Abschaffung des Fehlerquotienten ABI 2009 NRW

    • Offizieller Beitrag

    In Englisch ist mit dem Abitur 2009 der Fehlerquotient abgeschafft worden.


    Ich habe testweise die aktuellen 12er Klausuren nach dem neuen Schema korrigiert. Dabei kam heraus, dass die Schüler nach dem neuen Verfahren (separate Punkte für Rechtschreibung, Grammatik und Wortschatz) bis zu 18 Punkte mehr bekommen als vorher und somit mehr als zwei Teilnoten besser sind als vorher.


    Jemand, der beispielsweise Dutzende Grammatikfehler macht, würde 0 von 12 Punkten für Grammatik bekommen, aber im Extremfall 6 von 6 Punkten für Rechtschreibung und 12 von 12 Punkten für Wortschatz. Nach dem alten Punkteschema mit FQ wären es 0 Punkte gewesen.


    Die neue Einteilung in - polemisch überspitzt - "sehr viele", "viele", "mittelviele" und "wenige" Fehler inklusive eines Punktespektrums innerhalb dieser Kategorien wirkt sehr willkürlich und ist m.E. nicht wirklich objektivierbar.


    Ich kann das Prinzip insoweit verstehen, dass man wegkommen will von der "Fehlergeilheit" und sozusagen das Positive bewerten will. Dabei kommt im Fach Englisch aber ein Bewertungsraster heraus, das mehr oder weniger bedeutet, dass jeder Schüler, der halbwegs einen Satz auf Englisch geradeaus schreiben kann, direkt eine drei bekommt.


    Es ist im Rahmen dieser schwammigen Kriterien des gesamten Rasters (nach Zentralabitur) de facto schon fast ein Kunststück der Inkompetenz, wenn man da noch eine fünf schreibt.


    Natürlich ist mir klar, dass das politisch von Frau S. so gewollt ist. Aber hier wird dieselbe Leistung des Schülers per definitionem einfach schöner gemacht, damit sich die Ergebnisse als Erfolg verkaufen lassen.


    Später klagen dann die Professoren wieder über nicht studierfähige Abiturienten - und wer ist es dann natürlich schuld? Die unfähigen Lehrer.


    Danke, Frau S.


    Gruß
    Bolzbold

  • Das seh ich ganz genau so... wer mit diesem System eine 5 schreibt, muss sich dafür wirklich verdammt anstrengen. Und nicht dass jetzt einer kommt und sagt, die bösen Lehrer wollen ja nur schlechte Noten geben, das nun wirklich nicht.
    Aber diese Kriterien sind tatsächlich so dermaßen schwammig, dass es die Bewertung auch schwierig macht.
    Genauso wenig gefällt mir, dass es drei verschiedene Kategorien für Wortschatz gibt (fachsprachlich, interpretierend, allgemein).


    Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass es die Noten besser macht - zumal es vielen ja dann auch schwer fällt, tatsächlich 0 Punkte zu geben... man ist ja doch versucht zu sagen, naja... einen kann ich ihm schon geben. Und dann läppert sich das am Ende doch.


    Mir gefällt einerseits die Transparenz dieser Raster (wobei andererseits man bei den inhaltlichen Kategorien aufpassen muss, dass die Schüler das nicht missverstehen als nur diese Lösung war möglich und richtig), aber dieser Schwerpunkt auf Sprache, die eben nur auf Verständlichkeit ausgerichtet ist, gefällt mir auch nicht.


    Katta
    (Nachtrag: ich spreche hier nur aus Referendarperspektive mit eingeschränkten praktischen Erfahrungen gschweige denn Routinebildungen... nur mal so, falls ich groben Schwachsinn erzählt haben sollte... ;) )

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Dito! Die Klausurnoten sind vom System her oben beschnitten (es ist selten, dass mehrere Schüler eine Eins erreichen), unten sind sie ebenfalls beschnitten - nur im Grundkurs schafft mal ab und zu einer eine Vier, Fünfen sind unvorstellbar geworden - und als Folge bewegen sich alle Noten in diesem breiten middle-of-the road-Mittelfeld zwischen Zwei Plus und Drei Minus. Gähn.


    Die tatsächlich vorhandenen Qualitätsunterschiede zwischen den Leistungen der einzelnen Schüler sind "wegnivelliert" worden. Das gefällt auch nicht allen Schülern - aber was soll's, ich zuck die Achseln und weise darauf hin, dass das politisch nun mal so gewollt ist.
    Hab ich nicht zu verantworten und daher auch nicht zu rechtfertigen.


    Privat geäußert: Ja, ärgern tut's mich schon. BRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRR!!!! Erste Sahne, Frau S.
    Gruß,
    putzi

    "I think it would be a great idea." (Mohandas Karamchand Gandhi when asked what he thought of western civilization)

  • Vielleicht mache ich ja was falsch, aber ich habe trotzdem immer mehrere sehr gute und auch mangelhafte Klausuren. "Objektiv" mangelhafte Klausuren sind ja meistens auch inhaltlich und stilistisch Kappes, so dass die 6 Punkte für jemanden, der zwar kein Englisch kann, aber keine Rechtschreibfehler macht, den Braten nicht mehr fett machen.

    • Offizieller Beitrag

    @Dudel


    Nach dem alten System gebe ich Dir Recht.


    Aber bei uns haben wir schon die Erfahrung gemacht, dass die fünf damit zum "Kunststück" wird. Wer nach dem neuen System eine fünf schreibt, muss WIRKLICH grottig sein.


