß zu erwähnen, dass ich die Schulbegleitung in der Grundschule gemacht habe. Der Junge ist mittlerweile in der Gesamtschule in einer normalgroßen Klasse (also keine I.-Klasse) , immer noch mit Schulbegleitung,
    Gruß
    filzfrau

  • Hallo,
    danke für die Infos. Das klingt eigentlich ganz gut. Dennoch kann ich mir gar nicht vorstellen, dass so eine Schulbegleitung finanziert wird. Hinzu kommt, dass der Junge eventuell in einem halben Jahr wegzieht. Dann wäre ohnehin alles für die Katz.
    Meine Kollegin, die den Schüler nun bald in ihre Klasse bekommt, will nicht, dass da jeden Tag noch jemand in ihrer Klasse ist. Vielleicht sollte ich ihr dann das ganze Prozedere überlassen? Sie ist schließlich die zukünftige Klassenlehrerin und muss sich damit arrangieren.
    LG Alema

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