    Stellt sich die Frage, wie Du bei der kommunikativen Gestaltung benotest.


    Bei uns hat die FK beschlossen, von 5 Punkten auszugehen und nur bei Beanstandungen Punkte abzuziehen. Das resultiert dann in selten weniger als drei von fünf Punkten pro Teilkriterium, weil jeder Schüler einen halbwegs vernünftigen Text produziert - nach diesen Kriterien.
    Bei 10 Sprachkriterien kommen da schnell 30 und mehr Punkte zusammen - und schnell hast Du dann die 68 Punkte für ein glattes ausreichend zusammen.


    Das Schlimme ist aus meiner Sicht auch weniger die Bepunktung an sich als die Willkür, die das neue System zur Benotung der Sprache darstellt.
    Es lässt sich aus meiner Sicht nicht hinreichend begründen, wann nun beispielsweise 6 oder 7 von 12 Punkten gegeben werden. Oder wann das Textverständnis nun etwas, erheblich oder gar nicht erschwert wird. Das hängt doch sehr von der beurteilenden Lehrkraft ab.
    Das Perfide ist, dass hier eine Objektivität suggeriert wird, die es so nicht gibt und m.E. jetzt noch weniger gibt als vorher.


    Je schwammiger Kriterien sind, desto mehr Spielraum lassen sie für entsprechende individuelle Auslegungen und persönliche Vorlieben. Sollte DAS erreicht werden?
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Lehrer fabriziert haben.


    Gruß
    Bolzbold

  • Zitat

    Original von Bolzbold
    Das Schlimme ist aus meiner Sicht auch weniger die Bepunktung an sich als die Willkür, die das neue System zur Benotung der Sprache darstellt.
    ...
    Das Perfide ist, dass hier eine Objektivität suggeriert wird, die es so nicht gibt und m.E. jetzt noch weniger gibt als vorher.


    Ich zitiere mal Konrad Macht:


    "Trotz scheinbarer Subjektivität, die sich durch zunehmende Erfahrung der Bewerter weitgehend ausschalten lässt, ergibt dieses Verfahren [der subjektiv-integrativen Beurteilung] dem Anschein nach ein valideres Urteil über die kommunikative Leistungsfähigkeit eines Lernenden als der Fehlerindex."


    (in Timm (Hrsg) 1998 Englisch lehren und lernen. Berlin, S. 375.)


    Der Fehlerindex ist ja auch nicht frei von Subjektivität. Ich bin der Meinung, dass die Kollegien regelmäßig einzelne Klassenarbeiten auswählen sollten, diese in Einzelarbeit bewerten und die Bewertung dann gemeinsam besprechen sollten. Vielleicht so einmal im Monat oder alle zwei Monate. Ich glaube, dass der einzelne Lehrer dann in zunehmendem Maße objektivere Urteile bilden kann.

  • Zitat

    Stellt sich die Frage, wie Du bei der kommunikativen Gestaltung benotest.


    Zitat

    Bei uns hat die FK beschlossen, von 5 Punkten auszugehen und nur bei Beanstandungen Punkte abzuziehen.


    Das ist zwar sehr schülerfreundlich, aber damit unterstützt Ihr doch genau das, was Du in diesem Thread kritisierst. So könnte ich auch keine mangelhaften Noten vergeben. Du schreibst ja selbst, wie leicht man sich 30 Punkte zusammensammelt.


    Wenn ein Schüler keine sinnvollen Absätze macht, dann bekommt er bei mir auch keine Punkte dafür. Absätze machen sie ja alle mal (spätestens bei der Bearbeitung einer neuen Aufgabe :rolleyes:), aber nur die guten Schüler machen wirklich sinnvolle Absätze, die volle 5 Punkte verdienen.


    Bezüglich der Subjektivität von Leistungsbewertungen kann ich mich CKRs Beitrag nur anschließen: Noten sind ohnehin subjektiv. Die Schüler nehmen sie zwar als "objektiver" wahr, aber auch das kann man im Unetrricht thematisieren.


    Gruß,
    Dudel

  • Zitat

    Original von putzmunter
    Dito! Die Klausurnoten sind vom System her oben beschnitten (es ist selten, dass mehrere Schüler eine Eins erreichen), unten sind sie ebenfalls beschnitten - nur im Grundkurs schafft mal ab und zu einer eine Vier, Fünfen sind unvorstellbar geworden - und als Folge bewegen sich alle Noten in diesem breiten middle-of-the road-Mittelfeld zwischen Zwei Plus und Drei Minus. Gähn.
    i


    Das entspricht meiner Meinung aber auch eher der Realität. Wenn man mal wirklich seine Klasse von außen beurteilt - nach dem Motto: Wie gut sind die in Englisch. Dann sind doch die meisten im Mittelfeld ohne riesen Unterschiede und es gibt sehr wenige Ausreißer nach unten oder nach oben.
    Muss man denn wirklich jeden Schüler in eine exakte, nach Komma abtrennbare Kategorie sortieren? Mal davon abgesehen, ob das überhaupt geht.
    Denkt mal an die Ergebnisse beim Referendariat. Gibt es da wirklich Qualitätsunterschiede zwischen Referendaren mit 1,5 und 2,3?
    Was man wirklich mit Sicherheit sagen kann, sind doch nur die oben kritisierten Kriterien "fast keine, wenig, mittel und viele Fehler". Der Rest hängt von allem möglichen ab (wieviel Fehler streiche ich an, bin ich von demjenigen gute Qualiät gewöhnt, wie streng bin ich heute, usw.), ist aber bestimmt nicht "objektiver".

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